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Die Schauspielerin, Regisseurin und Autorin Angelika Hurwicz wurde am 22. April 1922 als Tochter des
Schriftstellers, Soziologen und Publizisten russisch-jüdischer Herkunft Elias Hurwicz1) (1884 1973)
in Berlin-Schöneberg geboren. Schon früh interessierte sie sich für die Schauspielerei, teilte
wie der zwei Jahre ältere Marcel Reich-Ranicki1) (1920 2013), dessen Eltern
mit der Familie Hurwicz befreundet waren, die Begeisterung für das Theater. Sie konnte jedoch
aufgrund der perfiden NS-Rassengesetze1)
als "Halbjüdin" keine reguläre Theaterschule besuchen, stattdessen nahm sie zwischen 1939
und 1942 privaten Unterricht bei Lucie Höflich. Anschließend fand sie 1942/43 an einer
erzgebirgischen Wanderbühne
Unterschlupf, tingelte mit der Truppe durch die Provinz und sammelte so
Bühnenerfahrungen. Nach der Schließung aller Theater aufgrund der "totalen Mobilmachung" 1944 arbeitete sie
bis Kriegsende in einer Auto-Werkstatt. Die dunkle Zeit des Nationalsozialismus bzw. den Holocaust
überlebten Elias und Angelika Hurwicz nur durch die, wie es im
NS-Jargon hieß, "deutschblütige" Ehefrau bzw. Mutter.
Angelika Hurwicz 1954
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_pkm_0001148_184)
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek
Urheber: Abraham
Pisarek1) (19011983); Datierung: 01.1954
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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Nach Ende des 2. Weltkrieges gelang ihr dank Gustav von Wangenheims
in Berlin der Sprung an das renommierte "Deutsche
Theater"1), Ende 1948 wurde die 27-Jährige dann von Bertolt Brecht1) und dessen
Ehefrau Helene Weigel
für das frisch gegründete "Berliner
Ensemble" (BE) engagiert. Anfangs noch in den Räumen des
"Deutschen Theaters" beheimatet, fand dort am 11. Januar 1949 die
triumphale Premiere von Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder" mit Helene Weigel in der Titelrolle statt,
Angelika Hurwicz machte als stumme Kattrin auf sich aufmerksam und
ihr Spiel "erlangte theaterhistorische Bedeutung"**).
"Angelika Hurwicz ist der Ruhepol. Sie sitzt in vielen Szenen einfach nur konzentriert da, hört und guckt
aufmerksam zu, nicht angestrengt, aber sehr wachsam. Ihre Kattrin ist ein gutmütiges, der Außenwelt neugierig zugekehrtes
Geschöpf, das tief in sich ruht. Erst am Ende, wenn es darum geht, die Stadt vor den Soldaten mit lauten
Trommelschlägen zu warnen, bricht eine unglaubliche Energie aus ihr hervor. Das
hat etwas sehr Modernes, wie Hurwicz ihre Rolle so relaxed anlegt und gleichzeitig jede Bewegung enorm präzise ausführt. An
ihrem Spiel ist nichts zu viel, nichts verschwommen. Was aber am meisten verwundert, sieht man heute die
Videoaufzeichnung, ist, dass eine so junge Schauspielerin bereits so rund, so
unabgelenkt und so still fröhlich in sich ruht. Man könnte bei bestem Willen
nicht raten, wie alt sie wohl gerade ist. Prall, wuchtig, schwer und erdig ist
ihr Körper, ihre Bewegungen sind ein wenig linkisch und träge, ihre Ausstrahlung ganz mütterlich, ihr apfelrunder Kopf und ihr Gesicht aber haben
etwas freundlich Kindliches." schrieb unter anderem die Journalistin Karin Cerny in
dem Artikel in der "Berliner
Zeitung" (05.02.2000). Für ihre darstellerische Leistung
wurde die Charaktermimin 1949 mit dem "Nationalpreis
der DDR"1) ausgezeichnet.
In den kommenden Jahren verlieh Angelika Hurwicz etlichen Brecht'schen Figuren Profil, etwa der Frau Perez in "Die
Gewehre der Frau Carrar", der Grusche in "Der kaukasische Kreidekreis" oder der Frau Sarti in "Leben
des Galilei". Auch als Regisseurin war sie erfolgreich, gab 1955 ihr Debüt mit der
Komödie "Die Ziehtochter oder Wohltaten tun weh" von Alexander N. Ostrowski mit Helene Weigel in der weiblichen
Hauptrolle der Wassilissa, Ekkehard Schall als Grischa
und Fred Düren als Negligentow.
Im folgenden eine kleine Auswahl der Rollen bzw. Theaterstücke, mit denen
Angelika Hurwicz am "Berliner Ensemble" Publikum und Kritiker zu
überzeugen wusste (Quelle (überwiegend) und Link: Wikipedia):
1958 verließ Angelika Hurwicz das "Berliner Ensemble" bzw. die ehemalige DDR,
arbeitete als freischaffende Künstlerin an Theatern in Westdeutschland (u. a. Hannover, Frankfurt/M,
Wuppertal. Köln), aber auch in
Zürich, London und Wien und hinterließ als Schauspielerin, später auch als Regisseurin
nachhaltigen Eindruck. Beispielsweise trugen in Wuppertal die Inszenierungen von Carl Sternheims1)
Schauspiel "Tabula rasa" (1966/67), Alexander N. Ostrowskis1)
Komödie "Wölfe und Schafe" (19681970) und Goethes
"Torquato Tasso"1) (1969/70) ihre
Handschrift. Am renommierten Wiener "Burgtheater" wirkte sie zwischen 1978 und Mitte der 1980er Jahre, hier ist
ihre Inszenierung von Arthur Schnitzlers "Professor
Bernhardi"1) (1980/81) mit Norbert Kappen
(1928 1984) in der Titelrolle hervorzuheben,
ein Stück, dass am 26. Februar 1983 auch im Fernsehen ausgestrahlt wurde → Krimihomepage
SPEZIAL. Weitere Regiearbeiten am "Burgtheater" waren unter
anderem "Die Besessenen" (1983) von Albert Camus1) sowie
Henrik Ibsens Schauspiel
"Die
Frau vom Meer"1) (1985), das wegen
der eigenwilligen Regie jedoch ein ambivalentes Echo fand. Den Part des
Lyngstrand sollte ursprünglich Otto Clemens1) spielen sollen, der während
der Proben aufgrund künstlerischer Auseinandersetzungen mit Hurwicz seine
weitere Mitarbeit jedoch beendete. "Viele Schauspielerkollegen
bewunderten seine konsequente Haltung und solidarisierten sich mit Otto Clemens. Er sollte recht behalten: Die Aufführung wurde ein
Misserfolg." kann man bei Wikipedia lesen.
Zum Film kam Angelika Hurwicz Ende der 1940er Jahre, gab ihr Leinwanddebüt
in der sentimentalen Dreiecksgeschichte "Unser Mittwochabend" (1948), wenig später kam Anfang November 1948 Gustav von Wangenheims zweite
Kino-Regiearbeit "Und
wieder 48"1) in die Lichtspielhäuser. Es folgten, mitunter
auch kleinere Aufgaben in weiteren DEFA-Produktionen, so in Slatan Dudows
atmosphärisch dichten Geschichte "Unser
täglich Brot"1) (1949),
in Georg C. Klarens Literaturadaption "Die
Sonnenbrucks"1) (1951) und in Arthur Pohls "Die
Unbesiegbaren"1) (1953), der
erste DEFA-Film zur Geschichte der sozialistischen deutschen
Arbeiterbewegung. In Kurt Maetzigs Zweiteiler "Schlösser
und Katen"1) (1956/57)
zeigte sie sich als Hede, als 1961 die
Filmfassung von Brechts "Mutter
Courage und ihre Kinder"1)
in die Kinos kam, konnte sich auch ein breites Publikum von Hurwicz'
herausragenden Schauspielkunst überzeugen.
Im DDR-Fernsehen erlebte man sie neben einigen Theater-Inszenierungen bzw. -Aufführungen zuletzt als Frau des Holzdrehermeisters Hartmann Schönherr in "Kater
Lampe"2) (1958), gedreht
nach der Dialektkomödie
von Emil Rosenow1). In den
nachfolgenden Jahrzehnten trat Angelika Hurwicz immer mal wieder mit
prägnanten Rollen auf dem Bildschirm in Erscheinung, oft handelte es sich
um Adaptionen von Theaterstücken wie Maxim Gorkis "Nachtasyl"3) (1959)
und "Wassa Schelesnowa"3) (1963),
Brechts "Leben des Galilei" (1962) und "Herr Puntila und sein Knecht Matti" (1966) oder
Dürrenmatts "Frank V. Die Oper einer Privatbank" (1967).
Beachtung fand sie mit der Gestaltung der Titelrolle bzw. der engagierten Fabrikarbeiterin in "Der große Tag der Berta Laube"
(EA: 21.01.1969), eine Geschichte aus der deutschen Arbeitswelt, die NDR-Chefdramaturg Dieter Meichsner1)
"nach Vorlagen aus der Realität" verfasst und selbst in
Szene gesetzt hatte → www.wunschliste.de.
Eine ihrer letzten großen Fernseh-Auftritte
hatte sie als die in Weimar lebende Frau Ökonomierat Behring
in dem TV-Spiel "Miele" mit dem Untertitel "Ein Charakterbild" (1987)
und Inge Andersen als still-bescheidene bzw. treu-ergebene Magd Miele, von
Theater-Regisseur und -Intendant Hansgünther Heyme1)
realisiert nach der Erzählung von Johannes Schlaf1) → www.spiegel.de.
Mit dem Part der Mutter Wilms in der "Tatort"-Folge "Der Pott"1) (1989)
verabschiedete sich
die Charakterdarstellerin endgültig von den Fernsehzuschauern.
Erwähnt werden sollte, dass sich Angelika Hurwicz sporadisch als Sprecherin
in verschiedenen Hörspiel-Produktionen betätigte, eine Auswahl der in der ARD-Hörspieldatenbank
aufgeführten Produktionen findet man hier am Ende des Artikels.
Angelika Hurwicz war mit der 15 Jahre älteren Gerda Goedhart († 1994) liiert, die sie am "Berliner Ensemble" kennengelernt
hatte und die als "Hof-Fotografin" Brechts galt.
Diese veröffentlichte 1960 das Portrait "Die Schauspielerin Angelika
Hurwicz: Ein Fotobuch", in dem vor allem viele Rollen-Fotos
präsentiert werden. Mit Goedhart ließ sie sich Mitte der 1980er Jahre
endgültig in der Gemeinde Bergen (Nordholland) nieder, wo sie nach dem Tod
ihrer Lebensgefährtin zurückgezogen die letzten Jahre verbrachte.
Angelika Hurwicz erlag am 26. November 1999 im Alter von 77 Jahren in einem
Krankenhaus in Bergen einer Krebserkrankung.
Ihr autobiografisch gefärbter Roma "Die Nische des Insekts"
erschien noch kurz vor ihrem Tod, der Roman "Der neue Hamlet"
blieb unveröffentlicht.
In einem Nachruf schrieb Christoph Funke in "Der
Tagesspiegel" (30.11.1999) unter anderem: Ihre Rollengestaltungen, und die Grusche vor
allen anderen, werden unvergessen bleiben. Klein, gedrungen, nicht landläufig
schön, überwältigte sie als Kattrin und Grusche sowohl durch hinreißende
Naivität und Freundlichkeit als auch durch Tapferkeit, aus unbewusst listiger
Vorsicht kommend. Angelika Hurwicz brauchte nicht nach Effekten zu suchen. Sie
war in allen ihren Rollen einfach und unübersehbar da, als eine Frau mit tief
innerer Glaubwürdigkeit, geprägt und gebeutelt von den Widrigkeiten des Lebens,
und doch voller Humor und Zuversicht. Sie zeigte immer die schreckliche Verführung zur Güte und die Anspannung, mit
der solcher Verführung widerstanden werden muss. "Sie verschärft die Situation", schrieb
der Londoner "Observer" 1956, "indem sie die Verwicklung ignoriert: durch das, was sie
weglässt, erkennen wir ihre Darstellung als eine große."
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