Über zwei Jahrzehnte lang war er einer der größten deutschen Schauspieler,
für viele sogar "der Jahrhundertschauspieler": Heinrich George
Geboren am 9. Oktober 1893 in Stettin1)
(heute Polen) als Georg August Friedrich Hermann Schulz (seit 1932 auch mit
bürgerlichem Namen Heinrich George) und Sohn
eines ehemaligen Deckoffiziers besuchte er später die Oberrealschule in
Berlin und zeigte schon als Schüler großes Interesse für das Theater; noch
vor dem Abitur verließ er die Schule, um in seiner Geburtsstadt
Schauspielunterricht zu nehmen. Erste Engagements am Stadttheater in Kolberg
(heute Kołobrzeg1),
Polen), in Bromberg (heute Bydgoszcz1),
Polen) sowie am Hoftheater von
Neustrelitz1) in Mecklenburg schlossen sich ab 1912 an. Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges meldete
sich der junge Schauspieler freiwillig zu
den Pionieren, wurde im Winter 1915 schwer verwundet und 1917 aus dem Kriegsdienst entlassen.
Sogleich setzte George seine Laufbahn als Schauspieler fort, zur Spielzeit 1917/18 erhielt er
ein Engagement am "Albert-Theater"1) in Dresden, wechselte dann für
drei Jahre nach Frankfurt am Main an das dortige Schauspielhaus1) (19181921), gab seit 1920 bereits erste Gastspiele in
Berlin, wo er sich als Ensemblemitglied des "Deutschen
Theaters"1) 1922 endgültig niederließ.
Heinrich George als Goethes "Götz von Berlichingen"
Foto um 1935 → Info-Karte
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_bika024_0000497_motiv)
Eigentümer/© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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Ein Jahr später gründete er unter
anderem mit Alexander Granach und
Elisabeth Bergner das "Schauspielertheater",
ein Versuch prominenter Schauspieler, sich vom kommerziellen Theaterbetrieb unabhängig zu
machen. Im Verlaufe der nächsten Jahre avancierte George zu einem der renommiertesten Charakterdarsteller
des Theaters, brillierte sowohl in klassischen als auch modernen Stücken, feierte
Triumphe beispielsweise als Wallenstein1),
Falstaff1),
Faust1), Götz von
Berlichingen oder als Kurfürst im "Prinz
Friedrich von Homburg"1).
Er arbeitete mit den Galionsfiguren des linken Theaters zusammen, so mit Bertolt Brecht1)
und zwischen 1925 und 1928 an der "Volksbühne"1) mit
Erwin Piscator1); ab 1927
inszenierte George auch selbst am Theater.
Auf der expressionistischen Bühne der 1920er Jahre hatte George unter der Regie Erwin Piscators als
Protagonist Hinkemann in Ernst Tollers1)
gleichnamigen Kriegsheimkehrer-Stück1), in Dramen von O'Neill und
anderen die ersten Erfolge gefeiert, die zu Stufen eines raschen und eindrucksvollen Aufstiegs zu jener Höhe wurden,
auf der Künstlerpersönlichkeiten wie Paul Wegener,
Werner Krauss,
Eugen Klöpfer
und Emil Jannings die Bühne jener Zeit beherrschten. Eine
beeindruckende Darstellung brachte George beispielsweise 1925 mit der
Figur des Dieners Länsmann in August Strindbergs1) Märchenspiel "Die Kronbraut" ("Kronbrude") auf die Bühne, Shakespeare, Schiller, Hebbel und Ibsen gaben ihm
große Heldenrollen als "Othello"1), "Macbeth"1), "Falstaff",
"Peer Gynt"1) oder
dem Reichsvogt Gessler im "Wilhelm Tell"1), zu denen 1930 seine stärkste Rolle, der
"Götz von Berlichingen" in
der Urfassung, trat, den er in unvergesslicher Weise verkörperte. Weitere Rollen waren
unter anderem "Der
Marquis von Keith" von Frank Wedekind1), die
Gerhart Hauptmann1)-Figuren
"Florian Geyer"1)
und "Fuhrmann Henschel"1)
sowie später immer wieder Calderón de la Barcas "Der Richter von Zalamea"1).
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Seit Anfang der 1920er Jahre übernahm George Rollen in
Stummfilmproduktionen, gleich mit einem seiner ersten Filme, dem Biopc "Kean"1) (1921) über
den Schauspieler Edmund Kean1) machte er als
Protagonist auf sich aufmerksam. Es folgten Streifen wie "Die Perlen der Lady Harrison" (1922) oder "Der Mensch am Wege"1) (1923),
in Stummfilmen wie "Das Panzergewölbe"1) (1926) oder Fritz Langs Klassiker
"Metropolis"1) (1927) fühlte sich der
Schauspieler jedoch ohne Sprache beengt, erst mit dem Tonfilm konnte er
die gesamte Bandbreite seiner schauspielerischen Möglichkeiten voll zum
Ausdruck bringen → Übersicht Stummfilme. Der Erfolg seiner ersten Tonfilme führte den Schauspieler im Januar 1931
auch nach Hollywood, wo er an zwei deutschsprachigen Filmen der "Metro-Goldwyn-Mayer"
mitwirkte. Doch George kehrte nach Deutschland zurück, da er als
deutschsprachiger Schauspieler im amerikanischen Film keine Zukunft für sich
sah.
Foto (Originalbeschreibung): Besuch bei Heinrich George in Wannsee,
Bismarckstr. 34,
vor seinem Haus mit seiner Dogge "Fellow" (Foto: Waske, Aufnahme: 1930er Jahre)
Quelle: Deutsches
Bundesarchiv, Digitale
Bilddatenbank, Bild 183-H09160;
Fotograf: Bruno Waske / Datierung: 1930 / Lizenz CC-BY-SA 3.0
Genehmigung des Bundesarchivs zur Veröffentlichung innerhalb dieser Webpräsenz
wurde am 11.10.2010 erteilt.
Originalfoto und Beschreibung:
Deutsches Bundesarchiv Bild 183-H09160 bzw. Wikimedia Commons
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Zu seinen bedeutenden frühen filmischen Leistungen gehören
beispielsweise der Gastwirt Dickert in Robert Wienes "Der Andere"1) (1930),
einem Remake des gleichnamigen
Stummfilms1) von Max Mack1) aus dem Jahre 1913, an der Seite von
Fritz Kortner,
der hartgesottene Knastbruder Butch in "Menschen hinter Gittern"1) (1931),
der (grandiose) Franz Biberkopf in "Berlin Alexanderplatz"1) (1931), die Rolle
des Rektors in Carl Froelichs "Reifende Jugend"1) (1933),
der Baron von Wehrhahn in Jürgen von Altens Hauptmann-Adaption "Der
Biberpelz"2) (1937) oder die
Titelfigur in "Der Postmeister" (1940),
nach der Novelle von Alexander Puschkin1). Hans Steinhoff besetzte ihn mit der Figur des
Arztes Dr. Hans Stockmann in seiner Ibsen-Verfilmung "Ein
Volksfeind"1) (1937), in "Das unsterbliche Herz"1) erlebte man
ihn 1939 als "Uhrenerfinder" Peter Henlein1), in "Don Pedro soll hängen"2) (1941) als
Kellner Manuel, in "Hochzeit auf dem Bärenhof"1) (1942)
als den Herren auf Bärenhof, Baron von Hanke, und in "Der Verteidiger hat das
Wort"2) (1944) war er der
Strafverdteidiger Justizrat Jordan.
George, der seine Schauspieltechnik einmal als "kontrollierte Trance" bezeichnet hat
("Berliner illustrierte Nachtausgabe", 08.10.1943),
hatte seine besten Szenen immer dann, wenn er ganze Passagen in einem Stück
durchgehend spielen konnte, so gilt beispielsweise seine als Schriftsteller Émile Zola1) gehaltene Verteidigungsrede in Richard Odwalds
Drama "Dreyfus"1) (1930)
mit Fritz Kortner in der Rolle des Hauptmanns Alfred Dreyfus1) noch heute als "meisterlich".
Foto: Heinrich George als Peter Henlein
in "Das
unsterbliche
Herz"1),
einem Drama aus dem Jahre 1939
Foto mit freundlicher Genehmigung
der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung
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"Der Postmeister" ist einer der nachhaltigsten Filme des großen deutschen
Schauspielers Heinrich George.
Es ist nicht nur einer seiner berühmtesten Filme, sondern auch eines der
besten Beispiele für Filmpropaganda während des Dritten Reiches, auch wenn der
Filminhalt scheinbar ganz unpolitischer Natur war. Denn nach dem deutschen
Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 verschwand
"Der Postmeister" schnell aus den deutschen Lichtspielhäusern,
weil er vom nunmehrigen Feind ein zu menschliches und freundliches Bild zeichnete.
In der Zeit vor dem
"Unternehmen Barbarossa"1), der
Ära des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts1)
zwischen Hitler1) und
Stalin1), war es genau umgekehrt.
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Der Postmeister
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Uraufführung: 25. April 1940
Regie: Gustav Ucicky
Drehbuch: Gerhard Menzel
Musik: Willy Schmidt-Gentner
Darsteller/-innen:
Heinrich George (Der Postmeister), Hilde Krahl (dessen Tochter Dunja),
Siegfried Breuer (Rittmeister Minskij),
Hans Holt (Fähnrich Mitja),
Ruth Hellberg (Elisawetha),
Margit Symo (Mascha),
Frida Richard (alte Frau im Zugabteil),
Alfred Neugebauer (Gutsbesitzer),
Franz Pfaudler (Knecht Pjotr),
Leo Peukert (Oberst),
Erik Frey (Sergej),
Reinhold Häussermann (Schneider),
Auguste Pünkösdy (Wirobowa),
Oskar Wegrostek (Hausknecht beim Rittmeister),
Hugo Gottschlich (Diener des Rittmeisters),
Anton Pointner (Kavalier an der Newa-Brücke),
Karl Ehmann (alter Hausbewohner Sascha),
Mimi Stelzer (Katja, Köchin des Rittmeisters),
und andere |
"Der
Postmeister" gilt als eine der schönsten Novellen Alexander
Puschkins, die in der Sammlung
"Die
Geschichten des verstorbenen Iwan Petrowitsch Belkin" enthalten ist.
Regisseur Gustav Ucicky hat den Stoff mit hervorragenden Darstellern
und kunstvoller Kameraführung meisterlich verfilmt.
Die Produktion gewann bei den "Internationalen Filmfestspielen von Venedig" 1940 den
"Mussolini-Pokal" als "Bester ausländischer Film".
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Wer immer die schöne Dunja, Tochter des liebenswürdigen, etwas
naiven Postmeisters, erblickt, ist bezaubert von der Anmut und dem Charme
der jungen Frau. So ergeht es auch dem Rittmeister Minskij, der Dunja gehörig den Kopf verdreht und sie schließlich
überredet, ihr Dorf zu verlassen und mit ihm nach St. Petersburg zu gehen.
Dem Vater erzählt der weltgewandte Offizier, er wolle Dunja heiraten doch
anstatt seine ehrbaren Absichten wahr zu machen, entehrt der zynische Lebemann
das Mädchen und degradiert es zur Maitresse der vornehmen Petersburger Gesellschaft.
Zwar ist Dunja der Mittelpunkt jeder Feierlichkeit, aber
in den Armen der dekadenten Herren findet sie weder Respekt, noch Liebe.
Als sie eines Tages den gutherzigen Fähnrich Mitja kennen lernt, der
nichts von ihrem Leben weiß, glaubt Dunja, die Liebe ihres Lebens gefunden zu haben.
Ihren unglücklichen Vater erreichen derweil Gerüchte vom Treiben seiner Tochter.
Voller Wut und Verzweiflung macht sich der Postmeister auf den Weg nach St. Petersburg.
Um ihm die grausame Wahrheit zu ersparen, lässt Dunja sich auf einen Handel mit
ihrem Verführer Minskij ein: sie verspricht ihm wieder gefügig zu sein, wenn er ihr hilft,
dem Vater eine glückliche Vermählung vorzuspielen
(Quelle: www.deutsches-filminstitut.de)
Heinrich George und Hilde Krahl während der Dreharbeiten
zum Film "Der Postmeister" in den Wiener "Rosenhügel-Filmstudios"
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen
Nationalbibliothek (ÖNB)
Körperschaft / Urheber: Franz Blaha → bildarchivaustria.at;
© ÖNB/Wien/Franz Blaha;
Datierung: 17.11.1939
Bildarchiv Austria (Inventarnummer 12590/1)
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Die Darstellung des Postmeisters gilt neben der Rolle des Franz Biberkopf in der
Verfilmung des Romans "Berlin Alexanderplatz"
(1931) von Alfred Döblin als Georges
größte filmschauspielerische Leistung. Der Regisseur Jürgen Fehling (1885 1968) schrieb über Georges
Interpretation des getäuschten, liebenden Vaters:
"Ich habe ihn geliebt wie keinen anderen Schauspieler deutscher Zunge. Er war ein elementarer
Schauspieler (
) der heisere Rabe konnte wie ein Troubadur
zur Laute bestrickend singen, und im Postmeister tanzte er wie ein (
) mozärtlicher
Elephant (
) ein Granitblock, dem diamantene Tränen entfallen (
) mit einem Ausmaß an
Phantasie, das Gott in hundert Jahren nur ein paar Mal an Schauspieler
verschenkt."
Siehe auch Wikipedia
Fremde Links: Wikipedia
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War Heinrich George in den 1920er Jahren Sympathisant der Kommunisten
gewesen, so wandelte er sich jedoch mit der Machtübernahme der
Nationalsozialisten zum bereitwilligen Unterstützer der neuen Ideologie. Er
spielte Hauptrollen, wenn auch nur wenige, in notorischen NS-Propagandafilmen wie
"Hitlerjunge Quex"1),
dem unsäglichen Hetzfilm "Jud Süß"1)
und dem Durchhaltestreifen "Kolberg"1).
Schließlich wurde er als "Staatsschauspieler" ausgezeichnet und
bekam 1937 die Intendanz des Berliner "Schillertheaters"1) übertragen, die
er Ende 1938 nach dem Umbau des Hauses antrat. George holte die großen
Regisseure jener Zeit wie Jürgen Fehling1)
und Walter Felsenstein1), Schauspieler wie
Paul Wegener und
Horst Caspar,
Ernst Legal und den jungen
Will Quadflieg an die Bühne und spielte seine berühmten Rollen mit
vitaler Kreatürlichkeit und Urigkeit. "Er war ein so besessener
Schauspieler, dass er ohne Theater nicht hätte leben können", urteilte
Will Quadflieg über seinen ehemaligen Kollegen und Intendanten
Heinrich George. Er nahm jedoch auch Künstler unter Vertrag, die dem
NS-Regime "unerwünscht" waren, darunter den Kunsthistoriker Wilhelm Fraenger1) (als Kommunist 1933 in
Heidelberg entlassen), den katholischen Schauspieler Robert Müller1) (gemäß
der so genannten
nationalsozialistischen Rassegesetze1)
als Jude entlassen), den Grafiker Karl Rössing1) (Kommunist) und dessen Schüler
Günther Strupp1).
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Vielleicht war es gerade Georges Besessenheit, die ihn die Augen vor der
Propaganda-Maschinerie der Nazis verschließen ließ: In
"Hitlerjunge Quex" (1933), einem der ersten Filme,
die die Machtübernahme offen feierten, spielte er einen zum Nationalsozialismus bekehrten Kommunisten.
In den folgenden Jahren
gehörte auch George zu den herausragenden Repräsentanten des NS-Films, wobei er
sich als überaus wandlungsfähiger Schauspieler erwies: In historisch-biografischen Filmen, wie "Das unsterbliche Herz"1) (1939)
und "Andreas Schlüter"1) (1942) verkörperte der wuchtige Schauspieler Führerpersönlichkeiten,
die unbedingten Gehorsam fordern.
Foto: Heinrich George als Herzog Karl Eugen von Württemberg1)
in "Friedrich
Schiller Der Triumph eines Genies1)
einem Historienfilm aus dem Jahre 1940
mit Horst Caspar als Friedrich
Schiller
Foto mit freundlicher Genehmigung der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung
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In dem Hetzfilm "Jud Süß"1) (1940),
einem der infamsten NS-Propagandafilme, lieferte er als
dekadent-vergnügungssüchtiger Karl Alexander1), Herzog von Württemberg, sein Land bedingungslos seinem
jüdischen Finanzberater Joseph Süß Oppenheimer
(Ferdinand Marian) aus. In dem Durchhaltestreifen "Kolberg"1) (1945),
einer von Georges letzten Filmen, rief er als Bürgermeister Joachim Nettelbeck1) die von Napoleons Truppen
belagerten Stadt zur Verteidigung um jeden Preis auf; diese beiden
Produktionen gelten bis heute als "Vorbehaltsfilme"1)
und dürfen nur mit Zustimmung der "Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung"1)
bzw. zu deren Bedingungen gezeigt werden → Übersicht Tonfilme mit Heinrich George.
Nach dem Zusammenbruch und Ende des 2. Weltkrieges wurde George im
Juni 1945 nach einer Denunziation von den Russen verhaftet und in Hohenschönhausen1)
(Speziallager Nr. 3) interniert, später in das sowjetische "Speziallager Nr. 7"1),
das ehemalige "KZ Sachsenhausen"1) bei Oranienburg verbracht, das den Russen
nach dem Sieg über die Nazis in die Hände gefallen war.
Heinrich George Mitte Februar 1943 bei einer Kundgebung
Quelle: Deutsches
Bundesarchiv, Digitale
Bilddatenbank, Ausschnitt Bild 183-J03249;
Fotograf: Schwahn / Datierung: 18.02.1943 / Lizenz CC-BY-SA 3.0.
Genehmigung des Bundesarchivs zur Veröffentlichung innerhalb dieser Webpräsenz
wurde
am 11.10.2010 erteilt.
Originalfoto und Beschreibung:
Deutsches Bundesarchiv Bild 183-J03249
bzw. Wikimedia
Commons
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Trotz geschwächten Gesundheitszustandes und seelischen Leidens gelang es dem besessenen
Theatermimen während der Internierung eine Lager-Theatertruppe
zusammenzustellen und mit dieser den "Faust"1) mit sich selbst in der
Titelrolle einzustudieren.
Der einst so vitale und schwergewichtige Heinrich George starb am 25. September 1946 zwei Wochen vor
seinem 53. Geburtstag völlig entkräftet in Sachsenhausen vermutlich an einem Hungerödem.
Die Lagerverwaltung hatte den praktischen Arzt Dr. Schumann gedrängt, als Todesursache
"An den Folgen einer Blinddarmoperation" einzutragen, was dieser als offenkundig falsch jedoch ablehnte,
notiert Wikipedia. Als "Sondervergünstigung" wurde von der Lagerkommandantur ein Sarg bewilligt,
in dem Heinrich George im angrenzenden Oranienburger Wald begraben wurde. Nach dem Ende
der DDR wurde das lange verschollene Grab ausfindig gemacht, die sterblichen
Reste identifiziert und George schließlich Mitte Oktober 1994 auf dem
Berliner "Friedhof
Zehlendorf"1) im Kreise von Familie und Freunden beigesetzt → Foto der Grabstätte
bei Wikimedia Commons.
Mag Georges Wirken während der Nazi-Zeit auch umstritten sein, unbestritten
ist die schauspielerische Kraft und Dominanz des vielschichtigen
Charakterdarstellers. Mehr als 50 Jahre nach dessen Tod im NKDW-Lager Sachsenhausen plädierten
mit Will Quadflieg, Gisela Uhlen und vielen anderen nicht zuletzt auch Georges Söhne Götz und Jan für
ein Ende der Verurteilung Heinrich Georges als Nazi und Staatskünstler des
"Dritten Reiches".
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Tatsächlich war George nie Mitglied irgendeiner Parteiorganisation der NSDAP, tatsächlich hat
seine Moskauer Akte kein belastendes Material hervorgebracht. Beifall und Begünstigung der
braunen Elite hat er freilich gern genossen, hat ihr formell gehuldigt und in den meisten
"großen" Propagandafilmen wichtige Rollen gespielt. Heinrich George war der einzige unter Deutschlands
bedeutenden Künstlern, der nach Kriegsende ein solch tragisches Ende
fand, zurück blieb das
hässliche Bild eines Mitläufers. Ihm bot sich nicht wie seinen Kollegen die Chance, durch neue
Arbeiten das einstige Bild verblassen zu lassen und Korrekturen
einzufordern. Überlebt hat er in den Erinnerungen, in den Filmen und in
seinem berühmten Sohn Götz George.
Seit 1933 war Heinrich George mit der Schauspielerin Berta Drews (1905 1987)
verheiratet gewesen, die häufig mit ihm auf der Bühne stand.
Sohn Götz George kam 1938 zur
Welt und avancierte später ebenfalls zu einem hoch angesehenen Schauspieler; Götz George starb am 19. Juni 2016
rund vier Wochen vor seinem 78. Geburtstag. Der
ältere Bruder Jan George (geb. 1931) machte sich einen Namen als Fotograf, Dokumentar- und Werbefilmer.
Heinrich George als "Quacksalber" Rasmus Thomsen in
"Der kluge Mann", einer Komödie von Paul Sarauw (1883-1959)
am Berliner "Schillertheater";
Datierung: 17.12.1937
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen
Nationalbibliothek (ÖNB)1)
Körperschaft: New York Times Photo; © ÖNB/Wien;
Datierung: 17.12.1937
Bildarchiv Austria (Inventarnummer FO300154/01)
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Über den großen Charakterdarsteller Heinrich George ist viel
geschrieben worden: Im März 2000 veröffentlichte der
Historiker Kurt Fricke1) "Spiel am Abgrund. Heinrich George,
eine politische
Biographie"; das Buch entstand 1999 aus einer Dissertation an der MLU Halle-Wittenberg
und enthält eine Fülle von dokumentarischem Material.
Behandelt wird der Aufstieg Georges zum umjubelten Film- und
Theaterstar in der Weimarer Republik, sein Engagement für die sozial
Schwachen in dieser Zeit, seine Tätigkeit unter Erwin Piscator, seine
Entscheidung 1933 in Deutschland zu bleiben, die Einbindung in den
NS-Kulturbetrieb, die Hilfe für gefährdete Kollegen und
Mitmenschen sowie das Ende in sowjetischer Lagerhaft.
Bereits 1996 war von Peter Laregh das Werk "Heinrich George. Komödiant seiner Zeit" erschienen sowie
zwei Jahre später "Heinrich George. Mensch, aus Erde gemacht. Die politische
Biographie" von Werner Maser1). Basierend auf teils sensationellen Dokumenten
aus deutschen und russischen Archiven, zeichnet das Buch umfassend die immer wieder
kontrovers diskutierten politischen Intentionen des großen Schauspielers Heinrich George nach, seine
"Beziehungen" zu den jeweiligen Machthabern, seine innere Haltung wie öffentliche Wirkung.
Porträt Heinrich George 1943
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen
Nationalbibliothek (ÖNB)1)
Körperschaft: Weltbild; © ÖNB/Wien;
Datierung: 07.10.1943
Bildarchiv Austria (Inventarnummer
OEGZ/P619)
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Große Resonanz rief das von SWR-Autor Joachim A. Lang1) in Szene gesetzte
Doku-Drama "George"1)
hervor, welches nach der Uraufführung (21.06.2013) beim "Festival des deutschen Films"
sowie der Präsentation (02.07.2013) im Berliner Kino "Babylon" am
22. Juli 2013 erstmals bei ARTE und zwei Tage später in der ARD ausgestrahlt
wurde. Der Film fand nicht zuletzt wegen seines Hauptdarstellers ungemeine
Beachtung und sorgte für Schlagzeilen Sohn Götz George schlüpfte in
die Rolle seines "Übervaters", der wegen seiner Verstrickungen
im Nationalsozialismus nicht ganz unumstritten ist. Wikipedia
notiert: "Szenische Filmelemente und Rückblenden durch historisches Filmmaterial zeigen die wichtigsten Stationen
im Leben des Schauspielers Heinrich George seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten bis hin zu seiner
letzten Theatervorstellung im Gefangenenlager Hohenschönhausen. Der Film baut sich anhand von Verhören auf,
denen sich Heinrich George stellen muss. Das russische Volkskommissariat für innere Angelegenheiten (NKWD) versucht
Georges Verstrickungen im NS-Regime nachzuvollziehen. Thematisiert werden Georges Rollen in den Propagandafilmen
"Jud Süß" oder "Kolberg", ebenso wie sein Engagement für jüdische Kollegen und Oppositionelle, während er das
"Schillertheater" leitete. In realen Szenen erklärt Götz George, wie es für ihn war, seinen eigenen Vater zu spielen."
Auch die anderen Rollen waren prominent besetzt, so spielte unter anderem
Martin Wuttke1) den NS-Propagandaminister Joseph Goebbels1),
Muriel Baumeister1) Georges Ehefrau Berta Drews,
Thomas Thieme den Schauspieler Paul Wegener,
Hanns Zischler den Maler Max Beckmann1)
und Burghart Klaußner den Pianisten Helmut Maurer, Heinrich Georges Mithäftling
im sowjetischen Gefangenenlager Hohenschönhausen; als Zeitzeugin
kam die damals 95-jährige Anneliese Uhlig zu Wort.
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