Filmografie / Hörspiel
Willy Reichert (Rudolf Wilhelm Reichert) wurde am 30. August 1896 als Sohn eines Maschinenmeisters in Stuttgart1) geboren. Nach dem Besuch der Realschule (bis zur "mittleren Reife") besuchte er in Braunschweig1) die "Fachschule des Dr. von Morgenstern"1), arbeitete bis 1915 in dem erlernten Beruf des Zuckertechnikers in einer Zuckerraffinerie in Hildesheim1), musste dann während des 1. Weltkrieges bis 1918 Soldat seinen Kriegsdienst leisten. Nach Kriegsende entschied sich Reichert, Schauspieler zu werden, ließ sich ab 1920 ungefähr ein Jahr lang am "Stuttgarter Staatstheater" bei Max Bing1) ausbilden, gab anschließend sein Bühnendebüt am "Schauspielhaus Stuttgart"1). Danach stand er an verschiedensten Theatern in Deutschland auf der Bühne, kehrte jedoch immer wieder in seine Geburtsstadt zurück.
So wurde er 1922 an das Stadttheater im oberbayerischen Landsberg1) verpflichtet, ein Jahr später wechselte er ins sächsische Zwickau1), 1924 ging er an das "Stadttheater Heilbronn"1), wo er hauptsächlich in Opern und Operetten auftrat. An das "Münchner Volkstheater"1) kam Reichert 1925, nach einem Jahr spielte er wieder bis 1932 am "Schauspielhaus Stuttgart". Von seinen zahlreichen Rollen, sowohl als Komiker als auch im Charakterfach, wurde vor allem seine Darstellung des Mackie Messer in "Die Dreigroschenoper"1) von Bertolt Brecht/Kurt Weill1) gerühmt  – Reichert verlieh dieser Figur eine prachtvolle Schärfe und unheimliche Präzision. Am Rande soll erwähnt werden, dass der Schauspieler sich zu diesen Zeiten weigerte, auf der Bühne auch nur einen Satz Schwäbisch zu sprechen.

Willy Reichert 1958 in seiner Paraderolle des Amtsdieners Gabriel Fabre
in der TV-Version des Lustspiels "Mein Sohn, der Herr Minister" nach
dem Stück "Fiston" von André Birabeau (1890–1974); Regie: Hannes Tannert1);
diese Figur verkörperte Reichert mehrfach, sowohl auf der Bühne als auch im Film.
Foto mit freundlicher Genehmigung von SWR Media Services; © SWR

Willy Reichert 1958 als Bürodiener Gabriel in der TV-Version des Lustspiels "Mein Sohn, der Herr Minister" von André Birabeau; Regie: Hannes Tannert; Foto mit freundlicher Genehmigung von SWR Media Services; Copyright SWR
Willy Reichert  und Oscar Heiler (r.) als "Häberle und Pfleiderer" 1960, Varieté-Programm Mez; Urheber: Willy Pragher1); Lizenz: CC BY 3.0; Rechteinhaber: Landesarchiv Baden-Württemberg; Quelle: Deutsche Digitale Bibliothek bzw. Wikimedia Commons Inspiriert von dem österreichisch-deutschen Vortragskünstler Marcell Salzer1) fühlte sich Reichert Anfang der 1930er Jahre von den "Brettern, die die Welt bedeuten" immer mehr zum "Brettl" hingezogen: 1931 erfand er zusammen mit dem Österreicher Charly Wimmer die Kunstfiguren "Häberle und Pfleiderer"1) nach dem Vorbild des ungarischen Kabarettduo "Badsek & Sajound". Aber nur zwei Wochen nach der erfolgreichen Premierenvorstellung des Duos am 16. Dezember 1931 im Pavillon des Stuttgarter "Excelsior-Theaters" erlitt Wimmer einen schweren Motorradunfall und musste innerhalb weniger Stunden durch den bis dahin unbekannten Stuttgarter Oscar Heiler1) (1906 – 1995) ersetzt werden – beide machten mit diesen schwäbischen Kleinbürgern auf den Varietébühnen Furore. Nach Kriegsende war die große Zeit der Show- und Varietétheater vorbei, doch Reichert und Heiler wurden schnell in ganz Deutschland in zahlreichen Fernsehsendungen populär. Reicherts berühmtes Lächeln, seine urkomischen Verlegenheitsgesten und sein einmaliges Hin und Her zwischen Schwäbisch und Schriftdeutsch wurde stets vom Publikum begeistert aufgenommen. "Auch über 1.000 Werbespots für einen Suppenhersteller absolvierte das Duo, 1959 hatte der letzte neue Sketch Premiere. Sie traten bis in die 1970er Jahre regelmäßig in Unterhaltungsveranstaltungen in Baden-Württemberg auf.6nbsp;(…) Zahlreiche Sketche wurden verfilmt und waren auch Bestandteil der Fernsehreihe "Deutschland, Deine Schwaben" nach dem gleichnamigen Buch von Thaddäus Troll1)." notiert Wikipedia.
 
Willy Reichert  und Oscar Heiler (r.) als "Häberle und Pfleiderer"
1960, Varieté-Programm Mez
Urheber: Willy Pragher1); Lizenz: CC BY 3.0;
Rechteinhaber:
Landesarchiv Baden-Württemberg
Quelle: Deutsche Digitale Bibliothek bzw. Wikimedia Commons
Vor allem in den 1950er Jahren wirkte Reichert in verschiedenen Heimat- und Unterhaltungsfilmen mit und auch hier verkörperte er meist den urwüchsigen Schwaben. Sein Leinwanddebüt gab er 1949 als Bürgermeister bzw. Filmvater von Sonja Ziemann in dem Streifen "Nach Regen scheint Sonne"1), ebenfalls 1949 sah man ihn als den Briefträger "Postmartl" in "Die drei Dorfheiligen"1) nach dem gleichnamigen Schwank1) von Max Neal1) und Max Ferner1) mit Joe Stöckel, Beppo Brem und Erhard Siedel1). Unter anderem mimte er in Zuckmayer-Adaption "Der fröhliche Weinberg"1)  (1952) den Wirt Eismayer, in der Kästner-Verfilmung "Das fliegende Klassenzimmer"1) (1954) war er der Herr Thaler, Vater von Martin (Peter Tost), und in der Geschichte "Vatertag"1) (1955) der Fahrlehrer Gustav Helbig. Reichert übernahm kleinere Rollen in Produktionen wie dem musikalischen Heimatfilm "Schwarzwälder Kirsch"1) (1958), der Heinz Erhardt-Komödie "Der letzte Fußgänger"1) (1960) oder der amüsanten Literaturadaption "Drei Mann in einem Boot"1) (1961) mit Walter Giller, Heinz Erhardt und Hans-Joachim Kulenkampff.
Doch ganz sagte entsagte Reichert der "ernsthaften" Bühne nie; als Gegengewicht zum "Tingeln", zu Radio, Film und Fernsehen spielte er nach dem 2. Weltkrieg wieder regelmäßig Theater, so unter anderem an der Stuttgarter "Komödie im Marquardt"1), wo er auch als Amtsdieners Gabriel Fabre in "Mein Sohn, der Herr Minister" auftrat. 1955 bot er in Stuttgart eine kabarettistische Revue, die frei nach Schopenhauer als die "Welt als Willy und Vorstellung" bezeichnet wurde.
In den 1960er Jahren konzentrierte sich Reichert neben seiner Arbeit beim Rundfunk vermehrt auf das Fernsehen, war unter anderem in der TV-Serie "Schwäbische Geschichten" (1963–1966) als Bürgermeister Gottfried Gscheidle oder in der Hotelserie "Die Gäste des Felix Hechinger"2) (1964/65) der Chefportier Felix Hechinger. Er erfreute TV-Zuschauer als Protagonist in "Der müde Theodor"3) (1965) nach den Schwank von Max Neal und Max Ferner oder zeigte sich 1968 in der Serie "Die Chronik der Familie Nägele"2) gleich mit drei Rollen, als Schneidermeister Hans Nägele, als dessen unehelichen Sohn Karl Schüntler und als Wilhelm Nägele, Bruder des Firmengründers Hans. In dem Fernsehspiel "Der Vogel läßt das Singen nicht", das anlässlich seines 70. Geburtstag im Jahre 1966 gesendet wurde, spielte er den Dorfpfarrer Michael von Jung1), der Anfang des 19. Jahrhunderts im oberschwäbischen Kirchdorf an der Iller1) die Beisetzungen in seiner Gemeinde mit selbstverfassten Moritaten aufzulockern versuchte bzw. dessen Grablieder, die er gerne mit der Laute begleitete, ihn mehrfach in Konflikt mit der kirchlichen Obrigkeit brachten.

Willy Reichert als Theodor Hagemann in dem Schwank "Der müde Theodor" (1965)
zusammen mit (v.l.n.r) Flory Jacoby1), (Hagemanns Frau Rosa)
Rosl Mayr (Frieda, Dienstmädchen bei Hagemanns)
Monika Peitsch (Jenny, Tochter der Hagemanns)
und Thomas Reiner1) (Reallehrer Eusebius Findeisen)
Foto mit freundlicher Genehmigung von SWR Media Services; © SWR

Willy Reichert als Theodor Hagemann in dem Schwank "Der müde Theodor" (1965) zusammen mit (v.l.n.r) Flory Jacoby, Rosl Mayr, Monika Peitsch und Thomas Reiner; Foto mit freundlicher Genehmigung von SWR Media Services
1970 sah man ihn als Kriminalrat a. D. Otto Sikorski in der Gaunerkomödie "Die Herren mit der weißen Weste"1) wieder mal auf der Leinwand, neben Heinz Erhardt als kleinem Finanzbeamten Willi Winzig präsentierte sich Reichert als Staatssekretär Kuhländer in dem Lustspiel "Was ist denn bloß mit Willi los?"1) (1970) und in dem von Helmut Käutner inszenierten Film "Die Feuerzangenbowle"1) (1970), dem Remake des legendären Klassikers (1944) mit Heinz Rühmann nach dem gleichnamigen Roman1) von Heinrich Spoerl1), schlüpfte er in die Rolle des Gymnasialprofessors Bömmel, der in der 1944er-Verfilmung1) hinreißend von Paul Henckels gespielt worden war – den Dr. Hans Pfeiffer stellte diesmal Walter Giller dar → Übersicht Kinofilme.
Anlässlich seines 75. Geburtstages erlebte man Reichert im Herbst 1971 und Anfang 1972 als Moderator in der fünfteiligen Fernsehserie "Deutschland, Deine Schwaben"2) nach dem Buch von Thaddäus Troll1). 1971 ging Reichert mit dem "Schwaben-Express" zusammen mit anderen durch Fernsehen, Funk und Schallplatte bekannt gewordenen Humoristen auf eine Deutschlandtournee. Zuletzt sahen die Fernsehzuschauer den Künstler als den alten Grafiker bzw. Geldfälscher Ewald Eckstein in der "Tatort"-Folge "Stuttgarter Blüten"1) (EA: 01.04.1973) auf dem Bildschirm. Die Ausstrahlung der schwäbischen Erinnerungen "Ich denke oft an Krottenbrunn"2), der Fortsetzung von "Schwäbische Geschichten", erfolgte ab 12. Januar 1982, hier tauchte Reichert in verschiedenen Rückblenden noch einmal als Bürgermeister Gscheidle auf → Übersicht TV-Produktionen.
Zudem stand der beliebte Künstlern vornehmlich für den "Südwestfunk"1) im Hörspielstudio, sprach auch hier den Herrn Pfleiderer; eine Auswahl der bei der ARD Hörspieldatenbank gelisteten Produktionen findet man hier.
 
Willy Reichert, der auch zahlreiche Schallplatten (unvergessen sein "Auf der schwäb'sche Eisebahne"), Bücher und Gedichtbände in schwäbischer Mundart veröffentlichte, wurde 1956 mit dem "Großen Bundesverdienstkreuz"1) ausgezeichnet. Ihm zu Ehren wurde in Stuttgart-Süd die ca. 220 Meter lange "Willy-Reichert-Staffel"1) hoch zur Karlshöhe1) nach ihm benannt, die "Oscar-Heiler-Staffel" liegt nur ein paar hundert Meter weiter an der Hohenzollernstraße. Am alten "Friedrichsbau-Theater"1) in Stuttgart erinnert seit 1994 eine von Rudolf Kurz geschaffene Bronzeplastik an Willy Reichert und Oscar Heiler als "Häberle und Pfleiderer" → Foto bei Wikimedia Commons.
Zu Reicherts Buchveröffentlichungen zählen unter anderem "Lerne Lachen ohne zu klagen" (1952) und "Mir reichert's. Randbemerkungen eines Vierteles-Philosophen" (1963); von Heinz Hartwig erschien "Das Große Willy Reichert-Buch" (1959) → mehr bei Wikipedia.
Willy Reichert 1960,  Varieté-Programm Mez; Urheber: Willy Pragher; Lizenz: CC BY 3.0; Rechteinhaber: Landesarchiv Baden-Württemberg; Quelle: Deutsche Digitale Bibliothek bzw. Wikimedia Commons

Willy Reichert bewirtschaftete seit mehr als 35 Jahren im oberbayerischen Grassau1) im Ortsteil Mietenkam einen eigenen mittleren Betrieb; seine besondere Vorliebe galt den Pferden und der Reitkunst. Dort starb der Komiker, Kleinkünstler und Buchautor am 8. Dezember 1973 im Alter von 77 Jahren. Die letzte Ruhe fand er auf dem alten Gemeindefriedhof in Grassau (Landkreis Traunstein) → Foto der Grabstelle bei knerger.de sowie Wikimedia Commons.
Der Tod des Volksschauspielers rief ein weites Echo hervor: Der damalige Baden-Württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger1) telegrafierte der Witwe, Willy Reichert habe "uns den eigenen Spiegel vorgehalten, in dessen Hintergründigkeit wir uns immer auf liebenswürdige Art kritisiert und belehrt fühlten und die uns jedes Mal zum Nachdenken anregte". Kultusminister Wilhelm Hahn1) schrieb, Reichert sei in einer Person ein exemplarischer Schwabe und ein ausgezeichneter Schauspieler gewesen. Der schwäbische Mundartdichter Thaddäus Troll1) nannte ihn "den bekanntesten und beliebtesten Schwaben, seit Theodor Heuss1) tot ist". Die "Schwäbische Zeitung" begann ihren Nachruf so: "Hochdeutsch ist der Tatsache schwer beizukommen. Willy Reichert ist tot – ja waas! Ja was hot denn dem g'fehlt? So ebbes! Hano, Do guck na. Jetzt gang! Und dann langgezogen: Sooso, jaja. D'r Reichert! So kurz vor Weihnachta. (…) Schwäbische Betroffenheit drückt sich nicht in großen Worten und langen Sätzen aus, auch wenn es um einen Landsmann von der Qualität und Beliebtheit eines Willy Reichert geht, der als schwäbisches Musterexemplar, als Berufsschwabe, als der schwäbische Humorist schlechthin seit Jahrzehnten Triumphe auf der Bühne, im Fernsehen, im Film und im Radio feierte."  

Willy Reichert 1960, Varieté-Programm Mez
Urheber: Willy Pragher1); Lizenz: CC BY 3.0;
Rechteinhaber: Landesarchiv Baden-Württemberg
Quelle: Deutsche Digitale Bibliothek bzw. Wikimedia Commons

Willy Reichert, der auch nach seinem Tod immer noch als der Renommierschwabe schlechthin gilt, war seit 1939 mit der Schauspielerin Elisabeth Amman verheiratet und hatte zwei Kinder, Thomas (* 1948) und Julia (* 1950). Sohn Thomas Reichert absolvierte ein Regie-Studium an der Münchner "Otto-Falckenberg-Schule"1) (→ regie-thomasreichert.de), Tochter Julia Reichert gründete 1989 zusammen mit Christopher Widauer in Graz das heute in Wien angesiedelte "Kabinetttheater"1) → kabinetttheater.at.
Siehe auch Wikipedia, deutsche-biographie.de
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) fernsehserien.de, 3) Die Krimihomepage
   
Filme
Kinofilme / Fernsehen
Filmografie bei der Internet Movie Database sowie filmportal.de
(Fremde Links: Wikipedia, filmportal.de, tls.theaterwissenschaft.ch, Die Krimihomepage)
Kinofilme Fernsehen (Auszug)
Hörspielproduktionen (Auszug)
(Fremde Links: ARD-Hörspieldatenbank (mit Datum der Erstausstrahlung), Wikipedia)
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