Eine
Gummibärentüte sieht aus wie die andere - so wird der naive Gummibärenkonsument
meinen. Aber weit gefehlt: Bei genauerem Hinsehen werden diffizile
Unterschiede gewahr, die nach unserem heutigen Kenntnisstand eindeutig
Einfluss auf das Sozialverhalten der Bärchen haben.
Die
Tütengröße*)
Wie
schon Traxler (Aus dem Leben der Gummibärchen, S. 54, Zürich: Diogenes,
1992) feststellt, werden Gummibärchen, die auf zu engem Raum in einer Tüte
zusammenleben, aggressiv und verlieren das Interesse an der Fortpflanzung
(siehe auch "Aggressives Gummibärchen").
Daraus wurde abgeleitet: Je günstiger das Verhältnis von Tütengröße und
Anzahl der in ihr lebenden Gummibären ist, desto mehr Nachwuchs ist zu
erwarten und um so friedlicher verhalten sich die Bärchen. Es zeigte sich
aber, wie so oft in der Forschung, dass die einfache Lösung nicht die
richtige ist. In einer Untersuchung wurde bei konstant gehaltener (handelsüblicher)
Tütengröße (15 x 10 cm) die Anzahl der Gummibärchen manipuliert. Die
Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
1 Gummibärchen: geht vor Einsamkeit schnell
ein.
2-5 Gummibärchen: finden sich meist nicht in
der großen Tüte, insbesondere dann nicht, wenn man sie anfänglich in
verschiedenen Ecken positioniert.
6-30 Gummibärchen: Optimale Anzahl für eine 15 x 10 cm große Tüte. Es wird reichlich Nachwuchs erzeugt. Da die Population
schnell anwächst, müssen ständig Bärchen entnommen werden, um Probleme zu
vermeiden, die bei Überbevölkerung auftreten (siehe unten). Oft wird von
Unkundigen aber aus reiner Gier der fatale Fehler begangen, dass sie zu viele
der Bären gleichzeitig entnehmen, und dann wegen zu geringer
Populationsdichte eine weitere Vermehrung verhindert wird (siehe oben). Bei
kontrollierter Entnahme kann der Inhalt einer einzigen Tüte aber ein ganzes
Forscherleben versüßen.
31-100 Gummibärchen: Aggressives Verhalten,
kein Interesse mehr an der Fortpflanzung. Wird eine solche Tüte geöffnet,
springen einem garstige Bärchen entgegen, die völlig ungenießbar sind.
*)
Ähnlichkeiten mit realen Tüten sind rein zufällig.
Die
Farbzusammensetzung
Die
ursprüngliche Farbzusammensetzung einer Tütenpopulation hat entscheidenden
Einfluss auf das Sozialverhalten, wie Untersuchungen zum Zusammenhang von
Farbe und Charakter anzeigen. (Natürlich bleibt die Farbzusammensetzung
einer Tütenpopulation nicht konstant, sondern es kommt aufgrund von
Kreuzungen zu Änderungen.)
Rote Gummibärchen
schmecken am besten. Darauf
sind sie sehr stolz; ja, man muss sie sogar als eingebildet bezeichnen. Ihr
ganzes Streben ist darauf gerichtet, ihre geschmackliche Note mit den
verschiedensten Methoden zu verbessern. In Tüten halten sie sich bevorzugt
in den unteren Regionen auf, verdeckt von Bären anderer Farbe, so dass möglichst
kein Luftstrom ihr herrliches Aroma verwässern kann. Gelingt ihnen das nicht
optimal, dann pressen sie sich eng an andere Bären, um ihnen Feuchtigkeit zu
entziehen und das eigene Aussehen zu verbessern: Rote Bären
sind Schmarotzer. So mancher Tütenbesitzer hat sich schon gewundert, warum
die roten Bären so frisch aussehen und fruchtig schmecken, während alle
andersfarbigen Bären schon längst verdorrt und knittrig am Tütenboden
liegen (siehe auch: "Verdorrtes grünes Gummibärchen").
Gelbe Gummibärchen
gelten als tendenziell aufsässig.
Sie wuseln meist orientierungslos durch die Tüte, ohne auf die Bedürfnisse
ihrer Mitbären Rücksicht zu nehmen. Tütentumulte, die sich durch immer
lauter werdendes Rascheln ankündigen, werden durch kollektives Gelbgummibärenwuseln
ausgelöst.
Orange Gummibärchen
sind Kreuzungen aus roten
und gelben Gummibärchen. Ihre Charaktereigenschaften sind - ganz anders als
die ihrer gelben und roten Eltern - mit prosozial, hilfreich und friedlich zu
bezeichnen. Sie sind es, die die Tütengemeinschaft davor bewahren, im Chaos
zu versinken. Verfügt eine Tüte nur über wenige oder gar keine orangen Bären,
kann man ihr nur wünschen, einem Kind in die Hände zu fallen, dessen ES
noch ungehindert schalten und walten kann.
Farblose Gummibärchen sind
entweder krank (alle kranken Gummibärchen verlieren ihre Farbe) oder sie
geben in der Tüte politisch den Ton an. Wie auch unsere Politiker sind sie
glasklar, durchsichtig und haben nichts zu verbergen. In Tüten mit
vorwiegend farblosen Bären ist entweder eine Seuche ausgebrochen (dann
lassen sich natürlich keine Vorhersagen des Sozialverhaltens aufgrund der
Farbe machen), oder man hat es mit einem Haufen Bären zu tun, die sich alle
berufen fühlen, die Geschicke ihrer Mitbären zu lenken. Das kann auf die
Dauer nicht gut gehen. Es kommt zu spontanen Farb- und damit auch zu
Charakterveränderungen, so dass das Gleichgewicht wiederhergestellt ist.
Grüne Gummibärchen
sind charakterlich eher zurückhaltend,
angepasst, friedlich und unauffällig. Das ist erstaunlich, da sie Nachkommen
von blauen und gelben Eltern sind, die ja eher als aufsässig und
nichtsnutzig gelten.
Blaue Gummibärchen
gibt es nicht mehr. Sie sind
schon lange ausgestorben. Man sagt ihnen allerdings nach, dass sie nie zu den
tragenden Säulen der Gummibären-Gesellschaft gehörten. Man muss sich eine
Tütenpopulation mit vorwiegend blauen Gummibärchen wahrscheinlich als
verlottert vorstellen.
Weitere
Einflüsse auf das Sozialverhalten
Neben
den beiden hier ausführlich besprochenen Punkten (Tütengröße,
Farbzusammensetzung) ist eine Reihe weiterer Bedingungsfaktoren für das
Sozialverhalten ausgemacht worden: