Sir Richard Attenborough (Richard Samuel Attenborough) wurde am 29. August 1923
in Cambridge, der Hauptstadt der britischen Grafschaft Cambridgeshire, geboren. Aufgewachsen in
Leister, wo sein Vater ein Universitäts-College leitete, entwickelte der ältere Bruder des
Naturforschers und Tierfilmers Sir David Attenborough1) (geb. 1926) sich
früh zu einem hervorragenden Schüler mit Bühnenambitionen. Als Stipendiat an
der "Royal Academy of Dramatic Art" stand er 1941 erstmals in London in
Eugene O'Neills "Ah, Wilderness" (O Wildnis) auf der Bühne. Ein Jahr später spielte er seine
erste Filmrolle in Noel Cowards Kriegsfilm
"In Which We Serve"1), mimte einen ängstlichen Schiffsheizer, der
auf dem Höhepunkt der Schlacht aus Feigheit seinen Posten verlässt.
Attenborough machte großen Eindruck, war dadurch jedoch jahrelang auf ähnliche Rollen festgelegt.
Sir Richard Attenborough in den 1980er Jahren
Das Foto wurden mir
freundlicherweise von
der Fotografin Virginia Shue
(Hamburg) zur Verfügung gestellt.
Das Copyright liegt bei Virginia Shue.
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Zwischen 1943 und 1946 versah er seinen Kriegsdienst bei der
"Royal Air Force", ab 1944 bei der "RAF Film
Unit", wo er unter anderem 1945 in dem Propaganda-Übungsfilm "Journey
Together" mitwirkte. Nach dem zweiten Weltkrieg kehrte Attenborough nach
London zurück und agierte in zahlreichen britischen Filmen wie beispielweise
als englischer Pilot in dem Streifen "A Matter of Life and Death"1)
(1946, Irrtum im Jenseits), doch bis Mitte der 1950er Jahre ohne größere
Wirkung auf das Publikum. Beachtung fand er erst mit erfolgreichen Komödien
wie "Private's Progress"1) (1956,
Der beste Mann beim Militär) und "Brothers in Law" (1956) von
Regisseur John Boulting oder Jay Lewis' "The Baby and the Battleship" (1956,
Das Baby auf dem Schlachtschiff). Aber auch in Kriegsdramen wie "Sea
of Sand"1) (1958, Die schwarzen
Teufel von El Alamein) wusste er zu überzeugen. Attenboroughs Karriere
verlief gradlinig, langsam ansteigend, er war oft in seinen Rollen der
gebrechliche oder aufbrausende junge Mann. Seine Figuren waren vielschichtig,
hier der gefährliche Psychopath Pinkie Brown wie in John Boultings
"Brighton Rock" (1947, auch "Young Scyreface",
Finstere Gassen), dort der pathetische, ruhige Kidnapper Bill Savage in
Bryan Forbes' "Seance on a Wet Afternoon"1) (1964,
An einem trüben Nachmittag) bis hin zum krankhaften "John Christie der
Frauenwürger von London"1) (1971, 10 Rillington Place) in
Richard Fleischers dokumentarisch angelegtem Spielfilm.
Nach zahlreichen Arbeiten vor der Kamera gründete er zusammen mit dem Darsteller, Regisseur
und Autor Bryan Forbes1) 1959 die Produktionsfirma
"Beaver Films", die sich auf kleine, ambitionierte Projekte spezialisierte. Ihre erste Arbeit war 1960
"The Angry Silence" (Zorniges Schweigen) mit Attenborough in der Hauptrolle,
der Film wurde ein weltweiter Erfolg künstlerisch und geschäftlich.
Es folgten meist von
Forbes selbst inszeniert so kassenträchtige Produktionen wie "League of Gentlemen"1) (1959, Die Herren Einbrecher geben sich die
Ehre),
"Séance on a Wet Afternoon"1) (1964, An einem trüben Nachmittag)
oder "Guns
at Batasi"1) (1964, Schüsse am
Batasi); für seine Rolle
des Sergeant Major Lauderdale in
letztgenanntem Film wurde Attenborough als "Bester Schauspieler
des Jahres" von der britischen Filmakademie ausgezeichnet.
Anschließend präsentierte er sich in so bekannten Produktionen wie "The Flight of the
Phoenix"1) (1965, Der Flug des Phönix) mit, oder ein Jahr später in
"The Sand Pebbles"1) (1966, Kanonenboot am
Yangtsekiang).
Attenborough zeigte sich als Major Roger Bartlett, genannt "Big X", in John Sturges'
Meisterwerk "The Great Escape"1) (1963, Gesprengte Ketten) neben Steve McQueen und James Garner, als
Zirkusdirektor Albert Blossom
in Richard Fleischers Filmmusical "Doctor
Doolittle"1) (1967, Doktor Dolittle) an der Seite von Protagonist Rex Harrison
oder 1968 in "The Bliss of Mrs. Blossom" (1968, Hausfreunde sind auch Menschen).
In den 1970er Jahren übernahm er beispielsweise Hauptrollen in Otto Premingers Polit-Thriller "Rosebud"1) (1975, Unternehmen
Rosebud) und
in dem Polizeifilm "Brannigan"1)
(1975, Brannigan Ein Mann aus Stahl), als Schauspieler trat Attenborough vorerst letztmalig 1979
in Otto Premingers Graham Greene-Adaption "The Human Factor"1) (Der menschliche Faktor) auf.
Erst 1993 stand Attenborough für Steven Spielbergs SciFi-Abenteuer "Jurassic Park"1)
wieder vor der Kamera und setzte die Rolle des exzentrischen Milliardärs John Hammond
auch in dem 2. Teil "The Lost World"1)
(1997, Vergessene Welt: Jurassic Park) fort.
1994 hatte er die Hauptrolle in der Komödie "Miracle
on 34th Street"1) (Das Wunder von
Manhattan) übernommen, in Kenneth Branaghs "Hamlet"-Verfilmung1)
aus dem Jahre 1996 mimte er einen britischen Gesandten und in dem opulenten
Historiefilm "Elizabeth"1) (1998)
mit Cate Blanchett in der Titelrolle den britischen Staatsmann William Cecil1) (1521 1598).
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Ein echter Star wurde Richard Attenborough allerdings erst in seiner dritten
Karriere als Regisseur.
1969 lieferte er mit dem aufwendigen Antikriegsmusical "Oh! What a Lovely
War" seine erste Regiearbeit ab, eine formal ungewöhnliche Satire auf
den 1. Weltkrieg. In den 1970er Jahren inszenierte er weitere Stücke oder hatte
Auftritte in den Filmen seiner Regie-Kollegen. Sein 1977 gedrehtes,
starbesetztes Kriegsspektakel
"A Bridge Too Far"1)
(Die Brücke
von Arnheim) wurde von einigen Kritikern als Attenboroughs schwächste Regie-Arbeit
bezeichnet, der unmittelbar danach inszenierte Psychothriller "Magic"1)
(Magic Eine unheimliche Liebesgeschichte) als sein bester Film gewertet.
Der spektakulärste Erfolg seiner Regiearbeit blieb 1982 sein Wunschfilm
"Gandhi"1),
ein monumentales, meisterliches Werk mit Ben Kingsley3) in der Titelrolle. Das
mit acht Oscars ausgezeichnete Leinwandepos, unter anderem "Bester Film" und
"Beste
Regie", erzählt grandios die Lebensgeschichte des indischen Unabhängigkeitskämpfers
Mohandas Gandhi1)
(1869 1948), genannt "Mahatma Gandhi". Mit
einigen Inszenierungen in den 1980er/1990er Jahren feierte er zwar künstlerische
Triumphe, musste aber finanzielle Misserfolge hinnehmen. Besonders das Drama "A Chorus Line"1)
(1985) nach dem gleichnamigen erfolgreichen Broadway-Musical über die Schattenseiten des Showbusiness
sowie seine Hommage an den großen Charles Chaplin, "Chaplin"1) (1992), kamen
trotz des anspruchsvollen Themas an den Kinokassen
nicht an.
Sir Richard Attenborough in den 1980er Jahren
Das Foto wurden mir
freundlicherweise von der Fotografin Virginia Shue
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Durchweg gute Kritiken erhielt sein "Apartheid"-Drama "Cry
Freedom"1) (1987, Schrei nach
Freiheit) über den südafrikanischen
Bürgerrechtler Steve Biko1)
(19461977), dargestellt von Denzel Washington1).
Das Lexikon des internationalen Film
notiert unter anderem "Die Freundschaft eines liberalen südafrikanischen
Journalisten mit einem Bantu-Führer bildet die Basis für eine nachdrückliche
Anklage gegen die Auswüchse der Apartheid-Politik. Wegen seiner humanitären
Tendenzen sehenswert." Nach "Shadowlands"1) (1996, Shadowlands ein Geschenk des Augenblicks)
folgte die Hemingway-Verfilmung "In Love And War"1) (1997),
eine Liebesgeschichte mit Sandra Bullock und Chris O'Donnell in den Hauptrollen,
die die Erlebnisse des jungen Ernest Hemingway in den Wirren des
Zweiten Weltkrieges nacherzählt. Neben den Vorbereitungen für eine
Filmbiografie
über Thomas Paines, einem radikalen Philosophen des 18. Jahrhunderts,
war Attenborough 1999 mit den Dreharbeiten zu seinem Film "Grey Owl"1)
(Grey Owl und der Schatz der Biber) beschäftigt, einer Abenteuerromanze über
den ersten Umweltschützer der Geschichte, gespielt von Pierce Brosnan.
Die im 2. Weltkrieg in Nordirland angesiedelte Lovestory "Closing the Ring", unter
anderem mit Mischa Barton, Shirley MacLaine und Christopher Plummer,
kam 2007 in die Kinos.
Seit Sommer 2008 war der Künstler Medienberichten zufolge gesundheitlich angeschlagen, wegen
Herzproblemen musste ihm ein Herzschrittmacher eingesetzt werden. Nach
einem Sturz im Dezember des gleichen Jahres lag der Künstler einige Zeit im Koma, erholte
sich dann aber wieder. Im Mai 2011 ließ David Attenborough gegenüber
der Presse verlauten, dass sein Bruder seit einiger Zeit im Rollstuhl sitze
und wohl keine Filme mehr drehen könne.
Der hoch angesehene Schauspieler und Regisseur Sir Richard Attenborough, welcher als einer der einflussreichsten Vertreter des britischen Films
galt, starb am 24. August 2014 in seinem Geburtsort Cambridge fünf Tage vor seinem 91. Geburtstag.
Er lebte zuletzt zusammen mit Ehefrau Sheila in einem Seniorenheim.
Seit 1945 war er mit Schauspielerin Sheila Sim1)
(1922 2016) verheiratet und
hatte mit ihr drei gemeinsame Kinder: Michael John Attenborough2)
(geb. 1950) arbeitet als Theater-Regisseur bzw. -Direktor, Tochter
Charlotte (geb. 1959) ergriff ebenfalls den Schauspielerberuf. Die älteste,
1955 geborene Tochter
Jane Mary kam ebenso wie Enkelin Lucy (geb. 1989) und Janes Schwiegermutter am 26. Dezember 2004 bei
der großen Tsunami-Katastrophe in Thailand ums Leben; die
Familie hatte im thailändischen Ferienort Phuket Urlaub gemacht,
Attenboroughs Schwiegersohn Michael Holland und Enkelsohn Samuel überlebten
die Katastrophe nahezu unversehrt, Enkeltochter Alice trug schwere
Beinverletzungen davon.
Der Künstler bekleidet zahlreiche Ehrenämter und hatte unter
anderem lange die Funktion des "Chairman"
des "British Film Institute" inne. Außerdem war er eine
der maßgeblichen Figuren bei der Gründung des
Fernsehsenders "Channel 4", dem er zunächst als Vizepräsident und
dann, in den Jahren von 1980 bis 1992, als Präsident vorstand. 1976 wurde er von Queen Elizabeth II mit dem Titel
"Sir" in den Adelsstand erhoben, führte seit 1993 den Titel
"Lord Attenbourough of Richmond-on-Thames", der ihm am 30. Juli 1993 anlässlich seines 70. Geburtstages
verliehen wurde und ihn zu einem Sitz im britischen Oberhaus berechtigte. 1983 erhielt
er den "Martin-Luther-King-Friedenspreis" und den indischen "Padma Bhusan"-Orden1). Attenborough trug den Ehrentitel
eines UNICEF-Botschafters, durfte sich Ehrenbürger der Stadt Leister, Ehrendoktor der Universität von Sussex,
"Commandeur de l'Ordre des Arts et des Lettres"
sowie "Chevalier de la Legion d'Honneur" nennen → Liste der
Auszeichnungen bei Wikipedia.
Foto: Sir
Richard Attenborough im September 2007
beim "International Film Festival" in Toronto
Quelle: Wikimedia
Commons bzw. www.flickr.com
Urheber: Gordon Correll (gdcgraphics bei www.flickr.com)
Lizenz: CC BY 2.0
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Sir Richard Attenborough, vielfach preisgekrönter Produzent, Regisseur und
Schauspieler konnte im Laufe seiner Karriere auf unzählige Bühnenauftritte und
mehr als siebzig Filmrollen zurückblicken. Noch im hohen Alter war der überzeugte
Sozialist und Pro-Europäer Attenborough ein sehr
aktiver Filmemacher, ein ruheloser Streiter für eine vitale
britische Filmindustrie und ein unermüdlicher Fürsprecher
der Benachteiligten und Entrechteten.
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