Seine Filme
1949: Jour de fête (Tatis Schützenfest) 1953: Les vacances de M. Hulot (Die Ferien des Monsieur Hulot)
1958: Mon oncle (Mein Onkel) 1967: Playtime (Tatis herrliche Zeiten)
1971: Trafic (Tati – Im Stoßverkehr)
  
Tatis Schützenfest
Originaltitel: Jour de fête
Frankreich, 1949
Genre: Komödie
Produktion: Fred Orain für "Cady Film"
Dreharbeiten: 13.05.1947-15.11.1947
Regie: Jacques Tati
Drehbuch: Jacques Tati, Henri Marquet
unter Mitarbeit von René Wheeler
Musik: Jean Yatove 
Kamera: Jacques Marcanton, Jacques Sauvageot
Außenaufnahmen: Sainte-Sévère (Indre)
Darsteller:
Jacques Tati: Francois, der Postbote, Guy Decomble: Roger,
Paul Frankeur: Marcel, Santa Relli: Rogers Ehefrau,
Maine Vallée: Jeannette, Roger Rafal: Friseur,
Jacques Beauvais: Wirt, Del Cassan: Klatschtante
sowie die Einwohner von Sainte-Sévère
(Die Links führen zu Wikipedia (deutsch/englisch) bzw. zum Kurzportrait innerhalb dieser HP)
  
Inhalt:
Beim Dorffest macht man sich einen Spaß daraus, François, der auf jeden Trick hereinfällt, unter Alkohol zu setzen. Die anschließende nächtliche Zustellfahrt und der Kampf mit dem störrischen Drahtesel enden in einem Eisenbahnwagen, wo die Amtsperson ihren Rausch ausschläft. Doch das Fest zeigt ungeahnte Folgen. In angeheiterter Stimmung hatte François nämlich einen Kurzfilm über die rasante Postverteilung in den Vereinigten Staaten gesehen und die artistische Arbeitsweise seiner vorbildlichen amerikanischen Kollegen. Angestachelt von den Schaustellern Marcel und Roger, die mit dem Tollpatsch auf ihrem Karussell üben, durch den milden Spott der Dorfbewohner bei seiner Ehre gepackt, führt er nun das hypermoderne System in die Beschaulichkeit der französischen Provinz ein. "Rapidité" ist sein Schlachtruf. Das alte Fahrrad wird ihm Motorrad, Helikopter und Flugzeug.
Schwungvoll springt er auf und ab, die Posttasche mit kühnem Wurf um die Schulter kreisen lassend. Kreischend stieben Hühner und Gänse auseinander, wenn er naht. Selbst Schweine verschont er nicht, wenn sie sich ihm in den Weg stellen. Briefe zu überreichen, bleibt keine Zeit, von einem Schwätzchen ganz zu schweigen. Er spießt sie auf Mistgabeln, steckt sie in Mähdrescher, klemmt sie unter gestutzte Pferdeschwänze.

Ein Päckchen schiebt er dem Metzger geradewegs unter das erhobene Beil, der den darin zugesandten Schuhen die Spitzen abschlägt. Briefe geruhsam in der Poststube zu stempeln, wie es die verschlafenen Kollegen tun, das lehnt er nun ab. Er klemmt sich mit dem Drahtesel hinter einen fahrenden Lastwagen, dessen heruntergeklappte Ladeluke den Schreibtisch ersetzt. Auf einer Zustellrunde überholt er gar mit dem Ruf "Rapidité" ein Team der "Tour de France".
Hat er mit seinem Fahrrad doch von jeher auf Kriegsfuß gestanden, so geschieht bei aller Geschwindigkeit schließlich das Unvermeidliche. Als er es mit einem Motorrad aufnehmen will, verliert François die Kontrolle und landet im Bach. Pudelnass und abgekühlt zieht er es vor, einem Bauern bei der Ernte zu helfen. Dessen kleiner Sohn verteilt unterdessen durchgeweichte Post. Die Schausteller ziehen ab, der Frieden kehrt wieder ein. Der Fortschritt ist an Sainte-Sévère noch einmal glimpflich vorübergegangen.
 
Quelle: Video-Edition "Atlas und Zweitausendeins"

Kritiken:
"Tati ruft beim Zuschauer ganz andere Reaktionen hervor als etwa Chaplin. Wenn man den am Boden zerstörten Charlie gerade bedauern will, überrascht er immer noch durch seinen beglückenden Einfallsreichtum. Tati gewährt niemals derlei tiefe Einblicke in das Innenleben von Hulot oder François, der sich in Tatis Schützenfest auch viel zu oft ändert, um eindeutig beschrieben und analysiert zu werden."
"…beeindruckend sind die beiläufigen Hinweise, die eine keatonsche Angst vor den unbelebten Objekten belegen. Das entfernte Läuten einer Kuhglocke, die an den Weidenzaun stößt; die Äpfel, die auf François herabregnen, als er gegen den Baum fährt, der Postsack, der um seine Schultern rotiert, und das Glockenseil, das jeden in die Luft hebt, der läuten will. Diese Kleinigkeiten produzieren zusammen das unnachahmliche Flair des Films."

Brent Maddock: " Die Filme von Jacques Tati", München 1984

"Tatis Schützenfest, diese erste wunderbare Filmkomödie, ist kein Thesenfilm. Tati hat keine Theorie der Gesellschaft mit Gags illustriert, er gehört zu den ganz großen in der Filmgeschichte der Kinematographie, weil er einfach ein glänzender Beobachter war. So wird denn auch, in Tatis Schützenfest, so gut wie in Die Ferien des Monsieur Hulot oder Mon oncle, keine jeweils modische Meinung illustriert, es werden liebevoll Beobachtungen addiert. Tati hat einen unbestechlichen Blick für das Komische des Alltags, sein melancholisches Temperament hat dies in tragisch-komischen Bildwitzen gebündelt."
Michael Schwarze, FAZ

"Eine unendlich liebevoll gezeichnete Dorfchronik voller witziger Beobachtungen, mit der Tati ein ebenso zärtliches wie poetisches Meisterwerk geschaffen hat."
Lexikon des internationalen Films 

Anmerkung:
Der Film wurde 1947 in Farbe gedreht und sollte der erste französische Farbfilm nach dem Zweiten Weltkrieg werden. Nach der Entwicklung stellte sich heraus, dass vom Farb-Original keine Farbkopien gezogen werden konnten und lediglich dem Misstrauen von Tatis Kameramann Jacques Mercanton war es zu verdanken, dass der ganze Film mit einer zweiten Schwarzweißkamera zur Sicherheit mitgedreht worden war; deshalb kam der Film in Schwarz-Weiß in die Kinos.
1964 kam der Film noch einmal in die Kinos, diesmal in einer teilweise nachkolorierten Fassung. Erst 1995 gelang es Jacques Tatis Tochter  Sophie-Catherine Tatischeff1) (1946 – 2001), die damals auch als Cutterin arbeitete, und der Dokumentarfilmerin Francois Ede, vom Originalmaterial Farbkopien herzustellen und damit den Film so in die Kinos zu bringen, wie er von Tati gedacht war.

Die SW-Kopie war 85 Minuten lang, da zwei Szenen aus Tatis Kurzfilm "Die Schule der Briefträger" eingebaut wurden, in der Farbkopie verzichtete man darauf.
Auszeichnungen:
  • 1949: Nominierung für den " Goldenen Löwen" auf den Filmfestspielen von Venedig

  • 1950: "Grand prix du cinéma français" als "Bester Film"

Siehe auch www.dieterwunderlich.de, www.prisma.de, Wikipedia
 
Link: 1) Wikipedia (englisch)

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Die Ferien des Monsieur Hulot
Originaltitel: Les vacances de Monsieur Hulot
Kinopremiere Frankreich: 25.02.1953
Deutsche Erstaufführung (BRD): 1955
Produktion: Fred Orain
Atelier: Studios von Boulogne-Billancourt
Außenaufnahmen: Saint-Marc-sur-Mer/Saint-Nazaire
Regie: Jacques Tati
Drehbuch: Jacques Tati, Henri Marquet
in Zusammenarbeit mit Pierre Aubert und Jacques Lagrange
Kamera: Jacques Mercanton und Jean Mouselle
Musik: Alain Romans
Darsteller:
Jacques Tati: Monsieur Hulot, Nathalie Pascaud : Martine,
Michele Rolla : Martines Tante, Valentine Camax : die Engländerin,
Louis Perrault : Monsieur Fred, André Dubois : der Kommandant
(Die Links führen zu Wikipedia (deutsch/englisch) bzw. zum Kurzportrait innerhalb dieser HP)
   
Inhalt:
Der erste Auftritt des wortkargen Monsieur Hulot in der Filmgeschichte vollzieht sich unter außerordentlichem Getöse. Noch bevor die zu Weltruhm aufgestiegene charakteristische Gestalt in Erscheinung tritt, hört man seine Schrottmühle Amilcar, die mit Fehlzündungen und Blechgeschepper gemächlich einem kleinen normannischen Ferienort entgegentuckert. Dort ist gerade die charmante junge Martine eingetroffen, die Hulot zu einem unbeholfenen Flirt animieren wird. Unter den Stammgästen ist der bramarbasierende Oberst a. D., der eine Ausflugsgesellschaft generalstabsmäßig gängelt, die unermüdliche Spaziergängerin, deren Gatte Arthur ebenso unermüdlich von früh bis spät und in geziemendem Abstand hinter ihr herdackelt, ein fetter, ewig hektisch telefonierender Geschäftsmann mit Gattin und Filius, ein geschniegelter Südamerikaner, die liebenswerte alte englische Lady und die typische Touristenflora der Saison. Dazu der Patron des Hotels und die Kellner, geschäftig und auf pünktliche Einhaltung der Hausordnung bedacht.
Hulot betritt das Hotel und bringt gleich den Sturmwind mit herein, der den Gesellschaftsraum verwüstet. Eigentlich könnte der gutmütige Kauz kein Wässerchen trüben. Lediglich seine beflissenen Anstrengungen, alles penibel richtig zu machen, verkehren die lobenswerte Absicht stets ins Gegenteil. Er, der freundlich Zuvorkommende, unterliegt ständig der Tücke der Objekte. Gesellschaftliches Beisammensein, gemeinsame Mahlzeiten und Ausflüge, eine Bootsfahrt, ein Ausritt, Tennis- und Tischtennismatches werden unter seinen zwei linken Händen und Füßen zu Schlachtfeldern.
Selbst das Prachtfeuerwerk zum 14. Juli fällt seiner Ungeschicklichkeit zum Opfer. Kellner und Gäste sind ihm wenig hold. Am Ende erweist sich allerdings, dass immerhin drei Personen ihm in heimlicher Sympathie zugetan sind: die englische Lady, der kleine Sohn des Geschäftsmannes und Arthur, der resignierte Gatte der Spaziergängerin.

Anmerkung:
Tati erzählt keine Geschichten. Seine Filme bestehen aus choreographisch und ornamental aufbereiteten Alltagsszenen, die exakt beobachtet und auf die ihnen innewohnende Komik hin inszeniert sind. Dialoge existieren kaum, sondern allenfalls Satzfetzen, wie sie der Passant in der Realität nebenher aufschnappt. Hulot ist der unschuldige Simplizissimus ohne Falsch und Harm, der Objekte, Situationen und Menschen mit kindlicher Logik aus ihren Zusammenhängen und Begrenzungen befreit und sie in fröhlich-destruktiver Naivität verfremdet. Tati setzt auf Komik und Humor, um sanft in die Satire zu gleiten. Als "Don Quijote des Films" hat er sich selbst bezeichnet, für den ein komischer Film nur ein polemischer Film sein kann. So ist "Die Ferien des Monsieur Hulot" für seinen Autor die Satire auf Sommerfrischler, die keinen Urlaub machen. Wer hier lacht, ist auf dem besten Weg zur Selbsterkenntnis.
 
Quelle: Video-Edition "Atlas und Zweitausendeins"

Kritiken:
"Jede große Komik ist anarchistisch. Auch die des unvergleichlichen Jacques Tati. Die Ordnung der Dinge und die Geometrie des Lebens waren sein natürlicher Feind. Im Chaos hat die Figur des Monsieur Hulot ihren vollkommenen Ausdruck gefunden."

Michael Schwarze, FAZ

In Les vacances de Monsieur Hulot war Tatis komischer Typus voll entwickelt: Der stoische, leicht resignierte Vertreter einer untergegangenen Klasse von "guten Bürgern" schafft immer mehr Distanz zwischen sich und der Welt. In dieser Satire auf den Betrieb in einer französischen Ferienstadt am Meer ist es noch Hulot selber, der die Gags produziert. Doch wird schon augenscheinlich, dass Tati von der Konstruktion einer komischen Szene übergeht zur Beobachtung."
Georg Seeßlen: "Klassiker der Filmkomik"

"Zu den brillantesten Szenen in der Geschichte der Filmkomik zählt jene Begebenheit, in der sich ein Reifenschlauch selbständig macht, als Kranz bei einer durchaus würdigen Beerdigung verfremdende Verwendung findet. Die Exegeten haben die Komik Tatis durchweg freundlich genannt. Doch was ist an dieser Szene freundlich? Herr Hulot sucht seinen Tischtennisball, dreht einen Kartenspieler, der auf einem Drehsessel sitzt, der spielt seine Karte auf dem nächsten, dem falschen Tisch aus, schwenkt zurück zum eigenen. Ungerührt spielen die Menschen hüben und drüben weiter.
Bei Gelegenheit hat Jacques Tati gesagt: Dank einer ausgeprägten Beobachtungsgabe, die vielleicht stärker ist als mein Sinn für Humor, möchte ich das Überleben des Individuums in einer Umwelt hervorheben, die mehr und mehr entmenschlicht wird. Tati war kein Reaktionär, dazu war er zu klug, aber er war ein Konservativer, ein Mann, der sich ohnmächtig gegen den Niedergang des Alten stemmte und der wie ein trauriger Clown der Tristesse des Lebens die komischen Pointen abzwang."

Michael Schwarze, FAZ

"Tati bemerkt: Hulot ist kein wirklicher Charakter. Er ist ein einfacher Mann von der Straße. Dem möchte man widersprechen: auch wenn er weniger ausgefallen als der kleine Tramp oder das Stone-face ist, unterscheidet er sich ganz wesentlich von anderen Leuten. Weder Hulot noch Chaplin oder Keaton müssen sich der Masse angleichen, um ein "Jedermann" zu werden. Universell ist ein Charakter dann, wenn die Zuschauer sich in ihm – jedenfalls partiell – wiederfinden können. Hulot ist als Komödienarchetypus ziemlich einzigartig, dennoch verbindet ihn etwas mit dem Rest der Menschheit."
Brent Maddock: "Die Filme von Jacques Tati", München 1984

Auszeichnungen:
  • 1953: Louis-Delluc-Preis1)

  • 1953: "Preis der internationalen Kritik" bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes

  • 1953: Belgischer Filmpreis "Prix Femina"

  • 1956: Oscar-Nominierung für Jacques Tati und Henri Marquet: Bestes Drehbuch

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Mein Onkel
Originaltitel: Mon oncle
Frankreich: 1958
Deutsche Erstaufführung (BRD): 23.06.1959
Produktion: Specta-Films, Gray-Films, 
Alter-Films (Paris), Film del Centauro (Rom)
Regie: Jacques Tati
Drehbuch: Jacques Tati
unter Mitarbeit von Jacques Lagrange und Jean L'Hôte
Musik: Franck Barcellini, Alain Romans
Kamera: Jean Bourgoin 
Darsteller:
Jacques Tati: Monsieur Hulot, Adrienne Servantie: Madame Arpel,
Jean-Pierre Zola: Charles Arpel, Alain Bécourt: Gérard Arpel,
Lucien Frégis: M. Pichard, Betty Schneider: Betty, die Tochter der Hausmeisterin,
Jean-François Martial: Walter, und andere
sowie die Einwohner von Saint-Maur-des-Fossés
(Die Links führen zu Wikipedia (deutsch/englisch) bzw. zum Kurzportrait innerhalb dieser HP)

  
Inhalt:
Der neunjährige Junge Gerard lebt mit seinen Eltern in einem modernen Haus in einem Neubaugebiet. Sein Vater ist Generaldirektor einer Kunststofffabrik, seine Mutter kümmert sich hingebungsvoll um den automatisierten klinisch reinen Haushalt. Der allerdings auch für seine Bewohner einige Tücken hat: So wird der Herr des Hauses einmal durch seinen Dackel, der mit seinem wedelnden Schwanz beim Empfang die Lichtschranke für das Garagentor betätigt, eingesperrt. Gerards bester Freund ist sein Onkel, Monsieur Hulot, der in einem alten, verschachtelten Haus lebt. Hulot holt Gerard regelmäßig von der Schule ab und bringt ihn zu einer Gruppe von Spielkameraden. Diese veranstalten u.a. regelmäßig ein Wettspiel, wobei es darum geht, Passanten, die durch einen der Jungen mittels eines Kehrbesens genötigt werden auf der Straßenseite mit der Laterne zu laufen, im rechten Moment durch einen Pfiff zum Kopfwenden und zum Zusammenstoß mit ebendieser Laterne zu bringen. Nach diesen Ausflügen mit seinem Onkel ist Gerard regelmäßig so verschmutzt, dass ihn seine Mutter beim Empfang in ihrer sterilen Wohnung nur mit Gummihandschuhen und spitzen Fingern anfasst und unmittelbar mit Kleidung unter die Dusche stellt.
Hulots Schwester sorgt sich um ihren Bruder und den schlechten Einfluss, den er auf Gerard ausübt. Sie will ihn mit ihrer Nachbarin verkuppeln und organisiert daher eine Party in ihren Haus. Hulot, der regelmäßig mit der Technik auf Kriegsfuß steht, verursacht aber unbeabsichtigt Chaos und sprengt die Party. Auch der Versuch, Hulot einen Job in Monsieur Arpels Firma zu geben, schlägt fehl; durch eine Unachtsamkeit Hulots werden statt Gummischläuchen wurstartige Gebilde produziert.
Als sie an ihrem Hochzeitstag nachts Hulot in ihrem Wohnzimmer auf einem Designsofa schlafend vorfinden, beschließen die Arpels, ihn endgültig loszuwerden. Monsieur Arpel schickt Hulot als Vertreter der Firma nach Nordafrika. Am nächsten Tag begleiten Gerard und sein Vater Hulot zum Flughafen, wo sich Gerard von seinem Onkel verabschieden muss. Am Ende versöhnen sich Vater und Sohn, als sie gemeinsam einem Passanten auf dem Parkplatz einen Streich spielen.
 
Quelle: Wikipedia (abgerufen 04.08.2011)
  
Anmerkung:
Die Handlung der Geschichte ist wieder mal simpel, Hulot kommt, verwirrt und geht wieder. Doch die kleinen Geschichten und Gags um die Handlung herum sind ein Affront gegen moderne Technik und zeigen die Isolation durch die Form des Wohnens. Der sinnlose Blechfisch im Garten der Arpels ist ebenso ein "running Gag" wie das vollautomatische Garagentor. Das Haus der Arpels ist ein verschachtelter Betonkasten, ja selbst die Bäume im Garten sind in Spalierform gezwängt, damit ja kein Fleckchen Natur-Chaos die Sterilität störe.
Tati hüllt das moderne Viertel in grelle Farben, versieht die Menschen darin mit giftroten Kostümen. In ihrer kalten Umgebung sitzen sie stumm vor dem Fernseher, statt zu leben. Wenn menschliche Kommunikation stattfindet, stellt sie Jaques Tati als das dar, was sie meistens nur ist: Lärm.
In "Mein Onkel" lebt das Interieur, es summt, brummt und quietscht in Arpels Haushalt, der Blechfisch blubbert, das vollautomatische Garagentor quietscht.
Hulot bringt Menschlichkeit, Chaos, in das Leben der Arpels. Am Ende sind sie menschlicher geworden und haben sogar Verständnis für ihren "unordentlichen" Sohn.
 
Quelle: www.kybernaut.de
 
Lexikon des internationalen Films: 
Mit augenzwinkernder Ironie erzählte Satire, die dem kalten Komfort des materialistischen Lebens mit zärtlichem Humor und schmunzelnder Lebensweisheit begegnet. Monsieur Hulot, der lebensklug-weltfremde Held, nimmt sich in der Stadt seines kleinen Neffen an, dessen Eltern Hulots perfekte Antithese sind: reiche, modernistische Snobs, Roboter des technisierten Zeitalters. Die Hauptperson dieser Komödie spielt Tati selbst; eine träumerische Persönlichkeit mit einer Silhouette, die ihre Unfähigkeit markiert, sich einem Dasein ohne Wärme anzupassen. 
 
Auszeichnungen (Auszug):
  • 1958: "Sonderpreis der Jury" bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes

  • 1958: "Bester Fremdsprachiger Film", New Yorker "Film Critics Circle Award"

  • 1959: "Oscar", "Bester Fremdsprachiger Film"

  • 1959: "Kritikerpreis" des "Syndicat Français de la Critique de Cinéma" (SFCC)

  • 1960: "Bester Fremdsprachiger Film" des "Premios del Círculo de Escritores Cinematográficos" 

Siehe auch www.dieterwunderlich.de, www.moviemaster.de, www.prisma.de, Wikipedia

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Tatis herrliche Zeiten
Originaltitel: Playtime
Frankreich, Italien: 1967
Regie: Jacques Tati
Drehbuch: Jacques Tati
unter Mitarbeit von Jacques Lagrange
Musik: Francis Lemarque
Kamera: Jean Badal, Andréas Winding
Darsteller:
Jacques Tati: Monsieur Hulot, Barbara Dennek: Junge Touristin,
Rita Maiden: Begleiterin von Mr. Schultz, France Rumilly: Brillenverkäuferin,
France Delahalle: Käuferin, Valérie Camille: Sekretärin,
Erika Dentzler: Madame Giffard, Nicole Ray: Sängerin,
Billy Kearns: Mr. Schultz, Yves Barsacq: Hulots Freund,
André Fouché: Restaurantleiter, Georges Montant: Monsieur Giffard,
Georges Faye: Architekt, John Abbey: Monsieur Lacs,
Reinhard Kolldehoff: deutscher Geschäftsmann, und andere
(Die Links führen zu Wikipedia (deutsch/englisch) bzw. zum Kurzportrait innerhalb dieser HP)
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Inhalt:
Dieser Film spielt mitten in einer Art Paris der Zukunft, das aber nur stellvertretend für alle großen Städte dieser Welt steht. Das Leben spielt sich zwischen Beton, Hochhäusern und Glas ab. Tati führt uns durch eine Flughafenwartehalle, ein Bürogebäude, eine Ausstellung für modernes Wohnen und schließlich durch ein feines Restaurant. Damit ist eigentlich schon alles gesagt. Die Hauptfigur Monsieur Hulot lässt sich durch eben genannte Lokalitäten treiben und kämpft gegen die Widrigkeiten des Alltagslebens an.
Die beschauliche Welt, die uns Tati noch in "Die Ferien des Monsieur Hulot" und zum Teil in "Mein Onkel" vor Augen führte, gehört in "Playtime" nun endlich der Vergangenheit an, die Moderne hat gesiegt, Technik und Architektur bestimmen den Menschen.
 
Anmerkung: 
Die Handlung ist mal wieder von sekundärer Bedeutung: eine Gruppe Amerikanerinnen versucht vergeblich das Paris zu entdecken, das sie vom Hörensagen kennt. Hulot versucht, ebenfalls ohne Erfolg, mit einem Herrn Giffard zusammenzutreffen. Der Tag gipfelt für die Touristinnen in einer wilden Party im Royal Garden Nightclub, in den natürlich auch Hulot stolpert und sich daraufhin das gepflegte Interieur sowie die angeheiterten Gäste nach und nach auflösen.
Hulots Versuche, Giffard zu treffen, scheitern an einer gigantischen, unmenschlichen Architektur, die zum Labyrinth wird, sobald man sie betreten hat.
Es gibt viele kleine Szenen, die zum Schmunzeln anregen, etwa die im Kreisverkehr: Autos fahren, bleiben stehen, ein kleines Mädchen wirft eine Münze in eine Parkuhr, die Autos fahren weiter. Als Hulot schließlich auf einer Messe landet, die Interieur anbietet, kann man sich ungefähr vorstellen, wie er die distinguierten, gelangweilten Besucher auf Trab bringt. Eine futuristische Lampe funktioniert er zum Mikrophon um und interviewt zwei Messe-Besucherinnen.
 
Es gibt auch keine richtigen Dialoge. Wenn gesprochen wird, dann meist im Hintergrund über banale Dinge und in einem Kauderwelsch aus Deutsch, Englisch und Französisch. Statt Sprache gibt es Geräusche; welche Geräusche entstehen, wenn man mit bestimmten Schuhen auf einem bestimmten Fußboden entlangstolziert, ist eine der Fragen, die der Film beantwortet – alles und jeder verursacht Geräusche.
 
Die Kunstfigur Monsieur Hulot, die Tati in seinen ersten Filmen zu einem unvergesslichen Kinostar gemacht hatte, ist hier fast nur eine Randfigur. "Playtime" hat keine nacherzählbare Handlung mehr, ist eine lockere Folge von Episoden, Anekdoten und Sequenzen, in denen eine Vielzahl von Menschen – darunter Hulot – wieder und wieder an der unwirtlichen Umgebung scheitern, in der sie zu leben gezwungen sind.
Die Bauten haben eine strenge Funktionalität und sind austauschbar. Stahl, Lack und Glas bestimmen die kalte Farbigkeit des Films, der das beschäftigte, unterkühlte Lebensgefühl der Großstadtmenschen widerspiegelt.
Tati hatte seinerzeit auf einem 15.000 Quadratmeter großen Areal unter Einsatz von 50.000 Kubikmetern Zement, 4.000 Quadratmetern Kunststoff und 1.200 Quadratmetern Spiegelglas gewaltige Hochhaus-Attrappen erbauen lassen, komplett mit Fahrstühlen, Beleuchtung und Supermärkten.
 
Quelle/Filmbeschreibung (zum Teil):  
www.kybernaut.de
 
Lexikon des internationalen Films:
Ein von melancholischer Herzlichkeit geprägtes Welttheater, organisiert wie ein filmisches Ballett, das keiner Geschichte bedarf, sondern nur Bewegungen und Begegnungen als Initialzündung braucht. Ein bisweilen etwas betulicher, stets aber intelligent unterhaltender Spaß von hohem ästhetischem Reiz.“
  
Der Neffe Jacques Tatis, Jérôme Deschamps, der die Filme seines Onkels aus den Archiven ausgegraben und 2002 "Playtime" neu ins Kino gebracht hatte, sagte, dass für Tati dieser Film das Wichtigste war, was er je im Leben gemacht hatte: "Er sagte oft: 'Playtime wird immer mein letzter Film sein, egal was danach kommt'. Mit diesem Projekt ging er bis zum Äußersten, bis hin zur totalen Vereinsamung der Hauptfigur."
Tati wollte den perfekten Film; er arbeitete sechs Jahre lang an "Playtime", investierte sein gesamtes Privatvermögen in das Monumental-Projekt. Der Film war das bis dahin aufwendigste Unternehmen in der Geschichte des französischen Films. Vor den Toren von Paris ließ der Regisseur die gigantische Kulissenstadt errichten, genannt "Tativille ". Innen gab es Drugstores, hypermoderne Einkaufsmeilen, organisierte Shopping-Touren für Touristengruppen. Doch "Playtime wurde ein finanzielles Desaster, da dem Publikum damals nicht der Sinn nach handfester Kapitalismuskritik stand, nicht nach Tatis Spott über den Fortschrittsoptimismus jener Jahre.
"Einige haben sofort begriffen, dass es sich hier um ein Meisterwerk handelte, andere waren enttäuscht und verstört, diejenigen nämlich, die eine Fortsetzung der Abenteuer des Monsieur Hulot erwartet hatten. Sie wollten, dass er weiterhin den Clown spielte.", so Jérôme Deschamps.

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Tati – Im Stoßverkehr
Originaltitel: Trafic
Frankreich/Italien/Niederlande 1971
Deutsche Erstaufführung: 17.12.1971
Genre: Gesellschaftssatire
Regie: Jacques Tati
unter Mitarbeit von Jacques Lagrange und Bert Haanstra
Musik: Charles Dumont
Kamera: Eddy van der Enden, Marcel Weiss
Darsteller:
Jaques Tati: Herr Hulot, Maria Kimberly: Maria,
Marcel Fraval: Transportunternehmer Marcel, Honoré Bostel: "Astra"-Direktor,
und andere
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Inhalt:
Die französische Automobilfirma "Astra" hat einen neuartigen Campingwagen entwickelt: klein, grün und voller raffinierter Details. Mit diesem Gefährt möchte man sich beim Amsterdamer Autosalon beteiligen. Ein repräsentativer Stand ist entworfen. In der Ausstellungshalle in Amsterdam wird das Team bereits erwartet. Hektisch ist das Verladen, ebenso emsig ist man in Amsterdam dabei, die Ausstellung vorzubereiten.
Monsieur Hulot, Designer und Werbemann seines Zeichens, ist beauftragt worden, den Konvoi mit dem Prototyp zusammen mit dem Techniker und der quirligen PR-Frau Maria zu begleiten. Doch die Fahrt entpuppt sich als eine wahre Marterstrecke, die die Geduld aller auf eine harte Probe stellt. Alle naselang werden sie durch Staus und stockenden Verkehr, durch Pannen und alle nur erdenklichen Widrigkeiten aufgehalten. Die Reise durch die Niederlande dauert schließlich Tage. Mal ist einer der Lkw-Reifen platt, dann geht ihm der Sprit aus, schließlich wird man gar in einen spektakulären Verkehrsunfall verwickelt, bei dem das wertvolle Stück auf der Ladefläche beschädigt wird.
Man verbringt Tag und Nacht in einer Werkstatt, bis schließlich die allerliebste Umgebung – diesmal so wohltuend ohne Straßen- und Motorenlärm – das Team so sehr aus dem Tritt bringt, dass man es plötzlich gar nicht mehr so eilig hat. Doch die Chefs in Amsterdam machen ihren saumseligen Mitarbeitern telefonisch Beine. Ironie des Schicksals: Sie werden von der Polizei aufgebracht und stundenlang auf wer-weiß-was gefilzt. Als man dann nach einer tagelangen Irrfahrt in Amsterdam ankommt, wird dort bereits die Halle wieder gereinigt. Man ist zu spät. Alles scheint verpatzt, um so mehr als Monsieur Hulot auch noch entlassen wird. Doch das Glück meint es schließlich gut mit ihnen: Maria wandelt sich zu einer netten Frau und Hulot wird ihr buchstäblich in die Arme getrieben. Sie schlendern endlich Arm in Arm, vor dem prasselnden Regen unter einen Schirm geduckt, über einen Platz, der mit unzähligen Autos vollgestopft ist.
 
Anmerkung:
Dass das Team der Autofirma um Monsieur Hulot seinen Auftrag nicht erledigt, ist keineswegs der einzige Witz der Geschichte. Der Schluss ist vorhersehbar. Das Herz des Films schlägt vor allem in den liebevoll und detailfreudig aufgenommenen alltäglichen Beobachtungen, die sich allesamt um den Verkehr und selbstredend um das Auto ranken. Das Auto ist denn auch recht eigentlich der Hauptdarsteller des Films, der gleich von Anfang an die Personen regelrecht an die Wand "spielt".
Die Menschen scheinen in einer Welt voller Maschinen. Motoren und Autos keinen Platz mehr zu haben. Unüberhörbar verursachen sie eine schreckliche, lärmende Geräuschkulisse, in der menschliche Sprache niedergedröhnt wird. Von daher ist es auch kaum verwunderlich, dass Regisseur Jacques Tati die Dialoge der Darsteller reduziert hat auf einfache Laute, kurze Brocken. Befehle und Ausrufe. Kommunikation findet nur auf einer niederen, kaum mehr menschlichen Ebene statt.
Hinzu kommen die vielseitigen Beobachtungen, die den Film – bei aller liebenswerten Naivität – so reich machen. Wenn die Kamera wie zufällig die Besucher der Automobilausstellung bei ihren staunenden Streifzügen durch die Hallen beobachtet oder die immer wieder gleichen oder doch ähnlichen Verhaltensweisen der Autofahrer vor roten Ampeln beispielsweise – vom obligatorischen Nasebohren bis hin zum genüsslichen Gähnen – registriert, so wird deutlich, wie sehr die Wirklichkeit komisch ist. Tati dazu: "Wenn nur ein Zuschauer auf dem Nachhauseweg vor einer roten Ampel steht und plötzlich lachen muss, dann hat sich der Film gelohnt."

Kritiken:
"Wie in seinen früheren Filmen demonstriert Tati auch in "Trafic" seinen typischen unaufdringlichen Humor; viele seiner Gags erschließen sich nur dem aufmerksamen Zuschauer, der ein waches Auge für Widersprüche aller Art benötigt, da diese oft nur in choreografisch arrangierten Bewegungssynkopen ausgedrückt sind."
Buchers Enzyklopädie Film, Frankfurt 1977

"Tatis Entscheidung, Hulot in der Rolle eines Firmenangestellten zu präsentieren, die ausgerechnet ein Camping-Mobil herstellt, war präzis durchdacht. In einer Gesellschaft, deren Werte sich verkehrt haben, scheint es symptomatisch zu sein, das ausgerechnet ein naturverbundener Mensch wie Hulot ein Produkt vertritt, das geradezu die Antithese zur Natur ist. Denn bei dem 'Altra' handelt es sich um ein kleines, grünes Fahrzeug, das jeden nur erdenklichen Komfort der modernen technisierten Welt in die Abgeschiedenheit der Natur trägt: zahllose eingebaute praktische Geräte. Ein Wochenende darin unterscheidet sich kaum von einem Wochenende zu Hause. Auch die Dekoration des Messestandes besteht nur aus Pappmachebäumen. Von einem Tonband erklingt Vogelgezwitscher. (…) Bei "Trafic", der ein geringes Budget hatte, wurde ein erheblicher Teil der Summe für das raffinierte Auto verwandt."

"Tatis immer wiederkehrende Motive, Mensch gegen Natur, Natur gegen Technik und Sanftheit gegen Rücksichtslosigkeit, werden auch in 'Trafic' an den Personen und Drehorten deutlich gemacht. Maria ist im Gegensatz zu Hulot stark automobilorientiert. Sie hat für niemanden und nichts Zeit, was ihr, um ans Ziel zu kommen, nicht nützlich ist. Hulot lässt sich aufhalten – mal durch dieses, mal durch jenes. (…) Tati hat seine Drehorte sorgfältig ausgesucht. Aufnahmen vom Land und der Stadt (hier durch die Automobilausstellung symbolisiert) stehen nebeneinander und sind Beispiele gegensätzlicher Kräfte. Marschmusik aus dem Lautsprecher kontrastiert mit den natürlichen Geräuschen der Landschaft, durch die Hulot mit seiner Gruppe fährt. Einmal wird der Wechsel von der Stadt zum Land dadurch deutlich, dass Hulot von der Autobahn zum nächsten Dorf läuft. Das Brüllen der Automotoren blendet dann über in das harmlose Gebell eines Hundes irgendwo in der Ferne. Durch derlei Gegenüberstellungen schafft Tati eine besonders starke dramatische Struktur."
Brent Maddock: "Die Filme von Jacques Tati", München 1984
 
Quelle: Video-Edition "Atlas und Zweitausendeins"
 
Siehe auch www.dieterwunderlich.de, www.prisma.de, Wikipedia

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