Der Schauspieler Leopold Biberti erblickte am 18. September 1894
in Berlin das Licht der Welt.
Sein französischer Vater Georg Robert Biberti war einst ein berühmter Opernsänger
gewesen, der seine Stimme durch Alkohol und einen ungesunden Lebenswandel
ruiniert hatte, die ebenfalls aus Frankreich stammende Mutter Emilie Béral
arbeitete als Klavierlehrerin und Pianistin. Wie sein jüngerer Bruder Robert Biberti1) (1902 1985),
später
Gründer und Mitglied der legendären "Comedian
Harmonists"1), hatte
auch er das musikalische Talent von den Eltern geerbt und spielte schon früh
Klavier. Ein erstes öffentliches Auftreten als Pianist hatte er bereits als
8-Jähriger, diese Wunderkind-Karriere wurde jedoch durch sein rasches Wachstum
abgebrochen mit 13 Jahren war er schon über 1,80 m groß. Die Ausbildung zum Schauspieler absolvierte Biberti
mittels eines Stipendiums ein Jahr lang in Berlin am
"Königlichen Schauspielhaus", 1912 begann seine Laufbahn an
den Theatern in Colmar (Elsass) und im ostpreußischen Elbing (heute Elbląg,
Polen). Ab 1914 wirkte Biberti lange Jahre in der Schweiz, wohnte während dieser Zeit in Bern und erlernte den Berner
Dialekt.
Nach einem ersten festen Engagement als jugendlicher Held am "Stadttheater
Bern" (19141916) kam er zur Spielzeit 1916/17 an das "Stadttheater Zürich",
um dann erneut für drei Jahre an das "Stadttheater Bern"
zurückzukehren. Es folgten Verpflichtungen an den "Vereinigten Theatern
Breslau" (1921/22), dem "Württembergischen Landestheater"
in Stuttgart (19221925) und dem "Schauspielhaus"
in Frankfurt am Main (19251931).
Leopold Biberti als Metzger Schwitter in "Der doppelte Matthias" (1941)
Quelle/Link: cyranos.ch
bzw. Archiv "Praesens-Film AG" Zürich,
mit freundlicher Genehmigung von Peter Gassmann (Praesens-Film AG, Zürich)
© Praesens-Film AG
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Zwischen 1931 und 1933 erlebte man Biberti in Berlin unter anderem am
"Deutschen Nationaltheater am Schiffbauerdamm" und am "Deutschen
Theater", Gastspiele führten ihn nach Hamburg und Wien. Aufgrund von Konflikten
mit dem Nationalsozialisten ging der Schauspieler nach der Machtergreifung 1933 zurück in die Schweiz, deren Staatsangehörigkeit er 1920 erworben
hatte. Vor allem am "Stadttheater Basel" glänzte Biberti in
vielen großen Rollen, so gestaltete er unter anderem die Titelrolle in Hofmannsthals
"Jedermann"2) (1937) und den
Friedrich Wetter Graf vom Strahl in Kleists "Das Käthchen von
Heilbronn"2) (1937). Er feierte Erfolge mit der Figur des
Thomas Becket2) in der deutschsprachigen Erstaufführung
(20.01.1939) von T. S. Eliots Versdrama "Mord
im Dom"2) und mit der Titelrolle in Alexandre Dumas'2) Schauspiel "Kean" (1939) über den englischen
Theaterstar Edmund Kean2) , als Artilleriehauptmann Bluntschli in Shaws "Helden"2) (1940)
wurde er ebenso bejubelt wie mit der Titelrolle in Ibsens "Peer Gynt"2) (1941). Vor allem
als Shakespeare-Darsteller tat sich der hochgewachsene Biberti und stimmlich
versierte hervor,
interpretierte den Benedikt in
"Viel Lärm um nichts"2) (1933),
den Marc Anton in "Julius Cäsar"2) (1941), die
Titelrollen in "Hamlet"2) (1941)
und
"Macbeth"2) (1943)
oder den Petrucchio in "Der Widerspenstigen Zähmung"2) (1946), besonders
oft gab er beeindruckend den "Othello"2).
Er brillierte als Graf Dunois in Schillers "Die Jungfrau von Orleans"2) (1941), mit den Titelrollen in Sophokles' "König Oedipus"2) (1943), Goethes
"Faust"2) (1943)
und "Egmont"2) (1945),
Büchners "Dantons
Tod"2) (1948) und Shaws "Cäsar und Cleopatra"3) (1953). Am
"Stadttheater Basel" inszenierte er unter anderem Schillers "Die Räuber"2) (1935) mit sich
selbst als Karl Moor und Shakespeares "Coriolanus"2) (1942), wo er die Titelrolle übernahm.
Zudem wirkte Biberti am "Stadttheater Bern", am "Städtebundtheater
Biel-Solothurn", am "Stadttheater Rheinfelden", am "Stadttheater Luzern",
wo er beispielsweise 1941 mit der Titelrolle in Molnárs "Liliom"2)
und 1943 mit der Titelrolle in Ibsens "Peer Gynt" glänzte,
Auftritte hatte er am "Stadttheater St. Gallen" und ab 1933
zahlreiche Rollen am
"Schauspielhaus Zürich". Seit 1942 gastierte der perfekt zweisprachige Biberti
auch am "Théâtre Municipal" in Lausanne und 1944 am "Théâtre du Jorat"
im Schweizerischen Mézières2). Seine
wohl wichtigste Rolle, Shakespeares "Othello", verkörperte der
Mime mit großem Erfolg nicht nur in Basel sondern auch an anderen Theatern
wie in Genf, Lausanne oder Luzern und Zürich sowie in Paris. Neben dem
klassischen Fach erhielt Biberti auch in französischen Konversationsstücken, für die er einen neuen Spielstil
entwickelte, als Bonvivant gute Kritiken oft an der Seite seiner damaligen Lebensgefährtin
Blanche Aubry2)*).
Ab 1950 spielte und inszenierte er an der vom ihm mitgegründeten
"Komödie Basel"2),
einen letzten Bühnenauftritt hatte er 1969 als Registrator in "Max Frischs
"Biografie. Ein Spiel"2) in einer Inszenierung von Leopold Lindtberg
→ mehr zum Theaterwirken bei tls.theaterwissenschaft.ch.
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Sein Leinwanddebüt gab Biberti als Dr. Matthei in dem in Schweizerdeutsch
gehaltenen Bergfilm-Melodram "Kleine
Scheidegg"2) (1937, → cyranos.ch),
nach der Hauptrolle des Dr. Ferrat in Edmund Heubergers Melodram
"Dilemma" (1940, auch "Ist Dr. Ferrat schuldig?) trat
er in Oskar Wälterlins2)
Satire "Der 8. Schwyzer" (1940) in Erscheinung, ein
Streifen, der 1940 vom Bundesrat verboten und erst 1981 aufgeführt
wurde**). Anschließend
besetzte ihn Edmund Heuberger als Strickereizeichner André Oberholzer in
"Das Menschlein Matthias"4) (1941),
gedreht mit Röbi Rapp4)
in der Titelrolle nach dem autobiografischen Roman von Paul Ilg2),
dessen Jugend von den harten Lebensbedingungen der Stickereiarbeiter jener Zeit in der Ostschweiz
geprägt war.
Leopold Biberti als Oberholzer in "Der doppelte Matthias" (1941)
Quelle/Link: cyranos.ch
bzw. Archiv "Praesens-Film AG" Zürich,
mit freundlicher Genehmigung von Peter Gassmann (Praesens-Film AG, Zürich)
© Praesens-Film AG |
Unter der Regie von Sigfrit Steiner1) spielte
er den Metzger Schwitter
in dem Dialektfilm "Der doppelte Matthias und seine Töchter"4) (1941) nach dem
gleichnamigen Roman von Meinrad Lienert2),
und auch in vier von Leopold Lindtberg in Szene gesetzten Produktionen trat
er in Erscheinung: In dem im Vorfeld der Schlacht am Morgarten2)
um 1314/15 angesiedelten Film "Landammann
Stauffacher"2) (1941, → cyranos.ch)
mit Heinrich Gretler1) in der Titelrolle des Werner Stauffacher2) mimte
er den Goliath, in dem Lustspiel "Der
Schuss von der Kanzel" (1942, → cyranos.ch)
nach der gleichnamigen
humoristischen Novelle2) von Conrad Ferdinand Meyer den General
Hans Rudolf Werdmüller2), Vetter des Pastors
Werdmüller (Adolf Manz),
der wegen seiner Waffenleidenschaft heftig umstritten ist. Als Oberleutnant
Brunner präsentierte er sich in dem Flüchtlingsdrama "Die
letzte Chance"2) (1945, → cyranos.ch),
als Walter Hochuli in der heiteren Geschichte "Swiss
Tour"2) (1949, → cyranos.ch).
Danach dauerte es einige Jahre bis Biberti erneut auf der Leinwand zu sehen
war, in Franz Schnyders Jeremias Gotthelf-Adaption "Ueli
der Pächter"2) (1955, → cyranos.ch)
zeigte er sich neben den Protagonisten Hannes Schmidhauser und Liselotte Pulver
als geiziger Großbauer Hagelhans, in Wolfgang Staudtes Gerhart Hauptmann-Verfilmung "Rose Bernd"2) (1957)
mit Maria Shell als Magd Rose Bernd überzeugte er als Gutsbesitzer Christoph Flamm.
Mit Michel Dickoff2) drehte er
"Glück mues me ha" (1957), mit Georg Tressler die Paul Gallico-Adaption
"Kinder der Berge" (1958) und mit Victor Vicas das Bergdrama
"SOS Gletscherpilot"2) (1958, → cyranos.ch),
wo er den Arzt Gruber darstellte. Nach der aufwendigen Schweizer Produktion
"Wilhelm Tell (Bergfeuer lodern)"2) (1960) und der
Figur des Werner Stauffacher an der Seite von Robert Freitag als
Wilhelm Tell spielte Biberti in Alfred Weidenmanns Heimatfilm bzw. der Jacob Christoph Heer2)-Verfilmung
"An
heiligen Wassern"2) (1960) seine letzte Leinwandrolle war der Garde Hans Zuensteinen neben den
Hauptdarstellern Hansjörg Felmy, Cordula Trantow, Hanns Lothar und Karl John.
Leopold Biberti als Hagelhans in "Ueli
der Pächter" (1955)
Quelle/Link: cyranos.ch
bzw. Archiv "Praesens-Film AG" Zürich,
mit freundlicher Genehmigung von Peter Gassmann (Praesens-Film AG, Zürich)
© Praesens-Film AG
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Sporadisch übernahm der Schauspieler auch Aufgaben für das Fernsehen,
beispielsweise als Peter Stockmann in Oswald Döpkes Ibsen-Verfilmung
"Ein Volksfeind"2) (1965)
und als Baron Herbert von Kedell in "Die verschlossene Tür" (1965), von Dieter Lemmel nach dem Stück
von Fred von Hoerschelmann2) in Szene
gesetzt. Erzählt wird die Geschichte des schwerkranken, polnisch-jüdischen Bankiers Dr. Levi (Karl-Georg Saebisch), den
der baltische Baron Herbert von Kedell vor den Nazis zu retten
versucht, indem er ihn als seinen Bruder ausgibt. Als
Herzog von Mailand trat er in der SWR-Produktion der Shakespeare-Komödie
"Die zwei Herren aus Verona" (1966) auf, letztmalig
stand er für "Peter Schlemihls wundersame Geschichte" (1967) nach der gleichnamigen
Märchenerzählung2) von Adelbert von Chamisso vor der Kamera.
Leopold Biberti, dessen meisterliche Stimme man auch in verschiedenen Audio-Produktionen
hören konnte, starb am 24. November 1969 im Alter von 75 Jahren an
Herzversagen auf der Fahrt zwischen Frankfurt/M und Göttingen während einer Theatertournee durch Deutschland.
Der Vater einer Tochter war seit 1937 in zweiter Ehe mit der Tänzerin Traude Pulfer
verheiratet und lebte überwiegend in Ascona.
Für seine schauspielerischen Leistungen hatte ihn die "Schweizerischen Gesellschaft für Theaterkultur" (SGTK)
1958 mit dem "Hans Reinhart-Ring"2)
geehrt, der höchsten Auszeichnung im Theaterleben der Schweiz und benannt
nach dem Winterthurer Dichter und Mäzen Hans Reinhart2). "Dem ausdrucksstarken Darsteller, dessen Rollenbereich
das klassische Werk und das moderne Problemstück, die Tragödie und die Komödie umfasst;
dem meisterlichen Gestalter des Wortes in deutscher und französischer Sprache auf der Bühne und am Mikrophon;
dem liebenswerten Künstler und Menschen." hieß es in der Begründung.
Und Doris Hasenfratz schrieb in dem Artikel "Asconeser-Künstler: Zu Besuch bei Leopold Biberti
(Ferien-Journal, Nr. 114/4, 06.07.1968): "Es gibt kaum eine Rolle im Theaterrepertoire, die er
nicht gespielt hat. Er spielt den jugendlichen Held so überzeugend wie den
alten Mann, er übernahm Charakterrollen, spielte Liebhaber- und komische Rollen."
→ www.ticinarte.ch
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*) Blubacher, Thomas: Leopold Biberti, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der
Schweiz (Chronos Verlag Zürich 2005, Band 1, S. 194195)
**) Der "achte Schweizer", derjenige, der gemäss Statistik eine Ausländerin heiratet, wurde
an der Landi 39 unter einer Käseglocke an den Pranger gestellt. Regisseur Wälterlin und sein Team wollten sich 1940 über diese
Diskriminierung lustig machen. Doch die angestrebte Satire schlägt völlig fehl, weil es im Film von Ausland-, Halb-, Viertel- und Achtelschweizern
und -schweizerinnen nur so wimmelt. Nicht genug damit: Der Bundesrat verbot den Film noch vor der Uraufführung, mit der
Begründung, er könnte im Ausland den Anschein erwecken, es sei in der Schweiz unerwünscht, dass Schweizer sich mit Ausländerinnen
verheiraten
(Quelle: aeppli.ch)
Link:
1) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 2) Wikipedia (deutsch), 3) Wikipedia (englisch), 4) cyranos.ch
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