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Der Stummfilmstar Mary Louise Brooks wurde am 14. November 1906 in
Cherryvale (Kansas) als zweites von vier Kindern geboren. Ihr
Vater, Leonard Brooks, war ein wohlhabender Anwalt, der mit ihrer
wesentlich jüngeren Mutter Myra (Rude) Brooks verheiratet war. Mutter
Myra hatte wenig Interesse daran, Hausfrau zu spielen und widmete sich
vielmehr ihrem Faible für Kunst im weitesten Sinne. Schon als kleines
Kind trat Louise bei kleineren Veranstaltungen mit Tanzeinlagen auf,
später erhielt sie professionellen Unterricht und stand als 11-Jährige im "Cherryvale Opera House" auf der
Bühne. Nach dem Umzug der Familie nach Wichita
besuchte sie kurz die dortige High School, und wurde dann 1922
Mitglied der "Denishawn Dance Company" in New York City", einer der führenden
modernen Tanztruppen Amerikas
jener Zeit. Sie tourte durch die USA und Kanada und wurde rasch zum
Star. 1924 gab sie ihr Broadway-Debüt bei "George White's
Scandals", erhielt dann ein Engagement an die New Yorker
"Ziegfeld Follies"; gleichzeitig begann ihre Filmkarriere.1925 erhielt sie einen Fünf-Jahresvertrag von den "Paramount
Studios" und eine erste kleine Rolle in Herbert Brenons "The Street of Forgotten
Men". In den folgenden Jahren avancierte die Brooks mit Hauptrollen
vor allem in modernen Lustspielen jener Zeit zu einer populären
Darstellerin auf der Leinwand, mimte meist selbstbewusste,
unabhängige junge Frauen und wurde eine der bekanntesten "Flapper"
(zu deutsch: Backfisch) sowie schillerndsten Persönlichkeiten der
1920er Jahre. So erlebte
man "Brooksie", wie sie liebevoll genannt
wurde, unter anderem 1928 in William A. Wellmans
dramatischen Abenteuerstreifen "Beggars of Life" (Bettler des
Lebens) sowie in Howard Hawks Seemanns-Komödie "A Girl in Every Port"
(In jedem Hafen eine Braut), wo sie das französische Mädchen Marie Godiva
mimte.
Foto: Louise Brooks vor 1929
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander
Binder1) (1888 1929)
Quelle: www.flickr.com;
Ross-Karte Nr. 4252/1
Angaben zur Lizenz siehe hier
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Mit diesem Streifen wurde der Regisseur Georg Wilhelm Pabst auf sie
aufmerksam, holte sie nach Berlin und besetzte die nur 1,57 m große Mimin
als
männermordenden Vamp "Lulu" in "Die Büchse der
Pandora"1) (1929) an der Seite Fritz Kortners und Alice Roberts; das expressionistische
Drama, welches nach den "Lulu"-Stücken von Frank Wedekind
entstanden war, hat inzwischen Filmgeschichte geschrieben. Auch als frühreife
Apothekertochter "Thymian" und Partnerin von Fritz Rasp in Pabsts
"Das Tagebuch einer Verlorenen"1) (1929)
nach dem 1905 veröffentlichten Roman von Margarete Böhme
wurde Louise Brooks mit ihrem schwarzen Bubikopf, deren Erfinderin sie
sein soll, eine der Ikonen des Stummfilms. Millionen von Frauen
kopierten ihre Haarfrisur, die zu ihrem Markenzeichen und zum Ausdruck
des neuen Freiheitsgefühls der 1920er Jahre wurde.
Zu Louise Brooks weiteren, rund 20 erfolgreichen Stummfilmen zählen
unter anderem "The Show Off" (1926), "Rolled Stockings" (1927)"
sowie "The Canary Murder Case" (1929, Stimme aus dem
Jenseits).
1930 kehrte die Schauspielerin in die USA zurück, nachdem sie
unter der Regie von René Clair noch für
die französische Produktion "Prix de beauté" (1930, Preis der Schönheit/Miss
Europa) vor der Kamera gestanden hatte; der als Stummfilm begonnene
Streifen wurde zum Tonfilm umgearbeitet. In den USA übernahm Louise Brooks dann
nur noch wenige Aufgaben für den Film, konnte mit Streifen wie "It Pays to Advertise" (1931),
"God's Gift to Women" (1931) und "Windy Riley Goes Hollywood" (1931)
nicht mehr an ihre früheren Erfolge anknüpfen.
Dann endete ihr Vertrag mit der "Paramount", nachdem es zu
Differenzen gekommen war, nicht zuletzt weil sich der selbstbewusste
Star den Regeln der Hollywood-Bosse nicht unterwerfen wollte.
Sie arbeitete als Tänzerin in Night Clubs, trat hin und wieder in
Rundfunksendungen auf, hielt sich auch als Verkäuferin über Wasser. Ab
Mitte der 1930er Jahre tauchte sie dann noch einmal mit kleineren Rollen
in Filmen wie "Empty Saddles" (1936), "When You're in Love" (1937)
und George Shermans B-Western "Overland Stage Raiders" (1938, Gold in den Wolken) auf, danach war ihre
Filmkarriere endgültig beendet; 1943 erhielt Louise Brooks noch einmal
eine eigene Radiosendung, anschließend widmete sie sich verstärkt ihren
Hobbys, der Malerei, der Beschäftigung mit Literatur sowie ihren schriftstellerischen Ambitionen.
Mitte der 1950er Jahre begann ihre Beschäftigung mit der Filmgeschichte
als Historikerin und Filmkritikerin; sie war unter anderem im
"George Eastman House" in Rochester tätig. In den sechziger Jahren begann
sie filmpublizistisch vor allem über ihre Atelier-Erfahrungen in Hollywood und
Berlin zu arbeiten.
Der ehemalige Stummfilmstar, der noch heute als die wahrscheinlich schönste
Frau und perfekteste Inkarnation einer "femme fatale" gilt, erlag am 8. August 1985
im Alter von 81 Jahren in Rochester im Bundesstaat New York den Folgen eines
Herzanfalls. Die letzte Ruhe fand sie auf dem dortigen "Holy Sepulchre Cemetery"
→ Foto der Grabstelle bei knerger.de.
Louise Brooks, der zahlreiche Affären (auch
gleichgeschlechtliche) nachgesagt wurden, war zwischen Juli 1926 und Juni 1928 mit
dem Filmregisseur und Schauspieler A. Edward Sutherland1) (1895 1973)
verheiratet
gewesen, den sie während der Dreharbeiten zu "It's the Old Army Game" (1926) kennen und lieben gelernt hatte. Der Ehe galt bereits nach kurzer Zeit
als wenig glücklich, da Beiden andere Beziehungen nachgesagt wurden. Louise Brooks'
zweiter Ehemann wurde 1933 der Millionär
Deering Davis; diese
Verbindung, die praktisch nur wenige Monate Bestand hatte, wurde 1938 offiziell geschieden.
1973 entstand ein Dokumentarfilm für das Fernsehen unter dem Titel "A Conversation
with Louise Brooks", 1982 erschienen ihre Memoiren, 1983 in München die deutsche Ausgabe:
"Lulu in Berlin und Hollywood" → DER SPIEGEL (30/1983). Das Manuskript einer ersten Autobiografie
"Naked On My Goat" soll die verbitterte Brooks übrigens verbrannt
haben, mit einer zackigen Begründung: "Ich muss keiner erklären, wie sie ihr Leben vermasseln
kann." Von Barry Paris stammt die 1989 erschienene englischsprachige
Biografie "Louise Brooks: A Biography", von Rolland Jaccard das Buch
"Louise Brooks: Portrait of an Anti-Star", welches erstmals 1977
erschien. Anlässlich des 100. Geburtstages der einstigen Stummfilm-Diva am am 14. November 2006
publizierte der "Schirmer/Mosel Verlag" die aus dem Amerikanischen
von Ursula Wulfekamp und Rudolf Hermsteinreich übersetzte, reichlich
bebilderte Louise Brooks-Monographie "Lulu forever" des britischen Filmhistorikers
Peter Cowie2),
der der Stummfilm-Ikone damit ein "herrliches Denkmal"
setzte. "Man sieht sie in Filmszenen, erotischen Posen, in Szenen der
Verführung mit kaltem, tödlichem Blick, mal kokett, mal melancholisch und
versonnen hingelagert. Der Band ist eine großartige, atemberaubende Hommage
an diese geheimnisvolle Schönheit." notierte Michael Kluger in seinem Artikel in der "Frankfurter
Neuen Presse".
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