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Maria Carmi wurde am 3. März 1880 als Norina Gilli als Tochter
eines Konditors im italienischen Florenz geboren; ihr aus Graubünden (Schweiz) stammende Vater
Luigi Gilli war mit seiner Frau Emma Troll nach Italien ausgewandert. Nora
war das jüngste von fünf Geschwistern, verlebte ihre Kindheit und Jugend
in ihrer Geburtsstadt und Fiesole. Schon früh interessierte sie sich für
das Theater, dass später auch ihre eigentliche Domäne blieb.
Zwischen 1907 und 1909 erlernte Maria Carmi ihr darstellerisches Rüstzeug
in Berlin an der Schauspielschule von Max Reinhardt1) (1873 1943),
gehörte auch für kurze Zeit zu dessen Ensemble. Ab 1911 wirkte sie überwiegend an
Bühnen im Ausland wie unter anderem in Florenz, London und Paris.
Ihr Bühnendebüt hatte Maria Carmi anlässlich der Weltpremiere von "The
Miracle"1) (Das Mirakel) am 23. Dezember 1911 in der
Londoner "Olympia Hall" gegeben, einem wortlosen Stück mit
integraler und begleitender Musik von Engelbert Humperdinck1) sowie zahlreichen Kirchenliedern und geistlichen Gesängen
ihres Ehemannes, dem schwäbischen Dramatiker Karl Gustav Vollmoeller1)
(1878 1948), den sie 1904 geheiratet hatte.
Foto: Norina Gilli (Maria Carmi) als Kind in Florenz
Quelle: Wikipedia bzw.
Wikimedia
Commons (aus "Bündner Kalender1) 2010")
Urheber: Unbekannt; Lizenz zur Veröffentlichung siehe
hier
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Die Handlung basiert auf einer mittelalterlichen Marienlegende, die in
ihrer Urform bei Caesarius
von Heisterbach im Dialogus
miraculorum zu finden ist. Es geht um die Beziehung einer jungen Nonne
zur Jungfrau Maria. Ein strahlender junger Ritter entführt die Nonne, für
die damit eine Odyssee über mehrere Jahre beginnt, die mit zahlreichen
Erniedrigungen und großem Leid angefüllt ist. Währenddessen vertritt die
Jungfrau Maria die Nonne und versieht deren Dienst im Kloster. Als die Nonne
schließlich gebrochen und gealtert zurückkehrt, tauschen Maria und sie
ihre Rollen. Im Gegensatz zur mittelalterlichen Legende spielt in
Vollmoellers "Das Mirakel" das Jesuskind eine wichtige Rolle.
Vollmoeller interpretiert die unbefleckte Empfängnis um, indem er das Baby
der Nonne durch die Heilige Jungfrau an Kindes statt annehmen lässt.2)
Max Reinhardt inszenierte das Stück im September 1912 vor bis zu 30.000 Zuschauern mit einem Heer von über
2.000 Darstellern, Sängern, Chöre von bis zu 150 Mitgliedern, Tänzern und Unmengen von Statisten auf
einer riesigen, ähnlich einem Amphitheater angeordneten Bühne. Ergänzt wurde der optische Eindruck
von einer, durch Engelbert Humperdinck teilweise kongenial auf die Handlung abgestimmten
musikalischen Untermalung. Das Orchester bestand aus bis zu 200 Mitgliedern, die teilweise von
Humperdinck persönlich, teilweise von anderen, namhaften Dirigenten, so
Modest Altschuler, dirigiert wurden.2)
Aufgrund des enormen Erfolgs des Singspiels wurde das Thema noch im Jahre 1912 unter der Regie von
Cherry Kearton und Max Reinhardt
mit Maria Carmi auf die stumme Leinwand gebannt. Reinhardt drehte die aufwändige österreichisch-deutsche
Co-Produktion des mystischen Mimenspiels in der Umgebung von Wien und auf Burg Kreuzenstein,
Vollmoeller selbst überarbeitete sein rund vierstündiges Werk und kürzte
es auf zwei Stunden. Der Film "Das
Mirakel"1) (1912), welcher am am 28. Dezember 1912 im
Londoner Covent Garden "Royal Opera House" seine Weltpremiere
feierte, gilt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs als verschollen.
1913 folgte
Reinhards filmische Adaption von Vollmoellers Stück "Eine venezianische
Nacht"1), erneut mit Maria Carmi in der weiblichen Hauptrolle
der Marchesina dei Bisognosi sowie Alfred Abel als Student Anselmus Aselmeyer, der
einen wüsten Alptraum von Leidenschaft, Eifersucht und Tod
durchlebt.
Foto: Maria Carmi in "Das Mirakel" (1912)
Quelle: Wikipedia bzw.
Wikimedia
Commos (aus "Bündner Kalender1) 2010")
Urheber: Unbekannt; Lizenz zur Veröffentlichung siehe hier
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Stolze Haltung, vornehme Erscheinung und ihre strenge Ausstrahlung in der
Tradition der Theaterprimadonnen des 19. Jahrhunderts machten Maria Carmi zur idealen Darstellerin
literarisch anspruchsvoller Melodramen.3)
In den folgenden sechs Jahren drehte Maria Carmi noch verschiedene weitere
Stummfilme, sowohl in Italien als auch in Deutschland. In ihrem Heimatland
entstand unter der Regie von Nino Martoglio die Dramen-Adaption "Sperduti nel buio" (1914, Im
ewigen Dunkel),
der sie auch mit der Titelrolle in seiner
Zola-Verfilmung "Teresa Raquin"1) (1915) besetzte, sowie die
psychologisierende Literaturverfilmung "Retaggio d'odio" (1914,
Die Tote / Im Taumel des Hasses), in dem
Maria Carmi "im Gewand größter Leidenschaftlichkeit" agierte,
wie es die Presse formulierte.
Als Partnerin von Aud Egede Nissen
und Olaf Fønss stand Maria Carmi für Otto Ripperts
berühmten sechsteiligen "Homunculus"-Film vor der Kamera, spielte im 1. Teil
"Die Geburt des Homunculus"1)
und 4. Teil "Die Rache des Homunculus"1). Ihre beiden letzten deutschen Filme waren Robert Reinerts
Kriminalgeschichte "Wenn Tote sprechen" (1917) sowie das Melodram
"Rächende Liebe" (1918) von Regisseur Josef Stein.
Der Schriftsteller und Journalist Manfred Georg1) (1893 1965) beschreibt 1916 den Besuch in einem (nicht genannten) Carmi-Film:
"Wenn Maria Carmi küßt, ist jede Pore ihres Körpers ein offenes Lippenpaar,
wenn sie jubelt, dann züngelt die Freude wie eine weißsiedende Flamme in alle Fingerspitzen,
wenn sie verzweifelt, zucken und winden sich alle Sehnen wie unter einem Schnitt
in hellstem Schmerz. (
) Transalpinische Glut birst in strömenden Eruptionen
hervor. Ihr scharfes, rasseadliges Profil zergliedert den Komplex eines Affekts
in seine geheimnisvollsten Einzelheiten, mehr als es das gesprochene Wort je kann.
Ihre Hände aber sind Märchenwunder. Sie leben ein Leben für sich, diese unendlich wissenden, schmalen Hände."5)
Obwohl nach italienischem Gesetz noch nicht rechtskräftig von ihrem Ehemann Karl Gustav Vollmoeller
geschieden, heiratete Maria Carmi Mitte Mai 1917 während eines Gastspiels
in Stockholm den georgischen Diplomaten Prinz Georges V. Matchabelli6)
(1885 1935), mit dem sie schon seit einiger Zeit eine Affäre hatte und
wurde somit zur Prinzessin Norina Matchabelli.3)
Nach Ende des 1. Weltkrieges kehrte die Mimin nach Italien zurück und versuchte dort an ihre filmische
Glanzzeit anzuknüpfen. Sie drehte dort noch zwei stumme Streifen, "Per il passato" (1920)
sowie "Forse che sì forse che no" (1921, Vielleicht, vielleicht auch nicht),
eine Verfilmung Gaston Ravels nach dem Roman von Gabriele D'Annunzio,
hatte damit jedoch keinen nennenswerten Erfolg mehr und konzentrierte sich
nunmehr ausschließlich auf die Arbeit am Theater.
1924 fuhr Maria Carmi auf Einladung von Max Reinhardt in die USA und spielte dort
in einer Neuinszenierung von
"Das Mirakel" am "Century Theatre" in New York. Gemeinsam mit ihrem Mann
gründete sie dann 1924 die "Prince Matchabelli Perfume Company". Nach einer weiteren Tournee (1929) durch Detroit, Milwaukee,
St. Paul und Dallas
eröffnete sie eine Schauspielschule in New York.
1933 kam es zur Scheidung von Prinz Matchabelli, da Maria Carmi
eine führende Jüngerin des Gurus Meher Baba
und Mitbegründerin von dessen amerikanischen Niederlassungen wurde,
unter anderem in Myrtle Beach.
Nach Matchabellis Tod 1935 erbte sie einen mehrstelligen Millionenbetrag,
den sie Meher Baba schenkte. Norina Matchabelli wurde
Meher Babas Sprachrohr, da dieser ein Schweigegelübde abgelegt
hatte und nur mittels einer Tafel mit seiner Umwelt kommunizierte. Dank
Norinas exzellenter Kontakte nach Hollywood, die diese durch ihren Exmann
Karl Vollmoeller aufgebaut hatte, versuchte sie zwei Mal einen Film
über Meher Baba in Hollywood drehen zu lassen. Beide Male gelang es
Norina, ihren Exmann Vollmoeller für die Erarbeitung eines Drehbuches zu
gewinnen. Beide Projekte, für die sich namhafte Künstler engagierten,
scheiterten an den unrealistischen Vorstellungen und Einwänden
Meher Babas. Die Kopien der Drehbücher gehören zu Vollmoellers
Nachlass im "Deutschen Literaturarchiv Marbach".
Obwohl lebensbedrohlich erkrankt, lebte Norina viele Jahre in
ärmlichsten Verhältnissen in Indien, bis der fortschreitende Krebs eine
Behandlung in den USA erforderlich machte. Auch hier setzte sie sich
noch intensiv vom Krankenbett aus für die Belange ihrer Sekte ein.2)
Die italienische Theatermimin und Stummfilmlegende Maria Carmi starb
am 4. August 1957 im Alter von 77 Jahren im kurz zuvor
errichteten Glaubenszentrum in Myrtle Beach (South Carolina). Die
Urne mit ihrer Asche wurde nahe des "Samadhi"-Schreins von Meher Baba in der Nähe
der indischen Stadt Ahmednagar (Bundesstaat Maharashtra) beigesetzt. Die
Grabinschrift trägt den Text" Princess Norina was and will ever remain Baba's"
→ www.findagrave.com.
Foto:
Maria Carmi 1905
Quelle: Wikipedia bzw.
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Commos (aus "Bündner Kalender1) 2010")
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