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Jenny Gröllmann wurde am 5. Februar 1947 als Tochter eines
Bühnenbildners in Hamburg in eine künstlerische Familie hinein
geboren; der Vater Otto Gröllmann1)
(1902 2000 kam während des Nazi-Terrors als Kommunist und Widerstandskämpfer ins Gefängnis und
wurde in ein Konzentrationslager gesteckt. Ihre Mutter Gertrud
war eine bekannte Theaterfotografin, die später unter anderem
als Bild-Chefredakteurin bei der DDR-Kultzeitschrift "Das Magazin"
tätig war. Als Jenny Gröllmann zwei Jahre alt war, siedelte sie 1949
mit ihren Eltern in die ehemalige DDR, wuchs zunächst in Schwerin,
später, ab 1955, in Dresden auf.
Schon als kleines Mädchen war Jenny Gröllmann vom Theater fasziniert,
bereits als Schülerin erhielt sie 1961 die Hauptrolle in Brechts
"Die Geschichte der Simone Machard", überzeugte schon
damals mit ihrem leidenschaftlichen Spiel die Kritiker. Zur
professionellen Schauspielerin ließ sie sich ab 1963 drei Jahre lang
an der Berliner Schauspielschule "Ernst Busch"1)
ausbilden, anschließend erhielt sie ein erstes Engagement am "Maxim-Gorki-Theater"1)
in Ostberlin, das für rund 25 Jahre ihre künstlerische Heimat werden
sollte. Ihr Theaterdebüt hatte sie 1966 mit einer winzigen Rolle in
Ibsens "Nora
oder Ein Puppenheim"1) gegeben, mit den Jahren wurden die Aufgaben
größer und Jenny Gröllmann avancierte zu einer anerkannten
Charakterdarstellerin.
Weitere Stationen ihrer Bühnenlaufbahn waren
unter anderem in Berlin das "Renaissance-Theater" und
das "Schlosspark-Theater " sowie in Hamburg die
"Kammerspiele".
Jenny Gröllmann 1974, fotografiert von Evelyn Richter1), Leipzig
Quelle: Deutsche Fotothek,
(file: df_hauptkatalog_0201066)
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Evelyn Richter; Datierung: 1974;
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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Nach 1992 band sie sich nicht mehr an ein Haus, arbeitete als
freischaffende Schauspielerin. Vor allem in Stücken von
Maxim Gorki zeigte Jenny Gröllmann ihr eindringliches,
facettenreiches Spiel, so beispielsweise als empfindsame junge
Anna Fjodorowna, die in "Barbaren" (02.11.1972,
DDR-Erstaufführung; Inszenierung: Hans Dieter Mäde1)) von ihrem
Mann Tscherkun gedemütigt wird, oder als Polja in "Die
Kleinbürger"1) (1982), die dem wohlhabenden
"Kleinbürger" Bessemjonow als billige Hausangestellte dient.
1983 glänzte sie als Armande in der von Karl Gassauer1) in Szene
gesetzten Moličre-Komödie "Die
gelehrten Frauen"1).
Zum Film kam die Schauspielerin parallel zu ihrer Theatertätigkeit,
einen ersten Leinwandauftritt hatte sie 1967 unter der Regie von
Karl-Heinz Carpentier als Studentin in dem DEFA-Episodenstreifen
"Geschichten jener
Nacht"1), weitere Kino- und
Fernsehproduktionen, vornehmlich in gesellschaftskritischen
Gegenwartsstücken, schlossen sich bei der DEFA an. Mit dem Typus
der selbständigen jungen Frau besetzt, erlebte man die auch mit
fortschreitendem Alter stets mädchenhafte wirkende Gröllmann
beispielsweise neben Karin Gregorek als engagierte Journalistin in
Hans-Georg Simmgens "Regina B." (1969), oder
als selbstbewusste Elektrikerin in dem nach Rainer Kerndls, von
Jochen Thomas für das Fernsehen inszenierte Zwei-Personenstück
"Ich bin einem Mädchen begegnet" (1970). Eine
herausragende Interpretation war 1971 die Figur des Mädchens Gila
in Ingrid Reschkes Kinofilm "Kennen
Sie Urban?"1), ein
Kritiker (H. Knietzsch) der Zeitung "Neues Deutschland"
schrieb unter anderem "Da ist Jenny Gröllmann als Mädchen
Gila, eine sehr selbstbewusste Studentin, der kleinbürgerliches Getue
fremd ist, die es sich leistet und leisten kann, einen Jungen zu
lieben, dessen Schattenseiten ihren Eltern erst einmal die Sprache
verschlägt."
In weiteren ambitionierten Kinofilmen wie Roland Gräfs Thriller
"Die Flucht"1) (1977)
oder Ulrich Weiß' antifaschistisches Drama "Dein unbekannter
Bruder"1) (1982, mit
Uwe Kockisch und Michael Gwisdek), einer Verfilmung des Buchs
von Willi Bredel, in dem der deutsche Widerstand während des
Nazi-Regimes thematisiert wird, zeigte Jenny Gröllmann ihre
darstellerische Kraft. In nachhaltiger Erinnerung bleibt sie auch als
verheiratete Geliebte Susette Gontard des Dichters Hölderlin,
gespielt von Ulrich Mühe, in Herrmann Zschoches
preisgekröntem Biopic "Hälfte des Lebens"1) (1985).
Die "Berliner Zeitung" schrieb damals unter anderem
"Vielleicht war es überhaupt die schönste Rolle für Jenny Gröllmann,
die sich durch diesen Film liebte, bis Hölderlin unter einer
Ledermaske für immer in einer Irrenanstalt verwahrt wurde."
Zu Jenny Grölllmanns Arbeiten für das Kino zählte nach der so
genannten "Wende" zuletzt Lars
Büchels "Erbsen
auf halb 6"1)
(2004).
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Brillant war ihre Verkörperung der alkoholkranken Mutter Henrich
in Helmut Krätzigs TV-Krimi "Unheil aus der Flasche"1) (1987)
aus der Reihe "Polizeiruf 110", insgesamt wirkte die
Schauspielerin im Verlaufe der Jahre in rund 7 Episoden dieser
populären Serie mit; zuletzt sah man sie 2004 unter der Regie von
Bodo Fürneisen in der spannenden Story "Das Zeichen"1),
neben Imogen Kogge als Ermittlerin Johanna Herz. Hauptsächlich konzentrierte die Schauspielerin ihr filmisches Wirken
auf das Fernsehen, neben zahlreichen Rollen in beliebten Krimi-Serien
wie "Ein Fall für zwei", "Hinter Gittern",
"Die Straßen von Berlin", "Großstadtrevier",
"SOKO 5113", "Der Bulle von Tölz" und
natürlich "Tatort", war Jenny Gröllmann bereits Anfang
der 1990er in den Geschichten um den "Liebling – Kreuzberg"1)
alias Manfred Krug mit der Figur der Anwältin Isenthal zum
gesamtdeutschen Serien-Star avanciert. Andere interessante
Serienfiguren wie das Fräulein Conradi in "Unser Lehrer Doktor Specht"1) (1995),
aber vor allem Rollen in spannenden TV-Krimis ließen die
Schauspielerin zur unverzichtbaren Größe auf dem Bildschirm werden.
Aus der Fülle ihrer Fernsehrollen für dieses Genre sind etwa zuletzt
der Thriller "Jagd auf den Plastiktüten-Mörder" (2001)
und der Tatort" "Leiden wie ein Tier"1) (2005) zu
nennen.
Erwähnt werden muss zudem, dass Jenny Gröllmann verschiedentlich
als Sprecherin in Hörspielen mitwirkte. Eine Auswahl der in der ARD-Hörspieldatenbank
aufgeführten Produktionen findet man hier
am Ende des Artikels.
Das Foto wurde mir freundlicherweise von der
Fotografin
Virginia Shue (Hamburg)
zur Verfügung gestellt.
Das Copyright liegt bei Virginia Shue.
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1999 hatten die Ärzte bei Jenny Gröllmann Brustkrebs diagnostiziert,
zunächst schien es, als habe sie die Krankheit besiegen können. Der
Rückschlag erfolgte 2002 bzw. 2005, am
9. August 2006 erlag die Schauspielerin in Berlin mit nur
59 Jahren ihrer schweren Krankheit; die letzte Ruhe fand sie auf
dem Berliner "Französischen Friedhof" → Foto der
Grabstelle bei
knerger.de.
Von 1984 bis 1990 war Jenny Gröllmann mit Schauspielerkollegen Ulrich Mühe
(1953 – 2007) verheiratet, aus der Verbindung stammt die
1985 geborene Tochter Anna Maria Mühe1),
die in die Fußstapfen ihrer Eltern getreten ist und sich inzwischen zu
einer renommierten Darstellerin gemausert hat. Eine weitere Tochter,
die 1969 geborene Jeanne, stammt aus Gröllmanns Beziehung zu
ihrer Jugendliebe Thomas Goguel, dessen Vater Rudi
Goguel1) (1908 – 1976)
unter anderem 1933 die Melodie zu "Die Moorsoldaten"1)
komponierte, eines der bekanntesten Lieder aus dem sozialistischen und
kommunistischen Widerstand. Jenny Gröllmanns erste,
1973 geschlossene Ehe mit dem Regisseur Michael Kann war
Anfang der 1980er Jahre geschieden worden, 2004 ging sie mit
dem Filmarchitekten Claus-Jürgen Pfeiffer ein drittes Mal zum
Standesamt.
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In ihren letzten Lebensmonaten sah sich Jenny Gröllmann einer
Medienkampagne ausgesetzt, zwischen 1979 und 1989 soll sie
Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit unterhalten haben und
als IM "Jeanne" bei der "Stasi" geführt
worden sein. Nach Interview-Äußerungen
Ulrich Mühes über die Vorwürfe im 2006 erschienenen Buch zum Film
"Das Leben der Anderen" erwirkte
Gröllmann mit einem Anwalt vor dem Landgericht Berlin
einstweilige Verfügungen gegen den Verlag des Buches sowie gegen ihren Ex-Ehemann.
Sie erklärte eidesstattlich, sie habe nie wissentlich
mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet.
Gestützt wurde ihre Darstellung durch die Aussage des mit dem Vorgang
befassten ehemaligen Stasi-Majors, er habe sich ihr gegenüber stets
als Kriminalpolizist ausgegeben und Teile der Akte gefälscht. (
) Das Gericht gab
dem Antrag Gröllmanns statt und untersagte die weitere Verbreitung des
Buches.1)
Am 19. Juni 2008 startete Petra Weisenburgers Dokumentarfilm "Ich will da sein Jenny Gröllmann"1)
in den Kinos. Neben Jenny Gröllmann sind unter anderem ihre
Tochter Anna Maria Mühe1) sowie die Schauspieler
Henry Hübchen, Jaecki Schwarz und
Michael Gwisdek zu
sehen. Die Filmemacherin begleitete die Künstlerin während ihrer
letzten drei Lebensjahre.
Mittels Filmausschnitten und parallel montierten Bildern und Gesprächen mit Kollegen und
Wegbegleitern, wie Michael Gwisdek und Henry Hübchen, wird die Karriere einer besonderen
Schauspielerin und das bewegende persönliche Portrait einer starken Frau gezeichnet.
Die Parallelerzählung von Fiktion und Realität verdichtet sich zu einem faszinierenden Dokument
der Schauspielkunst, DDR-Filmgeschichte und schließlich gesamtdeutschen Geschichte.
Ein Film über eine außerordentliche Frau zwischen Anerkennung und Vergessenheit, zwischen
Selbstverwirklichung und Schmerz, zwischen Diffamierung und Rehabilitierung.
(Quelle: verleih.defa-spektrum.de)
Filmplakat zu "Ich will da sein – Jenny Gröllmann"
Urheber/Autor: Defa-spektrum; Lizenz: CC BY-SA 2.0 DE Quelle:
Wikimedia
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