Angelika Hurwicz 1954; Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_pkm_0001148_184); © SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek; Urheber: Abraham Pisarek (1901–1983); Datierung: 01.1954; Quelle: www.deutschefotothek.de Die Schauspielerin, Regisseurin und Autorin Angelika Hurwicz wurde am 22. April 1922 als Tochter des Schriftstellers, Soziologen und Publizisten russisch-jüdischer Herkunft Elias Hurwicz1) (1884 – 1973) in Berlin-Schöneberg geboren. Schon früh interessierte sie sich für die Schauspielerei, teilte wie der zwei Jahre ältere Marcel Reich-Ranicki1) (1920 – 2013), dessen Eltern mit der Familie Hurwicz befreundet waren, die Begeisterung für das Theater. Sie konnte jedoch aufgrund der perfiden NS-Rassengesetze1) als "Halbjüdin" keine reguläre Theaterschule besuchen, stattdessen nahm sie zwischen 1939 und 1942 privaten Unterricht bei Lucie Höflich. Anschließend fand sie 1942/43 an einer erzgebirgischen Wanderbühne Unterschlupf, tingelte mit der Truppe durch die Provinz und sammelte so Bühnenerfahrungen. Nach der Schließung aller Theater aufgrund der "totalen Mobilmachung" 1944 arbeitete sie bis Kriegsende in einer Auto-Werkstatt. Die dunkle Zeit des Nationalsozialismus bzw. den Holocaust überlebten Elias und Angelika Hurwicz nur durch die, wie es im NS-Jargon hieß, "deutschblütige" Ehefrau bzw. Mutter.
 
Angelika Hurwicz 1954
Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_pkm_0001148_184)
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek
Urheber: Abraham Pisarek1) (1901–1983); Datierung: 01.1954
Quelle: www.deutschefotothek.de; Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
 
Nach Ende des 2. Weltkrieges gelang ihr dank Gustav von Wangenheims in Berlin der Sprung an das renommierte "Deutsche Theater"1), Ende 1948 wurde die 27-Jährige dann von Bertolt Brecht1) und dessen Ehefrau Helene Weigel für das frisch gegründete "Berliner Ensemble" (BE) engagiert. Anfangs noch in den Räumen des "Deutschen Theaters" beheimatet, fand dort am 11. Januar 1949 die triumphale Premiere von Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder" mit Helene Weigel in der Titelrolle statt, Angelika Hurwicz machte als stumme Kattrin auf sich aufmerksam und ihr Spiel "erlangte theaterhistorische Bedeutung"**). "Angelika Hurwicz ist der Ruhepol. Sie sitzt in vielen Szenen einfach nur konzentriert da, hört und guckt aufmerksam zu, nicht angestrengt, aber sehr wachsam. Ihre Kattrin ist ein gutmütiges, der Außenwelt neugierig zugekehrtes Geschöpf, das tief in sich ruht. Erst am Ende, wenn es darum geht, die Stadt vor den Soldaten mit lauten Trommelschlägen zu warnen, bricht eine unglaubliche Energie aus ihr hervor. Das hat etwas sehr Modernes, wie Hurwicz ihre Rolle so relaxed anlegt und gleichzeitig jede Bewegung enorm präzise ausführt. An ihrem Spiel ist nichts zu viel, nichts verschwommen. Was aber am meisten verwundert, sieht man heute die Videoaufzeichnung, ist, dass eine so junge Schauspielerin bereits so rund, so unabgelenkt und so still fröhlich in sich ruht. Man könnte bei bestem Willen nicht raten, wie alt sie wohl gerade ist. Prall, wuchtig, schwer und erdig ist ihr Körper, ihre Bewegungen sind ein wenig linkisch und träge, ihre Ausstrahlung ganz mütterlich, ihr apfelrunder Kopf und ihr Gesicht aber haben etwas freundlich Kindliches." schrieb unter anderem die Journalistin Karin Cerny in dem Artikel in der "Berliner Zeitung" (05.02.2000). Für ihre darstellerische Leistung wurde die Charaktermimin 1949 mit dem "Nationalpreis der DDR"1) ausgezeichnet.
 
In den kommenden Jahren verlieh Angelika Hurwicz etlichen Brecht'schen Figuren Profil, etwa der Frau Perez in "Die Gewehre der Frau Carrar", der Grusche in "Der kaukasische Kreidekreis" oder der Frau Sarti in "Leben des Galilei". Auch als Regisseurin war sie erfolgreich, gab 1955 ihr Debüt mit der Komödie "Die Ziehtochter oder Wohltaten tun weh" von Alexander N. Ostrowski mit Helene Weigel in der weiblichen Hauptrolle der Wassilissa, Ekkehard Schall als Grischa und Fred Düren als Negligentow. Im folgenden eine kleine Auswahl der Rollen bzw. Theaterstücke, mit denen Angelika Hurwicz am "Berliner Ensemble" Publikum und Kritiker zu überzeugen wusste (Quelle (überwiegend) und Link: Wikipedia):

1958 verließ Angelika Hurwicz das "Berliner Ensemble" bzw. die ehemalige DDR, arbeitete als freischaffende Künstlerin an Theatern in Westdeutschland (u. a. Hannover, Frankfurt/M, Wuppertal. Köln), aber auch in Zürich, London und Wien und hinterließ als Schauspielerin, später auch als Regisseurin nachhaltigen Eindruck. Beispielsweise trugen in Wuppertal die Inszenierungen von Carl Sternheims1) Schauspiel "Tabula rasa" (1966/67), Alexander N. Ostrowskis1) Komödie "Wölfe und Schafe" (1968–1970) und Goethes "Torquato Tasso"1) (1969/70) ihre Handschrift. Am renommierten Wiener "Burgtheater" wirkte sie zwischen 1978 und Mitte der 1980er Jahre, hier ist ihre Inszenierung von Arthur Schnitzlers "Professor Bernhardi"1) (1980/81) mit Norbert Kappen (1928 – 1984) in der Titelrolle hervorzuheben, ein Stück, dass am 26. Februar 1983 auch im Fernsehen ausgestrahlt wurde → Krimihomepage SPEZIAL. Weitere Regiearbeiten am "Burgtheater" waren unter anderem "Die Besessenen" (1983) von Albert Camus1) sowie Henrik Ibsens Schauspiel "Die Frau vom Meer"1) (1985), das wegen der eigenwilligen Regie jedoch ein ambivalentes Echo fand. Den Part des Lyngstrand sollte ursprünglich Otto Clemens1) spielen sollen, der während der Proben aufgrund künstlerischer Auseinandersetzungen mit Hurwicz seine weitere Mitarbeit jedoch beendete. "Viele Schauspielerkollegen bewunderten seine konsequente Haltung und solidarisierten sich mit Otto Clemens. Er sollte recht behalten: Die Aufführung wurde ein Misserfolg." kann man bei Wikipedia lesen.
 
Zum Film kam Angelika Hurwicz Ende der 1940er Jahre, gab ihr Leinwanddebüt in der sentimentalen Dreiecksgeschichte "Unser Mittwochabend" (1948), wenig später kam Anfang November 1948 Gustav von Wangenheims zweite Kino-Regiearbeit "Und wieder 48"1) in die Lichtspielhäuser. Es folgten, mitunter auch kleinere Aufgaben in weiteren DEFA-Produktionen, so in Slatan Dudows atmosphärisch dichten Geschichte "Unser täglich Brot"1) (1949), in Georg C. Klarens Literaturadaption "Die Sonnenbrucks"1) (1951) und in Arthur Pohls "Die Unbesiegbaren"1) (1953), der erste DEFA-Film zur Geschichte der sozialistischen deutschen Arbeiterbewegung. In Kurt Maetzigs Zweiteiler "Schlösser und Katen"1) (1956/57) zeigte sie sich als Hede, als 1961 die Filmfassung von Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder"1) in die Kinos kam, konnte sich auch ein breites Publikum von Hurwicz' herausragenden Schauspielkunst überzeugen.
Im DDR-Fernsehen erlebte man sie neben einigen Theater-Inszenierungen bzw. -Aufführungen zuletzt als Frau des Holzdrehermeisters Hartmann Schönherr in "Kater Lampe"2) (1958), gedreht nach der Dialektkomödie von Emil Rosenow1). In den nachfolgenden Jahrzehnten trat Angelika Hurwicz immer mal wieder mit prägnanten Rollen auf dem Bildschirm in Erscheinung, oft handelte es sich um Adaptionen von Theaterstücken wie Maxim Gorkis "Nachtasyl"3) (1959) und "Wassa Schelesnowa"3) (1963), Brechts "Leben des Galilei" (1962) und "Herr Puntila und sein Knecht Matti" (1966) oder Dürrenmatts "Frank V. – Die Oper einer Privatbank" (1967). Beachtung fand sie mit der Gestaltung der Titelrolle bzw. der engagierten Fabrikarbeiterin in "Der große Tag der Berta Laube" (EA: 21.01.1969), eine Geschichte aus der deutschen Arbeitswelt, die NDR-Chefdramaturg Dieter Meichsner1) "nach Vorlagen aus der Realität" verfasst und selbst in Szene gesetzt hatte → www.wunschliste.de. Eine ihrer letzten großen Fernseh-Auftritte hatte sie als die in Weimar lebende Frau Ökonomierat Behring in dem TV-Spiel "Miele" mit dem Untertitel "Ein Charakterbild" (1987) und Inge Andersen als still-bescheidene bzw. treu-ergebene Magd Miele, von Theater-Regisseur und -Intendant Hansgünther Heyme1) realisiert nach der Erzählung von Johannes Schlaf1) → www.spiegel.de. Mit dem Part der Mutter Wilms in der "Tatort"-Folge "Der Pott"1) (1989) verabschiedete sich die Charakterdarstellerin endgültig von den Fernsehzuschauern.
Erwähnt werden sollte, dass sich Angelika Hurwicz sporadisch als Sprecherin in verschiedenen Hörspiel-Produktionen betätigte, eine Auswahl der in der ARD-Hörspieldatenbank aufgeführten Produktionen findet man hier am Ende des Artikels.

Angelika Hurwicz war mit der 15 Jahre älteren Gerda Goedhart († 1994) liiert, die sie am "Berliner Ensemble" kennengelernt hatte und die als "Hof-Fotografin" Brechts galt. Diese veröffentlichte 1960 das Portrait "Die Schauspielerin Angelika Hurwicz: Ein Fotobuch", in dem vor allem viele Rollen-Fotos präsentiert werden. Mit Goedhart ließ sie sich Mitte der 1980er Jahre endgültig in der Gemeinde Bergen (Nordholland) nieder, wo sie nach dem Tod ihrer Lebensgefährtin zurückgezogen die letzten Jahre verbrachte.
Angelika Hurwicz erlag am 26. November 1999 im Alter von 77 Jahren in einem Krankenhaus in Bergen einer Krebserkrankung.
Ihr autobiografisch gefärbter Roma "Die Nische des Insekts" erschien noch kurz vor ihrem Tod, der Roman "Der neue Hamlet" blieb unveröffentlicht.
  
In einem Nachruf schrieb Christoph Funke in "Der Tagesspiegel" (30.11.1999) unter anderem: Ihre Rollengestaltungen, und die Grusche vor allen anderen, werden unvergessen bleiben. Klein, gedrungen, nicht landläufig schön, überwältigte sie als Kattrin und Grusche sowohl durch hinreißende Naivität und Freundlichkeit als auch durch Tapferkeit, aus unbewusst listiger Vorsicht kommend. Angelika Hurwicz brauchte nicht nach Effekten zu suchen. Sie war in allen ihren Rollen einfach und unübersehbar da, als eine Frau mit tief innerer Glaubwürdigkeit, geprägt und gebeutelt von den Widrigkeiten des Lebens, und doch voller Humor und Zuversicht. Sie zeigte immer die schreckliche Verführung zur Güte – und die Anspannung, mit der solcher Verführung widerstanden werden muss. "Sie verschärft die Situation", schrieb der Londoner "Observer" 1956, "indem sie die Verwicklung ignoriert: durch das, was sie weglässt, erkennen wir ihre Darstellung als eine große."

Quellen: (zum Teil) Volker Wachter*), "Lexikon der DDR-Stars"**), Wikipedia sowie
der Artikel in der "Berliner Zeitung"
*) Artikel von Volker Wachter auf der ehemaligen Webseite defa-sternstunden.de → Memento bei web.archive.org
**) "Lexikon der DDR-Stars" von F.-B. Habel und Volker Wachter (Ausgabe 1999, S. 147/148)
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) fernsehenderddr.de, 3) Die Krimihomepage
  
Filme
Kinofilme / Fernsehen
Filmografie bei der Internet Movie Database sowie
filmportal.de
(Fremde Links: Wikipedia (deutsch/englisch), defa-stiftung.de, 
fernsehenderddr.de, Die Krimihomepage, fernsehserien.de)
Kinofilme Fernsehen (Auszug)
  
Hörspielproduktionen (Auszug)
(Link: ARD-Hörspieldatenbank (mit Datum der Erstausstrahlung), Wikipedia (deutsch/englisch))
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