Elfriede Kuzmany wurde am 29. September 1915 im ostböhmischen Rokitnitz
(Rokytnice, Tschechoslowakei) geboren.
Bevor sie zu einer der bedeutendsten Darstellerinnen sowohl auf der
Bühne als auch bei Film und Fernsehen avancierte, studierte sie in Wien
an der Kunstakademie Malerei und Grafik, ließ sich dann an der Wiener
"Akademie für Musik und darstellende Kunst" zur
Schauspielerin ausbilden. Ein erstes Engagement erhielt Elfriede Kuzmany
1938 am Wiener "Theater in der Josefstadt", wo sie bis 1944 auf
der Bühne stand; gleichzeitig spielte sie zwischen 1941 und 1944 in Berlin
am "Deutschen Theater" und an den "Kammerspielen".
Nach Ende des 2. Weltkrieges gehörte sie bis 1949 für zwei
Jahre zum Ensemble der "Kammerspiele" in
Bremen, wechselte dann zum "Bayerischen Staatsschauspiel" nach
München.
Das Rollenrepertoire der zierlichen Schauspielerin, die sich nach
eigenen Aussagen vor allem der "gehobenen Sprache" verpflichtet fühlte,
war breit gefächert und reichte von klassischen Heldinnen bis hin zu
den Frauenfiguren moderner Autoren. So begeisterte sie beispielsweise
in zahlreichen Shakespeare-Stücken, war die Rosalinde in
"Wie es euch gefällt", die Titania in "Sommernachtstraum",
gab die Titelheldinnen in "Romeo und Julia" oder in "Troilus und Cressida".
Sie brillierte als Kleists "Käthchen von Heilbronn", als Klärchen in Goethes
"Egmont" ebenso wie als Donna Angela in Calderons
"Dame Kobold" oder als Frau von Cypressenberg in Nestroys
"Der Talisman". Beeindruckend war ihre Verkörperung der Alice in Strindbergs
"Totentanz", sie glänzte mit den Titelrollen in Shaws "Die heilige
Johanna" und in Lorcas "Dona Rosita", gab die Stella in Ustinovs
"Endspurt" und die Agnes in Saunders "Ein Duft von Blumen" um nur
einige ihrer herausragenden Rollen zu nennen.
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Elfriede Kuzmany in "Wie immer am
Donnerstag" von Loleh Bellon,
Inszenierung Dieter Wedel am "Ernst Deutsch-Theater" (Premiere 7. Juni 1979)
mit Gisela Trowe1) (Foto links) und
Inge Meysel1) (Foto rechts).
Die Fotos wurden mir
freundlicherweise von der Fotografin Virginia Shue
(Hamburg) zur Verfügung gestellt.
Das Copyright liegt bei Virginia Shue.
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Über ihre ergreifende Darstellung der Sidonie Knobbe in Hauptmanns
"Die Ratten" schrieb der New Yorker "Herald Tribune"
1966 anlässlich eines Gastspiels des Münchener "Residenztheaters" unter
anderem: "Kurz vor der Pause tritt eine Schauspielerin namens Elfriede Kuzmany auf
und elektrisiert die Bühne. Miss Kuzmanys Spiel ist ein Triumph der
flatternden Verzweiflung. Auch ohne ein Wort Deutsch zu verstehen, weiß man, dass sich großes Theater
ereignet."
1979 trat sie als Chorführerin in der "Orestie" zum letzten Mal als Ensemble-Mitglied des
"Residenztheaters" in München auf. Nach jahrelangen Querelen mit dem Intendanten Kurt Meisel
hatte sie ihren Vertrag gekündigt, gastierte in den folgenden
Jahren an so bedeutenden Bühnen wie beispielsweise an den "Kammerspielen" in Düsseldorf, an der Berliner
"Freien Volksbühne" oder an den "Münchner
Kammerspielen", darüber hinaus
intensivierte ihre Arbeit für Film und Fernsehen.
Die Fernsehzuschauer erlebten Elfriede Kuzmany neben zahlreichen
Auftritten in so beliebten Krimi-Reihen wie "Der Kommissar",
"Der Alte", "Derrick" oder "Polizei-Inspektion 1"
unter anderem 1964 als Dona Teresa in Kurt Wilhelms "Bericht von den Inseln"
sowie ein Jahr später in Wolfgang Glücks "Cyprienne oder Lassen wir uns scheiden!"
an der Seite von Harald Juhnke und Peter Pasetti.
Ab Mitte der 1980er Jahre wirkte sie in den Serien "Der Schatz im
Niemandsland"2), "Alte Gauner", "Es muss nicht immer Mord
sein" und "Bas-Boris Bode" mit, stand unter anderem 1985 für die sechsteilige
ZDF-Produktion "Glücklich
geschieden" vor der Kamera oder überzeugte 1988 als ältere Emma Bertini
in der mehrteiligen Familienchronik "Die Bertinis"2)
nach dem Roman von Ralph Giordano.
In Hartmut Schoens "Die Schönste Liebesgeschichte des Jahrhunderts"
bewies Elfriede Kuzmany 1991 einmal mehr ihre schauspielerische
Vielseitigkeit mit der Rolle der Rentnerin Hermine, die zusammen mit dem ausgerissenen Altenheimbewohner Albert
alias Manfred Steffen versucht, das nachzuholen, was sie in ihrem Leben bisher versäumt
hat. 1995 sah man sie als Madame de Pesay in Detlef Rönfeldts Krimi "Tödliches Geld",
ein Jahr später in Diethard Klantes Drama "Die Nacht hat 17 Stunden"
auf dem Bildschirm. Ihren letzten Fernsehauftritt hatte die Künstlerin
1997 neben Martin Benrath und Lola Müthel in Gert Steinheimers "Eine Herzensangelegenheit".
Mit ihren Rollen wirkte Elfriede Kuzmany stets ein wenig zerbrechlich,
fast schon ätherisch, spielte oftmals nervös und hypersensibel wirkende
Charaktere oder verkörperte still-leidende, subtile Frauenfiguren, mit
denen sie um so mehr ihre überwältigende, schauspielerische
Dominanz demonstrierte. Im Verlaufe ihrer Karriere wurde ihre Leistung
mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt, so erhielt sie 1959
den Titel "Bayerische Staatsschauspielerin", 1967 wurde ihr
der "Bayerische Verdienstorden" verliehen und 1981 konnte sie für
ihre ungewöhnliche Darstellung des Narren in Shakespeares "König Lear" den
"Hersfeld-Preis"2)
entgegennehmen. Ihre Verdienste um die Bühne wurden zudem 1999 mit dem "Bayerischen
Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst"2)
gewürdigt. Weitere Auszeichnungen sind der "Bundesfilmpreis" (1963) als "Beste Nebendarstellerin"
in Rolf Thieles Gesellschaftssatire "Das schwarz-weiß-rote Himmelbett"2)
und der "Schwabinger
Kunstpreis"2) (1989, Ehrenpreis).
Neben ihrer umfangreichen Arbeit für das Theater und den Film machte
sich Elfriede Kuzmany vor allem in den letzten Jahren auch einen Namen
als erfolgreiche Malerin. Ihre Aquarelle, Zeichnungen und Graphiken
präsentierte sie der Öffentlichkeit auf zahlreichen Ausstellungen unter
anderem in Berlin, Wien, Aachen und München. Ihre kritische Abrechnung
mit dem zeitgenössischen Regie-Theater publizierte sie 1985 unter dem Titel
"Der Anti-Antifaust" ("Der Anti-Antifaust oder wie man Goethes
"Faust" abschaffen könnte oder Scherz, Satire, Irr-Regie, untiefere Bedeutung: ein fiktives Regiebuch").
Ihre letzten Lebensjahre verbrachte die große Mimin, die mehr als vier Jahrzehnte
lang die Theaterszene prägte, zurückgezogen in einem Münchner Altenstift
und trat nur noch selten an die Öffentlichkeit. Elfriede Kuzmany
starb am 17. Juli 2006 im Alter von 90 Jahren nach langer, schwerer
Krankheit.
Anlässlich des Todes notierte DER SPIEGEL (30/2006) unter anderem:
"Die Damen mit dem leichten Schlag ins Entrückte lagen der
fragilen Frau mit der hellen Stimme besonders, auch die Verzagten und
Verzickten, die Sanften, unter deren Oberfläche Verzweiflung, gar Hass
brodelt, waren ihr Fach. Kuzmany war eine Schauspielerin vom alten
Schlag. Sie schätzte die "gehobene Sprache" der Dichter mehr
als selbstverliebte Einfälle stürmischer Regie-Genies."
Die schon in jungen Jahren zur Witwe gewordene Schauspielerin war Mutter von Sohn Michael sowie
der 1944 geborenen Tochter Jutta Wachsmann2),
die erfolgreich als Theaterregisseurin arbeitet.
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