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Susanne Lothar wurde am 15. November 1960 in Hamburg in eine
Schauspielerfamilie hineingeboren. Sowohl ihr Vater Hanns Lothar1) (1929 1967)
als auch ihre Mutter Ingrid Andree1) waren bzw. sind renommierte
Charakterdarsteller. Ihr Halbbruder Marcel Werner2) (1962 1986) war ebenso
Schauspieler wie die Brüder ihres als Hans Lothar Neutze geborenen
Vaters, Günther Neutze1) (1921 1991)
und Horst Michael Neutze1) (1923 2006).
Susanne Lothar besuchte in Hamburg ein Gymnasium, begann noch vor dem
Abitur ein Schauspielstudium an der Hamburger "Hochschule für Theater und Musik"
und erhielt bereits während ihrer Ausbildung im dritten Semester ein
Engagement als Elevin am "Thalia Theater". Schnell wurden
Kritiker und Publikum auf das Ausnahmetalent aufmerksam, 1981 konnte
Susanne Lothar als erste Preisträgerin den gerade neu ins Leben
gerufenen "Boy-Gobert-Preis"2),
Theaterpreis für Nachwuchsschauspieler an Hamburger Bühnen, für ihre
Leistungen in "Fegefeuer
in Ingolstadt"2) (von Marieluise Fleißer) und
als Recha (siehe Fotos) in Lessings "Nathan
der Weise"2) entgegen
nehmen im Laufe ihrer Karriere sollten etliche andere Auszeichnungen
folgen.
Foto: Susanne Lothar Ende Juni 2011 anlässlich der Gala "Cinema for Peace" (Berlinale 2011)
Urheber: Thore Siebrands (Siebbi); Lizenz CC-BY-SA 3.0.
Quelle: www.ipernity.com
bzw. Wikimedia
Commons/Wikipedia
Ausschnitt des Originalfoto: Susanne_Lothar_(2011).jpg
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1982 wechselte sie an das Schauspielhaus Köln, glänzte dort unter
anderem als Gretchen in Goethes "Faust" sowie als Cordelia in
Shakespeares "König Lear", jeweils
in Inszenierungen von Jürgen Flimm. Weitere Verpflichtungen führten
die vielseitige Mimin an bedeutende deutschsprachige Bühnen wie in Wien, Zürich, Stuttgart, Salzburg und
Berlin. Vor allem durch die Titelrolle der "Lulu"2) in Peter Zadeks Inszenierung aus dem
Jahr 1988 am "Hamburger Schauspielhaus" wurde sie bekannt. Darüber hinaus begeisterte
die Schauspielerin Kritiker
und Publikum unter anderem in "Drei Mal Leben"2) (Regie: Luc Bondy, 2000)
im Burgtheater Wien, 2001 am Schauspielhaus
Zürich ebenfalls unter der Regie von Luc Bondy in "Auf dem Land" und zwei Jahre später als Blanche du Bois in
"Endstation Sehnsucht" unter der Regie von Burkhard C. Kosminski. Im Jahr 2006 war Susanne Lothar als Klytaimnestra in
"Elektra" in einer Inszenierung von Thomas Ostermeier an der "Schaubühne Berlin" zu sehen.3)
Foto: Die blutjunge Susanne Lothar ca. 1979/80
Foto zur Verfügung gestellt von der
Fotografin Virginia Shue (Hamburg)
© Virginia Shue
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Ihr Leinwanddebüt gab die stets zerbrechlich wirkende Susanne Lothar 1983 in Tankred Dorsts Drama
"Eisenhans"2)
und wurde für ihre eindringliche Interpretation der debilen Tochter
Marga als "Beste Darstellerin" mit dem
"Bundesfilmpreis" ausgezeichnet. Es folgten Hauptrollen in
ambitionierten Kinoproduktionen wie unter anderem als schwangere Lena
in "Der
Berg" (1986) des Schweizer Regisseurs Markus Imhoof, in Michael Hanekes "Funny
Games"2) (1997) oder Helke Misselwitzs "Engelchen"2) (1997).
Mit Regisseur Michael Haneke drehte sie die Kafka-Adaption
"Das
Schloss"2) (1997), die Jelinek-Verfilmung "Die
Klavierspielerin"2) (2001, La pianiste) sowie
zuletzt das vielbeachtete und preisgekrönte Drama "Das
weiße Band"2) (2009), wo sie als missbrauchte und
gedemütigte Hebamme brillierte. Susanne Lothar zeigte ihre
schauspielerische Kunst in internationalen Produktionen wie
Costa-Gavras' Hochhuth-Verfilmung "Der
Stellvertreter"2) (2002, Amen.) und
"Der
Vorleser"2) (2009, The Reader). In Andreas Veiels
"Wer
wenn nicht wir"2) (2011) übernahm
sie die Rolle der Mutter der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin2) (1940 1977),
zu ihren letzten Kinoarbeiten zählt die
Hauptrolle an der Seite von Stephanie Stremler in Hanna Dooses Kinodebüt bzw. erstem Langfilm,
dem Mutter-Tochter-Drama "Staub
auf unseren Herzen"2) (2012), das
Mitte August 2012 in Berlin bei der Verleihung der "First Steps
Awards" als "Bester abendfüllender Spielfilm" ausgezeichnet
wurde und am 18. Juli 2013 an den allgemeinen Kinostart ging.
Seit Anfang der 1990er Jahre intensivierte Susanne Lothar ihre Arbeit
für das Fernsehen, mehrfach trat sie mit prägnanten Figuren im
"Tatort" in Erscheinung, spielte Gastrollen in beliebten
Krimiserien wie "Ein Fall für zwei", "Der letzte
Zeuge", "SOKO 5113",
"Kommissar Stolberg", "Das Duo", "Der
Alte" oder "Bloch". In der
US-amerikanisch-deutsch-kanadischen Koproduktion "Bonhoeffer Die letzte Stufe"2) (2000) mit Ulrich Tukur als
Theologe Dietrich Bonhoeffer2) (1906 1945) überzeugte sie beispielsweise
als dessen Zwillingsschwester Sabine (Sabine Leibholz2), 1906 1999),
in Hartmut Schoens Komödie "Vom
Küssen und vom Fliegen"2) (2000) verlieh
sie der Kellnerin Petra Maier Kontur. In Xaver Schwarzenbergers
Tragikomödie "Und
ewig schweigen die Männer"4) (2008) musste sie die
Lebenskrise ihres Filmehemanns Theo (Andreas Vitásek) verkraften, in Niki Steins Groteske "Der Tiger oder Was Frauen lieben!"5) (2009)
mimte sie die Bestsellerautorin von Beziehungsberatern, Hannah Schneider,
Geliebte des Verlagslektor Franz Reinhard (Herbert Knaup) → www.dieterwunderlich.de.
Mit Uwe Kockisch drehte sie den Psychothriller "Morgen musst Du sterben"2) (2010),
in der "Polizeiruf 110"-Folge "Die Gurkenkönigin"2) (2012)
konnte man Susanne Lothar bei einer ihrer
letzten TV-Auftritte als Chefin einer Gurkenfabrik bewundern.
Die "Spezialistin für facettenreiche Charaktere" so DER
SPIEGEL in einem Nachruf starb mit nur 51 Jahren in Berlin.
Dies gab der Anwalt ihrer Familie am 25. Juli 2012 bekannt,
ein genaues Datum bzw. die Todesumstände wurden mit Rücksicht
auf die Privatsphäre nicht genannt. Die Traueranzeige
in der "Süddeutschen Zeitung" nannte dann den 21. Juli 2012
als Todesdatum. Ihre Asche wurde vor der norddeutschen Küste auf See bestattet,
wie später in der Presse zu lesen war → www.bz-berlin.de.
Die Schauspielerin war seit 1997 mit ihrem Schauspielerkollegen
Ulrich Mühe1) verheiratet,
der am 22. Juli 2007 54-jährig seiner Magenkrebserkrankung erlag; aus der
Verbindung stammen
Tochter Sophie Marie (geb. 1995) und Sohn Jakob (geb. 1998).
Ulrich Mühe und seine Frau Susanne Lothar
Das Foto wurde mir freundlicherweise
von dem Fotografen
Kai-Uwe Heinrich (www.kai-uwe-heinrich.de)
zur Verfügung gestellt.
© Kai-Uwe Heinrich
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Kennengelernt hatte sich das Paar bereits 1990 bei den Salzburger Festspielen,
wiederholt stand Susanne Lothar mit Ehemann Mühe auf der Theaterbühne sowie
vor der Film- bzw. TV-Kamera, beide gaben oftmals Paare, die sich in
einer Extremsituation befanden. So so unter anderem in Michael Hanekes
ambivalent beurteiltem Gewaltdrama "Funny
Games" (1997) oder in Nicole Moslehs bereits 2006 abgedrehtem kammerspielartigem
Film "Nemesis"2),
einem psychologischen Thriller, der aufgrund eines Rechtsstreits erst
am 27.10.2010 im Rahmen der "Internationalen
Hofer Filmtage" Premiere feierte sowie am 15. November 2012 an den
bundesdeutschen Kinostart ging. "Im Spielfilmdebüt von Nicole Mosleh verkörpern Mühe und Lothar
zum letzten Mal ein Paar, das in Abgründe blickt. Still und mit aller Gewalt, schrill und mit aller Zärtlichkeit."
notierte unter anderem Ulrich Amling in DER
TAGESSPIEGEL" anlässlich der Vorstellung Mitte Oktober 2011 im
Berliner Kino "Babylon", allgemeiner Kinostart war der 15. November 2012 → nemesis.limagofilm.com.
Im Fernsehen zeigte sich Susanne beispielsweise mit ihrem Mann auch in einigen Folgen der
Krimi-Serie "Der letzte Zeuge"2).
Schon 1993 spielten sie in Detlef Rönfelds spannendem Zweiteiler "Das tödliche Auge"5) Hauptrollen,
in der Hamburger "Tatort"-Episode "Traumhaus"2) (1999) mit dem
Ermittler-Duo Stoever und Brockmöller (Manfred Krug/Charles Brauer) mimte Mühe eindrucksvoll einen verzweifelten Familienvater, der
schließlich keinen Ausweg mehr sieht und seine Familie auslöschen
will, Susanne Lothar seine fast bis zum Schluss ahnungslose Ehefrau.
Neben den erwähnten Auszeichnungen (1981: "Boy-Gobert-Preis";
1983: "Bundesfilmpreis") erhielt Susanne Lothar die
"Kainz-Medaille"2) (1986)
und den "O.E. Hasse-Preis"2) (1987).
1988 wurde sie (gemeinsam mit Jutta Lampe2)) von der Zeitschrift
"Theater heute" für die Gestaltung der Lulu in Peter Zadeks Inszenierung
von Wedekinds "Die Büchse der Pandora" zur "Schauspielerin des Jahres"
gekürt, 1993 überreichte man ihr (zusammen mit Ulrich Mühe) den
"Goldenen Gong" für die Darstellung der Vera Meerholtz in
dem spannenden zweiteiligen Krimi "Das tödliche Auge".
Mehrfach wurde sie für den "Deutschen Filmpreis" nominiert,
so 1997 für "Engelchen" (Beste Hauptdarstellerin), 2009 für
"Fleisch ist mein Gemüse" (Beste Nebendarstellerin) und 2010
für "Das weiße Band" (Beste Hauptdarstellerin).
Seit 1994 war Susanne Lothar Mitglied der Hamburger "Freien Akademie der Künste".
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Susanne Lothar als Recha
zusammen mit
Günther Amberger (1929 1998)
in
Lessings
"Nathan
der Weise"2).
Regie: Benjamin Korn
Premiere: 26. September 1981
im Hamburger "Thalia Theater"
Fotos zur Verfügung gestellt
von der
Fotografin
Virginia Shue (Hamburg)
© Virginia Shue |
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Susanne Lothar verstand es, nicht nur auf der Bühne, die Zuschauer
mitzunehmen, in Kino- und Fernsehproduktionen war sie Garant für
anspruchsvolle Unterhaltung jenseits des Mainstreams.
Der frühe Tod der Charaktermimin, abboniert auf schwierige und
gebrochene Charaktere, rief ein nicht nur bei Freunden und
Kollegen Trauer hervor, auch die Medien würdigten ausführlich ihr
künstlerisches Schaffen. So schrieb unter anderem DER SPIEGEL: "Sie galt
als Ausnahmetalent, als perfekte Darstellerin sehr emotionaler Figuren, die sie mit wohldosierter Wucht
darstellte, sie war eine der meistbeschäftigten Schauspielerinnen an deutschen Bühnen und im
Fernsehen".
"Der
Tagesspiegel" notierte beispielsweise "Sie gab
stets ihr Äußerstes, spielte die Tapferen, die Verzweifelten, die
Verlorenen, die Zähen." Für die "taz"
war sie die "eisig Sanfte", deren "Figuren
nie die Durchlässigkeit zum wirklichen Leben mit seinen manchmal abgründigen
Banalitäten verloren, in denen so oft die eigentlichen Tragödien
wurzeln."; siehe auch den Nachruf bei www.faz.net.
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