|
Wer kennt sie nicht, die "Mutter Beimer" die neben der
verstorbenen Inge Meysel (1910 2004) zur
"Mutter der Nation" avancierte und mehr als drei Jahrzehnte in dem ARD-Dauerbrenner "Lindenstraße"1)
zu den TV-Publikumslieblingen zählte. Gespielt wurde diese patente Frau
von Marie-Luise Marjan, die am 9. August 1940 als Marlies Wienkötter
im Essener "Elisabeth-Krankenhaus" das Licht der Welt erblickte. Von ihrer Mutter Hildegard Wienkötter
(1920 2004) wurde sie sofort nach der Geburt in ein Waisenhaus gegeben, wo sie die erste
Zeit ihres Lebens verbrachte. Dann kam sie als Kleinkind zu Pflegeeltern, dem Ehepaar Hanni und Emil Lause
nach Hattingen/Ruhr, welche das Mädchen am 2. März 1949
adoptierten; die leibliche Mutter wanderte 1956 nach Kanada aus.2) Nach dem Besuch des neusprachlichen Mädchengymnasium in Hattingen,
machte Marlies Lause 1958 das Diplom als Sprechstundenhilfe bei einem
praktischen Arzt, entschied sich dann für den Beruf der Schauspielerin.
Schon früh hatte sie sich für das Theater begeistert und bei zahlreichen
Schüleraufführungen mitgewirkt, nun besuchte mit Unterstützung ihrer Adoptiveltern
ab 1958 zwei Jahre lang in Hamburg die "Hochschule für Musik und Theater"1),
die von Prof. Eduard Marks
(1901 1981) und dessen Ehefrau Annemarie Marks-Rocke
(1901 2004) gegründet worden war; 1960 machte sie
ihren Abschluss, anschließend erhielt sie ein erstes Engagement an der
"Komödie Basel"1).
Das Foto wurde mir freundlicherweise von der
Fotografin
Virginia Shue (Hamburg)
zur Verfügung gestellt.
Das Copyright liegt bei Virginia Shue.
|
Eine weitere Station ihrer Theatertätigkeit wurde das "Badische Staatstheater"1)
in Karlsruhe, wo sie ab 1961 vier Jahre lang auf der Bühne stand, dann
wechselte sie 1965 für die nächsten zwei Jahre an
die "Bühnen der Stadt
Bonn"1). 1967 ging sie an das "Schauspielhaus Bochum"1)
und gestaltete bis 1979 in Inszenierungen von Hans Schalla1),
Peter Zadek1),
Hans Neuenfels1)
und Jürgen Flimm1) viele eindrucksvolle Rollen. An der
Berliner "Freien Volksbühne"1) trat sie zur Spielzeit 1979/80 auf,
1982/83 wirkte sie am Hamburger "Thalia
Theater"1), danach war Marie-Luise Marjan
als freischaffende Schauspielerin tätig.
Während ihrer Zeit in Bochum glänzte sie beispielsweise
unter der Regie von Hans Schalla als Amanda in "Armer Bitos oder
Das Diner der Köpfe" von Jean Anouilh1) oder als Estelle Rigault in dem Sartre-Drama "Geschlossene Gesellschaft"1),
wirkte auch in der Uraufführung (22.09.1972) von Peter Zadeks legendären Revue
"Kleiner Mann was nun?"1) (1972) nach dem
Roman von Hans Fallada1) mit,
für die Bühne bearbeitet von Tankred Dorst1) → www.zeit.de.
Mit Hans Neuenfels erarbeitete sie die Rosalie in Büchners
"Dantons Tod"1), in Jürgen Flimms,
an zwei Abenden aufgeführten Inszenierung des Heinrich Mann-Romans "Der Untertan"1) (1977,
Dramatisierung Robert Muller1)) gab sie die Mutter eine von vielen Mutterrollen,
die sie im Verlaufe der Jahre verkörperte. An der "Freien Volksbühne"
glänzte sie als Millerin in Schillers "Kabale und Liebe"1),
am "Thalia Theater" als Olympe in Georges Feydeaus
grotesken
Komödie "Der Floh im Ohr" um nur einige herausragende
Bühnenfiguren zu nennen.
Marie-Luise Marjan in "Der Floh im Ohr", einer Farce von Georges
Feydeau1),
am Hamburger "Thalia Theater"; Regie: Thomas
Schulte-Michels1); Premiere: 03.09.1981
Das Foto wurde mir freundlicherweise von der Fotografin
Virginia Shue (Hamburg)
zur Verfügung gestellt. Das Copyright liegt bei Virginia Shue.
|
|
Seit Anfang der 1970er Jahre übernahm die Schauspielerin Aufgaben für Film
und Fernsehen, auf dem Bildschirm erlebte man sie in Wolfgang Petersens
gesellschaftskritischem und umstrittenen Drama "Smog"1) (1973) und erregte mit der Rolle
der Elvira Rykalla erste Aufmerksamkeit. Es folgten Aufgaben in einigen "Tatort"-Episoden oder der Serie
"Aktion Grün"3) (1976), 1977 spielte sie in
"Die Vorstadtkrokodile"1),
der Verfilmung des gleichnamigen
Kinderbuchs1) von Max von der Grün1),
als die Mutter des Jungen Hannes mit, Rainer Werner Fassbinder1) gab ihr
den kleinen Part der Wirtin Dörchen in seiner mehrteiligen Döblin-Adaption "Berlin Alexanderplatz" (1979),
wenig später hatte Marie-Luise Marjan in der nach einer Idee von Elke Heidenreich
realisierten heiteren Ruhrpott-Serie "Tour de Ruhr"1) (1981)
mit der Figur der Lisbett Stratmann, die gemeinsam mit ihrer Familie bei
einer Radtour die Sehenswürdigkeiten des Ruhrgebiets erkundet, ihren
endgültigen Durchbruch auf dem Bildschirm und avancierte zu einer vielbeschäftigten
Darstellerin. Mit unterhaltsamen Serien-Geschichten wie "Christian
und Christiane"1) (1982)
und "Eigener
Herd ist Goldes wert"1) (1984/85) konnte sie ihre Beliebtheit weiter steigern.
|
Marie-Luise Marjan (Frau von Onkel Manfred) in dem
von Rolf Hädrich1) inszenierten TV-Spiel
"Backfischliebe" (1985), einer poetischen, deutsch-englischen Romanze am Vorabend
des 2. Weltkriegs nach dem Roman "Calf Love" von Vernon Bartlett.
Auf dem Foto ebenfalls vertreten (Mitte oben): Karl-Heinz von Hassel
(Onkel Manfred)
und Diana Körner (Frau von
Westermann) → Info wunschliste.de
Das Foto wurde mir freundlicherweise von der Fotografin
Virginia Shue (Hamburg)
zur Verfügung gestellt.
Das Copyright liegt bei Virginia Shue.
|
Doch so richtig populär wurde sie erst mit der Figur der Hausfrau Helga Beimer in
der "Lindenstraße"1), seit der ersten Folge, die am 8. Dezember 1985
in der ARD auf Sendung ging, war sie mit dabei und erlebte in den mehr als drei
Jahrzehnte wöchentlich ausgestrahlten 30-minütigen Episoden viele Höhen
und Tiefen. Ihren ersten Filmehemann "Hansemann" (Joachim Hermann Luger1)),
der sie liebevoll "meine Taube" nannte, tauschte sie im Verlaufe
der Folgen (1991) gegen den Reisebüro-Besitzer Erich Schiller
(Bill Mockridge1))
aus, die Filmkinder Marion (Ina Bleiweiß1)) und Benny
(Christian Kahrmann1))
stiegen 1988 bzw. 1993 aus dem Dauerbrenner aus, nur das ehemalige Nesthäkchen
Klaus ("mein Hase", Moritz A. Sachs1))
blieb der Serie bis zum Schluss treu. Joachim Luger alias Hans Beimer
starb im Hebst 2018 den Serien-Tod und beendete nach 33 Jahren auf eigenen Wunsch sein Engagement in der
Kultserie. Bill Mockridge gehörte bereits seit 2015 nicht mehr
zur Besetzung, auch er starb einen spektakulären Serien-Tod. Bereits im November 2018 wurde bekannt, dass die ARD-Fernsehprogrammkonferenz
den Vertrag mit der von Hans W. Geißendörfer1)
gegründeten "Geißendörfer Film- und Fernsehproduktion" nicht verlängere und die Serie somit nach
knapp 35 Jahren beendet
werde. Letzter Drehtag war am 20. Dezember 2019, mit der letzte Folge 1758
und dem Titel "Auf Wiedersehen" verabschiedete sich das "Lindenstraßen"-Team und somit auch
"Mutter Beimer" am 29. März 2020 um 18:50 Uhr
von seinen Zuschauern. Im Vorfeld des Finales zeigte die ARD mit der WDR-Dokumentation
"Bye bye Lindenstraße" einen Rückblick auf mehr als drei Jahrzehnte
TV-Kult → fernsehserien.de.
Die Serie ließ Marie-Luise Marjan wenig Zeit für andere interessante
TV-Aufgaben, doch hin und wieder brach sie aus dem "Lindenstraßen"-Alltag
aus und spielte in Filmen wie "Zerbrochene Brücken" (1986),
"Tödliche Liebe"4) (1986) oder
der Serie "Kein Rezept für die Liebe"3) (19931995),
wo sie als Lisa Kern einen Mann (Friedhelm Ptok), zwei Kinder und eine Apotheke "managen" musste. Eine schöne Rolle war auch die der Anita De Winter in
"Immer wenn sie Krimis liest" (1994), wo sie mal der Mutterrolle
entfliehen konnte und sich als Amateurdetektivin selbst in tödliche Gefahr
brachte. In Dagmar Dameks modernem Heimatfilm "Dem Himmel sei Dank"4)
tauchte sie dann Anfang November 2005 als engagierte Pastorin Carla Bergmann
auf und zeigte einmal mehr, dass sie nicht nur die "Mutter Beimer"
mit Herz und Verstand verkörpern kann: Statt einem Pastorat in Köln muss
sich die Titelheldin in einer kleinen Gemeinde im Sauerland ganz von vorne anfangen,
unterstützt von dem Kunsthistoriker Konrad Bechtholsheim (Ulrich Pleitgen) und
Tochter Sarah (Bettina Kupfer1)) meistert sie trotz aller Widerstände
ihrer Gemeindemitglieder auftretende soziale Probleme und beeindruckt nicht
nur als leidenschaftlich Schach spielende Pastorin → Übersicht
Filmografie.
|
Marie-Luise Marjan in den 1980ern mit
Gert Fröbe und
Marion Kracht1)
Das Foto wurde mir freundlicherweise von der Fotografin
Virginia Shue (Hamburg)
zur Verfügung gestellt.
Das Copyright liegt bei Virginia Shue.
|
Vereinzelt übernahm Marie-Luise Marjan auch Aufgaben als
Synchronsprecherin, so lieh sie in den Animationsfilmen "Shrek 2 – Der
tollkühne Held kehrt zurück"1) (2004), "Shrek der Dritte"1) (2007)
und "Für immer Shrek"1) (2010)
der Königin Lillian ihre Stimme, die in der Originalversion von dem
Hollywood-Star Julie Andrews gesprochen wird. Darüber hinaus liest die
Schauspielerin seit 1999 regelmäßig Hörbücher ein, zu nennen sind
beispielsweise "Der Tag, als ich die Socke fand" von
Erma Bombeck1), "Wintersonne" von
Rosamunde Pilcher1),
"Die schönsten Märchen der Welt" oder "Märchenhaft und
Liederlich – Lieder und Märchen der Romantik", bei dem sie
gemeinsam mit dem Musiker, Radio- und Fernsehmoderator Jochen Wiegandt1)
(Musik) und der Erzählerin Susanne Ulke mit Briefen von Goethe, Heine,
Brentano und anderen den Zuhörer in die Welt der Romantik eintauchen
lässt. Sie las unter anderem die melodramatische Geschichte "Durch
Liebe erlöst" (2005) von Hedwig Courths-Mahler1), "Die
Schachspielerin" (2006) von Bertina Henrichs1), zusammen mit
Philipp Schepmann1) bringt sie "Du bist ein liebes
Traumgesicht Die schönsten Liebesgedichte" (2008)
zu Gehör.
Seit Ende der 1990er Jahre machte sich Marie-Luise Marjan auch selbst einen Namen als Autorin: Das 1998 erschienene Buch "Was mein Herz bewegt" vereint Kolumnen, die in der Zeitschrift
"Frau mit Herz" Woche für Woche begeisterte Leserinnen findet, ihre
gemeinsam mit Hans Dieter Schreeb1) geschriebene Autobiografie "Denk jetzt nicht, du kannst schon
alles
", in der sie von ihrer Kindheit und Jugend sowie den Anfängen
ihrer Schauspielerkarriere erzählt, kam Anfang August 2000 auf den Markt.
Im Herbst 2004 veröffentlichte sie das Buch "Freundschaften": Eine
bunte Anthologie, in der 62 prominente Freunde, Kollegen und Weggefährten wie
beispielsweise Norbert Blüm1),
Dieter Kürten1),
Ulrich Pleitgen,
Reinhard Mey1),
Hans-Dietrich Genscher1), Ulla Schmidt1),
Ute Ohoven1)
oder Dieter Hallervorden sich an ihre ganz persönlichen Freundschaftserlebnisse
erinnern.
|
Das soziale Engagement ist für Marie-Luise Marjan ein großes
Anliegen, seit 1990 ist sie UNICEF1)-Botschafterin für Deutschland
und als Kuratoriumsmitglied der Organisation "Plan International"1)
kümmert sie sich seit 1999 um notleidende Kinder in der Dritten Welt. Mit ihrer 2010 ins Leben gerufenen "Marie-Luise Marjan-Stiftung" unterstützt sie
"Plan International Deutschland e.V." finanziell bei verschiedenen weltweiten
Projekten → www.plan-deutschland.de.
Zudem setzt ihre Popularität als Schauspielerin immer wieder ein, um auf wichtige Themen aus den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz aufmerksam zu machen.
Die Schauspielerin kann auf viele Auszeichnungen zurückblicken, 1989 erhielt sie einen
"Bambi"1) für ihre Rolle in der
"Lindenstraße, 1994 wurde ihr der "Tele-Star"1)
überreicht, vier Jahre später die "Goldene Kamera"1).
Ebenfalls 1998 wurde ihr
das "Bundesverdienstkreuz 1. Klasse" verliehen, 2010 folgte
das "Große Bundesverdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik
Deutschland" für ihr jahrzehntelanges Engagement bei UNICEF,
" Plan International" und bei den "Maltesern".
In Berlin konnte sie am 26. Oktober 2012 bei der Verleihung der "German
Soap Awards"1), einer 2011 ins Leben
gerufenen Internet-Auszeichnung für Darsteller deutscher Seifenopern und
Telenovelas,
den "Ehrenpreis" entgegennehmen.; dieser wurde 2012 erstmalig
vergeben. Am 23. Juni 2014 würdigte man ihr soziales Engagement mit dem "Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen"1),
der ihr in der NRW-Staatskanzlei im Rahmen einer Feierstunde von der
damaligen stellvertretenden Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann für ihren Einsatz zugunsten notleidender Kinder in aller Welt
überreicht wurde.
Marie-Luise Marjan am 17.08.2008 auf dem "Lindenstraßen"-Umwelttag
in München
Urheber: Michael
Lucan;
Lizenz: CC-BY-SA-3.0;
Quelle: Wikipedia
bzw. Wikimedia
Commons
|
In der in der ARD ausgestrahlten vierteiligen Dokumentationsreihe "Das Geheimnis meiner Familie"1)
begab sich auch Marie-Luise Marjan auf Spurensuche nach ihrer Familie und
ließ die Zuschauer am 31. März 2008 an ihrer Reise in die Vergangenheit
teilhaben. Mit Hilfe von Ahnenforschern konnte die Schauspielerin einen
Kontakt zu einem bisher unbekannten fünf Jahre jüngeren Halbbruder
Günther Grimm herstellen, der im Allgäu lebt und ebenfalls im Heim aufwuchs. Marie-Luise Marjan wurde bereits
als Kleinkind zur Adoption freigegeben. Erst mit 16 Jahren hat sie zum ersten Mal ihre leibliche Mutter getroffen, doch Mutter
und Tochter blieben sich für immer fremd. Auch den Namen des Vaters wollte
die leibliche Mutter nie preisgeben. Nebulös erzählte sie etwas von einem
Luftwaffenoffizier aus Würzburg, der allerdings kaum zwei Jahre nach Geburt
der kleinen Marie-Luise als Kampfflieger ums Leben kam. (Quelle: www.wdr.de)
Gemeinsam mit Sylvia Gredig entstand das Buch "Ganz unerwartet
anders" mit dem Untertitel "Ich suchte meinen Vater und fand eine
Großfamilie", welches anlässlich des 75. Geburtstages von Marie-Luise Marjan im Juli 2015 veröffentlicht wurde.
Marie-Luise Marjan am 1. September 2015 anlässlich
des Pressetermins "30 Jahre Lindenstraße"
Urheber: Raimond Spekking; © Raimond Spekking
Lizenz: CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia
Commons = Quelle)
|
|
|