Hugo Thimig ca. 1899; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Urheber/Autor: Ungenannt; Copyright ÖNB Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer PORT_00010904_01) Hugo Thimig, der als Stammvater einer der berühmtesten österreichischen Theaterfamilien gilt, wurde am 16. Juni 1854 als Sohn des Handschuhmachers August Thimig und dessen Frau Pauline, Tochter des Dresdner Uhrmachers Weise, in Dresden1) geboren; er hatte drei Geschwister, die außer ihm von sieben Kindern am Leben geblieben waren. Luise, Paul und Max. Luise heiratete einen Fabrikanten in Erfurt, Paul wurde Uhrmacher in Dresden wie sein Großvater mütterlicherseits, und Max übernahm das Handschuhgeschäft der Eltern.*) Zunächst besuchte Hugo eine "Handels-Lehr-Anstalt" bzw. absolvierte er eine kaufmännische Lehre und ging anschließend die "Dresdner Handelsakademie". Da sich Thimig für das Theater interessierte wirkte er in Dresden bei einer Laiengruppe mit, wo er eines Abends von dem Schauspieler Ferdinand Dessoir1) (1836 – 1892) gesehen wurde, der dem jungen Thimig ersten dramatischen Unterricht vermittelte.
Wenige Zeit später stand Hugo Thimig auf einer professionellen Theaterbühne und gab am 15. Oktober 1872 sein Debüt am Stadttheater von Bautzen1) mit der Rolle des Lanzelot Gobbo in Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig"1). Weitere, jeweils kurzzeitige Stationen wurden die Theater von Zittau1), Kamenz1) und Freiberg1) sowie in Breslau das "Lobe-Theater"1), wo er am 4. Juli 1873 erstmals als Theodor in dem Schwank "Rosenmüller und Finke oder Abgemacht" von Karl Töpfer1) bzw. "als jugendlicher Liebhaber und Komiker in der Tradition der Commedia dell'arte1) auftrat – sein großes Talent im Slapstick trug ihm den Beinamen eines Charlie Chaplin der Bühne ein."2)

Hugo Thimig ca. 1899
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber/Autor: Ungenannt
© ÖNB Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer PORT_00010904_01)

Im Juni 1884 kam der gebürtige Sachse zu einem Probegastspiel nach Wien und gab am "Burgtheater"1) (seit 1888 "k.k. Hofburgtheater") seinen Einstand mit der Figur des Didier in dem Stück "Die Grille" von Charlotte Birch-Pfeiffer1). Im Herbst 1884 verließ Thimig Breslau und gehörte der berühmten Bühne zunächst bis 1923 (seit 1919 als Gastschauspieler) an, wurde jedoch als "Mitglied auf Lebenszeit" verpflichtet. 1881 erhielt er den Titel eines "wirklichen Hofschauspielers", führte ab 1897 auch Regie und wurde nach dem Tode Alfred von Bergers1) im Jahre 1912 mit der provisorischen Leitung des "Hofburgtheaters" betraut. Die Ernennung zum Direktor erfolgte dann zwei Jahre später: Diese Funktion hatte Thimig bis 1917 inne, danach legte er das Amt nieder und wurde für seine Leistung mit dem Titel "Hofrat" geehrt. Am 30. Juni 1923 trat er als alter Schäfer in Shakespeares "Das Wintermärchen" nach mehr als vier Jahrzehnten letztmalig am "Burgtheater" auf.**)
Nach seiner Pensionierung wechselte der inzwischen 70-jährige Thimig 1924 an das von seinem späteren Schwiegersohn Max Reinhardt1) geleitete Wiener "Theater in der Josefstadt"1), wo er bis 1933 blieb, um sich dann, fast 80-jährig, endgültig ins Privatleben zurückzuziehen.
 

Portrait Hugo Thimig
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber/Autor: Ungenannt; Datierung: Ungenannt
© ÖNB Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer PORT_00010906_01)

Portrait Hugo Thimig; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Urheber/Autor: Ungenannt; Datierung: Ungenannt; Copyright ÖNB Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer PORT_00010906_01)
Portrait Hugo Thimig; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Urheber/Autor: Ungenannt; Datierung: Ungenannt; Copyright ÖNB Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer Pf 6007 E 5) Im gereifteren Alter überzeugte er immer mehr als ernst zu nehmender Charakterdarsteller, das Josefstädter Publikum konnte Thimig wiederholt an der Seite seiner Kinder Hermann, Hans und Helene bewundern, als Reinhardt 1924 Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig" (Premiere: 26.05.1924) mit Fritz Kortner als Shylock und Rudolf Forster in der Titelrolle inszenierte, besetzte er Thimig als den alten Gobbo, Vater von Shylocks Diener Lanzelot (Hermann Thimig) → josefstadt.org. Kurz zuvor hatte Reinhardt Schillers "Kabale und Liebe" (Premiere: 09.04.1924) mit Tochter Helene (Luise) und Paul Hartmann (Ferdinand) auf die Bühne gebracht, Hugo Thimig beeindruckte als der alte Stadtmusikant Miller → josefstadt.org. Im Folgejahr gab er den Graf von Kent in dem Shakespeare-Drama "König Lear"1) (Premiere: 13.03.1925) mit Eugen Klöpfer in der Titelrolle sowie unter anderem Hans (Edgar) und Helene Thimig (Cordelia) → josefstadt.org. Zur Spielzeit 1925/26 kam es zu einer denkwürdigen Aufführung des Stücks "Alles und nichts oder Der Traum von Schale und Kern" (Premiere: 05.03.1926) von Egon Friedell1) und Hanns Sassmann1) nach Motiven des Nestroy-Zauberspiels "Müller, Kohlenbrenner und Sesseltrager oder Die Träume von Schale und Kern"1) – hier stand Thimig als Schierling, ein Enterbter, in der Inszenierung von Paul Kalbeck1) mit seinen drei Kindern Hermann (Weiß, ein Müllerbursche), Hans (Rochus, Schierlings Sohn) und Helene (Pulverhörndl, Tambour bei den Grenadieren) gemeinsam auf der Bühne; weitere Mitspieler waren unter anderem  Gustav Waldau (Rot, ein Sesselträger), Hans Moser (Hasenöhrl, Bandit und Lakai) und Annie Rosar (die böse Fee Infamia) → josefstadt.org.

Portrait Hugo Thimig
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber/Autor: Ungenannt; Datierung: Ungenannt
© ÖNB Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer Pf 6007 E 5)
1933 gab er unter frenetischem Beifall der Besucher und Kollegen seinen Abschied von der Josefstädter Bühne, brillierte in Schnitzlers Schauspiel "Liebelei"1) (Premiere: 20.02.1933) als Violinspieler Hans Weyring → josefstadt.org.
Zu Thimigs Glanzrollen zählten Werke bzw. Figuren von Shakespeare, so der Zettel in "Ein Sommernachtstraum"1) oder der Junker Andreas von Bleichenwang in "Was ihr wollt"1), er wurde unter anderem als Coquin in dem Versdrama "Der Arzt seiner Ehre" von Calderón de la Barca1) gefeiert. Thimig zeigte seine enorme Wandlungsfähigkeit zudem in damals modernen bzw. gesellschaftskritischen Stücken, wie als anständiger Bürger und Demokrat Billing1) in "Ein Volksfeind"1) und als Hilmar Tönnesen in "Stützen der Gesellschaft" von Henrik Ibsen1), gestaltete Rollen in Gerhart Hauptmanns Drama "Einsame Menschen"1) ebenso genial wie in Komödien.
 
 

Hugo Thimig auf einer Fotografie von Otto Schmidt (1849 – 1920), Wien
wiedergegeben in einem Lichtdruck von Max Jaffé
(1845 – 1939), Wien
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Autor/Urheber: Otto Schmidt; Datierung: Ungenannt
Körperschaft: Antiquariat V. A. Heck (Wien), Max Jaffé (Wien)
© ÖNB Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer Pg III/7/103)

Hugo Thimig auf einer Fotografie von Otto Schmidt,wiedergegeben in einem Lichtdruck von Max Jaffé, Wien; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Autor/Urheber: Otto Schmidt; Datierung: Ungenannt; Körperschaft: Antiquariat V. A. Heck (Wien), Max Jaffé (Wien); Copyright ÖNB Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer Pg III/7/103)
Hugo Thimig als "Schmock" in Gustav Freytags Lustspiel "Die Journalisten"; Quelle: Wikipedia; Scan aus "Spemanns goldenes Buch des Theaters" (1902) von Wikimedia-Benutzer-Goerdten; Die Schutzdauer für das von dieser Datei gezeigte Werk ist nach den Maßstäben des deutschen, des österreichischen und des schweizerischen Urheberrechts abgelaufen. Es ist daher gemeinfrei. Als Dorfrichter Adam in Kleists "Der zerbrochne Krug"1) wusste er das Publikum ebenso für sich einzunehmen wie als Schulinspektor Brösecke in dem Wilhelminischen Lustspiel "Flachsmann als Erzieher" von Otto Ernst1)  → Inhalt bei gutenberg.spiegel.de. Berühmt wurde Thimig schon früh mit der Figur des "Winkeljournalisten" Schmock in dem Lustspiel "Die Journalisten"1) von Gustav Freytag1) sowie durch seine einmalige Darstellung des Schmierentheaterdirektors Striese in seiner eigenen Inszenierung des bis heute unverwüstlichen Schwanks "Der Raub der Sabinerinnen"1) von Franz und Paul von Schönthan1). Zur Spielzeit 1929/30 setzte er diese Komödie am "Theater in der Josefstadt" in Szene, gab seit der Premiere am 17. Juni 1930 den Striese an der Seite von Alfred Neugebauer (Professor Martin Gollwitz) sowie unter anderem Paula Wessely (Paula Gollwitz), Attila Hörbiger (Dr. Leopold Neumeister), Hermann Thimig (Weinhändler Karl Groß) und Hans Thimig (Emil Groß, dessen Sohn)  → josefstadt.org.
 Zwei Mal wirkte er bei den "Salzburger Festspielen"1) in Inszenierungen von Max Reinhardt mit: 1926 gab er den Pantalone1) in dem Lustspiel "Der Diener zweier Herren"1) von Carlo Goldoni1) an der Seite seiner Kinder Hermann (Diener Truffaldino), Hans (Florindo) und Helene (Kammermädchen Smeraldina); bereits am 1. April 1924 (Premiere) war das Stück am "Theater in der Josefstadt" mit nahezu gleicher Besetzung aufgeführt worden → josefstadt.org. 1927 spielte Thimig auch in Salzburg den alten Miller in "Kabale und Liebe".
  
Hugo Thimig als Schmock in Gustav Freytags Lustspiel "Die Journalisten"
Quelle: Wikipedia: Scan aus "Spemanns goldenes Buch des Theaters" (1902)
Urheber: Rudolf Krziwanek1) (1843 – 1905)
Scan  von Wikipedia-Nutzer Goerdten; Lizenz zur Veröffentlichung siehe hier
Vereinzelt machte Thimig auch Ausflüge auf die Leinwand: So zeigte er sich erstmals 1921 als Wirt "Zur goldenen Waage" in dem stummen Streifen "Kleider machen Leute"1) auf der Leinwand, gedreht von Hans Steinhoff1) nach Motiven der Novelle von Gottfried Keller1) mit Sohn Hermann als Schneider Jaro Strapinsky. Es folgten Produktionen wie "Das verbotene Land"1) (1924), "Das Spielzeug von Paris" (1925) und "Die Pratermizzi"1) (1927). In Georg Jacobys musikalischen Komödie "Geld auf der Straße"3) (1930) konnte man Thimig dann auch hören, hier mimte er den Max Kesselberg. In Otto Premingers1) ersten Regiearbeit für den Film mit dem Titel "Die große Liebe"1) (1931) war er ein Polizeikommissar und ein Jahr später sah man ihn mit einem kleinen Part in der Geschichte "Die grausame Freundin"3) (1932) zusammen mit Anny Ondra und Fritz Rasp. Eine letzte Filmrolle spielte er als Prokurist Thalhammer in dem streifen  "Buchhalter Schnabel" (1935, auch " Ein junger Herr aus Oxford") an der Seite von Hans Moser, der den Titelhelden darstellte → Filmografie.

Hugo Thimig fotografiert von Dr. Josef Székely (1838 - 1901)
Quelle: Wikimedia Commons
Dieses Bild ist Teil der Porträtsammlung Friedrich Nicolas Manskopf der
Universitätsbibliothek der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Signatur: 5542926; Lizenz zur Veröffentlichung siehe hier

Hugo Thimig fotografiert von Dr. Josef Székely (1838 - 1901); Quelle: Wikimedia Commons; Dieses Bild ist Teil der Porträtsammlung Friedrich Nicolas Manskopf der Universitätsbibliothek der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Signatur: S36_F10066).
Hugo Thimig, Träger der "Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft"1) (1942) und des "Ehrenringes der Stadt Wien"1) (1944), starb am 24. September 1944 mit 90 Jahren in Wien –  zwei Tage nach dem Tod seiner Frau Franziska, genannt "Fanny" ((11.03.1867 – 22.09.1944). Da er ohne seine Gattin nicht mehr leben wollte, hatte Thimig den Freitod gewählt. Die letzte Ruhe fand er auf dem Sieveringer Friedhof1) in Wien (Abteilung 2, Gruppe 13, Nummer 76) neben seiner Ehefrau → Foto der Grabstelle bei Wikimedia Commons sowie knerger.de.
Seine Söhne Hermann Thimig (1890 – 1982) und Hans Thimig (1900 – 1991) sowie seine Tochter Helene Thimig (1889 – 1974), die Witwe des bekannten, 1943 verstorbenen Regisseurs und Theaterleiters Max Reinhardt1) (1873 – 1943), wurden ebenfalls brillante Charakterdarsteller und führten die Schauspielertradition ihres Vaters fort.
 
von links nach rechts: Hermann, Helene und Hugo Thimig mit Max Reinhardt sowie zwei Schäferhunden um 1935 auf der Treppe vor Schloss Leopoldskron; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Autor/Urheber: Hans Böhm; Datierung: um 1935; Copyright Hans Böhm /  ÖNB Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer NB 612.921 B)
von links nach rechts: Hermann, Helene und Hugo Thimig mit Max Reinhardt
sowie zwei Schäferhunden um 1935 auf der Treppe vor Schloss Leopoldskron1),
Reinhardt kaufte das Schloss 1918 und bewohnte es bis zur Enteignung
seines Salzburger Besitzes am 16. April 1938.
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Autor/Urheber: Hans Böhm (1890 – 1950); Datierung: um 1935
© Hans Böhm /  ÖNB Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer NB 612.921 B)

Seit 1948 im Wiener Gemeindebezirk Währing die "Thimiggasse" nach Hugo Thimig benannt. Franz Hadamowsky1) brachte 1962 das Werk "Hugo Thimig erzählt von seinem Leben und dem Theater seiner Zeit – Briefe und Tagebuchnotizen" heraus.
Thimig besaß die größte Privattheater-Sammlung (darunter 20.000 Druckschriften, 40.000 Autographen, 60.000 Bildobjekte), die er 1922 der "Österreichischen Nationalbibliothek" verkaufte, womit der Grundstock zum "Österreichischen Theatermuseum" gelegt war. (Quelle: geschichtewiki.wien.gv.at)

Siehe auch Wikipedia, cyrynos.ch, geschichtewiki.wien.gv.at
Fotos bei virtual-history.com
*) Quelle: Arthur Kahane: "Die Thimigs – Theater als Schicksal einer Familie" (Erich Weibezahl, Leipzig 1930), Kapitel 6 →  online bei gutenberg.spiegel.de
**) 
Quelle: Arthur Kahane: "Die Thimigs – Theater als Schicksal einer Familie" (Erich Weibezahl, Leipzig 1930), Kapitel 9 →  online bei gutenberg.spiegel.de
Fremde Links: 1) Wikipedia, 3) filmportal.de
2) Quelle:
geschichtewiki.wien.gv.at
Lizenz Foto Hugo Thimig (Urheber:
Rudolf Krziwanek): Die Schutzdauer für das von dieser Datei gezeigte Werk ist nach den Maßstäben des deutschen, des österreichischen und des schweizerischen Urheberrechts abgelaufen. Es ist daher gemeinfrei.
Lizenz Foto Hugo Thimig (Urheber Dr. Josef Székely): Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers.
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(Fremde Links: Wikipedia, filmportal.de)
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