Claire Waldoff wurde am 21. Oktober 1884 als Clara Wortmann und elftes von insgesamt sechzehn Kindern in Gelsenkirchen1) geboren. Der Vater Wilhelm Wortman (* 1846) war ein ehemaliger Bergarbeiter, der sich mit einer kleinen Gastwirtschaft selbständig gemacht hatte und diese gemeinsam mit Ehefrau Clementine (* 1852) führte. Später zog er mit seiner Familie nach Oberhausen1), um eine größere Wirtschaft mit Singspielbetrieb und Varieté zu übernehmen. Tochter Clara wurde auf eine "Höhere Töchterschule" geschickt, besuchte dann aufgrund ihrer guten schulischen Leistungen in Hannover1) ein Mädchengymnasium und schloss dieses mit dem Abitur ab. Ursprünglich wollte die junge Frau Medizin studieren, konnte die Ausbildung jedoch nicht finanzieren und entschied sich dann für eine Laufbahn als Schauspielerin. Unter dem Künstlernamen "Claire Waldoff" gab sie 1903 ihr Bühnendebüt bei einem Sommertheater in Bad Pyrmont1), ein weiteres Engagement im oberschlesischen Kattowitz1) (heute Katowice/Polen) als Naive und jugendliche Liebhaberin schloss sich an. 1906 kam Claire Waldoff nach Berlin und erhielt zunächst kleinere Rollen an dem von Olga Wohlbrück1) (1865 – 1933) in der Motzstrasse1) betriebenen "Figaro-Theater", im Folgejahr konnte sie in dem als "Eine Kammerdiener-Tragödie in fünf Aufzügen" untertitelten Stück "Herr Kammerdiener Kneetschke" von Paul Scheerbart1) bereits mit einem größeren Part Aufmerksamkeit erregen.

Foto: Claire Waldoff
Quelle: Deutsches Bundesarchiv, Digitale Bilddatenbank, Bild 183-R07878;
Urheber: unbekannt / Datierung: unbekannt / Lizenz: CC-BY-SA 3.0
Genehmigung des Bundesarchivs zur Veröffentlichung innerhalb dieser
Webpräsenz wurde am 11.10.2010 erteilt.
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Claire Waldoff; Quelle: Deutsches Bundesarchiv, Digitale Bilddatenbank, Bild 183-R07878; Urheber: unbekannt / Datierung: unbekannt / Lizenz CC-BY-SA 3.0.
Claire Waldoff in "Drei alte Schachteln"; Quelle: Deutsches Bundesarchiv, Digitale Bilddatenbank, Bild 183-R18067 (Zentralbild 13183-17); Urheber: unbekannt / Datierung: unbekannt / Lizenz CC-BY-SA 3.0. Doch erst mit ihrem Wechsel zu den bekannten Berliner Kabaretts, dem von Rudolf Nelson1) und Paul Schneider-Duncker gegründeten "Roland von Berlin" in der Potsdamer Straße1), Nelsons "Chat Noir" sowie desen ebenfalls "Unter den Linden"1) gelegenen "Linden Cabaret" gelang ihr der Durchbruch als populäre Kabarettistin und Chansonette. Rasch avancierten die Lieder der "Berliner Göre", die mit ihrer untersetzten Figur sowie dem flammend rotem Haar keinesfalls dem Schönheitsideal von Künstlerinnen jener Zeit entsprach, bei allen Gesellschaftsschichten zu eingängigen Schlagern und durch die beginnende Schallplatten-Industrie wurde ihre Couplets und Melodien auch außerhalb Berlins populär.
1913 feierte Claire Waldoff mit "Hermann heeßt er" Triumphe und wurde vor allem während des 1. Weltkrieges zur "Ikone" der Frontsoldaten. Nach Kriegsende setzte die Künstlerin ihre Auftritte auf der Kabarettbühne fort, war in den "Goldenen Zwanziger Jahren" die Attraktion großer Berliner Ausstattungsrevuen, wie beispielsweise 1924 in der Revue "An Alle" von Erik Charell1) (1894 – 1974), oder übernahm Rollen in Operetten.
 
Foto: Claire Waldoff in "Drei alte Schachteln"
Anmerkung: Walter Kollo1) (1878 – 1940) brachte am 6. Oktober 1917 ein neues Werk auf die Bühne des Berliner "Theaters am Nollendorfplatz"1), die Operette "Drei alte Schachteln"1). Claire Waldoff spielte die Köchin Auguste und übernahm aus der Operette das Couplet "Ach Jott, wat sind de Männer dumm" in ihr Repertoire. 
Quelle (Foto): Deutsches Bundesarchiv, Digitale Bilddatenbank
Bild 183-R18067 (Zentralbild 13183-17);
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Ihr Markenzeichen waren Krawatte, Hemdbluse und bronzeroter Bubikopf. Sie rauchte und fluchte auf der Bühne. Sie selbst beschrieb ihre Ausstrahlung später so: "Meine einfache Art, ohne Geste, nur auf Mimik, nur auf das Mienenspiel der Augen gestellt, war etwas Neues auf der Kabarettbühne. Ich war und blieb die große Nummer in meiner Einfachheit."2)
Zur Zeit der "Weimarer Republik"1) wurde Claire Waldoff zum Inbegriff der "Berliner Pflanze" und feierte mit Gassenhauern wie "Warum soll er nicht mit ihr", "Wegen Emil seine unanständige Lust", "Wenn der Bräutigam mit der Braut so mang die Wälder jeht", "Ach Jott, wat sind de Männer dumm", "Wer schmeißt denn da mit Lehm?" oder der Vertonung des Tucholsky1)-Gedichts "Mutterns Hände" (→ deutschelyrik.de) ihre größten Erfolge . Es identifizierten sich vor allem die "kleinen Leute" mit "ihrer" Claire, die nie ihre Wurzeln im Bergarbeitermilieu Gelsenkirchens vergaß. Waldoff war in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für Frauen ihrer Generation: Sie war eine der ersten, die Fahrrad fuhr, Gymnasialkurse besuchte, ein Auto besaß (und es auch selbst steuerte) und die in Männerkleidung auftrat.
2)
Sie feierte Triumphe an den beiden bekanntesten Berliner Variétes, der "Scala"1) und dem "Wintergarten"1), begeisterte das Publikum im "Kabarett der Komiker"1), gab Gastspiele und erreichte mit ihren Liedern, die auch von so renommierten Autoren bzw. Musikern wie Kurt Tucholsky1) (1890 – 1935) oder Friedrich Hollaender1) (1896 – 1976) geschrieben wurden, über das neue Medium Rundfunk Millionen von Zuhörern/zuhörerinnen. Mit ihrer Lebensgefährtin Olga von Roeder (1886 – 1963) war sie zugleich Mittelpunkt des lesbischen Berlin. Regelmäßig besuchte sie den Damenklub "Pyramide", der sich im "Toppkeller"1) in Berlin-Schöneberg1) traf. Dort verkehrten unter anderem die Tänzerinnen Anita Berber (1899 – 1928) und Cilly de Rheydt1), elegante Frauen, Malerinnen und Modelle.2)
Wenige Male stand Claire Waldoff zudem für Stummfilme vor der Kamera, zu
nennen sind:
(Fremde Links: Wikipedia, filmportal.de; R = Regie, P = Produktion)
Bildnis von Claire Waldoff in den 1920er Jahren, geschaffen von Emil Orlik (1870–1932); Quelle: Wikimedia Commons von digi.ub.uni-heidelberg.de; Lizenz; gemeinfrei Nach der so genannten "Machtergrifung"1) der Nationalsozialisten1) Ende Januar 1933 erhielt Claire Waldoff Anfang 1933 vorübergehend Berufsverbot und durfte keine Schallplatten mehr veröffentlichen, erst im Herbst 1933, nach ihrem Eintritt in die "Reichskulturkammer"1), wurde ihr wieder eine Tournee durch Süddeutschland gestattet. Für die "braunen Machthaber" stand der Inhalt der Waldoff-Lieder sowie ihr Auftreten auf der Bühne mit Hemdbluse, Schlips und kurzen Haaren nicht im Einklang mit dem nationalsozialistischen Frauenbild; auch ihre lesbische Beziehung zu Olga von Roeder war nicht im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie und so wurde sie zur "unerwünschten Person" erklärt. Weiteres Missfallen erregt eine im Volksmund auf Hermann Göring1) hinzugedichtete und weit verbreitete Strophe ihres Erfolgs "Hermann heeßt er": "Rechts Lametta, links Lametta und der Bauch wird immer fetta und in Preußen ist er Meester – Hermann heeßt er!"
1936 schließlich untersagte Propagandaminister Joseph Goebbels1) Claire Waldoff in der Berliner "Scala"1) aufzutreten, ihre Engagements an anderen Berliner Bühnen wurden zunehmend weniger. 1939 verließ Claire Waldoff Berlin und ließ sich im oberbayerischen Bayrisch Gmain1), einem Ort zwischen Berchtesgaden1) und Bad Reichenhall1), nieder; ihren letzten öffentlichen Auftritt während des NS-Regime hatte sie 1943.
 
Bildnis von Claire Waldoff in den 1920er Jahren,
geschaffen von Emil Orlik1) (1870 – 1932)
Quelle: Wikimedia Commons von digi.ub.uni-heidelberg.de
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier
Nach Kriegsende stand Claire Waldoff noch vereinzelt in Berlin und München auf der Bühne, konnte jedoch nicht mehr an ihre ehemaligen Erfolge anknüpfen und zog sich ins Privatleben zurück. Die Währungsreform 19481) kostete sie ihre Ersparnisse, sie verarmte. Der Berliner Magistrat gewährte ihr anlässlich ihres 70. Geburtstags 1954 eine kleine Ehrenrente.2)
1953 veröffentlichte sie ihre Autobiographie "Weeste noch…?", in der sie das alte Berlin beschwört und auf ihre Art einfach, lebendig und humorvoll die Geschichte ihres bewegten Lebens erzählt: Ich bin und bleibe Volkssängerin – das ist meine Mission. Ich will vom Leben singen, vom Volk für das Volk, von der Zeit und ihren Nöten. Zur Erfüllung dieser schönen und schweren Aufgabe gehört, das können Sie mir glauben, viel Menschenkenntnis und Einfühlung ins Zeitgeschehen. Eine feine Witterung dafür, was Freude machen könnte, und nicht zuletzt ein großer Fleiß und eine tiefe Liebe zu den Menschen und Dingen.3)

Foto: Gedenkstein Claire Waldoff,
Friedrichstraße 1071) (Berlin-Mitte1))
Urheber/Bildhauer: Reinhard Jacob
Quelle: Wikipedia bzw. Wikimedia Commons
Urheber (Foto): Wikimedia-Benutzer OTFW, Berlin,
Lizenz: CC-BY-SA 3.0

Gedenkstein Claire Waldoff, Friedrichstraße 107 (Berlin-Mitte); Urheber/Bildhauer: Reinhard Jacob; Quelle: Wikipedia bzw. Wikimedia Commons; Urheber (Foto): Wikimedia-Benutzer OTFW, Berlin, Lizenz CC-BY-SA 3.0. 
Gedenktafel Claire Waldoff, Regensburger Straße 33 in Berlin-Schöneberg; Quelle: Wikipedia bzw. Wikimedia Commons; Urheber: Wikimedia-Benutzer OTFW, Berlin, Lizenz CC-BY-SA 3.0. Die legendäre Chansonette Claire Waldoff starb am 22. Januar 1957 in Bad Reichenhall1) im Alter von 72 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls. Ihr letzter Wunsch war, im Familiengrab ihrer Lebensgefährtin Olga von Roeder beigesetzt zu werden. Der Wunsch wurde erfüllt. Das Grab befindet sich auf dem "Pragfriedhof"1) in Stuttgart-Nord1).2) → Foto der Grabstelle bei Wikimedia Commons
In Berlin erinnert an der Regensburger Straße 33 in Berlin-Schöneberg1), wo sie zwischen 1919 und 1933 lebte, eine Gedenktafel an die legendäre Künstlerin. In Berlin sind die "Claire-Waldoff-Straße" in Berlin-Mitte und die "Claire-Waldoff-Promenade" in Berlin-Moabit1) nach Claire Waldoff benannt; auch in ihrer Geburtstadt Gelsenkirchen gibt es eine "Claire-Waldoff-Straße" → mehr bei Wikipedia.
 
Foto: Gedenktafel Claire Waldoff,
Regensburger Straße 33 in Berlin-Schöneberg 
Quelle: Wikipedia bzw. Wikimedia Commons
Urheber: Wikimedia-Benutzer OTFW,  Berlin
 Lizenz: CC-BY-SA 3.0
 
Claire Waldoffs Verdienste liegen vor allem im Bereich der Vortragskunst bzw. der Interpretation. Da sie keine ausgebildete Musikerin war, komponierte sie nicht, nur einige wenige Lieder verfasste sie selbst. Stattdessen wählte sie aus den Angeboten von Autoren oder Komponisten wie Walter1) und Willi Kollo1), Kurt Tucholsky1), Claus Clauberg1) oder Ludwig Mendelssohn1) die für ihr Repertoire passenden Texte und Lieder aus. Daraus schuf sie dann ihren eigenen Bühnentypus, in dem sie Elemente des Vortrags- und Gesangstils von Diseuse, Volkssängerin, Operetten-Darstellerin und Chanson-Sängerin miteinander verschmolz. Mit ihrer (vermutlich auch durch das exzessive Rauchen geprägten) charakteristischen Stimme vermochte sie den Menschen, vor allem auch den Frauen, aus der einfachen Berliner Bevölkerung eine Stimme zu geben. Meist stellte sie auf der Bühne Berliner "Typen" dar, robust und im Leben stehend, die mit Alltagssorgen (und gelegentlich auch mit der Obrigkeit) zu kämpfen haben. Ihre Lieder umfassen thematisch eine Bandbreite vom originalen Volkslied bis zu politisch angehauchten Chansons Tucholskys und Hollaenders. Als intelligente und gebildete Frau stand sie in regem Austausch mit diversen Künstlerinnen und Künstlern des öffentlichen Lebens, wobei sie junge, noch unbekannte Künstler oft förderte (so z.B. Marlene Dietrich oder Willi Kollo).4)
"Stern" für Claire Waldoff auf dem Mainzer "Walk of Fame des Kabaretts"; Urheber/Copyright:  Olaf Kosinsky; Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE; Quelle: Wikimedia Commons Das Leben der stimmgewaltigen "Krawallschachtel" Claire Waldoff kann man in der Biografie "Wer schmeißt denn da mit Lehm. Eine Claire-Waldorff-Biographie" (1984?) von Helga Bemmann nachlesen → helga-bemmann-books.de, die Chansonsängerin und Autorin Maegie Koreen1) veröffentlichte 1997 unter dem Titel "Immer feste druff" Erinnerungen an die erste Chansonette Deutschlands, die auch als verwegene Draufgängerin und unangepasste "Boheme-Natur" in die Geschichte eingegangen ist → Literatue bei Wikipedia.
Am 16. Juli 2004 stiftete ihr die "Sparkasse Mainz"1) einen "Stern der Satire" (Nummer 09) auf dem Mainzer "Walk of Fame des Kabaretts"1).
 
"Stern" für Claire Waldoff auf dem
"Walk of Fame des Kabaretts"
Urheber/©:  Olaf Kosinsky
Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE
Quelle: Wikimedia Commons
Noch zu Lebzeiten widmeten ihr Radiosender an runden Geburtstagen eigene Sendungen, doch erst seit den 1980er Jahren geriet Waldoffs Werk über Neueditionen auf Tonträgern wieder stärker ins Bewußtsein. 1986 entstand in der DDR der Film "Claire Berolina"5) (Regie: Klaus Gendries1), der sich an die Lebensgeschichte Waldoffs anlehnt, ohne streng biographisch zu sein."6)
Die legendäre Claire Waldoff wurde von Maria Mallé1) dargestellt. "Frisch und originell in Szene gesetzte, biografisch nicht immer exakte Ausschnitte aus dem Leben der populären Volkssängerin und Kabarettistin Claire Waldoff, die es in ihrer unnachahmlichen und von derbem Witz geprägten Art verstand, in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts die Berliner Kleinkunst-Szene wesentlich mitzuprägen. Atmosphärisch dichter, intensiv gespielter Fernsehfilm, der in den Musik- und Tanz-Passagen an gute Musical-Traditionen anknüpft." notiert filmdienst.de; siehe auch fernsehserien.de.
Textbausteine des Kurzportraits stammen von der Seite des "Deutschen Historischen Museums"
Siehe auch Wikipedia mit einer umfangreichen Auflistung der Lieder und Chansons, www.fembio.org,
deutsche-biographie.de sowie den Artikel bei "Hochschule für Musik und Theater" (MUGI)
Filmografie bei der Internet Movie Database;
Fotos bei Wikimedia Commons
Fremde Links: 1) Wikipedia, 5) fernsehenderddr.de
Quelle:
2) Wikipedia (abgerufen 07.10.2011)
3) Zitat aus "Weeste noch…?"
4) Carolin Stahrenberg, Artikel "Claire Waldoff", in: Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003ff. Stand vom 27.03.2006. (mugi.hfmt-hamburg.de; abgerufen am 07.10.2011)
6) Stahrenberg, Carolin, "Waldoff, Claire" in "Neue Deutsche Biographie 27" (2020,S. 314–315 ↑ Online-Version: deutsche-biographie.de
Lizenz Abbild Claire Waldoff, geschaffen von Emil Orlik (1870–1932): Der Urheber dieses Werks ist 1932 gestorben; es ist daher gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für das Herkunftsland des Werks und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 80 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers.
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