Der russischer Bassbariton Fjodor Iwanowitsch Schaljapin
(auch Fedor Chaljapin) wurde am 13. Februar 1873 als Sohn
eines Tagelöhners und, wie berichtet wird, Trunkenboldes in Ometewa
nahe der Tatarenstadt Kasan geboren; Er verbrachte eine recht
unglückliche Kindheit in mehr als ärmlichen Verhältnissen, machte erste sängerische Erfahrungen als
Chorknabe und arbeitete bereits mit 12 Jahren an verschiedensten
Theatern als Statist; zum Lebensunterhalt seiner Familie musste er mit
Gelegenheitsarbeiten beitragen. Mit 16 Jahren verließ er sein
Zuhause und zog mit dem Chor einer Operettentruppe über
Land, als 17-Jähriger bekam er ohne je
eine entsprechende Ausbildung erhalten zu haben ein Engagement
am "Panajew-Theater", wo er die Bekanntschaft des Tenors und
Vokalpädagogen Dmitri Andrejewitsch Ussatow machte, der ihm unentgeltlich Gesangsunterricht gab und ihm ein
Engagement bei einer Operntruppe in Tiflis verschaffte. Dort sang Schaljapin
zunächst kleinere Partien, kam dann 1895 an das "Mariinski-Theater"
nach Sankt Petersburg, wo er als Méphistophélès
in Gounods Welterfolg "Faust"1)
erstes Aufsehen erregte und das Publikum
mit seiner schönen Stimme, aber auch seinem intensiven, den Rahmen des Gewöhnlichen sprengenden, Spiel
begeisterte. Ein Jahr später wechselte er an die Oper von Nischnij Nowgorod, kam dann nach Moskau, wo seine triumphale Karriere
als Opernsänger begann.
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Schaljapin hatte in Moskau den Komponisten Nikolai Rimski-Korsakow1)
(1844 1908) kennengelernt, aus der anfänglichen Bekanntschaft entwickelte sich
eine Freundschaft; einem glücklichen Umstand verdankte Schaljapin
auch die Förderung durch den Kunstmäzen Marmantow sowie durch
den berühmten Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow1)
(1873 1943),
der 1898 das außergewöhnliche Talent des jungen Mannes erkannte und ihn in die Harmonielehre einführte.
Schaljapin arbeitete hart, lernte die gesamte Partitur des
Mussorgskischen "Boris Godunow"1) auswendig und untermauerte seine Studien
durch zusätzliche Informationen, die er bei dem Historiker Wassili Kljutschewski1)
(1841 1911) einholte. Mit seiner Interpretation des "Boris Godunow"
erreichte Schaljapin Weltruhm, prägte eine ganze Generation und sein Einfluss ist bis in die heutige Zeit spürbar.
1899 wurde der Bassbariton und Freund Maxim Gorkis1)
Mitglied des berühmten Moskauer
"Bolschoi-Theaters",
umjubelte Gastspielreisen führten ihn unter anderem 1901 an die
Mailänder "Scala" sowie 1907 an die New Yorker "Metropolitan
Opera". 1909 trat er am Pariser "Théâtre Sarah Bernhardt"
auf und riss auch dort mit dem "Boris" das Publikum zu
Begeisterungsstürmen hin. Mit Beginn des 1. Weltkrieges kehrte er 1914 nach Russland zurück,
konnte erst 1921 wieder eine Gastspielreise in die Vereinigten Staaten
unternehmen, trat am Londoner "Covent Garden" auf und sang
bis 1929 regelmäßig an der "Met".
Der junge Schaljapin zusammen mit Maxim Gorki (links) Ende des 19. Jahrhunderts
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siehe hier
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Schaljapin beherrschte über 60 Rollen, neben dem "Boris Godunow"
gehörten der Gounodsche "Méphistophélès"
und Boitos "Mefistofele"1)
zu seinen "Paraderollen",
er sang in Opern etwa von Alexandr Serow oder Rimski-Korssakoff,
gestaltete beispielsweise den Fürst Gudal in Rubinsteins
"Der
Dämon"1) oder den Bertram in Meyerbeers
"Robert
der Teufel"1), aber auch den Musikmeister Basile in
Rossinis "Der Barbier von Sevilla"1); darüber hinaus
begeisterte er mit zahlreichen Liedern seiner russischen Heimat.
Einen Sänger wie Schaljapin, der sich das Bild seiner Figuren nach den Vorbildern großer Maler formte, der seinen
"Mephisto" bis ins Detail hinein nach dem berühmten Stich Wilhelm von Kaulbachs bildete, sich für Kostüm
und Maske Anregungen aus den großen Museen und bei den befreundeten russischen Malern der Jahrhundertwende holte,
der sich für die Vorbereitung auf den
"Boris" mit dem großen russischen Historiker Wassili Klijutschewski tagelang zusammensetzte,
einen solchen Interpreten hatte das stereotypisierte italienische Operntheater (und so war es in der ganzen westlichen Welt
um 1900) noch nicht gesehen. Als Schaljapin Boitos "Mefistofele" im Prolog
bis zum Gürtel nackt auf die Bühne wuchtete (ganz nackt wäre ihm noch lieber gewesen),
das Muskelspiel des mächtigen Körpers durch geschickte Schminktechnik noch hervorgehoben,
da war ein Skandal nahe, der aber in dem immensen Erfolg unterging. Ein Zeugnis aus späterer Zeit gibt uns
Beniamino Gigli, der 1922 zum erstenmal mit dem Russen an der Met auftrat, eben
in der Rolle, die 20 Jahre zuvor Caruso gesungen hatte:
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"Ich, der ich zum erstenmal mit ihm auftrat, konnte
mir keine bessere Interpretation des Mephisto vorstellen. Zunächst einmal
war er äußerlich wie dafür geschaffen. Mit seiner hochgewachsenen geschmeidigen Figur, der
halb entblößten Brust und dem grausamen, furchterregenden Ausdruck, den er
seinen beweglichen Zügen lieh, bot er eine geradezu entnervend diabolische Erscheinung.
Seine eigene Rollenauffassung wich in vielem von der traditionellen Interpretation ab,
die ich bisher an der Met kennengelernt hatte, und erschien mir viel wahrer und künstlerisch überzeugender. Beim Prolog
im Himmel erschien er zum Beispiel nicht von den Wolken umgeben,
sondern tauchte gewaltig und bedrohlich wie eine taumelnde
Riesenspinne aus der Tiefe aus. Seine langen schwarzen Haare waren zu
einer Skalplocke zusammengedreht, so dass er wirkte, als trüge er
eine japanische Teufelsmaske. Sein Gesang war ebenso herrlich wie sein
Spiel. Die Struktur seiner Stimme war schön, vollkommen in seiner
Klangwiedergabe, berauschend in seinem Umfang und ihrer Kraft und
seine Gesangstechnik war ein staunenswertes Beispiel von
Atembeherrschung, Tonerzeugung und Phrasierung."2)
Schaljapin als "Méphistophélès" in "Faust"
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Als die Wirren der Revolution in seiner Heimat begannen, verließ
Schaljapin Russland, trat noch ein letztes Mal 1921 zur Eröffnung der
"Dritten Internationale" in Moskau auf und machte dann ab Juni 1922
die französische Hauptstadt Paris zu
seiner neuen Heimat. Er gab die nächsten zehn Jahre weiterhin
regelmäßig Konzerte, ging auf ausgedehnte Gastspielreisen und
brillierte in großartigen Opernaufführungen an der "Met".
Ab Anfang der 1930er Jahre begann sein
"Stern" zu sinken, seine so phänomenale Karriere endete
schließlich unglücklich auf Provinzbühnen, auf denen er an Vorstellungen, die seiner
nicht würdig
waren, teilnahm. Sein Verhältnis zu seiner Heimat Russland war seit längerem
getrübt: Schaljapin hatte gegen die Russische Regierung wegen
unerlaubten Nachdrucks seiner Memoiren einen Prozess angestrengt, den
er verlor. Was man ihm jedoch vor allem übel genommen hatte, war sein
Engagement für hungernde russische Emigrantenkinder in Paris. 1928 wurde ihm
die russische Staatsbürgerschaft aberkannt, ebenso wie sein
Ehrentitel "Volkskünstler der
Republik".
Ende 1932, Anfang 1933 spielte Schaljapin in Frankreich noch in Georg Wilhelm Pabsts
Cervantes-Verfilmung des "Don Quixote" die Hauptrolle und
interpretierte dabei gleichzeitig die Lieder
"Chansons de Don Quichotte" von Jacques Ibert. Bereits am
am 24. Februar 1910 hatte er bei der Uraufführung in Monte Carlo mit der Titelrolle
in der gleichnamigen Oper1) von Jules Massenetdas
Publikum fasziniert. Die Oper entstand im Auftrag des Operndirektors von Monte Carlo, Raoul Gunsbourg. Angeblich ist der russische Bassist Fjodor Schaljapin, der die Partie des Don Quichotte in der Uraufführung gesungen hat und dem die Oper gewidmet war, in Tränen ausgebrochen, als ihm Massenet Ausschnitte auf dem Klavier vortrug.4)
Seine Memoiren veröffentlichte Schaljapin 1926 unter dem Titel "Pages
from my Life", die zwei Jahre später als "Mein
Werden" ins Deutsche übertragen wurden. Eine weiteres
Erinnerungsbuch "Maska i duscha" erschien 1932, das
ein Jahr später in Berlin als "Ohne Maske"
herausgeben wurde. Der Musikhistoriker Victor Borovsky brachte 1988 das
Buch "Chaliapin a Critical Biography" auf
den Markt, in dem er die Karriere des legendären Sängers von dessen
Anfängen in der Provinz bis hin zu seinen triumphalen Erfolgen an den
bedeutendsten Opernhäusern dokumentiert, eine umfangreiche Diskografie
eingeschlossen.
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Der legendäre Opernsänger, der seit 1898 mit der italienischen
Primaballerina Iola Tornaghi (1873 1965) verheiratet war,
starb am 12. April 1938 mit 65 Jahren in
Paris an den Folgen seiner Leukämie-Erkrankung und wurde auf dem
Friedhof "Batignolles" beigesetzt. Am 30. Oktober 1984 wurde
Schaljapins Leichnam von Paris nach Moskau überführt und er fand
seine letzte Ruhe auf dem Friedhof am Neujungfrauenkloster
(Nowodewitschi-Friedhof).
Posthum war ihm damit doch noch, wenn auch nur eine kleine Rehabilitation
in seiner Heimat zuteil geworden.
Fjodor Iwanowitsch Schaljapin hatte sechs Kinder aus seiner Ehe mit
Iola Tornaghi, der jüngste Sohn Fjodor Fjodorowitsch Schaljapin1) (1905 1992) machte eine Karriere als
Schauspieler, zunächst im Stummfilm, später im Tonfilm.
Viele Anekdoten sind von dem Sänger berichtet worden, berühmt
wurde beispielsweise seine Marotte, so zu tun, als entscheide er erst
während des Konzerts, welche Lieder aus seinem überreichen
Repertoire er nun wirklich sang. Statt Programmen wurden kleine
Büchlein an der Kasse verkauft, welche durchnummeriert die Texte des
Repertoires enthielten. Mit dröhnender Stimme rief dann Schaljapin in
den Saal: "Numbaire fortyfive, numbaire fortyfive", und das
Publikum hatte die Gelegenheit den Text Nr. 45 aufzuschlagen und
mitzulesen.3)
Als "Hommage" an den stimmgewaltigsten Bassisten seiner Zeit
wurde das Jahr 1998 von der UNESCO zum "Schaljapin-Jahr"
proklamiert.
1999 drehte Elisabeth Kapnist für das Fernsehen die Dokumentation
"Schaljapin, der Zauberer" über den russischen Opernsänger;
in Gesprächen mit Fachleuten, mithilfe bisher unveröffentlichten Archivmaterials
und anhand der Lebensgeschichte des Sängers
ging der Film der Frage nach, was Schaljapins Darstellungs- und Gesangskunst
so herausragend machte und wo dessen Einflüsse in Europa noch heute zu spüren sind.
Schaljapin gilt vielfach als berühmtester Bassist der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seit 2000 findet jedes Jahr ein
"Schaljapin Operngesangs Festival" auf der Krim (Ukraine) statt.4)
Siehe auch Wikipedia
Link: 1) Wikipedia
Quelle:
3) "Grosse Stimmen" von Jens Malte Fischer, Verlag J. B. Metzeler,
Stuttgart 1993, S. 23/24 bzw. S. 20
4) Wikipedia (abgerufen 21.12.2011)
Lizenz Fotos Fjodor Iwanowitsch Schaljapin: Das Foto wurde vor
mindestens 100 Jahren hergestellt, der Urheber ist unbekannt. Die Schutzdauer für dieses gezeigte Werk
ist vermutlich nach den Maßstäben des deutschen Urheberrechts abgelaufen. Es ist daher vermutlich gemeinfrei.
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