Der kanadischer Tenor Jon Vickers wurde am 29. Februar 1926 als Jonathan Stewart Vickers und sechstes von acht Kindern in Prince Albert (Saskatchevan) in eine sehr religiöse Familie hineingeboren; sein Vater war als ehemaliger Lehrer Leiter einer Grundschule, zudem Hobbymusiker und Hilfsgeistlicher. Bevor sein Sohn Jon zu einem international renommierten Sänger avancierte, hatte dieser zunächst als Kaufmann gearbeitet, gleichzeitig aber schon als Amateur in Operetten-Aufführungen sowie im Kirchenchor mit seiner wunderschönen Naturstimme von sich reden gemacht. 1950 begann er mit Hilfe eines Stipendiums eine siebenjährige Gesangsausbildung unter anderem bei dem Bariton George Lambert (1900 – 1971) am Konservatorium von Toronto ("The Royal Conservatory of Music"), debütierte bereits während seiner Studien an der "Canadian Opera Company" als "Herzog" in Verdis "Rigoletto"1).
Mit seinem Auftritt 1957 am Londoner "Covent Garden" als "Riccardo" in Verdis "Ein Maskenball"1) begann dann seine weltweite Karriere; nur wenig später erregte er Aufsehen mit seiner Interpretation des "Aeneas" in der damals noch recht unbekannten Oper "Die Trojaner"1) von Hector Berlioz. 1958 wurde er nach Bayreuth eingeladen und gestaltete eindrucksvoll den "Siegmund" in Wagners "Die Walküre"1), ebenso wie ein Jahr später an der Mailänder "Scala" sowie 1960 an der New Yorker "Metropolitan Opera", wo er als "Canio" in Leoncavallos "Der Bajazzo"1) erstmals aufgetreten war.

Die "Met" blieb für 25 Jahre neben dem Londoner "Covent Garden" seine künstlerische Heimat, Gastauftritte und Konzerte führten Vickers im Verlaufe der Jahre an alle bedeutenden Opernhäuser rund um den Globus; nur in Deutschland trat er kaum auf. Er sang erstmals 1959 an der Wiener Staatsoper, mit Herbert von Karajan am Dirigentenpult gestaltete er in Salzburg den "Don José" in Bizets "Carmen"1); das Pariser Publikum begeisterte er beispielsweise 1961 mit der Titelrolle in Wagners "Parsifal"1), als Verdi'scher "Otello"1) sowie als Nerone in Monteverdis "Die Krönung der Poppea"1). Ludwig van Beethoven, Giuseppe Verdi, Hector Berlioz, Giacomo Puccini und Benjamin Britten waren seine bevorzugten Komponisten, in den kommenden Jahren brillierte Vickers in deren Werken mit vielen Heldenpartien seines Fachs: Beispielsweise als "Florestan" in Beethovens "Fidelio"1), als "Sever" in Bellinis "Norma"1) oder als "Peter Grimes"1) in der gleichnamigen Oper von Benjamin Britten, die er erstmals 1967 in New York gesungen hatte und mit der er kurz darauf auch bei den Salzburger Festspielen unter Herbert von Karajan Triumphe feierte. Der Wagner-Sänger Vickers glänzte mit seiner nuancenreichen und ausdrucksstarken Stimme und wahren Dramatik – neben dem "Siegmund" und "Parsifal" – mit der männlichen Titelrolle in "Tristan und Isolde"1), er wurde als "Radames" in Verdis "Aida"1) ebenso bewundert wie als "Herodes" in der Richard Strauss-Oper "Salome"1). Darüber hinaus verfügte er über ein enormes Lied-Repertoire in englischer, französischer und italienischer Sprache und sang auch viele Werke deutscher Komponisten in der Originalsprache.
Aus religiösen und philosophischen Gründen (Vickers ist bekennender Christ) weigerte sich der Tenor, den "Tannhäuser" darzustellen. Auch den "Siegfried" aus der gleichnamigen Oper wollte er nicht interpretieren. Zu einer Aufnahme der gleichen Rolle in der "Götterdämmerung", zu der er sich nach langem Überlegen schließlich bereit erklärte, kam es ebenfalls nie.2)

Als Vickers' größte Interpretationen sind sicher zu Recht sein "Otello", sein "Tristan" und sein "Peter Grimes" in Brittens gleichnamiger Oper bezeichnet worden. Über seine Otello-Interpretation gibt das Otello-Intermezzo Auskunft. Mit dem "Peter Grimes" hat er es geschafft, die Erinnerung an den nun wirklich kategorial anders gearteten Peter Pears zumindest schwächer werden zu lassen. (…) Über seinen "Tristan" gibt es geteilte Ansichten, für mich gehört er mit Lauritz Melchior, Max Lorenz, Ludwig Suthaus und Ramon Vinay zu den ganz großen Interpreten dieser Rolle. Die zwiespältige Aufnahme, die Vickers immer wieder erfahren hat, hängt ohne Zweifel mit dem eigentümlichen Stimmklang zusammen, der nicht wegzudiskutieren ist. Vickers' Tenor ist von schier unerschöpflichem Volumen, wohl die größte Stimme seines Faches, die es nach dem Krieg gegeben hat. So üppig sie in der Breite ist, so wenig Spitze hat sie aber auch, und so fehlt diesen stammdicken Tönen oft die notwendige Zentrierung. Jeden anderen Sänger hätte die Notwendigkeit matt gesetzt, die fehlende metallische Durchschlagskraft durch die Ausdehnung in der Breite zu ersetzen, nicht so Vickers, den die Natur mit einer physischen Kraft ausgestattet hat, die an die Zeiten von Leo Slezak, Melchior und Vinay erinnert…3)

1987 nahm Jon Vickers, der seit 1953 mit Henrietta Outerbridge verheiratet war, Abschied von der Opernbühne.
Aus der Ehe mit Henrietta Outerbridge gingen fünf Kinder hervor, seine Frau verstarb 1991 an den Folgen ihrer Krebserkrankung. Einige Jahre später heiratete der Tenor erneut und lebte seither zurückgezogen auch eine Zeit lang in seinem Heim auf den Bermudas.
 
Für seine ausdrucksstarken Wagner-Interpretationen erhielt Vickers zuletzt im Jahre 2002 den "Anton-Seidl-Preis" ("Anton-Seidl-Award"), von der  "Wagner-Society of New York" ins Leben gerufen für exzellente Wagner-Interpretationen an der "Met" im Andenken an den ungarisch-amerikanischen Dirigenten und Orchesterleiter Anton Seidl1) (1850 – 1898).
1999 erschien von Jeannie Williams die Biografie "Jon Vickers: A Hero's Life" mit einem Vorwort seiner gelegentlichen Partnerin Birgit Nilson1) (1918 – 2005), in der die Autorin chronologisch Vickers Karriere dokumentiert und auch Einblicke in das Leben des Künstlers "hinter dem Bühnenvorhang" gibt.
 
Der einst gefeierte Heldentenor Jon Vickers starb am 10. Juli 2015 im Alter von 88 Jahren in Ontario (Kanada); seit längerer Zeit hatte er an der Alzheimer-Krankheit gelitten und lebte in einem Pflegeheim. Vickers hinterließ laut Pressebericht eine Schwester, seine fünf Kinder, 11 Enkel und zwei Urenkel → "Royal Opera House Covent Garden Foundation" (www.roh.org.uk) sowie www.operanews.com.
 

Siehe auch Wikipedia sowie (in englisch) www.cantabile-subito.de
Link: 1) Wikipedia
Quelle: 2) Wikipedia (abgerufen 30.09.2011), 3) Jens Malte Fischer: "Grosse Stimmen"; Verlag J. B. Metzler, Stuttgart/Weimar, 1993, S. 469–471
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