Wie etliche ihrer Stummfilm-Kolleginnen ist auch die am 22. Mai 1898 in
Budapest1)
(Ungarn) als Ilonka Kovács geborene Lucy Doraine nahezu in Vergessenheit
geraten. Aufgewachsen in einer gut bürgerlichen Familie nach eigenen
Angaben*)
war ihr Vater Staatsbeamter , erhielt sie schon als Kind eine musische
Erziehung sowie Ballettunterricht. Erst 16-Jährig besuchte sie dann
gegen den Willen ihrer Eltern zu Beginn des 1. Weltkrieges die Theaterschule "Bötys" in ihrer
Geburtsstadt.
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Erste Erfahrungen als Schauspielerin sammelte sie in ihrer
Heimat an verschiedenen Theatern, als sie dann bei einem Engagement Mitte der 10er Jahre des
vergangenen Jahrhunderts ihren Landsmann und Regisseur Mihály Kertész Kaminer1) (1888 1962) kennenlernte,
der später in Hollywood als "Michael Curtiz" mit vielen großen Produktionen unter anderem
dem Klassiker "Casablanca"1) (1942) berühmt werden sollte,
gab sie ihm zuliebe ihre beginnende Bühnenkarriere auf. 1918 heiratete das Paar
und Kertész drehte als Chef-Regisseur der führenden
ungarischen Film-Produktionsgesellschaft "Phoenix" einige stumme
Streifen mit seiner Frau in der Hauptrolle. In den politischen Wirren der ungarischen Räterepublik1) flüchtete
beide 1919 über Frankreich nach Wien. Kertész fand Arbeit bei der "Sascha-Film"1)
und baute dort nun seine Frau zum Filmstar auf.
"Man drehte bei der "Sascha" damals gerade einen Harry Walden-Film
"Die Dame mit dem schwarzen Handschuh"1). Für die weibliche Hauptrolle konnte die Direktion nicht die
geeignete Darstellerin finden. Ich bestürmte meinen Mann, mir die Rolle zu geben. Doch er wollte nicht. Schließlich
erlaubte er mir, unter dem Namen "Lucy Doraine" zum Direktor zu gehen. Ich mußte verschweigen, daß
ich seine Gattin sei. Gesagt, getan, und ich wurde engagiert! Jetzt wendete sich das Blättchen. Nun hatte mein Mann, der
eifersüchtig wurde, große Mühe, den anderen plausibel zu machen, daß Fräulein Doraine seine ihm
schon seit drei Jahren angetraute Frau sei. Erst durch die Vorlegung eines Trauscheines gelang
ihm dieses."*)
Foto: Lucy Doraine ca. 1928/29
Urheber: Alexander Binder1) (1888 1929)
Quelle: Wikimedia
Commons;
Ross-Karte Nr. 3438/2
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe
hier
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Bis zur Trennung bzw. Scheidung im Jahre 1923 spielte
Lucy Doraine, wie sie sich nun fortan nannte, fast ausschließlich Hauptrollen in von ihrem Mann
inszenierten stummen Streifen, anfangs in Komödien wie "Miss Tutti Frutti"1) (1920)
oder "Cherchez la femme"1) (1921) aber auch
Melodramen wie "Der Stern von Damaskus" (1920) als Partnerin von
einem anderen Ungarn, dem Filmstar Iván Petrovich.
Furore machte sie 1922 als "Femme
fatale" in dem monumentalen,
aufwendig gedrehten Monumentalfilm "Sodom
und Gomorrha"1). Untertitelt als "Die
Legende von Sünde und Strafe" wurde die Geschichte der jungen
Mary Conway erzählt, die sich in ihren spektakulären Träumen sinnlichen Verlockungen und biblischen Strafen
ausgesetzt sieht. Lucy Doraine verkörperte gleich drei Figuren, die Mary Conway, die Frau des Sodomiters
Lot1)
(Richard Berczeller1)),
welche zur Salzsäule erstarrt, und die tyrannische Königin von
Assyrien, Walter Slezak gab Marys Liebhaber Edward Harber sowie einen
Goldschmied in Galilea. "Die Darstellung ist vorzüglich, insbesonders
in den männlichen Rollen, wie auch Lucy Doraine diesmal nicht lediglich um
ihrer persönlichen Vorzüge Willen Erwähnung verdient." notierte
"Paimann's Filmlisten"1) (Nr. 342, 19.10.1922).
Und "Der
Kinematograph"1) (Nr. 860, 19.08.1923)
urteilte "Unter den Darstellern
ragt Lucie Doraine hervor, eine Frau, die immer hübsch aussieht und
Temperament zeigt." → filmportal.de
Foto: Lucy Doraine vor 1929
Urheber: Alexander Binder1) (1888 1929)
Quelle: cyranos.ch;
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe
hier
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"Mit großem Augenaufschlag und ausladenden Gesten galt sie als Musterbeispiel einer Leinwand-Tragödin in herzergreifenden Dramen und Melodramen. Diese Eigenschaften brachte sie auch
in München hervor, wohin sie 1922 übersiedelte"2). Dort gründete sie
gemeinsam mit dem Filmpionier Oskar Messter1) (1866 1943) die "Lucy-Doraine-Film"*), spielte in Eigenproduktionen wie
"Die suchende Seele" (1923), "Schicksal" (1924) oder
"Finale der Liebe" (1925). "Zur selben Zeit erhielt ich aus Amerika ein sehr günstiges
Engagementsangebot auf fünf
Jahre, das ich unter diesen Umständen natürlich nicht annehmen konnte. In unserer Gesellschaft wurden innerhalb
zweier Jahre sechs Filme hergestellt, u. a. "Schicksal" mit
Conrad Veidt als meinem
Partner. Mein Wunsch ist es, große tragische Rollen zu spielen, die mit Temperament und Leidenschaft geladen sind."*)
Mit Regisseur Erich Schönfelder1) drehte sie das Melodram "Gehetzte Menschen"3) (1924)
und mimte eine vom Lebenshunger getriebene Frau, die den
spießbürgerlichen Verhältnissen entfliehen will
ihr Partner war der noch relativ
unbekannte Hans Albers als eleganter Reederei-Angesteller Karl von Behn,
der ihrer überdrüssig wird → filmportal.de (Foto).
Foto: Lucy Doraine vor 1929
Urheber: Alexander Binder1) (1888 1929)
Quelle: Wikimedia
Commons; Ross-Karte 1397/2
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe
hier
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Wie
etliche ihrer Kolleginnen/Kollegen hatte auch Lucy Doraine mit der
englischen Sprache bzw. ihrem Akzent Probleme, enttäuscht beendete der
einst so gefeierte Stummfilmstar die Filmkarriere und zog sich mit nur 33 Jahren ins Privatleben zurück. Über ihren weiteren Lebensweg ist nichts
bekannt.
Lucy Doraine starb am 14. Oktober 1989 in Los Angeles1) (Kalifornien)
im hohen Alter von 91 Jahren; die letzte Ruhe fand sie auf dem "Forest Lawn Memorial Park"1)
in Glendale1) (Los Angeles County).
Aus ihrer Verbindung mit Michael Curtiz ging die in Budapest
geborene gemeinsame Tochter Kitty Kertész1) (Kitty Curtiz-Eberson;
25.11.1915 31.12.2006) hervor, die unter anderem als Kitty Curtiz
die Gedicht-Sammlungen "Blut und Liebe. Lyrische Impressionen aus meinem Spanischen Tagebuch" (2000) und
"Wien Ist Auch Nicht Anders" (2004) veröffentlichte. Den Nachlass,
unter anderem Filmkostüme, ihrer
einst so berühmten Mutter übergab sie dem "Filmarchiv Austria"1).
Foto: Lucy Doraine vor 1929
Urheber: Alexander Binder1) (1888 1929)
Quelle: Wikimedia
Commons; Ross-Karte 542/4
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe
hier
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Quelle (unter anderem): Wikipedia
Siehe auch cyranos.ch
Fotos bei virtual-history.com,
filmstarpostcards.blogspot.com
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*) Quelle: "Filmkünstler: Wir über
uns selbst", Hrsg. Dr. Hermann Treuner, Sibyllen Verlag, Berlin 1928
Fremde Links: 1) Wikipedia, 3) Murnau Stiftung, 4) film.at
Quelle: 2) Wikipedia
(abgerufen 25.10.2012)
Lizenz Foto Lucy Doraine (Urheber: Alexander Binder): Diese Bild- oder Mediendatei ist
gemeinfrei, weil ihre
urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die
Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer
gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers.
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Filme
Stummfilme / Tonfilme
Filmografie bei der Internet Movie Database
sowie filmportal.de
(Fremde Links: Wikipedia, Murnau Stiftung;
P = Produktion, UNG = Ungarn; R = Regie)
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Stummfilme (Produktionen
Österreich/Deutschland, wenn nicht anders vermerkt)
- 19161922: Filme von (Regie) Michael
Kertesz (Michael Curtiz)
- 1916: A Farkas (P: UNG; nach dem Theaterstück "A Farkas" ("Das Märchen vom Wolf"
von Ferenc
Molnár; als ?) → IMDb
- 1919: Mein Bruder kommt / Jön az öcsém (P: UNG;
Kurz-Spielfilm nach der Vorlage (Gedicht) von
Antal Farkas (18751940); als die Frau; Kurzinfo: Die Familie wartet auf den zurückkehrenden Bruder
(Oscar Beregi).
Der junge Revolutionär taucht mit einer flatternden Fahne hinter der Hügelkuppe auf. Die Feinde liefern sich einen
blutigen Kampf. Der Held und sein Bataillon erleiden eine Niederlage. Der junge Kämpfer wird eingesperrt, aber die
Parole "Proletaren der Welt, vereinigt euch!" lässt ihn fliehen. Er stellt eine neue Armee
auf
) → IMDb
- 1919: Die Dame mit dem schwarzen Handschuh
(als die schöne Helene, die ein Brandmal an ihrer Hand unter
einem stets von ihr getragenen, schwarzen Handschuh verbirgt)
- 1920: Die Dame mit den Sonnenblumen
/ A Napraforgós hölgy (P: UNG/Österreich; nach der Vorlage von
Ivo Vojnović (18571929);
als die junge Modistin (Hutmacherin))
- 1920: Verfilmung der Vorlage von Georges Ohnet
- Der Stern von Damaskus / Das Weib in der Wüste (als Kora) → IMDb
- Die Gottesgeisel → IMDb
- 1920: Mrs. Tutti Frutti
(als die ebenso kapriziöse wie exzentrische Millionärstochter Alice alias "Mrs. Tutti Frutti")
- 1921: Cherchez la femme / Herzogin Satanella
(als die männerverschlingenden Femme
fatale Herzogin Leda Orlonia /
Geisha / Marquise Rochefou)
- 1921: Frau Dorothys Bekenntnis
(als Dorothy Carleton, Verlobte von William Farleigh (Alphons Fryland))
→ filmarchiv.at,
Wikipedia (englisch)
- 1921: Wege des Schreckens / Labyrinth des Grauens
(als die junge Maud Hartley; Alphons Fryland als Edward
Stephenson
Kurzinfo: Edward Stephenson der Sohn des Großindustriellen (Max
Devrient), soll Gabrielle (Mathilde
Danegger),
Tochter des Großindustriellen Thomas Racton (Paul
Askonas) heiraten. Doch als Edward nach einem Auslandsaufenthalt
nach Hause zurückkehrt,
löst er unerwartet seine Verlobung mit Gabrielle. Wenig später
beginnt er eine Liebesbeziehung
mit der kleinen Angestellten Maud Hartley (Doraine). Als Edward annimmt, Maud sei im
untreu in Wirklichkeit handelt
es sich bei dem vermuteten Liebhaber um Mauds kriminellen Bruder George (Jean Ducret) trennt er sich
von ihr. Später
wird das Mädchen Opfer eines
Eisenbahnunglücks und liegt lange bewusstlos in einem Krankenhaus, ohne dass
jemand weiß, was mit ihr passiert ist. Edward macht sich auf die Suche nach Maud, doch das Mädchen
bleibt
zunächst verschwunden. Nach der Genesung führte sie ein ausschweifendes Leben, erst nach einem Jahr
findet Edward Maud in einer luxuriösen
Hotel-Suite wieder und sie erzählt ihm von den tragischen Ereignissen
schließlich kommt es zur Versöhnung bzw. zum Happy End
)
→ stummfilm.at,
Wikipedia (englisch))
- 1922: Sodom
und Gomorrha. Die Legende von Sünde und Strafe (als Mary
Conway, Ehefrau des reichen Börsengewinnlers
Jackson Harber (Georg
Reimers) / Frau des Lot
(Richard
Berczeller) / Königin von Assyrien) → filmportal.de
- 1920: Lucy Doraine probiert neueste Pariser Modelle bei Blanche (Kurz-Spielfilm/Modefilm; R: ?)
→ IMDb
- 1923: Opfer der Liebe
(nach einer Vorlage von Guy de Maupassant;
R: Martin
Hartwig; als ?) → IMDb
- 1923: Die fünfte Straße
(R: Martin Hartwig; als ?)
- 1923: Um eines Weibes Ehre
(R: Rudolf
Biebrach; als ?)
- 19231925: Produktionen der "Lucy Doraine-Film GmbH"
- 1924: Gehetzte Menschen
(R: Erich Schönfelder;
als Margit Garson; Hans Albers als eleganter Reederei-Angesteller
Karl von Behn) → filmportal.de
(Foto)
- 1926: Der Prinz und die Tänzerin
(R: Richard
Eichberg; als Tänzerin Lu Pellmann, Willy
Fritsch als Prinz Karol)
→ filmportal.de (Foto)
- 1927: Alpentragödie
(nach "Alpentragödie. Roman aus dem Engadin" von Richard
Voß; R: Robert
Land;
als Gräfin Josette da Rimini, Wladimir
Gaidarow als Maler Sivo Courtien)
- 1927: Eheskandal im Hause Fromont jr. und Risler sen.
(nach dem Roman "Fromont jeune et Risler aîné" von Alphonse
Daudet;
R: Anders Wilhelm Sandberg;
als Sidonie)
- 1929: Christina
(P: USA nach einer Vorlage von Tristram
Tupper; mit Tonsequenzen; Film gilt als verschollen;
R: William
K. Howard; mit Janet
Gaynor als Christina; als Madame Bosman, bösrtige Arbeitgeberin
von Christinas
Geliebten Jan (Charles Morton, 19081966)
Tonfilme (Produktion: USA)
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