Lee Parry wurde am 14. Januar 1901 als Mathilde Charlotte Benz in München
geboren und war die Tochter des damals populären Operntenors und Schauspielers
Josef Benz, der liebevoll "Papa Benz" genannt wurde. Nach seinem
Rückzug von der Opernbühne hatte er im Frühjahr 1900 in
München-Schwabing mit dem "Café Leopold" eine Künstlerkneipe
eröffnet, mit der er späteren Größen wie Joachim Ringelnatz, Ralph Benatzky
oder Karl Valentin und Liesl Karlstadt wichtige Auftrittsmöglichkeiten bot.1)
So wuchs Tochter Mathilde in einem künstlerisch geprägten Elternhaus auf,
verbrachte die Kriegsjahre in Amerika.*) Erst 16-jährig reiste sie nach Berlin und wurde dort von Regisseur Richard Eichberg2)
(1888 1952) für den Film entdeckt. Wie etliche ihrer
Kolleginnen etwa Lucy Doraine3),
Evi Eva3),
Mary Kid3) oder
Erna Morena3)
gab sie sich mit "Lee Parry" einen international klingenden Namen
und trat erstmals unter der Regie Eichbergs in "Sünden der Eltern" (1919) auf der Leinwand in Erscheinung.
Bis Mitte der 1920er Jahre drehte
sie nun fast ausschließlich mit Eichberg, den sie inzwischen auch
geheiratet hatte, spielte die weibliche Hauptrolle in dessen beliebten
Melodramen, Lustspielen und Abenteuerfilmen jener Jahre. Nach der Scheidung
von Eichberg wurde Lee Parry von namhaften Regisseuren wie Erich Schönfelder,
Fred Sauer oder Erich Waschneck an der Seite der männlichen
Publikumslieblinge weiterhin mit Hauptrollen besetzt.
Foto: Lee Parry ca. 1920
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder2) (1888 1929)
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Von den Produktionen, die sie mit Eichberg realisierte, ist vor allem der
historische Monumentalfilm "Monna Vanna" (1922) zu nennen, in dem
sie neben Paul Wegener als Kommandant von Pisa die 17-jährige Titelheldin Madonna
Giovanna (Monna Vanna) mimte, die sich Ende des 15. Jahrhunderts während
der Belagerung Pisas um die leidende Bevölkerung kümmert und vom Volke wie
eine Heilige verehrt wird. Der Streifen basierte auf dem am 7. Mai 1902 im
Pariser "Nouveau-Théâtre" uraufgeführten Schauspiel
"Monna Vanna"2)
von Maurice Maeterlinck. Zuvor hatte Lee Parry unter anderem als "Die Bettelgräfin vom Kurfürstendamm" (1921)
das Publikum begeistern können, ebenso wie 1923 als "Fräulein Raffke"
in dem gleichnamigen "überzeichneten Sittenbild der Inflationszeit mit
skrupellosen Gewinnern, wendigen Schmeichlern und tragischen
Verlierern"4) mit Werner Krauss als ihrem Vater, dem
Emporkömmling und Inflationsgewinnler Emil Raffke sowie Hans Albers als
Baron Egon von Geldern → www.stummfilmkonzerte.de.
Eichbergs Sensations-Streifen "Ihre Hoheit, die Tänzerin", in dem auch "Horror-Spezialist"
Bela Lugosi mitwirkte, wurde am
10.11.1922 erstmals von der Filmprüfstelle Berlin mit
einer Zensur belegt bzw. verboten und durfte in der prüden Weimarer
Republik wegen eines
"verderblichen" Einflusses bzw. "entsittlichenden"
Wirkung nicht gezeigt werden. Auch eine 2. Zensur am 14.11.1922 bestätigte,
dass "Ihre Hoheit, die Tänzerin" als ein "Schundfilm
geeignet sei, gemäß § 1 des Lichtspielgesetzes entsittlichend zu
wirken", Mitte Januar 1923 gelangte die Produktion nach einem
vierten Anlauf in leicht abgewandelter Form unter dem Titel "Der Leidensweg der Eva Grunwald"
dann doch in die Kinos, diesmal allerdings mit der Auflage "Jugendverbot".
In der Begründung vom 16. Januar 1923 hieß es: "Der Beschwerde wird stattgegeben.
Der Bildstreifen wird zur öffentlichen Vorführung jedoch nicht vor jugendlichen Personen zugelassen.
Verboten ist im ersten Akt des Films folgende Darstellung: Der Zigeuner will sich seiner
Geliebten entledigen und zerschneidet während sie über dem Marktplatz auf dem Seil tanzt,
das Drahtseil, sodass sie Seiltänzerin abstürzt (Länge 1,20 m). (
) Die Kammer kam zu folgender Feststellung:
Der Inhalt des Bildstreifens
ist nicht als durchaus schundmäßig zu bezeichnen, vielmehr als ein
minderwertiges Machwerk belanglosen Inhalts, das nicht imstande ist, das
gesunde, sittliche Gefühl des Beschauers in ungünstiger Weise zu
beeinflussen. Das Verbot der in der Entscheidung gekennzeichneten Bildfolge
erschien notwendig, da aus ihrem Inhalt eine verrohende Wirkung zu folgern
war".
→ Quelle: www.difarchiv.deutsches-filminstitut.de
(PDF-Dokument)
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Hans Albers war als leichtsinniger Film-Ehemann Kurt von Randow auch ihr
Partner in Erich Schönfelders Geschichte um das "Luxusweibchen" (1926) sowie,
zusammen mit Gustav Fröhlich, in Fred Sauers "Die Frau, die nicht
"Nein" sagen kann"5) (1927). Mit
Frauenschwarm Alfons Fryland spielte Lee Parry in "Fedora" (1926,
auch: "Frauenliebe Frauenhass") oder mit Albert Bassermann in "Wenn das Herz der Jugend spricht" (1926),
inszeniert von Fred Sauer nach dem 1905 veröffentlichten Roman "Artur
Imhoff" von Hans Land (Pseudonym von Hugo Landsberger2)).
Sie tauchte in dem Drama "Anastasia, die falsche Zarentochter" (1928;
Regie Arthur Bergen) um die historische Person Anna Anderson2)
auf, die nach 1920 mit der Behauptung aufgetreten war, sie sei die Zarentochter
Anastasia Nikolajewna Romanowa 2),
die die Ermordung ihrer Familie durch die Bolschewiken 1918 überlebt
habe; die "falsche Anastasia" mimte laut filmportal.de Camilla von Hollay,
in anderen Quellen wird Lee Parry mit der Figur der Anastasia genannt.
Lee Parry selbst hielt die Figur der Magd Regine in Erich Waschnecks Melodram "Regine, die Tragödie einer Frau" (1927,
mit Harry Liedtke)
für ihre schönste Rolle: "Es ist meine Lieblingsrolle gewesen,
denn es war eine Rolle, in der ich einen Menschen aus Fleisch und Blut
gestalten konnte, es war für mich ein künstlerisches Erlebnis."*) Der
Film war frei nach der Erzählung "Regine"2) von Gottfried Keller entstanden.
Foto: Lee Parry vor 1929
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder2) (1888 1929)
Quelle: www,cyranos.ch;
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Ihr komödiantisches Talent konnte Lee Parry neben Fritz Kampers in Max Macks
heiteren Geschichte "Autobus Nr. 2"5) (1929) beweisen,
danach machte sie zwei Jahre Pause vom
Filmgeschäft und tauchte erst 1931 wieder in ihrem ersten Tonfilm "Die lustigen Weiber von Wien"
auf der Leinwand auf. In der von Géza von Bolváry in Szene
gesetzten Verwechslungskomödie nach der gleichnamigen, am 7. November 1908
uraufgeführten Operette von Robert Stolz war sie eine der zehn Töchter des
verwitweten Wiener Hofrats Anselm Leitner (Paul Hörbiger), die gegen die
Verlobung ihres Vaters rebellieren, sich als Tanztruppe ihr Geld verdienen
und das Privatleben des Tanzlehrers Augustin Tuschinger (Willi Forst)
durcheinanderwirbeln. Es folgten ähnlich gelagerte Produktionen wie Max Neufelds "Ein
bisschen Liebe für Dich"6) (1932) mit der Musik von
Paul Abraham, wo sie die Ehefrau von Hermann Thimig mimte, oder Conrad Wienes
Film-Operette "Johann Strauss, k. u. k. Hofkapellmeister" (1932)
mit der Rolle der Lilly Dumont an der Seite von Michael Bohnen als
Walzerkönig Johann Strauss. 1933 kamen mit "Keinen Tag ohne Dich"
(Regie: Hans Behrendt), "Der große Bluff" (Regie: Georg Jacoby)
und "Die Herren vom Maxim" (Regie: Carl Boese) gleich drei
Unterhaltungsstreifen in die Lichtspielhäuser, in denen Lee Parry zur
Besetzung gehörte. Doch an ihre aus Stummfilmzeiten gewohnten Erfolge
konnte sie damit nicht mehr anknüpfen. Nach
einer Nebenrolle in "Das Einmaleins der Liebe"5) (1935), frei
nach Johann Nestroys Posse "Einen Jux will er sich machen",
zog sich Lee Parry vorerst ins Privatleben zurück. Lediglich für die
französische Produktion bzw. Jacques Séveracs Musikfilm "Adieu Vienne" (1939) ließ sie
sich als Partnerin von Gustav Fröhlich noch einmal vor die
Kamera locken.
Foto: Lee Parry vor 1929
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder2) (1888 1929)
Quelle: www.virtual-history.com;
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Neben ihrer Arbeit für den Kinofilm trat Lee Parry auch auf
der Bühne in Erscheinung, feierte unter anderem in Berlin Erfolge in der
Revue "Glück muss man haben" (1930) an dem von
dem Komponisten und Pianisten Rudolf Nelson2)
betriebenen "Nelson Theater". Sie trat als
Sängerin im Radio auf, veröffentlichte Schallplatten, unter anderem mit
den Friedrich Hollaender-Liedern "Eine kleine Sehnsucht" und
"In St. Pauli, bei Altona" aus Fritz von Unruhs gesellschaftskritischem Revue-Stück "Phaea". Die Schlager
"So küsst man nur in Wien" (Musik: Paul Abraham) und "Ein bisschen Liebe für dich"
(Musik: Friedrich Hollaender) stammten aus dem gleichnamigen Film (1932),
"Wovon soll der Schornstein rauchen" (Musik: Hans May) aus dem Film
"Keinen Tag ohne dich" (1933), "Die Fenster auf, der Lenz ist da"
und "Wenn der Mensch verliebt ist" aus "Johann Strauss, k. u. k. Hofkapellmeister" (1932).
Nach ihrem letzten Film "Adieu Vienne" (1939) verlor sich
zunächst die Spur von Lee Parry, in den 1950er Jahren heiratete sie in
zweiter Ehe Siegmund Breslauer, zwischen 1950 und 1960 Leiter
des deutschen Exiltheaters "Freie Deutsche
Bühne" in Buenos Aires, und ging mit ihm 1956 nach Südamerika.
Dort konnte sie am Theater ein Comeback feiern.
Lee Parry starb am 24. Januar 1977 im oberbayerischen Bad Tölz wenige
Tage nach ihrem 76. Geburtstag.
Der Nachlass des deutschen Stummfilmstars wird vom "Deutschen Filminstitut"
(DIF) verwaltet.
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*) Aus:
"Filmkünstler: Wir über uns selbst", Hrsg. Dr. Hermann
Treuner, Sibyllen Verlag, Berlin 1928
Quelle: 1) Roger Stein: Das deutsche Dirnenlied (S. 193) bzw. www.volkssaengerei.de,
4) www.stummfilmkonzerte.de
Link: 2) Wikipedia, 3) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 5) Murnau Stiftung, 6) www.film.at
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