Bernd Aldor (Bernd Aldor-Calmanovici*)), am 23. März 1881 im damals zum Osmanisches Reich1) gehörenden Konstantinopel1) (heute Istanbul1), Türkei) geboren, galt viele Jahre als der Beau der deutschen Stummfilm-Szene. Trotz seiner mehr als 40 Produktionen bzw. überwiegend tragenden Rollen ist der Schauspieler weitgehend in Vergessenheit geraten.
Bernd Aldor vor 1930; Urheberr: Alexander Binder (1888 – 1929); Quelle: Wikipedia; Photochemie-Karte 1419 (Ausschnitt); Lizenz: gemeinfrei Kurz vor der Jahrhundertwende (1900) ließ sich Aldor in Wien in der Meisterklasse von Karl Arnau1) (1843 – 1910) zum Schauspieler ausbilden, zu seinen weiteren Lehrern gehörte Konrad Loewe1) (1856 – 1912). Er begann seine Bühnenlaufbahn zunächst als Statist am "Hofburgtheater", dem späteren "Burgtheater"1). Im Jahre 1900 erhielt er ein erstes festes Engagement im südmährischen Znaim1) (heute: Znojmo, Tschechien), weitere Verpflichtungen führten den aufstrebenden Schauspieler nach Tschernowitz1) (heute: Czernowitz, Ukraine), Trier1), Bremen1), Königsberg1), Leipzig1) und Dresden1). Über Hamburg kam Aldor 1906 nach Berlin und trat ein Engagement am "Schillertheater"1) an.
Während einer Aufführung  des Stücks "Der lebende Leichnam" von Leo Tolstoi1) am "Schauspielhaus Leipzig"1) wurde Aldor von dem Filmpionier Charles Decroix1) für die noch junge Kinematographie1) entdeckt, der ihn in seinem Streifen "Das Ave Maria" (1913) sowie in dem Drama "Die Czernowska"1) (1913) jeweils als Partner von Käte Wittenberg1) besetzte.
1916 begann eine intensive Zusammenarbeit mit Regisseur Richard Oswald1) (1880 – 1963), nach Hauptrollen in den Produktionen "Zirkusblut"1) (1916) und "Seine letzte Maske"1) (1916) erregte Aldor rasch Aufmerksamkeit in weiteren, von Oswald in Szene gesetzten Filmen. 

Foto: Bernd Aldor vor 1929
Urheber: Alexander Binder1) (1888 – 1929)
Quelle: Wikipedia; Photochemie-Karte 1419 (Ausschnitt);
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier

Nach Motiven einer Erzählung von August Strindberg1) entstand das Drama "Des Goldes Fluch" (1917) mit Aldor als geldgierigem, zum Schluss vom Wahnsinn gezeichneten Notargehilfe Peter Oblinsky, in den ersten beiden Teilen des Sitten- bzw. Aufklärungsfilm "Es werde Licht!"1) (1917) überzeugte Aldor Publikum und Kritiker als Dr. Mauthner, Leiter einer Anstalt für an Syphilis erkrankte Kinder. Mit der vierteiligen Reihe "Es werde Licht!" wagt Oswald eine Themenspekulation. Der Film entsteht mit Unterstützung der "Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten"1) und ist der erste sogenannte "Aufklärungsfilm", ein gesellschaftliches Tabu brechend in der Beschäftigung mit den als "Volkskrankheit" verbreiteten Geschlechtskrankheiten. Der Film, von Oswald als "Sozialhygienisches Werk" annonciert, wird ebenso gelobt wie abgelehnt.2)
Viel Lob erhielt Aldor auch für seine Darstellung des Titelhelden in der Adaption "Das Bildnis des Dorian Gray"1) (1917) nach dem gleichnamigen Roman1) von Oscar Wilde1). "Der Kinematograph"1) urteilte, dass Aldor "der beste Vertreter (sei), den man sich für Dorian Gray denken kann. Er drängt alle Leistungen zurück, von denen noch die der Herren Pittschau (als Herzog Henry Wotton) und Ludwig1) (als Maler Basil Hallward) als besonders beachtenswert zu erwähnen sind." Und "Die Lichtbild-Bühne"1) stellte unter anderem fest, dass Aldor im Film "eine hervorragende Leistung geschaffen hat." In dem nach einem Roman von Octave Feuillet1) gedrehten Melodram "Der Schlossherr von Hohenstein"1) (1917)  ließ Aldor als junger Graf Theodor von Westfried Herz von Margarete (Rita Clermont) höher schlagen, in "Die seltsame Geschichte des Baron Torelli" (1918) mimte er den Protagonisten Baron Torelli und in der Tolstoi-Verfilmung "Der lebende Leichnam"1) (1918) den jungen Fedja, der durch das zaristische Ehegesetz in den Selbstmord getrieben wird.
Doch auch mit Filmen anderer Regisseure, so 1918/19  wiederholt von Lupu Pick (1886 – 1931), feierte Bernd Aldor als Hauptdarsteller Erfolge. Er zeigte sich unter anderem in dessen futuristischem Streifen "Der Weltspiegel"1)(1918) als der Erfinder Rongstal und in der dramatischen Liebesgeschichte "Die Liebe des van Royk"1) (1918) als der Niederländer Artur van Royk, der auf ein denkwürdiges Ereignis zurückblickt.

Foto: Bernd Aldor vor 1929
Urheber: Alexander Binder1) (1888 – 1929)
Quelle: cyranos.ch; Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier

Bernd Aldor vor 1929; Urheber: Alexander Binder (1888 – 1929); Quelle: www.cyranos.ch; Lizenz: gemeinfrei
Bernd Aldor, der Typ des Liebhabers in den Stummfilmen jener Ära; Quelle: virtual-history.com aus "Vom Werden deutscher Filmkunst/1. Teil: Der stumme Film" von Dr. Oskar Kalbus (Berlin 1935, S. 27); Lizenz: gemeinfrei Joseph Delmont1) besetzte ihn neben Fern Andra in der Rolle der französischen Salonnière Juliette Récamier, genannt "Madame Récamier"1), in dem zu Beginn des napoleonischen Zeitalters angesiedelten Kostümstreifen "Madame Récamier"1) (1920) mit dem Untertitel "Des großen Talma letzte Liebe" als den Schauspieler François-Joseph Talma1). Mit "Graf Cohn"1) (1923) und Aldor in der Titelrolle entstand unter der Regie von Carl Boese1) die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Paul Langenscheidt1), für die Aldor gemeinsam mit unter anderem Johannes Riemann, Hermann Vallentin und Xenia Desni vor der Kamera stand. Eine weitere Hauptrolle, die des eleganten, leichtlebigen, mit Jutta (Claire Rommer) verlobten Fabrikbesitzers Dumont, spielte er beispielsweise in dem Drama "Aschermittwoch"1) (1925) an der Seite von Sybill Morel und Carl Beckersachs, zu einer erneuten Zusammenarbeit mit Richard Oswald kam es mit dem Melodram "Halbseide"1) (1925), wo er den Gelehrten Dr. Gonzales mimte, der eine junge Frau mit schlechtem Ruf (Mary Parker) heiratet, ihren Charakter durchschaut und sich eine andere Frau sucht.

Bernd Aldor, der Typ des Liebhabers in den
Stummfilmen jener Ära
Quelle: virtual-history.com aus "Vom Werden deutscher Filmkunst/
1. Teil: Der stumme Film" von Dr. Oskar Kalbus1) (Berlin 1935, S. 27);
Unbekannter Fotograf; Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier

Danach begann der Stern Aldors zu sinken, in seinen weiteren Stummfilmen musste er sich mit Nebenrollen zufrieden geben, so auch als Graf de Launay in Gerhard Lamprechts1) opulentem Historien-Zweiteiler "Der alte Fritz"1) (1928) mit Otto Gebühr als Preußenkönig Friedrich II.1) → Übersicht Stummfilme.
  
Mit Beginn des Tonfilms erhielt Bernd Aldor zwar noch kleinere Aufgaben wie als Agent Dubois in Richard Oswalds Drama "Dreyfus"1) (1930) um den historischen Justizskandal bzw. die Dreyfus-Affäre1) mit Fritz Kortner als Hauptmann Alfred Dreyfus1) oder als Schweizer Arzt in dem Biopic "Elisabeth von Österreich" (1931), doch seine große Zeit als Schauspieler war vorbei und Aldor geriet in Vergessenheit. Mit seiner nachweislich letzten Arbeit für den Film lieferte Aldor zugleich seine einzige Regiearbeit ab, der rumänische Schauspieler Constantin Tănase (1880 – 1945) hatte ihn für seinen von ihm produzierten Film "Visul lui Tănase" (1932, etwa "Tănases Traum") mit sich selbst in der Hauptrolle verpflichtet → Übersicht Tonfilme.
Obwohl für den Film längst nicht mehr aktiv, wurde Aldor im Juli 1938 wegen seiner "vermutlich nicht arischen" Herkunft" von den Nazis aus der "Reichsfilmkammer"1) ausgeschlossen; danach verliert sich die Spur des Schauspielers, der wahrscheinlich (laut Kay Weniger*)) Deutschland verließ und in das europäische Ausland emigrierte. Mit seiner Ehefrau Hilde hielt er sich wohl bis 1945 (an bislang unbekanntem Orte) versteckt.*) 
Seine letzten Lebensjahre verbrachte der einstige Leinwandstar Bernd Aldor mit seiner Ehefrau in Österreich, seit Anfang März 1950 lebte das Paar nachweislich in Wien. Der inzwischen schwerkranke Aldor soll sich als "jewish displaced person" mit Hilfe eines jüdischen Flüchtlingskomitees um eine Auswanderung bemüht haben, wozu es wegen seines Todes nicht mehr kam.*). Bernd Aldor-Calmanovici starb am 20. Oktober 1950 im Alter von 69 Jahren in Wien1).
Quelle (unter anderem): Wikipedia*) sowie cyranos.ch
Fotos bei virtual-history.com
*) Laut Kay Weniger: "Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben…". Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht, Hamburg, ACABUS Verlag 2011, S. 68/69
Fremde Linka: 1) Wikipedia
Quelle: 2) www.cinegraph.de
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Filme
Stummfilme / Tonfilme
Filmografie bei der Internet Movie Database, filmportal.de sowie
Stummfilme bei "The German Early Cinema Database
(Fremde Links: Wikipedia, filmportal.de, cyranos.ch; R = Regie)
Stummfilme Tonfilme
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