Der Stummfilm-Star Carmen Boni erblickte am 17. April 1904*) als Carmela Bonicatti und Tochter eines Colonels in der italienischen Hauptstadt Rom das Licht der Welt und wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf; ihr Bruder Mario schlug später die Laufbahn eines Fotografen bzw. Kameramannes ein. Für den Film entdeckt wurde die damals erst 14-jährige Carmen Boni von einer anderen großen Diva der italienischen Stummfilm-Szene, von Diana Karenne (1888 – 1940), und trat erstmals 1919 in dem von Karenne mit sich selbst in der Hauptrolle inszenierten Drama "Ave Maria, gratia plena!" auf der Leinwand in Erscheinung. 
Mit Diane Karenne drehte sie noch unter ihrem Geburtsnamen den Streifen "Ave Maria" (1920) und mimte deren Tochter, in den folgenden Jahren verkörperte sie in italienischen Lustspielen und Romanzen meist junge, naive Mädchen und avancierte rasch mit Hauptrollen – oft unter der Regie von Guglielmo Zorzi (1879 – 1967) – zum Publikumsliebling. 1924 spielte sie in "La moglie bella" an der Seite von Linda Moglia (1896 – ?) und Ruggero Ruggeri1) (1871 – 1953) erstmals in einem von Augusto Genina1) (1892 – 1957) inszenierten Film. Für Genina, den sie später auch heiratete, wurde Carmen Boni nun seine bevorzugte Protagonistin, er realisierte mit ihr Melodramen wie "Mutter, verzeih mir" (1925, "Il focolare spento"), Lustspiele wie "Komtess Bubikopf" (1926, "L'ultimo lord") oder Bühnen-Adaptionen wie "Blutende Herzen"1) (1927, "Addio giovinezza!") mit Walter Slezak als Partner. Vor allem durch "Komtess Bubikopf" erregte Carmen Boni nun auch international Aufmerksamkeit, die Geschichte handelte – angelehnt an den Roman "Der kleine Lord"1) von Frances Hodgson Burnett1) – von einem einsamen, verbitterten Adligen (Bonaventura Ibańez, 1876–1932), der um seinen toten, mit einer Ballerina durchgebrannten Sohn trauert bzw. Frauen hasst. Um das Herz ihres Großvaters zu gewinnen, verkleidet sich seine Enkelin nun als junger Mann "Freddie" und findet schließlich ihr Glück in dem Prinzen Cristiano (Arnold Kent alias Lido Manetti; 1899–1928)). Anfang der 1930er Jahre drehte Augusto Genina eine ähnlich gelagerte Geschichte bzw. einen Tonfilm unter dem Titel "La femme en homme" (1931), natürlich erneut mit Carmen Boni in der Hauptrolle.

Foto: Carmen Boni vor 1929
Urheber: Alexander Binder1) (1888 – 1929)
Quelle: Wikipedia; Ross-Karte Nr. 4024/1 (Ausschnitt);
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei)  siehe hier

Carmen Boni um 1929; Urheberr: Alexander Binder (1888 – 1929); Quelle: Wikipedia; Ross-Karte Nr. 4024/1 (Ausschnitt); Lizenz: gemeinfrei
Nach ihrem Erfolg  in "L'ultimo lord" erhielt Carmen Boni etwa zeitgleich ein Angebot aus Deutschland in der von Robert Land1) gedrehten Komödie "Venus im Frack"1) (1927) eine Hauptrolle neben Georg Alexander zu übernehmen. Sie spielte "die emanzipierte Rechtsanwältin Dorothee d'Espard, für die Männer im Privatleben nicht existieren. Ein Komplett führt sie dann doch in den Hafen der Ehe."2)
Für die Schauspielerin wurde Deutschland nun für kurze Zeit zur "zweiten Heimat", wie sie ihr Publikum einmal wissen ließ. "Ich hatte zwar günstige Angebote aus Frankreich erhalten, aber mich reizte es, einmal in Deutschland den "Sprung ins Glück" zu machen und in deutschen Ateliers, von deren hervorragenden technischen Ausrüstungen man mir bereits so viel vorgeschwärmt hatte, zu arbeiten. So spielte ich dann unter der Regie von Robert Land die Titelrolle in dem Film "Venus im Frack", der groß herausgebracht wurde und ein starker Erfolgsfilm war. Nun folgte Film auf Film. "Das Mädchen der Straße"3) nach dem Theaterstück "Scampolo" und "Liebeskarneval", alles Filme, in denen ich die Hauptrolle spielte, und die von Augusto Genina inszeniert wurden. (…) Ich liebe es, heitere und charmante Charaktere darzustellen. Die Rollen der großen Dame liegen mir ebenso wie die des kleinen Mädchen"4)
Carmen Boni vor 1929; Urheber: Alexander Binder (1888–1929); Quelle: filmstarpostcards.blogspot.com; Ross-Karte Nr. 4185/1; Lizenz: gemeinfrei In der europäischen Co-Produktion "Der Sprung ins Glück"3) (1928, "La storia di una piccola Parigina") nach dem Roman "Totte et sa chance" von Pierre Soulaine (1864 – 1940), einer modernen Aschenputtel-Komödie um eine kleine Pariser Kosmetikerin, die durch turbulente Verwicklungen zur Millionärsgattin aufsteigt, konnte Carmen Boni das Publikum ebenso begeistern wie mit ihrer überzeugenden Darstellung des römischen Bettelmädchens in Augusto Geninas Adaption "Das Mädchen der Straße" (1928) an der Seite von Livio Pavanelli (Tito Sacchi) und Hans Junkermann (dessen Freund). "Erzählt wird von dem römischen Waisenmädchen Scampolo, das sich in zerrissenen Kleidern und mit seltsamen Jobs durchschlägt, und dessen einziges Glück ein kleiner Hund ist, der genauso einsam ist wie sie. Als sie die Hausangestellte des Ingenieurs Sacchi wird, verlieben sich die beiden ineinander."2) Dieser Stoff nacvh dem Werk von Dario Niccodemi (1874 – 1934) wurde später mehrfach verfilmt, unter anderem in Deutschland  mit Dolly Haas und Karl Ludwig Diehl (1932, "Scampolo, ein Kind der Straße"1)) sowie mit Romy Schneider und Paul Hubschmid (1958, "Scampolo"1)).
 
  
Foto: Carmen Boni vor 1929
Urheber: Alexander Binder1) (1888 – 1929)
Quelle: filmstarpostcards.blogspot.com; Ross-Karte Nr. 4185/1;
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Großes Aufsehen erregte Richard Oswalds1), zunächst mit einem Aufführungsverbot belege, nach dem Roman "Brettlfliegen" von Annie von Brabenetz (1889 – ?) realisierte Drama "Gehetzte Frauen"1) (1927), wo sie an der Seite der Stummfilm-Legende Asta Nielsen als deren unschuldige Tochter von sich reden machte. Ein nachhaltiger Part war ebenfalls die der "Spreewälderin" in "Der fidele Bauer"3) (1927, Regie: Franz Seitz sen.1)) nach der gleichnamigen Operette1) von Leo Fall1) mit Werner Krauß in der Titelrolle. In Géza von Bolvárys1) Abenteuer "Die Gefangene von Shanghai"1) (1928; Co-Regie: Augusto Genina) zeigte sie sich mit  dem britischen "Gentleman"-Mimen Jack Trevor, der auch mit ihr für Geninas Komödie "Liebeskarneval" (1928) vor der Kamera stand. Erneut mit Regisseur Robert Land drehte sie die heitere Geschichte "Prinzessin Olala"1) (1928) nach Motiven der gleichnamigen Operette von Jean Gilbert1) (Musik) und Rudolf Bernauer1) (Libretti). glänzte hier als Prinzessin Xenia, die ihrem Verlobten Prinz Boris (Walter Rilla) statt der Lebedame Chichotte de Gastoné (Marlene Dietrich) Unterricht in Liebesdingen erteilt; in weiteren Rollen traten unter anderem noch Georg Alexander als Kammerherr und Hans Albers als Chichottes Freund in Erscheinung. Mit Regisseur Karl Grune1) drehte Carmen Boni ihren letzten Stummfilm bzw. zugleich ihren letzten Film in Deutschland und übernahm die Titelrolle in "Katharina Knie"1) (1929), inszeniert nach dem gleichnamigen Volksstück1) von Carl Zuckmayer1). Neben Carmen Boni zeigten sich in dieser "melodramatischen Zirkus-Saga"5), die Zuckmayer selbst als "ein Seiltänzerstück" bezeichnet hatte, Eugen Klöpfer als der alte Seiltänzer Vater Knie, Adele Sandrock als das "Mädchen für alles" Bibbo, Fritz Kampers als Katharinas Vetter Ignaz Scheel, Viktor de Kowa und Ernst Busch1) als Lorenz und Fritz Knie, ebenfalls Vettern von Katharina; der Komponist und Kapellmeister Werner Schmidt-Boelcke1) komponierte eigens für diesen Film die Musik → Übersicht Stummfilme.
 
Mit Aufkommen des Tonfilms war die Karriere Carmen Bonis in Deutschland wegen der Sprachschwierigkeiten beendet. Sie ging endgültig zurück nach Italien, drehte dort, aber auch in Frankreich, sporadisch einige Filme, konnte jedoch an ihren früheren Ruhm nicht mehr anknüpfen. Nach ihrem Auftritt im zweiten Teil der in Frankreich entstandenen Verfilmung von "Der Graf von Monte Christo" (1943, "Le comte de Monte
Cristo") nach dem gleichnamigen Roman1) von Alexandre Dumas d. Ä.1) mit Pierre Richard-Willm1) als Titelheld Edmond Dantčs wurde sie lediglich noch einmal von Christian-Jaque1) in der Film-Biografie über den von Jean-Louis Barrault1) dargestellten "Rote Kreuz"1)-Gründer und Menschenfreund Henry Dunant1) mit einer Aufgabe betraut und spielte in "Von Mensch zu Mensch"5) (1948, "D’homme ŕ hommes") den kleinen Part der Comtesse Tamberlani → Übersicht Tonfilme.
 
Wie Carmen Bonis Lebensweg danach verlaufen ist, bleibt im Dunkeln, sie starb am 18. November 19636) in Paris1) an den Folgen eines Autounfalls. Ihre Ehe mit Augusto Genina war (vermutlich) Anfang der 1930er Jahre geschieden worden, 1936 (oder 1938) ehelichte sie den französischen Schauspieler Jean Rigaux (1909 – 1991).
Quellen (unter anderem): Wikipedia, cyranos.ch
Fotos bei virtual-history.com sowie filmstarpostcards.blogspot.com
*) Geburtsdatum 17. April 1904 laut Kay Weniger: "Das große Personenlexikon des Films" (Bd. 1, Verlag "Schwarzkopf & Schwarzkopf", Berlin 2001); IMDb sowie andere Quellen geben stattdessen den 8. April 1901 oder 1903 als Geburtsdatum an.
Fremde Links: 1) Wikipedia, 3) filmportal.de, 5) filmdienst.de
2) Quelle: film-zeit.de (Artikel nicht mehr online)
4) Aus: "Filmkünstler: Wir über uns selbst", Hrsg. Dr. Hermann Treuner, Sibyllen Verlag, Berlin 1928
6) Sterbedatum 18. November 1963 laut Kay Weniger: "Das große Personenlexikon des Films" (Bd. 1, Verlag "Schwarzkopf & Schwarzkopf", Berlin 2001); IMDb gibt stattdessen den 19. November als Sterbetag an.
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