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Anna Müller-Lincke, wie sie sich seit ihrer Heirat nannte, machte eine
fulminante Bühnenkarriere, wirkte als Soubrette unter anderem in Berlin am
"Victoria-Theater"1),
am "Belle-Alliance-Theater"1),
am "Central-Theater" in der Alten Jakobstraße,
am "Adolf-Ernst-Theater", am "Metropol-Theater"1)
sowie viele Jahre lang am renommierten "Lessingtheater"1). Eine
mehrjährige Tournee,
die sie nun auch international bekannt werden ließ, führte die Künstlerin nach Frankreich, Holland, Dänemark, Russland sowie nach Nord- und
Südamerika. Sie verstand es "vermittels feiner
Beobachtungsgabe in die tiefsten Tiefen der Volksseele einzudringen und deren leiseste Regungen zu lenken
und Dank ihres erstaunlichen und vielseitigen Charakterisierungsvermögens stellte sie in Rollen Figuren
auf die Bühne, welche in ihrer künstlerischen Vollendung, in ihrer Lebenswahrheit, in ihren naturgetreu
durchgearbeiteten Gefühlsschattierungen der Künstlerin begeisterte Erfolge eintragen und ihr die wärmsten
Sympathien des Publikums und der gesamten Presse zuwendeten. Anna Müller-Linckes Fach sind die
Soubretten-Partien. Auf diesem Gebiete schafft sie meisterhafte Typen vom urbiedern gesunden Humor der
Frau aus dem Volke bis zum pikant prickelndem mousseuxartig schäumenden Charme der ungebundenen
Lustigkeit, sowie sie andererseits auch die tieferen Seiten des menschlichen Gemüts in allen seinen
ergreifenden Klangfarben anzuschlagen wußte." notierte die "Lichtbild-Bühne"
(Nr. 9, 27.02.1915).4)
Bereits früh hatte sich Anna Müller-Lincke der noch jungen Kinematographie zugewandt und schon 1907 in "Tonbildern" der "Deutschen Bioscop" mitgewirkt. Sie trat bei der "Messter-Film" als Protagonistin in kurzen Possen wie "Bundrika, die Negerköchin" (1910) in Erscheinung, stand dann ab 1913 regelmäßig für zahllose Schwänke vor der Kamera und mimte meist resolute, bodenständige Frauentypen wie in Max Macks Komödie "Wo ist Coletti?"1) (1913) mit Hans Junkermann als Detektiv Jean Coletti. Müller-Linckes stämmige Erscheinung und ihr rundes, offenes Gesicht werden ebenso unverwechselbar wie ihr resoluter, schalkhafter Habitus. Die eigenen Filmserien verknüpft sie immer wieder mit den Serien anderer beliebter Komödianten (Otto Treptow, Franz Schmelter, Victor Arnold oder Paul Heidemanns "Teddy"). Ihre Ein- und Zweiakter sind meist Burlesken wie "Ein Brauner Lappen" und jenes Filmfragment mit dem Archivtitel "Ein moderner Brutkasten". Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wird aus der Komikerin die "Königin deutschen Humors". Die "National-Film" besetzt Müller-Lincke in der "Burleske in Feldgrau" "Die Mobilmachung in der Küche" und verkündet damit ihre propagandistische Absicht: Nicht nur die Soldaten an der Front, auch die Bevölkerung daheim soll ihren Alltag als Dienst am Vaterlande verstehen. Anna Müller-Lincke wird zur Gallionsfigur der "Kriegsführung mit anderen Mitteln". Die Filmserien Müller-Linckes dienen dem kaiserlichen, staatstragenden Geist, steigern die Kriegseuphorie und schaffen frohe Laune im Kaiserreich. Der "kriegerische Lustspielschlager" "Frau Annas Pilgerfahrt", "Fräulein Feldwebel", "Er will ins Feld", "Ja, schön ist die Soldatenliebe", "Musketier Kaczmarek", "Anna dreht Granaten" und "Die Dicke Berta" sind Kassenschlager. Im letzteren versucht sich die dralle Köchin "Berta vom Waschfaß" als Primaballerina im Lazarett, was angesichts ihrer Ungelenkheit und fülligen Figur für Heiterkeit sorgt.2)
Den Übergang zum Tonfilm schaffte die Komödiantin aufgrund ihrer Bühnenerfahrung zwar problemlos, musste sich aber meist mit unbedeutenden Parts zufrieden geben, trat als matronenhaft-dralle Schwiegermutter, Ehedrachen, Wirtin oder Nachbarin in Erscheinung. So mimte sie unter anderem die Ehefrau von Kurt Lilien in Carl Heinz Wolffs Lustspiel "Lumpenball"1) (1930) oder die Frau des Vorstadt-Varieté-Besitzers Bumke (Walter Steiner) in Johannes Meyers Komödie "Die blonde Nachtigall"5) (1930) neben Hauptdarstellerin Else Elster. In Piel Jutzis ersten Verfilmung des Döblin-Romans "Berlin Alexanderplatz"1) (1931) tauchte sie an der Seite von Heinrich George (Franz Biberkopf) als Proletarierin auf, die in einer ärmlichen Kellerwohnung haust und der das Fenster eingeschlagen wird: Im Halbdunkel fotografiert, nur schemenhaft zu erkennen, genügt ihr Nimbus, "die urberlinerische Volksseele" zu verkörpern.2) Eine Sängerin spielte sie in Slátan Dudows, zum Genre des "Proletarischen Films" zählenden Werk "Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt?"1) (1932), danach übernahm sie kleinere Aufgaben in Komödien wie "Liebe muss verstanden sein"5) (1933) oder "Der kühne Schwimmer"5) (1934). Einen ihrer letzten Leinwandauftritte hatte die Schauspielerin in Carl Froelichs Krimi "Oberwachtmeister Schwenke"5) (1935) mit Gustav Fröhlich in der Titelrolle. Anna Müller Lincke, in zweiter Ehe verheiratete Gräfe, starb am 24. Januar 1935 im Alter von 65 Jahren in Berlin. Ihre letzte Ruhestätte fand sie auf dem dortigen Friedhof Baumschulenweg (Bezirk Treptow-Köpenick); die Grabstätte ist inzwischen aufgelöst. Für ihre künstlerischen Leistungen war die in jenen Jahren als "Königin des Humors" bezeichnete Anna Müller-Lincke bereits in den 1910er Jahren als Ehrenmitglied in den "Verein für Kunst und Wissenschaft" aufgenommen worden. |
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Quellen (unter anderem): Wikipedia,
www.cyranos.ch,
www.berlin.friedparks.de
sowie CineGraph Lexikon zum deutschsprachigen Film, LG 45*) |
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*) mit den Quellen: Eine populäre Kino-Schauspielerin. In: "Lichtbild-Bühne" (Nr. 9 vom 27.02.1915) → www.cinegraph.de R. Ramin: Eine Jubilarin. In: "Kinematograph" (Nr. 98 vom 28.04.1929 Link: 1) Wikipedia, 5) Murnau Stiftung 2) Quelle: CineGraph Lexikon zum deutschsprachigen Film, LG 45 3) Wikipedia, CineGraph und cyranos.ch geben als Jahr der Eheschließung 1893 an 4) Quelle: www.cinegraph.de Lizenz Foto Anna Müller-Lincke (Urheber: Alexander Binder): Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers. |
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