Auch wenn das cineastische Werk der italienischen Schauspielerin Lyda Borelli relativ
überschaubar ist, gehört sie neben Francesca Bertini1)
(1892 1985), Pina Menichelli1)
(1890 1984) und Helena Makowska1)
(1893 1964) zu den bekanntesten Diven des italienischen
Stummfilms. Geboren am 22. März 1884 in Rivarolo Ligure (Genua), wuchs sie
einer Künstlerfamilie auf. Ihr Vater war der Schauspieler Napoleone Borelli,
der seinen ursprünglichen Beruf als Rechtsanwalt aus Liebe zum Theater
aufgegeben hatte, auch die Mutter Cesira Banti kam von der Bühne. Die
ältere Schwester Alda Borelli (1879 1964) machte sich als
Theater- und Filmschauspielerin ebenfalls einen Namen.
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Bereits 1902 gab Lyda Borelli mit erst 17 Jahren ihr
Bühnendebüt in der Truppe um Francesco Pasta3). Sie feierte
etliche Erfolge am Theater, unter anderem in
den Compagnias um Virgilio Talli (1858 1928),
Enrico Reinach (1851 1929) und Virginia Reiter (1862 1937). Zu ihren besten
Interpretationen zählte die Hauptrolle der Splendore in der Tragödie
"La figlia di Jorio" von Gabriele D'Annunzio2),
die allgemein als dessen poetischstes und
leidenschaftlichstes Drama gilt und mit Elementen des bäuerlichen Lebens in
den Abruzzen spielt. 1909 gründete Lyda Brelli gemeinsam mit Ruggeri Ruggeri
(1871 1953) eine eigene Theatertruppe, trat mit Titelrollen in
Dramen wie "Salome"2)
von Oscar Wilde, aber auch Komödien auf und zeigte ihre darstellerische Kunst
auch im Rahmen einer Tournee durch Südamerika.
Foto: Lyda Borelli als "Salome"
Urheber: Mario Nunes Vais (1856 1932)
Quelle: Wikimedia Commons
Lizenz zur Veröffentlichung siehe hier
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Luda Borelli, die als Theatermimin von Kritikern in eine Reihe mit der
legendären Eleonora Duse1) (1858 1924) gestellt wird, startete
Anfang der 1910er Jahre eine kurze, intensive Karriere im Stummfilm und
erregte auch hier mit dem Typus der sinnlich-schönen, dennoch unnahbaren Frau
sowie einem theatralischen Gestus ungemeine Aufmerksamkeit. Erstmals trat sie 1912 in dem melodramatischen
Streifen "Quando il cuore parla" (Wenn das Herz spricht) in
Erscheinung, bereits mit ihrem zweiten, von Mario Caserini2) gedrehten Film, "Ma l'amor mio non
muore" (1913, Aber meine Liebe stirbt nicht) avancierte sie als Partnerin von
Frauenschwarm Mario Bonnard2)
zum Star der italienischen Stummfilm-Szene. Erzählt wurde die tragische
Geschichte einer berühmten Künstlerin, die sich in einen Prinzen
(Mario Bonnard) verliebt, aber schließlich dieser Liebe in einer
wilden Verzweiflungstat entsagen muss.
Nach dem großen Erfolg des Films begann ein
Personenkult, den die Produktionsfirmen schnell als massenwirksames
Zugmittel begriffen und sodann gezielt auf stilisierte Stars setzten.
Für dieses Phänomen tauchten im Italienischen die Neologismen "borellismo"
und "borelleggiare" auf.4)
Im darauffolgenden Jahr begann eine enge Zusammenarbeit mit Carmine Gallone2),
der alleine sieben Filme mit der blonden
"Sentimentalen" realisierte. Am bekanntesten sind hier die Melodramen "La donna nuda" (1914, Das Nackte Weib) und der
als verschollen geltende Streifen "La falena"5) (1916).
Foto: Lyda Borelli vor 1932
Urheber: Mario Nunes Vais (1856 1932)
Quelle: Wikimedia Commons;
Lizenz zur Veröffentlichung siehe hier
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Als 1914 die tragische Geschichte "L'eterno fidanzamento" (Ich habe ihn zu sehr
geliebt) auch in Deutschland gezeigt wurde, bewarben die Hagener "Weidenhof-Lichtspiele" (20.06.1914)
den Film folgendermaßen: "Eine tieferschütternde Seelenschilderung in 5 Aufzügen mit Fräulein Lydia Borelli, Italiens
berühmtester Tragödin in der Hauptrolle, wie sie packender bis heute nicht gezeigt wurde, und wird sich beim Anblick
dieses herzergreifenden Lebensbildes keiner der Tränen erwehren können.
Das folgende Filmwerk will kein Kino-Drama in
sonst üblichem Sinne sein, sondern zum erstenmal den
Beweis erbringen, dass die moderne Filmkunst nicht nur rein äußerliche Bewegungsvorgänge darzustellen,
sondern auch tiefinnerliche Seelenvorgänge uns zu schildern vermag. Diese Aufgabe ist restlos gelöst
worden durch die liebevolle Hingabe allererster italienischer Bühnenkünstler, durch deren Spiel der
Film zu einer Kunstschöpfung allerersten Ranges erhoben wurde."6)
Mario Caserini2) und Enrico Guazzoni2)
besetzten sie in ihrem Biopic "Madame Tallien" (1916) als Thérésia Cabarrus2), die als "Madame Tallien"
oder "Notre-Dame de Thermidor" eine bekannte, einflussreiche Kurtisane des spätrevolutionären
Frankreichs war.
Als filmschauspielerischer Höhepunkt von Lyda Borelli gilt ihre Femme-fatale-Rolle
in "Rapsodia satanica" (1915, Rhapsodie des Satans) von Regisseur Nino Oxilia2),
musikalisch untermalt von Pietro Mascagni2).
Mit dieser "Faust"-Variation kam die Geschichte der greisen
Gräfin Alba d'Oltrevita auf die Leinwand, die einen Pakt mit dem Teufel (Mephisto = Ugo Bazzini)
eingeht, um ewige Jugend und Schönheit zu erlangen. Es ist ihr fortan untersagt, eine
Liebesbeziehung einzugehen, als die beiden Jünglinge Tristan (Andrea Habay)
und Sergio (John Cini) auf den Plan treten, nimmt die Tragödie ihren Lauf → www.zweitausendeins.de
sowie www.imdb.com.
Nach ihrer Heirat (1918) mit dem venezianischen Industriellen und späteren
Grafen Vittorio Cini2) (1885 1977) beendete
Lyda Borelli ihre allseits umjubelte
Filmkarriere. Mit nur rund 15 Arbeiten vor der Kamera hinterließ sie
dennoch nachhaltige Spuren in der Geschichte des Stummfilms und "wurde mit ihrer expressiven körperbetonten Spielweise
in üppig ausgestatteten
Melodramen zu einer der bekanntesten Diven des frühen italienischen Films."4)
Der italienische Schriftsteller und Politiker Antonio Gramsci2) schrieb in
der Zeitung "Avanti!"2)
über sie: "Borelli
ist die Schauspielerin par excellence für den Film, in welchem die einzige Sprache der menschliche Körper mit
stets neu erstehender Plastizität ist."
Lyda Borelli starb am 1. Juni 1959 im Alter von 75 Jahren in Rom; ihre
letzte Ruhestätte fand sie auf dem Friedhof "Cimitero della Certosa"
im norditalienischen Ferrara (Emilia-Romagna).
Der von dem niederländischen Regisseur Peter Delpeut geschaffene
nostalgische 70-minütige, inzwischen auf DVD erschienene Kompilationsfilm "Diva Dolorosa" (1999) enthält neben Szenen mit
Francesca Bertini, Pina Menichelli und Helena Makowska sowie anderen italienischen Stummfilm-Heroinen auch
Archiv-Material von Lyda Borelli.
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Quellen (unter anderem): Wikipedia
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Link: 1) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 2) Wikipedia (deutsch), 5) Wikipedia (englisch)
3) Quelle: www.arte.tv
4) Text: Wikipedia
6) Quelle: www.earlycinema.uni-koeln.de
Lizenz Fotos Lyda Borelli (Urheber: Mario Nunes Vais): Diese
Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche
Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die
Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer
gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers.
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Filme
Filmografie bei der Internet Movie Database
sowie (einige frühe Stummfilme): www.earlycinema.uni-koeln.de
(Link: Wikipedia (deutsch, englisch))
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- 1912: Quando il cuore parla (Wenn das Herz spricht; Regie: ?)
- 1913: Ma l'amor mio non muore (Aber meine Liebe stirbt nicht;
Regie: Mario Caserini)
- 1913: La memoria dell'altro (Regie: Alberto Degli Abbati)
- 1914: La donna nuda (Das Nackte Weib/Einer Großen Liebe Sterben;
Regie/Drehbuch: Carmine Gallone)
- 1914: L'eterno fidanzamento (Ich habe ihn zu sehr geliebt; Regie: Riccardo Tolentino)
- 1915: Il bosco sacro (Regie: Carmine Gallone)
- 1915: Fior di male (Regie: Carmine Gallone)
- 1915: Rapsodia satanica (Rhapsodie des Satans; Regie: Nino Oxilia)
- 1915: La marcia nuziale (Der Hochzeitsmarsch; Regie/Drehbuch: Carmine Gallone)
- 1916: La falena (Regie/Drehbuch: Carmine Gallone)
- 1916: Madame Tallien (Regie: Mario Caserini, Enrico Guazzoni)
- 1917: Malombra (Regie: Carmine Gallone)
- 1917: La storia dei tredici (Der Club der Dreizehn; Regie: Carmine
Gallone;
nach der Erzählung "Die Herzogin von Langeais"
von Honoré de Balzac)
- 1917: Carnevalesca (Regie: Amleto Palermi)
- 1917: Il dramma di una notte / Una notte a Calcutta (Regie: Mario Caserini)
- 1918: La leggenda di Santa Barbara (Regie: ?)
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