Der Schwede Gösta Ekman erwarb sich sowohl auf der
Bühne als auch im Film einen Ruf als exzellenter Charakterdarsteller,
erlangte vor allem in der Theaterszene seines Heimatlandes wegen seiner Ausstrahlung, seiner Stimme und seiner Bühnenpräsenz
Star-Status und wurde bereits zu Lebzeiten als "Theaterlegende"
gefeiert. Geboren am 28. Dezember 1890 in Stockholm als Frans Gösta Viktor Ekman,
begann der blendend aussehende junge Mann um 1908 als Statist am Theater.
Sein professionelles Bühnendebüt gab er im Jahre 1911 bei
der von Hjalmar Selander gegründeten renommierten Schauspieler-Truppe
"Selander Company". Zwischen 1913 und 1925 gehörte er zum Ensemble des "Schwedischen Theaters" in
Stockholm, fungierte in den Jahren 1926 bis 1930 als Co-Direktor des
privaten "Oscar-Theaters" (Oscarsteatern). Ab 1931 leitete er für
vier Jahre das von ihm gegründete "Vasa-Theater" (Vasateatern), überdies
stand er eine Zeit lang dem Stockholmer "Konzerthaus" (Konserthusteatern)
vor, war er in den 1930er Jahren Direktor des Stadttheaters in Göteburg.
Gösta Ekman als junger Faust in dem Ufa-Stummfilm
"Faust eine deutsche Volkssage"1)
(1926), gedreht von
Friedrich Wilhelm Murnau1)
u. a. nach Goethes "Faust"1)
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_pos-2006-a_0000918)
aus "Vom Werden deutscher Filmkunst/1. Teil: Der stumme Film"
von Dr. Oskar Kalbus (Berlin 1935, S. 118) / Sammelwerk Nr. 10 bzw. Ross-Verlag 1935
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Unbekannter Fotograf
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017 |
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Der Autodidakt Ekman galt als Meister der Verkleidungen, konnte
als jugendlicher Bauernsohn ebenso überzeugen wie in der Maske eines
historischen Aristokraten oder sogar als steinalter Greis. Gerühmt wurde er
für seine ausdrucksstarken Gestaltungen der Shakespeare'schen
Figuren, wusste aber auch in Stücken der Moderne das Publikum zu
begeistern. Als Shakespeare-Interpret machte er mit der Titelrolle in
"Hamlet"1), als Shylock in "Der Kaufmann von Venedig"1) oder
als Romeo in "Romeo und Julia"1) Furore, war der florentinische Graf
Claudio in "Viel Lärm um nichts"1) oder der Petruchio in "Der
Widerspenstigen Zähmung"1). Bereits zu Beginn seiner Karriere erregte er
als englischer Anführer Lionel in dem Schiller-Drama "Die Jungfrau von
Orleans"1) (1914) Aufmerksamkeit, in späteren Jahren brillierte unter anderem
mit der Hauptrolle in der Theaterversion von
Selma Lagerlöfs Värmland-Roman "Gösta Berling" (Gösta Berlings saga), in Ibsens "Die
Wildente"1) und "Peer Gynt"1) oder in dem Historienschauspiel
"Gustav Vasa" und dem Märchenspiel "Glückspeters Reise" (Lycko-Pers
resa) von August Strindberg1). Ekman gab unter anderem den
Clown in dem Zirkusdrama "Der, der die Maulschellen kriegt"
("Han som får örfilarna"; Oscarsteatern, 1926) des
russischen Schriftstellers Leonid Andrejew1)
oder die titelgebende Figur in "Der Henker" (Bödeln;
"Vasa-Theater" 1934)
nach der gleichnamigen Erzählung des Schweden Pär Lagerkvist1).
Er zeigte in Tragödien, Dramen und Komödien
gleichermaßen seine schauspielerische Vielseitigkeit, machte mitunter auch
Ausflüge in die Operette wie mit Léhars "Die lustige Witwe"1), wo er
sich als Graf Danilo stürmischen Beifall erhielt. Als Partnerin für die Rolle der Hanna Glavari
hatte sich Ekman seine Kollegin Zarah Leander2) ausbedungen,
die erfolgreiche Premiere fand am 1. September 1931
im "Konzerthaus" von Stockholm statt.
Schon früh interessierte sich Ekman für die aufstrebende Kinematographie,
gab bereits 1911 sein Leinwanddebüt in zwei stummen Produktionen. Im
darauffolgenden Jahr trat er in dem aufsehenerregenden,
experimentellen Kurz-Drama "Der Gärtner" (1912,
Trädgårdsmästaren) von und mit Victor Sjöström1) auf
und mimte den Sohn des von
Sjöström gespielten Titelhelden. "Sjöströms Arbeiten
waren, neben denen von Mauritz Stiller1),
stilbildend für den frühen schwedischen Film, der in den
1910er Jahren zu den künstlerisch führenden in Europa zählt."
notiert Wikipedia. Mit Mauritz Stiller drehte Ekman "Das fremde
Mädchen" (1913, Den okända), eine Pantomime bzw.
filmische
Umsetzung von Hugo von Hofmannsthals "Der
Rosenkavalier"1) mit der Tänzerin Grete Wiesenthal1).
Ekman zeigte auch auf der Leinwand die unterschiedlichen Facetten seiner
Schauspielkunst: Mal war er Liebhaber wie in Victor Sjöströms
"Beatrix Ein Spiel von Liebe, Hass und Tod" (1922,
Vem dömer), einem Historiendrama über eine Frau (Jenny Hasselqvist1)),
die in einer Feuerprobe die Unschuld am Tod
ihres Mannes beweisen muss, mal historische Persönlichkeit wie der
egozentrische schwedische König Karl XII1)
in dem gleichnamigen Streifen (1925) von Regisseur John W. Brunius, der
zwischen 1926 und 1930 gemeinsam mit Ekman das "Oscar-Theater"
leitete. Für Brunius verkörperte er auch den Gustav I. Wasa1)
in der zweiteiligen filmischen Hommage "Gustaf Wasa" (1928).
Als Höhepunkt von Ekmans Filmkarriere, die auch seinen internationalen Ruhm
begründete, darf sicherlich Friedrich Wilhelm Murnaus stummes
Epos "Faust eine deutsche Volkssage"1) (1926)
angesehen werden, in diesem Klassiker trat er neben Emil Jannings
(Mephisto) und Camilla Horn (Gretchen) als Faust in Erscheinung. "Die
Geschichte des Dr. Faust, der von Mephisto in Versuchung geführt wird,
erzählt Hans Kyser frei nach Volkssage und Goetheinterpretation. Murnau
macht daraus eine beispiellose, himmelanstürmende und verführerische
Abenteuerreise, die Faust (Gösta Ekman) und Mephisto durch eine
finster-schaurige Welt führt und direkt in den Armen des lieblichen
Gretchens (Camilla Horn) endet."
kann man bei www.stummfilmkonzerte.de
lesen. Die zeitgenössische Kritik beurteilte Ekmans Darstellung ambivalent,
so schrieb unter anderem Axel Eggebrecht1)
in "Die Welt am Abend"
(Nr. 242, 16.10.1926): "Von den Schauspielern ist gleich der
wichtigste, Gösta Ekman als Faust, ganz undiskutabel schlecht. Als Greis
mit wallendem Bart und Öldruck-Patriarchengesten, als Liebhaber ein blasser
weichlicher Junge ohne Ausdruck, manchmal peinlich steif wie ein
Anfänger."3)
Der Filmpublizist Dr. Hans Wollenberg (1893 1952) dagegen notierte in der
"Lichtbild-Bühne" (Nr. 246, 15.10.1926): "Ekmans Faust:
stark, wo es sich um Fresco-Malerei, um große Linie, um ausladende Bewegung
handelt."4)
Eine von der von der "Friedrich Wilhelm Murnau
Stiftung" restaurierte Fassung ist inzwischen auf DVD im Handel
erhältlich; weitere Infos bzw. zeitgenössische Kritiken bei www.filmhistoriker.de
und filmportal.de.
Abbildung DVD-Cover
freundlicherweise zur Verfügung gestellt von "Süddeutsche
Zeitung Cinemathek";
© "Süddeutsche Zeitung Cinemathek" und "Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung" (FWMS) |
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Eine weitere herausragende Produktion war "Der tanzende
Tor" (1926, Klovnen) von Regisseur A. W. Sandberg1),
ein Remake seines gleichnamigen Stummfilms aus dem Jahre 19171) mit dem
dänischen Star Valdemar Psilander2).
Auch Ekman beeindruckte als Clown Joe Higgins,
der als gefeierter Künstler tragische und schmerzliche Erfahrungen machen
muss. Mit Regisseur Gustaf Molander1)
und Lil Dagover als Partnerin drehte er
das Melodram "Die Lady ohne Schleier" (1927, Hans engelska
fru), bei der Tragikomödie "Der Herr mit dem Monokel" (1927,
En perfekt gentleman) fungierte er zudem neben Vilhelm Bryde als
Co-Regisseur und präsentierte sich an der Seite von La Jana und Hans Albers.
Ekmans letzte Arbeit für den Stummfilm war das von A. W. Sandberg in Szene
gesetzte Historiendrama "Revolutionshochzeit"5) (1928, Revolutionsbröllop),
hier machte er als tragisch endender
Oberstleutnant der Revolutionsarmee Marc Anton von sich reden.
Den Übergang zum Tonfilm schaffte Ekman aufgrund seiner Bühnenerfahrungen
problemlos und blieb bis zu seinem frühen Tod ein beliebter Protagonist in
weiteren schwedischen Produktionen. In der Romanze "Mach mir die Welt zum
Paradies" (1930), der deutschsprachigen Version von "För
hennes skull", spielte er unter der Regie von Paul Merzbach mit Anita Dorris2)
bzw. Inga Tidblad6) (schwedische Fassung).
"Gösta Ekman, der Schwede, der
so reizvoll deutsch spricht, und Anita Dorris, die feine,
blondstrahlende Zart-Menschliche, sind das erfreuliche Erlebnis dieses nicht
in allem gleichwertigen Films." notierte unter anderem die "Münchener
Telegramm-Zeitung" (13.10.1930). Mehrfach arbeitete Ekman mit Gustaf Molander
zusammen, unter anderem entstand mit der Salonkomödie "Swedenhielms" (1935) eine Adaption
des gleichnamigen, populären Bühnenstücks von Hjalmar Bergman1), wo
er als weltfremder, idealistischer Chemie-Professor
Rolf Swedenhielm Kritik und Publikum für sich einzunehmen wusste. "In
diesem Werk verkörpert Ekman den launenhaften Idealisten, der völlig
weltfremd nur für seine Wissenschaft lebt. Die Nahaufnahme eine
filmkünstlerische Entdeckung des schwedischen Films lässt das Gesicht
von Ekman größer und größer werden und verweilt endlich darauf, damit
auch die feinste Zeichnung und die kleinste Ausdrucksregung sichtbar
wird."7)
In diesem Film wirkte auch die junge Ingrid Bergman2) mit,
die wenig später eine
grandiose Hollywood-Karriere startete. 1936 drehte sie wieder
mit Molander den Film "Intermezzo" und spielte in
dieser bitter-süßen Geschichte die Hauptrolle der Konzertpianistin Anita Hoffman,
die eine Affäre mit einem berühmten, verheirateten Geiger hat Ekman war
dieser Holger Brandt, der am Ende zu Frau und Kindern
zurückkehrt. Der große David O. Selznick1)
(1902 1965), Produzent des Kassenschlagers "Vom
Winde verweht"1), wurde auf die schwedische Schönheit
aufmerksam, kaufte die Rechte an dem Film und drehte 1939 die
amerikanische Version erneut mit der Bergman in der weiblichen Hauptrolle;
den Part des Geigenvirtuosen Holger Brandt in "Intermezzo,
a Love Story"1) übernahm Leslie Howard.
Von Kritikern wird Ekmans Doppelrolle des Königs Karl XV bzw. des
Schauspielers Leonard Petterson in der Komödie "Kungen
kommer"6) (1936; Regie: Ragnar Hyltén-Cavallius) als eine seiner besten
Leinwanddarstellungen angesehen. Meisterhaft spielt er sowohl den König als
auch den ihm zum Verwechseln ähnlich sehenden Schauspieler, der vom
Mitgliedern des Hofes angeheuert wird, um den König bei einem Fest zu
vertreten im Laufe der amüsanten Geschichte kommt es zu allerlei
komischen Verwechslungen.
Der Mime tat sich auch als Sänger hervor und nahm einige Revue-Nummern auf
Schallplatte auf, darunter die Lieder "En herre i Frack" (1935)
und den sehr erfolgreichen Titel "Kvinnor och Champagner" (1929).
"Gösta Ekman galt als Workaholic und je größer sein Erfolg war, desto größer wurde die
Arbeitslast" führt www.cyranos.ch aus und schreibt
weiter: "Während den Dreharbeiten zu
"Faust" kam Gösta Ekman in Berlin mit Kokain in Kontakt, als ihm dieses als
hilfsreiches Mittel zur Arbeitslastbewältigung angeboten wurde. Er geriet in
die Abhängigkeit, welche schließlich seine Gesundheit angriff und wohl auch zu seinem frühen Tod
mit 47 Jahren führte."
Gösta Ekman starb am 12. Januar 1938 in einem Stockholmer Krankenhaus, die
Beisetzung fand unter großer Teilnahme der Bevölkerung statt, dem Trauerzug in Stockholm
folgten etwa 100.000 Personen, die dem beliebten Künstler so ihre letzte
Ehre erwiesen; seine letzte
Ruhe fand der charismatische Schauspieler am 18. Januar 1938 auf dem "Norra
begravningsplatsen" (Nordfriedhof) im schwedischen Solna in der Provinz Stockholms län → Foto der Grabstätte bei www.knerger.de.
Der Sage nach soll Ekmans Geist immer noch in seinem ehemaligen Umkleideraum
des "Vasa-Theaters" spuken.
Verheiratet war Gösta Ekman seit 1914 mit Greta Sundström, aus der
Verbindung stammte der am 10. September 1915 geborene Schauspieler,
Regisseur und Drehbuchautor Hasse Ekman1) (1915 2004).
Dessen fünf
Söhne Gösta Ekman jr.1)
(1939 2017),
Kirster Ekman (* 1940), Mikael Ekman (* 1943), Stefan Ekman (* 1944) und Fam Ekman (* 1946)
waren ebenfalls im Filmgeschäft tätig oder
sind es immer noch. Gösta Ekman jr. galt als einer der besten Schauspieler seines Landes, Mitte 2000
hatte er sich vom Filmgeschäft zurückgeszogen.
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Filme (Auszug)
Filmografie bei der Internet Movie Database
(Link: Wikipedia (englisch/deutsch))
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Stummfilme
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Tonfilme
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Theaterrollen (Auszug)
(Link: Wikipedia)
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1936: "Die Wildente",
Schauspiel von Henrik Ibsen (Rolle: Hjalmar Ekdal)
1935: "Bezauberndes
Fräulein", musikalisches Lustspiel von Ralph Benatzky (Rolle: Felix Munck)
1935: "Der Kaufmann von Venedig",
Komödie von William Shakespeare (Rolle: Shylock)
1935: "Der lebende Leichnam" (Fedja / Det levande liket);
Drama von Leo Tolstoi (Rolle: Fjodor Protassow)
1934: "Der Henker" (Bödeln)
nach der gleichnamigen Erzählung von Pär Lagerkvist (Titelrolle)
1934: "Peer Gynt", dramatisches Gedicht von Henrik Ibsen (Titelrolle)
1934: "Hamlet",
Tragödie von William Shakespeare (Titelrolle)
1932: "Kanske en diktare", Drama von Ragnar Josephson (Rolle: Filip)
1932: "Meine
Schwester und ich", musikalisches Lustspiel von Ralph Benatzky (Rolle: Victor Filosel)
1932: "Im
weißen Rößl"; Singspiel von Ralph Benatzky (Rolle: Leopold)
1931: "Die lustige Witwe", Operette von Franz Lehár (Rolle: Graf Danilo)
1928: "Broadway", Schauspiel von George Abbott und
Philip Dunning (Rolle: Roy Lane)
1927: "Der
Widerspenstigen Zähmung", Komödie von William Shakespeare (Rolle: Petruchio)
1927: "Candida", Komödie von George Bernard Shaw (Rolle:
Marchbanks)
1926: "Der, der die Maulschellen kriegt" (Han som får örfilarna), Drama von Leonid Andrejew (Rolle: Han)
1923: "Gösta Berling" (Gösta Berlings saga) nach dem Roman
von Selma Lagerlöf (Titelrolle)
1922: "Gustav Vasa", Historiendrama von August Strindberg (Rolle: Erik XIV)
1919: "Romeo und Julia", Tragödie von William Shakespeare (Rolle: Romeo)
1917: "Alt-Heidelberg",
Schauspiel von Wilhelm Meyer-Förster (Rolle: Erbprinz Karl-Heinrich)
1916: "Viel
Lärm um nichts", Komödie von William Shakespeare (Rolle: Graf
Claudio)
1915: "Glückspeters Reise" (Lycko-Pers resa), Märchenspiel von August Strindberg (Titelrolle)
1914: "Svanevit", Drama von August Strindberg (Rolle: Prinz)
1914: "Die Jungfrau von
Orleans", Schauspiel von Friedrich Schiller (Rolle: Lionel)
1911: "Die Hochzeit zu Ulfåsa" (Bröllopet på Ulvåsa),
Schauspiel von Frans Hedberg
(Rolle: Bengt Lagman)
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