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Sie selbst war mit der Arbeit am Theater
unzufrieden geworden und erzählte in einem Interview: "Aber leider lernte ich auch
früh auf diese Weise die Kehrseite der Medaille kennen. Denn die schönste Kunstbegeisterung verfliegt,
wenn man zwei- oder dreihundertmal dieselbe Rolle spielen muß und doch das Zeug in sich fühlt,
mehr geben zu können, als von einem verlangt wird. Was lag da näher, als der
Gedanke an den Film? Da kann man in jeder Saison acht bis zehn verschiedene Rollen spielen; man kann alles zeigen,
was man in sich hat und was man gestalten kann: Schmerz, Freude, Trauer, Frohsinn, Liebe, Wut, Haß.
So trieb es mich zum Film. Ich habe immer mit großem Interesse die Antworten
verfolgt, die bekannte Künstler auf die oft gestellte Frage gegeben haben,
ob sie über oder in ihrer Rolle stehen, und mich immer gewundert, wenn einzelne
ganz große Künstler erklärten, sie ständen über ihren Rollen ich stehe jedenfalls mit meinen beiden Beinen
mittendrin, aber nicht nur mit den Beinen, mit Kopf, Herz, kurz mit meinem ganzen Empfinden."*) Anfangs mit kleineren Rollen bedacht, wurden die Aufgaben bald umfangreicher, ihren größten filmischen Erfolg feierte sie wohl mit der Titelrolle bzw. der Figur der Ella Schulze in dem dreiteiligen, proletarischen Rührstück "Das Mädchen aus der Ackerstraße" (1920/21), gedreht nach dem gleichnamigen Buch mit dem Untertitel "Ein Sittenbild aus Groß-Berlin" bzw. den Fortsetzungen von Ernst Friedrich ((Pseudonym von Hermann Fleischack). Den 1. Teil "Ein Drama aus der Großstadt"3) (1920) hatte Reinhold Schünzel1) (auch mit sich selbst) in Szene gesetzt, Teil 23) (1920) wurde von Werner Funck4) (1881 1951) gedreht, Teil 3 "Wie das Mädchen aus der Ackerstraße die Heimat fand"3) (1921) nach eigenem Drehbuch von Martin Hartwig. "Das Mädchen aus der Ackerstraße" gehörte zu den ersten Produktionen, die aufgrund des neuen "Reichslichtspielgesetzes" vom 12. Mai 1920 verboten wurden. "Wenn hier auch ein ernstes Problem der Großstadt erörtert wird, so geschieht das in einer derart schwülen Atmosphäre von Sinnlichkeit und Sensation, dass eine erzieherische Wirkung ausgeschlossen ist." so die Zensoren.5)
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Es schlossen sich weitere, damals erfolgreiche Streifen an, beispielsweise Richard Oswalds Krimi "Das Haus in der Dragonerstrasse" (1921), wo sie zusammen mit Werner Krauss vor der Kamera stand und dessen Schwester mimte. Als Arsen von Cserépy die ersten beiden "Fridericus Rex"-Teile2) "Sturm und Drang" und "Vater und Sohn" (1922) mit Albert Steinrück als König Friedrich Wilhelm I.2) und Otto Gebühr als dessen Sohn König Friedrich II.2) drehte, gehörte auch Lilly Flohr als Frau von Morien zur Besetzung. Mit Regisseur Wolfgang Neff drehte sie die Komödie "Die Kleine aus der Konfektion" (1925) und spielte einmal mehr mit Reinhold Schünzel. Bis Ende der 1920er Jahre trat die Schauspielerin dann nur noch in drei Stummfilmproduktionen auf, ihre Leinwandkarriere endete mit Beginn der Tonfilm-Ära. Zwischen all den filmischen Aktivitäten übernahm sie regelmäßig Bühnenangebote, belegt ist Anfang Januar 1921 ihr Auftritt im Berliner "Neuen Operettenhaus" in der Operette "Yu-Shi tanzt !" mit der Musik von Ralph Benatzky, wo sie das "süße" Geisha-Mädchen Yushi darstellte, aber bei den Kritikern nicht durchweg gut ankam. Lilly Flohr spielte im Verlaufe der Jahre an den verschiedensten Berliner Bühnen, beispielsweise an der Kleinkunstbühne "Potpourri" im Künstlerhaus (1921/22), am "Deutschen Theater" (1924/25), am "Residenz-Theater" (1926/27) oder am " Theater des Westens" (1928/29). Mit Beginn der 1930er Jahre trat sie am "Metropol-Theater"2) und am "Neuen Theater am Zoo"2) sowie an verschiedenen berühmten Varieté-Bühnen in Erscheinung, beispielsweise in der "Scala"2) und im "Wintergarten"2) sowie an Kurt Robitscheks "Kabarett der Komiker"2). Daneben unternahm sie Gastspielreisen im In- und Ausland, gestaltete am Theater unter anderem die Titelrolle in Strindbergs "Fräulein Julie"2) oder die Polly in der Brecht/Weill'schen "Die Dreigroschenoper"2). Die vielseitige Künstlerin mit jüdischen Wurzeln wurde Mitte der 1930er Jahre von den Nationalsozialisten mit einem Auftrittsverbot belegt und aus der "Reichstheaterkammer"2) ausgeschlossen. Im Februar 1934 gehörte sie zu den Mitwirkenden des vom Berliner "Jüdischen Kulturbunds"2) aufgeführten Programms "Tingel-Tangel", einen ihrer letzten Auftritte in Deutschland hatte sie im Juli 1938 beim "Jüdischen Kulturbund" in Köln mit Chansons u. Couplets. 1939 emigrierte Lilly Flohr wie viele ihrer Landsleute nach Shanghai, zwischen 1938 und 1941 gingen ca. 18.000 Juden aus Deutschland und Österreich in die chinesische Metropole. Weil hier kein Visum benötigt wurde, war es der letzte Zufluchtsort vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. In Shanghai galt Lilly Flohr als eine der profiliertesten Kabarettistinnen, Chansonnieren und Schauspielerinnen, bildete mit anderen deutschen und österreichischen Emigranten eine Gemeinschaft und verzeichnete sowohl auf der Operetten- wie auch auf der Theaterbühne beachtliche Erfolge.**) So brillierte sie beispielsweise im Dezember 1943 in Leo Falls Operette "Die geschiedene Frau", eine ihrer Glanzrollen war im Februar 1946 die "Nina" in Bruno Franks gleichnamigen Komödie. Nach dem Krieg sah man sie im Mai 1946 in Johann Nestroys Posse mit Gesang "Der Zerrissene"2) und einmal mehr als Polly in "Die Dreigroschenoper" sowie im September 1946 in dem von Rudolf Bernauer2) und Rudolf Österreicher2) geschriebenen Lustspiel "Der Garten Eden" mit dem Untertitel "Vier Kapitel aus dem Leben eines "unanständigen" Mädchens" jeweils in Inszenierungen von Robert Weiss-Cyla. Danach bzw. in den 1940er Jahren verließ Lilly Flohr China und ging aus ungeklärten Gründen nach Australien nach Europa kehrte sie nie mehr zurück. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie als Lily Flohr im australischen Bundesstaat New South Wales, wie aus einer Wählerliste aus dem Jahre 1963 mit der Berufsbezeichnung "Schauspielerin" hervorgeht; die letzten Einträge datieren aus den Jahren 1968 bzw. 1977, wo sie dann mit dem Beruf "Hausfrau" vermerkt ist. Verstorben sein soll sie am 7. Juli 1978 und im "Northern Suburbs Memorial Gardens" in North Ryde, einem Vorort von Sydney (New South Wales), die letzte Ruhe gefunden haben → www.heavenaddress.com. Das dort angegebene Alter von 84 Jahren deckt sich mit dem vereinzelt ausgewiesenen Geburtsdatum "15.10.1893" → www.lexm.uni-hamburg.de. |
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Quellen (unter anderem*)
**)):
www.cyranos.ch
sowie Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933 1945 ***) Fotos bei www.virtual-history.com |
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*) sophie.byu.edu bzw. "Die Frau im Film" (Zürich, ca. 1919) **) www.e-archiv.li (Liechtensteinisches Landesarchiv, PDF-Dokument) ***) Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933 1945; Herausgeber: Frithjof Trapp, Werner Mittenzwei, Henning Rischbieter, Hansjörg Schneider; Band 2: Biographisches Lexikon der Theaterkünstler von Frithjof Trapp, Bärbel Schrader, Dieter Wenk, Ingrid Maaß (Teil 1, AK; K G Saur, München 1999, S. 256/257) Link: 1) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 2) Wikipedia, 3) filmportal.de, 4) www.cyranos.ch, Quelle: 5) www.deutschlandfunk.de Lizenz Foto Lilly Flohr (Urheber Alexander Binder): Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers. |
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