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Wie etliche ihrer Kolleginnen ist auch die österreichische
Stummfilmdarstellerin Dora Kaiser weitgehend in Vergessenheit geraten.
Die am 21. September 1899*) in Wien geborene Künstlerin erhielt eine
Ballettausbildung und gab Anfang der 1910er Jahre ihr Bühnendebüt als Tänzerin an der
berühmten "Wiener Hofoper". Zudem avancierte sie durch ihre graziöse Erscheinung
zu einem begehrten Foto-Modell bekannter Fotografen. Ende der 1910er Jahre wandte
sich die junge Schönheit dem Film zu und startete mit der Titelrolle
in Louis Nehers Streifen "Die Tänzerin" (1918) eine
intensive, wenn auch kurze Leinwandkarriere. Nach einem tragendem Part
in dem patriotisch und karitativ angelegten Drama "Das
Kind meines Nächsten"1) (1918) von und mit Einar Zangenberg folgten weitere stumme
Produktionen mit Dora Kaiser in der Hauptrolle, zu denen es heute nur
noch wenige Informationen gibt. Bereits 1919 entstand das von Hans Otto Löwenstein in
Szene gesetzte österreichische Historiendrama
"Leibfiaker
Bratfisch"1), das auf realen Vorgängen des Jahres 1889
basierte: Der Kutscher Josef Bratfisch, gespielt
von Georg Kundert,
erinnert sich an seinen Herrn, den Kronprinzen von Österreich-Ungarn,
Rudolf1)
(Eugen Neufeld1)) und
seine verhängnisvolle Kutschfahrt zum Jagdschloss Mayerling, in
dem der Kronprinz erst seine Geliebte, die 17-jährige Mary Vetsera1)
(Midy Elliot), und anschließend sich selbst erschoss. In Deutschland kam der Film
daher auch unter den Titeln "Das Geheimnis von Mayerling"
bzw. "Die Tragödie eines Prinzen" in den Verleih,
uraufgeführt wurde er erst Ende März 1925; welche Figur Dora Kaiser
spielte, lässt sich nicht mehr feststellen.
Foto: Dora Kaiser 1917 mit einem Spitzentuch
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen
Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame
d'Ora1), 1881–1963); Datierung: 10.07.1917
Quelle/© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer
204073-D)
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Mit Rudolf Stiassny drehte sie ein weiteres Historiendrama,
"Der Rebell"2) (1919), das
auch als "Menschen, die ihr Glück verspielen" in die
Lichtspielhäuser gelangte, spielte vor dem Hintergrund des Aufstands der
Tiroler Bergbevölkerung gegen die französischen und bayerischen Besatzungstruppen.
Stiassny besetzte sie auch in der abenteuerlich-tragischen Geschichte "Narr
und Tod"1) (1920), hier mimte sie
die Geliebte des Bildhauers Peter Starling (Hans Lackner1)), der sich in geistiger
Umnachtung das Leben nimmt. Für Neufeld gab sie die Protagonistin René in
dem nach dem gleichnamigen Drama von Friedrich Halm1) gedrehten Streifen
"Wildfeuer"3) (1920),
als Neufeld 1920/21 den berühmten Wilkie Collins-Krimi
"Die
Frau in Weiß"1)
in zwei Teilen mit Publikumsliebling Liane Haid4) als Titelheldin auf die stumme
Leinwand bannte, stand auch Dora Kaiser mit einer tragenden Rolle auf der Besetzungsliste → www.stummfilm.at.
Ihre nachhaltigste und damit bekannteste Rolle dürfte wohl die der Constanze Mozart1)
in Otto Kreislers Künstlerportrait "Mozarts Leben, Lieben und Leiden"5) (1921) neben
Josef Zetenius als Wolfgang Amadeus Mozart1)
gewesen sein. Ein dreiviertel Jahrhundert lang galt das von der Wiener
"Helios Film" produzierte Werk als verschollen, nach umfassenden Recherchen fand das
"Filmarchiv Austria" im römischen Museum "M.I.C.S." ein etwa 40-minütiges Fragment einer von der italienischen Firma
"Gladiator" verliehenen Kopie, das in Kooperation mit dem "Wiener Mozartjahr 2006" restauriert wurde
und erstmals in "3sat" dem Fernsehpublikum präsentiert wurde. Der Film beeindruckt vor allem durch
die Detailverliebtheit bei Kostümen und Ausstattung.
Der Umstand, dass an Originalschauplätzen gedreht wurde erstmals wurde eine Drehgenehmigung
für die Innenräume der "Wiener Hofburg" erteilt , sowie der große Aufwand an Kostümen belegen,
dass es sich um eine teure Produktion handelte. (
) Vorberichte über den ersten abendfüllenden Mozart-Stummfilm kündigen diesen als
"ein kinematografisches Tonfilmgemälde" an. Am Sonntag, dem 13. Februar 1921, fand im Zirkus Busch
Kino "unter dem Protektorate des Wiener Journalisten- und Schriftstellervereines
Concordia" die Pressevorführung von "Mozarts Leben, Lieben und
Leiden" statt. Die musikalische Einrichtung erfolgte durch Kapellmeister Fritz Zeilinger. Wie
seine Partitur ausgesehen hat, ist nicht überliefert, man darf aber annehmen, dass es sich nicht um eine eigens dafür komponierte Musik,
sondern um ein Potpourri aus Mozarts Werken gehandelt hat, heißt es doch auf den Plakaten unter
dem Punkt Musik: "Zusammengestellt von Fritz Zeilinger".
(Quelle: www.3sat.de)
Einen eher mäßigen Publikumserfolg konnte Dora Kaiser mit der Figur des
bezaubernden Nettchen in Hans Steinhoffs Literaturverfilmung "Kleider
machen Leute"1) (1921),
gedreht nach der gleichnamigen
Novelle1) von Gottfried Keller
verbuchen; der Schneidergeselle Jaro Strapinsky (im Original Wenzel Strapinski) wurde
von Hermann Thimig4) dargestellt. Dieser Stummfilm,
der ebenfalls nur noch fragmentarisch erhalten ist, wurde damals zwar von
der Kritik "hoch gelobt", beim Publikum dagegen fiel Steinhoffs
Verfilmung durch.
Mitte der 1920er Jahre bzw. mit ihren letzten Filmen "Was ist Liebe
?"3) (1924),
"Der ungebetene" Gast" (1925) und "Die heiratsfähige Puppe" (1925) verschwand Dora Kaiser
aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. So
steil ihre Karriere begonnen hatte, so abrupt war diese nach sieben Jahren auch wieder beendet.
Grund für die Abwendung vom Filmgeschäft war vermutlich ihre
Eheschließung mit dem bekannten österreichischen Architekten Michael Rosenauer1)
(1884 1971), den sie 1924 geheiratet hatte6); das Paar lebte viele Jahre
in London und teilweise in Paris. Nach
der Trennung bzw. Scheidung, die nach einigen Quellen Ende der
1940er Jahre erfolgte,
ging Dora Kaiser, geschiedene Rosenauer, eine weitere Verbindung ein und lebte als
(Maria) Dora Dieu
in Paris, wo sie sich als Malerin betätigte; der Antrag zur Erlangung
der amerikanischen Staatsbürgerschaft datiert auf Mitte Mai 1950.
Während eines Besuchs in
ihrer Geburtsstadt Wien starb sie dort am 12. Januar 1972; die Urne mit den
sterblichen Überresten wurde nach Paris überführt → Abbildung des
Totenscheins.
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