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Die Stummfilmdarstellerin und Filmproduzentin Carmen Cartellieri
erblickte am 28. Juni 1891 als Franziska Ottilia Cartellieri und Tochter eines
Ingenieurs im mährischen Proßnitz (heute Prostějov, Tschechien)
das Licht der Welt,
damals zur k. u. k. Doppelmonarchie Österreich-Ungarn gehörend. Später behauptete sie viele Jahre lang, sie sei in
Mailand geboren, um ihre Biografie interessanter zu gestalten.
Sie verbrachte ihre Kindheit unter anderem in Innsbruck, seit der Heirat der damals erst 16-Jährigen mit dem vielseitig
talentierten Adligen Emanuel
Ziffer Edler von Teschenbruck1) (1888 1968) er war unter
anderem Chemiker, Maler, Ingenieur, Erfinder,
Ministerialrat im Eisenbahnministerium und kurzzeitig Filmregisseur lebte
die junge Frau mit Ehemann und der Anfang 1910 geborenen Tochter Ruth bis 1918 in der ungarischen Provinz,
betätigte sich ausschließlich als Hausfrau. Im letzten Kriegsjahr 1918 stieß
Cartellieri, ohne über irgendeine schauspielerische Erfahrung zu verfügen, in Budapest zum Film. Der
Südtiroler Regisseur
Cornelius Hintner1), (1875 ?), den sie per Zufall
kennengelernt hatte, wurde von Anbeginn ihr Förderer. Zunächst spielte sie in dessen ungarischen
Inszenierungen, wechselte aber Ende 1919 infolge der politischen Umwälzungen im
nachrevolutionären Ungarn mit ihrem Mann und Hintner nach Wien. Dort ermöglichte Hintner ihr
noch im selben Jahr, unter dem Pseudonym "Carmen Teschen", in seinem Film
"Anjula, das Zigeunermädchen" (1919) ihr österreichisches Leinwanddebüt.
Porträt der Carmen Cartellieri 1919
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen
Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame d'Ora1), 18811963)
Quelle/© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer
204377-D) |
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Im Februar 1920 gründete Carmen Cartellieri zudem mit der
"Cartellierifilm Ges.m.b.H." ihre eigene Produktionsfirma, deren erster Film der von Hintner in Szene gesetzte, überaus
erfolgreiche, kolportagehafte
Krimi um eine über Leichen gehende Femme fatale mit dem reißerischen Titel "Die Würghand"2) (1920) wurde.
www.viennale.at
notiert unter anderem: "Die Würghand" war der Film, mit dem die Cartellieri ihren Ruf als
"Femme fatale" begründete: Eine schöne, skrupellose Frau, inmitten
eines mysteriösen Familiengeheimnisses, konfrontiert mit Morden und übernatürlichen Todesfällen,
Regisseur Cornelius Hintner erweitert die Theatralik der Geschichte durch den Einsatz von Spezialeffekten und unter Einbeziehung der Naturkulisse des Semmeringgebietes.
→ siehe auch den Artikel bei trugbilder.blogspot.de. Hintner
drehte ganz auf seine Hauptdarstellerin zugeschnittene
Hochgebirgsdramen wie "Das Drama in den Dolomiten" (1920), "Der weiße Tod" (1921) und "Die
Sportlady" (1921), welches den Untertitel "Ein tragisches Spiel von Liebe und Börse"
trug.
Nachdem er mit seiner bevorzugten Protagonistin Cartellieri den Streifen
"Töte sie!" (1922) realisiert hatte, verschwand Hintner,
der für seine Filme auch die Werbeplakate mit Carmen Cartellieri entworfen
und gemalt hatte, aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit.
Carmen Cartellieri 1919 in Stola, mit Haarband in den Haaren
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen
Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame
d'Ora1), 18811963); Datierung: 07.10.1919
Quelle/© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer
204192-D) |
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Einige der Filme mit Cartellieri, die sich überwiegend in Dramen
und Melodramen und eher selten in Lustspielen zeigte, entstanden auch unter
der Regie ihres Ehemannes, so "Carmen lernt Skifahren" (1920),
"Die Menschen nennen es Liebe" (1922), "Die Sünde der Inge Lars" (1922),
"Parema das Wesen aus der Sternenwelt" (1922) und "Die gelbe Gefahr" (1922).
Ihre von Zeitgenossen gerühmte Attraktivität brachte ihr zeitgleich
zwischen 1921 und 1923 mehrere Preise und Ehrungen ein, so den Titel
"Schönste Wiener Schauspielerin" oder den "Wiener Modepreis".
Nach tragenden Rollen, unter anderem in Leopold Niernbergers Drama
"Was ist Liebe
?"2) (1924) musste sich
Carmen Cartellieri vermehrt mit weniger herausgehobenen Aufgaben zufrieden geben, spielte jedoch in einigen
bemerkenswerten Filmen jener Jahre prägnante Nebenrollen und durfte neben heiteren und unbekümmerten Figuren
auch immer wieder dramatische und zwiespältige Charaktere verkörpern.
So trat sie als Regine in dem von Robert Wiene inszenierten, expressionistischen Klassiker "Orlac's
Hände"1) (1924) neben Conrad Veidt3) in der Titelrolle in Erscheinung,
gab die Annina, Begleiterin des Intriganten Valzacchi (Friedrich Fehér), in der ebenfalls
von Wiene in Szene gesetzten stummen Opernadaption "Der
Rosenkavalier"1) (1925) mit Michael Bohnen3)
als Ochs von Lerchenau.
Carmen Cartellieri 1919 mit Zweispitz und Halskrause, eine Puppen haltend
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen
Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame
d'Ora1), 18811963); Datierung: 07.10.1919
Quelle/© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer
204191-D)
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Man sah sie
beispielsweise als Primaballerina Madame Spalanzoni in Max Neufelds
Dreieckskomödie "Der
Balletterzherzog"2) (1926)
mit dem Untertitel "Ein Wiener Spiel von Tanz und Liebe" und in Robert Wohlmuths
Streifen "Infanterist Wamperls dreijähriges Pech"2) (1927), der auch
unter dem Titel "Amor im
Pechkessel" gezeigt wurde. Einmal mehr für Max Neufeld
spielte sie als Kassiererin Anna in dessen Meisterwerk "Die
Strecke"2) (1927), stellte
die als intrigant bezeichnete Gräfin Marie Louise von Larisch-Wallersee1)
in Rolf Raffés "Mayerling"-Drama "Das Schicksal derer von
Habsburg" (1928) dar, welches den Untertitel "Die Tragödie eines Kaiserreiches"
trug Alfons Fryland3) verkörperte
den Kronprinz
Rudolf1) (1858 1889) und
einzigen Sohn des österreichischen Kaiserpaares (Erna Morena/Fritz Spira),
der mit seiner Geliebten Mary Vetsera1)
(1871 1899), gespielt von Leni Riefenstahl3), auf Schloss
Mayerling am 30. Januar 1889 den Freitod wählte. Zu Carmen Cartellieris
letzten Arbeiten für den Stummfilm zählte auch "Erzherzog
Johann"2) (1928), Max Neufelds Hommage an den
volksverbundenen Erzherzog Johann
von Österreich1) mit Igo Sym3) in der
Titelrolle.
Carmen Cartellieri 1919 in einem Kleid mit tiefem Ausschnitt, mit einem Tuch
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen
Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame
d'Ora1), 18811963); Datierung: 07.10.1919
Quelle/© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer
204195-D) |
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Carmen Cartellieri, die in den 1920er Jahren auch immer wieder auf der Bühne,
unter anderem am "Ronacher"1)
auftrat, zog sich mit Aufkommen des Tomfilms vollkommen vom Filmgeschäft zurück
und widmete sich ihrem Privatleben.
Obwohl Carmen Cartellieri noch vor Leni Riefenstahl die ersten, frühen Bergfilme mit Spielfilmhandlung
und sich selbst in der Hauptrolle realisierte, kennt heute kaum noch Jemand ihren Namen.
Die einstige Stummfilmdiva starb am 17. Oktober 1953 verarmt und von der Öffentlichkeit
kaum beachtet im Alter von 62 Jahren in Wien.
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