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Der Charakterschauspieler Jaro Fürth wurde am 21. April 1871 als Jaroslav Edwin Fürth im damals
zum Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn gehörenden böhmischen Prag (heute
Praha,
Tschechien) geboren. Bevor er sich für eine künstlerische Laufbahn
entschied, hatte er ein Jura-Studium abgeschlossen, ließ sich dann ab
Spätherbst 1902 in Wien von dem
Hofschauspieler und "Burgtheater"-Regisseur Alexander Roempler (1860 1909; → Nachruf bei
anno.onb.ac.at) am "Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde"1) zum Schauspieler
ausbilden; Roempler war der erste Ehemann der Burgschauspielerin Hedwig Bleibtreu2) (1868 1958).
Erste Bühnenerfahrungen sammelte Fürth anschließend im Rahmen einer Tournee,
die ihn mit Ibsen-Stücken nach Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland,
Lettland und Russland führte. Mehrfach stand er während dieser Gastspiele
mit dem finnischen Theaterstar Ida Aalberg3) (1857 1915)
auf der Bühne, unter anderem ab Dezember 1904 in der deutschsprachigen
Aufführung von Ibsens Drama "Hedda Gabler"1),
wo er den Ejlert Løvborg gestaltete → ibsen.nb.no.
Seit November 1904 interpretierte er während dieser "Ida Aalberg-Tournéen"
den Torvald Helmer in "Nora
oder ein Puppenheim"1) Ida Aalberg glänzte als Titelheldin , Anfang
Januar 1905 folgte die männliche
Hauptrolle des ehemaligen Pfarrers Johannes Rosmer in "Rosmersholm"1)
mit Ida Aalberg als Rebecca West → ibsenstage.hf.uio.no.
Nach dieser ausgedehnten Gastspielreise trat Jaro Fürth 1905 am
"Deutschen Volkstheater"1) in Wien
unter der Direktion von Adolf Weisse2)
ein
erstes festes Engagement
an und fand dort für die kommenden fünfzehn Jahre seine künstlerische
Heimat.
Jaro Fürth ca. 1912
Urheber: Unbekannt; Quelle: Wikimedia
Commons
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1920 zog es ihn nach Berlin und auch dort konnte er am Theater Fuß
fassen, spielte jedoch unter anderem seit Frühjahr 1922 an den
"Reinhardt-Bühnen"1) vorwiegend kleinere Parts. So gab er beispielsweise
den Famulus Wagner in Goethes "Faust"1),
den 1. Totengräber in Shakespeares "Hamlet"1), den
Kammerdiener des Fürsten in Schillers "Kabale und Liebe"1)
oder den päpstlichen Legat Alexander in August Strindbergs
"Luther Die Nachtigall von Wittenberg".
Zu seinen eher raren Hauptrollen zählte 1923 der von Grailsheim in dem
zeitkritischen Schwank bzw. der Satire "Das
Krokodil" des Theaterkritikers und Schriftstellers Karl Strecker (1862 1933).
Vielmehr hatte Jaro Fürth beim Film für sich ein neues Betätigungsfeld
entdeckt, noch während des 1. Weltkrieges war er mit der Kinematographie in
Kontakt gekommen. Ab 1920 trat der "optisch eher unscheinbaren Schauspieler"*)
dann regelmäßig in
stummen Produktionen mit "Rollen alter Männer Väter, Faktoten und Honoratioren"*)
in Erscheinung. So mimte er unter anderem den russischen Zaren Paul in
dem Melodram "Opfer"1) (1920), wurde
von Friedrich Wilhelm Murnau in dem heute als verschollen
geltenden Episoden-Streifen "Satanas"1) (1920) in der 2. Episode "Der Fürst. Lucrezia Borgias Tod" als
Rustinghella besetzt oder zeigte sich als Staatsminister Fürst Wargorg in
der opulent gedrehten Geschichte "Es waren zwei Königskinder
"4) (1921).
In Hans Steinhoffs "Der
falsche Dimitry"1) (1922) mit dem Untertitel "Ein Zarenschicksal. Sechs Akte frei nach
Historie" tauchte Fürth neben Stars wie Alfred Abel (Zar Iwan der Grausame1))
und Eugen Klöpfer (Boris Godunow1))
als Pope Nikon auf oder präsentierte sich als Nervenarzt in Berthold Viertels
"Die Perücke"4) (1925).
Jaro Fürth, fotografiert von Ludwig Gutmann1) (18691943)
Quelle: cyranos.ch;
Angaben zur Lizenz siehe hier
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Seinen
wohl nachhaltigsten Leinwandauftritt hatte Fürth als der ins Elend gestürzte
verwitwete Hofrat Rumfort bzw. Vater der von Greta Garbo dargestellten
jungen Grete, der in G. W. Pabsts Meisterwerk "Die
freudlose Gasse"1) (1925) trotz seines gesellschaftlichen Abstiegs immer noch in seinem
Standesdünkel verhaftet bleibt. In Jacob und Luise Flecks Arthur Schnitzler-Verfilmung
"Liebelei" (1927) überzeugte er als der alte Violinspieler
Weyring.
In den nachfolgenden Stummfilmen blieb der Schauspieler überwiegend auf
kleinere Parts reduziert und stand oft am Ende der Besetzungsliste, so auch
als Notar Schutz in G. W. Pabsts Klassiker "Tagebuch einer Verlorenen"1) (1929). Erwähnt
werden sollte die Figur des Hausarztes Dr. James Mortimer in Richard Oswalds Krimi
bzw. Conan Doyle-Adaption "Der
Hund von Baskerville"1) (1929) mit dem US-Amerikaner Carlyle Blackwell als
Meisterdetektiv Sherlock Holmes und dem Russen George Seroff als dessen treuem Gehilfen Dr. Watson.
Im frühen Tonfilm blieb Jaro Fürth weiter auf Kleinstrollen beschränkt,
beispielsweise als Arzt in der von Paul Czinner in Szene gesetzten
deutsch-französischen Produktion "Der
träumende Mund"1) (1932). Letztmalig trat er als Lehrer in
Hermann Kosterlitzs (= Henry Koster)
turbulenten Verwechslungskomödie bzw. der österreichisch-ungarischen Koproduktion
"Kleine Mutti"1) (1935)
neben Protagonistin Franziska Gaal auf der Leinwand in Erscheinung.
Mit der so genannten Machtergreifung1)
der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 hatte der Künstler mit
jüdischen Wurzeln Deutschland verlassen und sich wieder in Wien niedergelassen, fand jedoch
kaum noch Beschäftigung. Nach dem "Anschluss
Österreichs"1) bzw. der
De-facto-Annexion Österreichs durch das nationalsozialistische Deutsche
Reich im März 1938 wurde der im Nazi-Jargon als "Volljude" klassifizierte
Schauspieler am 25./26. Juli 1938 aus der "Reichstheaterkammer"1) (RTK) ausgeschlossen.
Bis zum Frühsommer 1942 lebte Jaro Fürth unter
ärmlichsten Bedingungen in Wien, zuletzt in einer Wohngemeinschaft in der Tandelmarktgasse im 2. Wiener
Bezirk.
Am 15. Juli 1942 wurde er von den Nazi-Schergen in das KZ Theresienstadt1) deportiert, trotz
seines hohen Alters konnte der über 70-Jährige die Lagerstrapazen
überstehen und lebte nach der Befreiung durch die "Rote Armee"
Anfang Mai 1945 erneut in Wien. Nur wenige Monate später starb Jaro Fürth
dort am 12. November 1945 im Alter von 74 Jahren.
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Quelle (unter anderem*) **)):
Wikipedia,
cyranos.ch
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*) Kay Weniger: "Zwischen Bühne und Baracke. Lexikon der verfolgten Theater-, Film-
und Musikkünstler 1933 bis 1945" (Metropol, Berlin 2008, S. 125/126)
**) Kay Weniger: "Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben
' Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945.
Eine Gesamtübersicht" (ACABUS Verlag, 2011, S. 176 ff)
Link: 1) Wikipedia (deutsch), 2) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 3)
Wikipedia (englisch), 4) filmportal.de
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