Filmografie / Hörspiel
René Deltgen in "Der Arzt stellt fest…" (1966); Quelle/Link: cyranos.ch bzw. Archiv "Praesens-Film AG" Zürich, mit freundlicher Genehmigung von Peter Gassmann (Praesens-Film AG, Zürich) René Deltgen (Renus Heinrich Deltgen) wurde am 30. April 1909 als Sohn des Chemikers Mathias Deltgen und dessen Ehefrau Katharina in Esch-sur-Alzette1) (Luxemburg) geboren. Nach dem Besuch der Schule, welche er mit dem Abitur abschloss, begann er 1927 mit Hilfe eines Stipendiums ein Schauspielstudium in Köln und erhielt dort anschließend ein erstes Engagement an den "Städtischen Bühnen"1), wo er zunächst nur in kleineren Rollen besetzt wurde. Ein Intendantenwechsel brachte Deltgen dann die Chance, seine Fähigkeiten als Charakterdarsteller zu beweisen: Intendant Fritz Holl1) (1883 – 1942) vertraute ihm eine tragende Rolle in der Uraufführung des Schülerstücks "Der Graue" von Friedrich Forster1) an und rasch wurden andere Theater auf den jungen Schauspieler aufmerksam. Über die "Städtischen Bühnen"1) in Frankfurt/Main kam Deltgen 1936 nach Berlin zu Eugen Klöpfer (1886 – 1950), stand in der Folgezeit vornehmlich am "Theater an der Saarlandstraße", der "Volkbühne"1) sowie dem "Schillertheater"1) auf der Bühne, gab die Helden der klassischen Literatur wie beispielsweise als Schiller-Interpret den Franz Moor in "Die Räuber"1) und den Reichsvogt Hermann Gessler in "Wilhelm Tell"1) oder die Titelrolle in "Clavigo"1) und den Mephisto im "Faust" von Johann Wolfgang von Goethe1).
 
René Deltgen als Hausarzt Dr. Diener in "Angeklagt nach § 218"1) (1966)
Schweizer Titel: "Der Arzt stellt fest…" → cyranos.ch
Quelle/Link: cyranos.ch bzw. Archiv "Praesens-Film AG" Zürich,
mit freundlicher Genehmigung von Peter Gassmann (Praesens-Film AG, Zürich); © Praesens-Film AG
Erste Rollen in Kinofilmen erhielt Deltgen ab Mitte der 1930er Jahre und gab sein Leinwanddebüt gleich mit einem tragenden Part als Maillezais, Unterhändler des Königs, in dem Historienstreifen "Das Mädchen Johanna"1) (1935) an der Seite von Angela Salloker (Johanna von Orléans1)) und Gustaf Gründgens (König Karl VII.1) von Frankreich). Der Aufstieg zum Filmschauspieler mit Starrang fiel in eine Zeit als der Import amerikanischer Filme entscheidend reduziert und Actionfilme in der Machart von Henry Hathaway1), John Ford1) und Cecil B. DeMille1) Mangelware wurden. Der Nachfrage nach Produktionen mit abenteuerlichen Inhalten musste nun die heimische Industrie bedienen, was zur Folge hatte, dass ein bis dahin in der deutschen Filmszene seltener Typ aufkam: Der Glücksritter, Draufgänger und rüde Liebhaber, dem die Promiskuität zum Verhängnis wird. Deltgen stimmte exakt mit dem den amerikanischen Vorbildern entnommenen Typus überein und wurde nun häufig als flotter Held und Draufgänger in Abenteuerstreifen wie "Kautschuk"1) (1938) oder "Dr. Crippen an Bord"1) (1942) eingesetzt.
Sein exotisch wirkendes Gesicht, die männlich-schlaksige Haltung, das erotische Timbre seiner Stimme machten ihn zum idealen Interpreten zwielichtiger Desperados. Als Prinz Feodor, den die russische Revolution in dem Drama "Ab Mitternacht"2) (1938) nach Paris verschlägt, verdeutlichte er den Abstieg vom Kavalier zum skrupellosen Frauenausbeuter mit den Mitteln eines klug berechnenden Akteurs und gewann trotz negativer Rollenfixierung die Sympathien des Publikums. Die reifste Leistung dieser Periode lieferte er als ehrgeiziger Artist Codona in dem Zirkusabenteuer "Die drei Codonas"2) (1940), dem der Beruf alles bedeutet und der zwischenmenschliches Fehlverhalten mit Draufgängertum kompensiert.
Der NS-Propagandamaschinerie konnte sich Deltgen nicht entziehen, ganz im Sinne nationalsozialistischer Ideologie kam ihm dabei entweder Vorbildfunktion zu – so in seiner Rolle als deutscher Soldat in dem bis heute als "Vorbehaltsfilm"1) geltenden Streifen "Fronttheater"1) (1943) – oder der Negativpart des feindlichen Agenten in "Achtung! Feind hört mit!"1) (1940).3) In politischer Hinsicht verhält sich Deltgen, nach wie vor luxemburgischer Staatsbürger, weitgehend abstinent. Als Luxemburg im Mai 1940 von deutschen Truppen annektiert und die Bevölkerung einer brachialen "Germanisierungspolitik" unterworfen wird, gerät Deltgen jedoch politisch ins Zwielicht: 1940/41 erscheinen zwei von ihm (mit)verfasste und unterzeichnete pro-deutsche Aufrufe in der luxemburgischen Presse. Die Entstehungsgeschichte beider Texte und der Anteil Deltgens daran liegen bis heute im Dunkeln. Beide Proklamationen tragen dem Schauspieler bei seinen Landsleuten jedoch den Vorwurf des Landesverrats und der Kollaboration mit den deutschen Besatzern ein. 1945/46 kommt es deshalb in Luxemburg zu einem vielbeachteten Gerichtsverfahren: Deltgen wird zu zwei Jahren Gefängnis, 100.000 Francs Geldbusse und zum Verlust der luxemburgischen Staatsangehörigkeit – die ihm 1952 rückerkannt wird – verurteilt.3)
Nach Kriegsende arbeitete Deltgen zunächst in Oberstdorf bei einer französischen Truppe als Küchenchef, versuchte sich als Kabarettist sowie als Pferdedresseur beim Zirkus, ehe er seine Theaterkarriere in Zürich und ab 1947 in Köln fortsetzten konnte. Auch im deutschen Nachkriegsfilm zählte Deltgen fortan zu den vielseitigsten Darstellern. Nach 1945 waren der von Schuldgefühlen gequälte, verbitterte ehemalige Kampfflieger Stefan Gorgas in dem Kassenschlager "Nachtwache"1) (1949), der skrupellose sowjetische Geheimdienstoffizier Kazanow in dem Drama "Weg ohne Umkehr"1) (1953) und der schurkische indische Fürst Ramigani in Fritz Langs1) zweiteiligem Remake "Der Tiger von Eschnapur"1) (1959) bzw. "Das indische Grabmal"1) (1959) seine erfolgreichste Rollen.

Prominente Schauspieler lernen Esperanto (Hollywood um 1958):
Eva Bartok und
René Deltgen (rechts) beim Studieren eines Kursblattes
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber/Körperschaft: Ungenannt; Datierung: 1958
 © ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 46 C)

Prominente Schauspieler lernen Esperanto (Hollywood um 1958): Eva Bartok und René Deltgen (rechts) beim Studieren eines Kursblattes; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Urheber/Körperschaft: Ungenannt; Datierung: 1958; Copyright ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 46 C)
In nachhaltiger Erinnerung ist er wohl auch als der "Hexer" Arthur Milton in den Wallace-Verfilmungen "Der Hexer"1) (1964) und "Neues vom Hexer"1) (1965) geblieben. Eine letzte Kino-Rolle übernahm er für Regisseur Michael Verhoeven1) als einbeiniger Obdachloser Schiller in der Tragikomödie "Gefundenes Fressen"1) (1977) neben Heinz Rühmann und Mario Adorf → Übersicht Kinofilme.
Ab den 1960er Jahren war Deltgen vermehrt auf dem Bildschirm präsent, zeigte sich in Literaturadaptionen wie "Schau heimwärts, Engel"4) (1961, mit Inge Meysel) oder "Golden Boy"1) (1962, mit Klaus Kammer), aber auch in beliebten Serien wie "Das Kriminalmuseum".  Vor allem in seinen letzten Lebensjahren verlagerte Deltgen seine künstlerische Tätigkeit als freier Schauspieler von der Bühne mehr zum Fernsehen, da ihn Filmangebote immer weniger überzeugen konnten, und er wechselte zunehmend "mit verfeinertem und stillerem Spiel"5) in das Charakterfach. Im Gedächtnis geblieben ist er als Onkel Franz in der Satire "Nicht nur zur Weihnachtszeit"6) (1970) nach der gleichnamigen Erzählung1) von Heinrich Böll1) neben Edith Heerdegen als alte schrullige Tante Milla, die über zwei Jahre hinweg jeden Abend Heiligabend feiert. Die Fernsehzuschauer erlebten ihn unter anderem mit Hauptrollen in dem Durbridge-Straßenfeger "Das Messer"  (1971) und in dem spannenden Zweiteiler "Die Affäre Lerouge" (1976). Eine seiner letzten TV-Rollen war 1978 die des Großvaters "Alpöhi" in der 26-teiligen ARD-Kinderserie von Johanna Spyris "Heidi"1) und der Lindford in dem Drama "Schwarz und weiß wie Tage und Nächte"1), gedreht von Wolfgang Petersen1) mit Bruno Ganz als schachbesessenem Thomas Rosenmund → Übersicht TV-Produktionen.
Seine rauchige Stimme machte den Schauspieler besonders für den Rundfunk attraktiv, vor allem als Held der "Paul-Temple"-Reihe wurde er überaus populär – zwischen 1949 und 1966 sprach er in zwölf, überwiegend achtteiligen Produktionen die Titelfigur des Kriminalschriftstellers und Privatdetektivs Paul Temple1). Aber Deltgen bereicherte auch viele andere Hörspiele, eine Auswahl der bei der ARD Hörspieldatenbank gelisteten Produktionen findet man hier. Als Synchronsprecher war er zudem in einigen Filmen die deutsche Stimme von Spencer Tracy (u.a. als Dr. Henry Jekyll/Mr. Hyde) in "Arzt und Dämon"1)) und Kirk Douglas (u.a. als Charles 'Chuck' Tatum) in "Reporter des Satans"1)) → synchronkartei.de.

Als Theaterschauspieler brillierte Deltgen nach Kriegsende in Köln unter anderem als Petruchio in der Shakespeare-Komödie "Der Widerspenstigen Zähmung"1), als Knecht Nikita in dem Tolstoi-Drama "Die Macht der Finsternis"1), als Protagonist General Harras in dem Bühnenerfolg "Des Teufels General"1) von Carl Zuckmayer1) oder brillierte als Moličres "Tartuffe"1). Er gab den Vater in "Andorra"1) von Max Frisch1) oder wirkte in der von Oscar Fritz Schuh1) inszenierten Uraufführung (21.12.1962) des Stücks "Stalingrad" als General (ebenso wie Bernhard Minetti und Alois Garg1)) mit, einer von Claus Hubalek1) geschaffenen Bühnenversion des gleichnamigen Romans1) von Theodor Plievier1). Von 1966 bis 1969 war Deltgen am "Schauspielhaus Zürich"1) engagiert, absolvierte daneben aber auch zahlreiche Gastspiele an den "Münchner Kammerspielen"1) und "Hamburger Kammerspielen"1), am Wiener "Burgtheater"1), am "Zimmertheater"1) in Aachen sowie vielen weiteren bedeutenden Bühnen. Auch als Regisseur machte er sich einen Namen, so inszenierte er beispielsweise das Drama "Endstation Sehnsucht"1) von Tennessee Williams1) oder "Der Regenmacher" nach dem gleichnamigen Roman1) von John Grisham1).  
Mit Schiebergang und schmalen dunklen Augenschlitzen wurde René Deltgen bekannt als die Halbwelttype des deutschen Films und zynische abgefeimte Charaktere bereicherte er mit einem fremdländischen Akzent. Der wagemutige Charmeur spielte nie "traumverlorene Einzelgänger", sondern handfeste Kerle: Bärenjäger, Taucher, Flieger oder Artisten. Im Alter verkörperte er zunehmend nuancenreichere Figuren. Unverkennbar war seine tiefe kehlige Stimme, die nach tausend Gläsern Whisky klang.7)

René Deltgen erlag am 29. Januar 1979 im Alter von 69 Jahren in Köln seiner Krebserkrankung; die letzte Ruhe fand der charismatische Charaktermime auf dem Kölner "Melaten-Friedhof"1) (Lit. D) → Foto der Grabstelle bei knerger.de sowie Wikimedia Commons.
Deltgen hinterließ die Söhne Matthias und Fabian sowie Tochter Katrin aus seiner ersten Ehe mit der Schauspielerin Elisabeth Scherer1) (1914 – 2013). Unter dem Pseudonym "Peter Matthias" spielte Sohn Matthias auf Vorschlag seines Vaters in der TV-Produktion "Dem Himmel näher" (1965) seine erste und einzige (?) Rolle vor der Kamera. In dem Hörspiel "Paul Temple und der Fall Margo"1) (1961) sprach er im 6. Teil den Ken Sinclair, wirkte auch in "Paul Temple und der Fall Genf"1) (1966) mit. "Matthias Deltgen hat Theaterwissenschaften studiert und hin und wieder an Studentenbühnen gespielt, ist aber kein ausgebildeter Schauspieler." kann man hier lesen. Die 1962 geborene Tochter Dominique ging aus Deltgens zweiten Ehe mit Anita Irene Wapordjieff hervor.
 
An Auszeichnungen erhielt Deltgen 1939 die Ernennung zum " Staatsschauspieler"1) und 1978 das "Filmband in Gold"1) für "langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film". Bereits 1954 war er mit dem "Filmband in Gold" für seine Rolle des Major Kazanow in dem Drama "Der Weg ohne Umkehr"1) ausgezeichnet worden.
Von Regisseur Michael Wenk stammt der Dokumentarfilm bzw. die Hommage "René Deltgen – Der sanfte Rebell"1) (2004), mit dem Wenk die Karriere sowie das wechselvolle Leben des Schauspielers anhand zahlreicher Filmausschnitte, privater Film- und Fotodokumente aus dem Nachlass sowie Gesprächen mit Schauspielerkollegen nachzeichnet. Zwei Jahre zuvor war die Biografie "René Deltgen – Eine Schauspielerkarriere" von Uli Jung, Paul Lesch, Jean-Paul Raths und Michael Wenk erschienen.

Textbausteine des Kurzportraits aus:
"Lexikon der deutschen Film- und TV-Stars" von Adolf Heinzlmeier/Berndt Schulz1) (Ausgabe 2000, S. 68/69)
Siehe auch Wikipedia, cyranos.ch, filmportal.de
Fotos bei film.virtual-history.com
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) filmportal.de, 4) Die Krimihomepage, 6) deutsches-filmhaus.de
Quellen: 3) www.cna.public.lu (Seite nicht mehr abrufbar),
 5) DER SPIEGEL (6/1979),
7) "Lexikon der deutschen Film- und TV-Stars" von Adolf Heinzlmeier/Berndt Schulz (Ausgabe 2000, S. 69)
  
Filme
Kinofilme / Fernsehen
Filmografie bei der Internet Movie Database, filmportal.de
(Fremde Links: Wikipedia (deutsch/englisch), filmportal.de, deutsches-filmhaus, Die Krimihomepage)
Kinofilme Fernsehen (Auszug)
Hörspielproduktionen (Auszug)
(Fremde Links: ARD-Hörspieldatenbank (mit Datum der Erstausstrahlung), Wikipedia (deutsch/englisch))
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