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Marion Michael wurde am 17. Oktober 1940 als Marion Ilonka Michaela Delonge
und Tochter des Arztes Dr. Karl Delonge und dessen Frau Adele im ostpreußischen Königsberg1)
(heute: Kaliningrad1))
geboren. Die letzten Kriegsmonate
verbrachte sie zusammen mit ihrer Mutter und dem vier Jahre älteren Bruder auf
der kleinen Ostseeinsel Hiddensee1). Nach Kriegsende ging die Familie nach
Berlin, wo die Muter als Gymnastiklehrerin arbeitete, und Marion besuchte dort die Realschule. Bereits als Zehnjährige
machte sie auf den Brettern eines Berliner Zimmertheaters die ersten Bühnenschritte
und wurde in der Ballettschule von Tatjana Gsovsky1) (1901 1993) in klassischem Tanz unterrichtet.
1955 suchte die "Arca-Filmproduktion"1) mit Unterstützung einer
bekannten Zeitung eine Hauptdarstellerin für die Verfilmung des
Streifens "Liane, das Mädchen aus dem Urwald"1)
nach dem gleichnamigen Roman von Anne Day-Helveg1).
Angeblich rund 12.000 Mädchen bewarben
sich damals für die Rolle, die Filmproduzenten entschieden sich schließlich für
die junge Marion,
die sie in der
Ballettschule entdeckt hatten.
Das Foto wurde mir freundlicherweise von
Marion Michael zur Verfügung
gestellt.
Die Rechte liegen bei Marion Michael bzw. deren Erben. |
Unter der Regie von Eduard von Borsody1)
(1898 1970) wurde die Geschichte von dem Urwaldmädchen erzählt:
Die 16-jährige Liane lebt nach einem Flugzeugabsturz bei
Eingeborenen und wird von ihnen aufgezogen. Eine Expedition
findet sie im Dschungel und Liane reist zusammen mit ihren Rettern zurück
nach Hamburg zu ihrem Großvater, dem reichen Reeder Amelongen (Rudolf Forster). Dessen Neffe,
der skrupellose Geschäftsmann Viktor Schöninck (Reggie
Nalder), der Angst um das spätere Erbe hat, tötet seinen
Großvater und versucht, Liane zu belasten. Erst nach seinem
tödlichen Unfall wird der Mord an ihrem Großvater aufgeklärt und
Liane kehrt zusammen mit Thoren (Hardy Krüger), der sie liebt, in den Urwald zurück.
Die Rolle der Liane machte Marion Michael, wie sie sich jetzt nannte,
über Nacht zum Star und der Film wurde für die Berliner "Arca"
des Produzenten Gero Wecker
(1923 1974) zu einem Kassenschlager von
fünf Millionen DM ist die Rede. Den Erfolg des Filmes machten nicht zuletzt die
nur spärlich verhüllten Rundungen der Hauptdarstellerin aus man ging wohl
an die Grenzen dessen, was die FSK damals erlaubte. Für den anderen Hauptdarsteller
des Films, Hardy Krüger, war "Liane, das Mädchen aus dem Urwald"
"der schlechteste Film, den ich jemals drehte
".
Marion Michael jedenfalls erhielt von Gero Wecker einen Siebenjahresvertrag.
Das "Lexikon des internationalen Films" urteilte über dieses Werk: "Einfältiger
Unsinn, der jedoch durch das aus heutiger Sicht lächerliche Kokettieren mit Nuditäten zu
einem der großen finanziellen Erfolge der Nachkriegszeit wurde."
Der Teenager wurde in der Tat über Nacht zu "der" Sensation im prüden Nachkriegsdeutschland;
Pfarrer wetterten von der Kanzel, die Presse war von ihrem Liebreiz entzückt,
Regisseure überhäuften sie mit Angeboten und Fotografen zahlten viel Geld für Exklusiv-Aufnahmen
mit dem neuen Publikumsliebling. Die Starpostkarten mit ihrem Konterfei waren
begehrter als die Maria Schells und mit 18 Jahren besaß der Jungstar
schon einen teuren Sportwagen. Die Kehrseite der Medaille war jedoch, dass Marion Michael durch die
Liane-Rolle in das Klischee des weiblichen Tarzans gedrängt wurde,
böse Zungen sprachen sogar vom "deutschen Filmnackedei".
Nachdem sie inzwischen auch begonnen hatte, Schauspielunterricht bei Marlise Ludwig1) zu nehmen, wurde ihr nächster Film
Rolf Thieles1) Komödie "Der
tolle Bomberg"1) /1957) nach dem gleichnamigen
Roman1) von Josef Winckler1) über Gisbert
von Romberg1) mit Hans Albers als Rittmeister Baron Gisbert von Bomberg und hier präsentierte
sie sich neben Altstar Albers und Harald Juhnke als
Paula, Tochter des Kommerzienrats Georg-Eberhard Mühlberg (Gert Fröbe).
Danach drehte sie die (unvermeidliche) "Liane"-Fortsetzung und zeigte sich
in "Liane, die weiße Sklavin"1) (1957) als Partnerin von
Adrian Hoven. Später wurden
die beiden Liane-Filme zusammengeschnitten und als "Liane die Tochter
des Dschungels" nochmals vermarktet.
Um sich vom "Liane"-Image zu lösen, nahm Marion Michael Tanz- und Schauspielunterricht
und spielte dann 1958 erfolgreich an der Seite von Christian Wolff
das Mädchen vom Lande Annika Bergmann, das sich in dem Melodram "Es war die erste Liebe"1) in
den blutjungen und schüchternen Priesterseminaristen Peter Lauterbach (Wolff) verliebt. 1959 mimte sie neben
Eddie Constantine und
Victor de Kowa
die Prinzessin Marina in dem Albers-Remake "Bomben auf Monte Carlo"1)
nach dem Roman von Fritz Reck-Malleczewen1). Während der Dreharbeiten zu diesem Film wurde Marion Michael bei einem Autounfall
in Südfrankreich schwer verletzt; sie trug im Gesicht eine Narbe davon und die Presse
sprach daraufhin vom Ende einer hoffnungsvollen Filmkarriere.
Doch die Schauspielerin wollte sich nicht unterkriegen lassen, wirkte unter
der Regie von Wolfgang Liebeneiner1) als Jacqueline Petersen in
dem Drama "Schlußakkord"1) (1960) mit,
gefolgt von dem Schlagerfilm "Davon träumen alle Mädchen"1) (1961)
sowie neben den Protagonisten Brett
Halsey1) und Senta Berger als Betsy
in der von Victor Vicas1) inszenierten Literaturadaption "Jack und Jenny"1) (1962)
nach dem Roman "Early to Bed " von Anne Piper.
Abbildung DVD-Cover mit freundlicher Genehmigung der
heute nicht
mehr existierenden "e-m-s new media AG" |
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Mit naiver Erotik, Schmollmund und blonder Mähne von den Filmemachern in
den 1950ern zur deutschen Brigitte Bardot aufgebaut, blieb Marion Michael schnell
im Klischee stecken. An ihrem 16-jährigen Urwaldmädchen Liane gefiel der
verwilderte Lolita-Effekt, doch der talentierte Nachwuchsstar erhielt von
der Filmindustrie keine Gelegenheit, die schauspielerischen Fähigkeiten zu
erweitern, die sie mit ihrer Charakterrolle in "Es war die erste Liebe" als
jugendlich Liebende bewiesen hatte.*). Da weitere Filmangebote ausblieben, ging Marion Michael an die
"Städtischen Bühnen Köln"1) und stand dort unter anderem als
Tochter Wendla Bergmann in dem Drama "Frühlings Erwachen"1) von
Frank Wedekind1) auf der
Bühne. Sie gestaltete die Franziska Wermelskirch in dem Milieudrama "Fuhrmann Henschel"1)
von Gerhart Hauptmann1) oder war
mit dem legendären Bernhard Minetti in
der Molière-Komödie "Der Geizige"1) zu sehen. Bis Mitte der
1970er Jahre unternahm sie Tourneen und gab Gastspiele an Theatern in
Hamburg und Berlin. So spielte sie als freischaffende Künstlerin in Berlin
beispielsweise neben Günter Pfitzmann im "Theater am Kurfürstendamm"1) die Antonia
in dem Erfolgsstück "Die Kaktusblüte" ("Cactus
Flower") von Abe Burrows1). einer Bearbeitung des
französischen Originals von Pierre Barillet (1923 2019) und Jean-Pierre Grédy
(1920 ?) mit dem
Titel "Fleur de cactus" → Verfilmung
19691). Am "Renaissance Theater"1)
gab sie :1966 die Patricia an der Seite von Hans Söhnker
in der heiteren Geschichte "Die verschenkten Jahre" ("Twinkling of an Eye") von Gerald Savory (1909 1996) oder trat
mit Theo Lingen,
der auch Regie führte, in der deutschsprachigen Erstaufführung (18.10.1967)
der Komödie "Halbe Wahrheiten"2) von Alan Ayckbourn1)
am Hamburger "Thalia Theater"1) auf.
Das Fernsehen bot Marion Michael seit den 1960er Jahren ein weiteres Betätigungsfeld,
unter anderem spielte sie unter der Regie von Jürgen Goslar die Dorrit Drake
in "Meine
beste Freundin"3) (1962) nach der
Komödie von John Van Druten1)
und die titelgebende Figur in "Patsy"3) (1962) nach
der Komödie von Barry Conners, Tochter von
Kolonialwarenvertreters Bill Harrington (Walter Richter)
und dessen Frau May (Alice Treff).
Man sah sie als Charlotte, Tochter von Minister Narbonne (Hans Nielsen)
in "Der
Parasit" (1963) nach der Komödie von Friedrich Schiller1), basierend auf dem Lustspiel
"Médiocre
et rampant, ou le Moyen de parvenir"1)
von Louis-Benoît Picard1) und als Jutta, Tochter von
Erna (Marlies Schönau1)) und Egon Liesegang (Rudolf Siege),
in dem amüsanten Zweiteiler "Mit
Familienanschluss"3) (1965) nach
dem Roman von Willy Grüb
mit Loni Heuser als resolute "Hausperle" Genoveva Gerhilde Gerlinde Gillitzer; die
beiden anderen Kinder der Familie, Gregor und Tim, wurden übrigens von Sascha von Sallwitz
und Sascha Hehn1) gespielt.
1975 übernahm Marion Michael neben der Puppe "Meikel Katzengreis" die Moderation der NDR-Kinderserie "Emm wie Meikel"1), die sie jedoch nach
fünf Sendungen wegen Lampenfieber wieder abgab; "Spontane Entschlüsse liegen mir
wohl im Blut", sagt sie damals zu ihrer Entscheidung. Danach blieben Engagements aus, Marion Michael entschied 1976, sich ein
zweites berufliches Standbein zu schaffen, schulte zur Handelskauffrau um und arbeitete eine
Zeit lang für die "ZBF-Agentur" in Berlin.
Ein kleiner Part in Dagmar
Beiersdorfs1) Frauenfilm "Puppe kaputt" brachte ihr 1977 nicht
den erhofften Wiederanschluss ans Filmsgeschäft. Auch privat musste
Marion Michael Rückschläge
einstecken, ihre kurze Verbindung mit Hanns
Lothars Sohn Marcel Werner1)
(1952 – 1986), den sie 1978 kennengelernt hatte, zerbrach; zeitweise
litt sie unter schweren Depressionen, die in einem Selbstmordversuch gipfelten.
Doch Marion Michael fing sich wieder, siedelte 1979 mit ihrem Sohn
Benjamin (geb. 1970), der
aus einer kurzen Beziehung mit einem US-Amerikaner, der Regisseur beim
Soldatensender AFN1)
war, hervorging, in die damalige DDR über und arbeitete
bis 1991 als Synchronassistentin beim dortigen "Deutschen
Fernsehfunk"1).
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Mitte der 1990er Jahre trat Marion Michael noch einmal vor die Kamera, drehte
mit dem Berliner
Underground-Regisseur Lothar Lambert1)
den Streifen "In
Haßliebe, Lola"4) (1995) und spielte die Schwester der
Titelfigur bzw. des abgetakelten Travestiestars Lola L. (Lambert). Das Privatfoto
mit Regisseur Lambert, welches mir freundlicherweise von Marion Michael zur
Verfügung gestellt wurde, entstand bei den Dreharbeiten zu dem Film.
1997 übernahm sie erneut eine kleine Rolle in Lamberts Story "Blond bis aufs Blut"5) →
www.lotharlambert.de.
Das private Foto wurde mir freundlicherweise
von Marion Michael zur Verfügung
gestellt.
© Marion Michael
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Seit ihrer Übersiedlung in die DDR 1979 verfolgte der Filmemacher
Horst Königstein1)
aus Presseberichten ihr bewegtes Leben. Nach seinem (und Frank Gaedes) Drehbuch
entstand unter fachlicher Mitarbeit von Marion Michael das TV-Musical
"Liane": 1996 war die Schauspielerin dann als rechte Hand des Produzenten
auch auf dem Bildschirm zu sehen.
Mit der Musik von Paul Vincent Gunia1) erzählt das Stück, das für den
"Grimme-Preis"1) und den "Prix Europa 1997"1) nominiert wurde, in märchenhaft-stilisierter, musikalischer Form
Stationen des Lebens von Marion Michael. Drei Frauen in den unterschiedlichen
Lebensphasen spielten die Hauptrolle der "Liane": Ina Paule Klink1) das 15-jährige Mädchen
aus Berlin, Luci van Org1) und
Annette Uhlen1) die älter gewordene Marion Michael;
Altrocker Udo Lindenberg1) agierte als
Hans Albers,
Nadja Tiller als verwöhnter
UFA-Star.
Im Dezember 1996 erschien im NDR unter der Regie von Torsten Schulz1)
die 45-minütige, biografische Dokumentation mit dem Titel "Das Mädchen Liane"
→ torstenschulz.org.
Das private Foto, welches mir freundlicherweise von
Marion Michael zur Verfügung
gestellt wurde,
zeigt die Schauspielerin mit ihrem Hund Aiax.
© Marion Michael
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Marion Michael starb am 13. Oktober 2007 wenige Tage vor ihrem 67. Geburtstag in einem Krankenhaus
im brandenburgischen Gartz1) (Oder) an Herzversagen;
die letzte Ruhe
fand sie auf dem dortigen Friedhof → Foto der Grabstelle bei knerger.de.
Bis zuletzt lebte sie mit ihrem zweiten Ehemann Freimut Patzner, einem
ehemaligen Abteilungsleiter im "Ministerium
für Glas- und Keramikindustrie der DDR"1) (MfGuK), zurückgezogen in
einem Bauernhaus in der Uckermark1) nahe der polnischen Grenze. Das Paar hatte 1983 geheiratet,
Marion Michaels erste, Ende der 1950er Jahre geschlossene Ehe mit dem Sportstudenten Gunther Bennung
war nach nur drei Jahren geschieden worden. Als Filmschauspielerin geriet Marion Michael in den
letztem Jahrzehnten nahezu in Vergessenheit und blieb nur noch für Fans und filmbegeisterte
Insider eine bekannte "Größe".
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