Rolf Römer erblickte am 20. September 1935 als Rolf Specht
in Königswinter1) (Rheinland)2)
das Licht der Welt. Der Vater Rolf Specht leitete als Pädagoge
zeitweise einen Jugendwerkhof im niedersächsischen Holzminden1), erhielt dann
mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 aufgrund seiner Funktionärsarbeit
in der "Sozialistischen
Arbeiter-Jugend"1) (SAJ)
Berufsverbot und war bis Kriegsende als Buchhalter in einer Baufirma tätig,
danach als Leiter einer Grundschule im sächsischen Gottleuba-Oelsen1) nahe
Dresden. Den 2. Weltkrieg verlebte Sohn Rolf gemeinsam mit der Mutter und der 1938 geborenen Schwester Uta beim Großvater, der als Inspektor auf einem Rittergut in der Gemeinde Struppen1) bei Pirna (Sachsen) angestellt war. Dort erfolgte 1942 auch die Einschulung, ab 1950 besuchte er die Oberschule in Pirna1), von der er jedoch nach zwei Jahren aus disziplinären Gründen verwiesen wurde. Nun wollte Römer wie seine Großmutter väterlicherseits, die um die Jahrhundertwende als Paula Römer unter anderem an Theatern in Dessau, Gleiwitz und Dresden wirkte, den Schauspielerberuf ergreifen, musste diesen Wunsch auf Drängen des Vaters jedoch zunächst hinten anstellen. Er begann 1952 in Dresden eine zweijährige Lehre als Maurer, bewarb sich dann 1954 an der "Hochschule für Film und Fernsehen"1) in Potsdam-Babelsberg und wurde angenommen. Die Zulassung setzt allerdings eine zweijährige Verpflichtung bei der "Kasernierten Volkspolizei"1) (KVP) voraus. Specht absolviert den Militärdienst 19541956 in Eggesin1) (Mecklenburg-Vorpommern) und bringt es dort bis zum Panzerkommandanten, 1956 nimmt er das Schauspielstudium in Potsdam auf und debütiert nebenbei vor der Kamera.*) 1960 beendete er sein Studium mit Diplom, nannte sich nun fortan Rolf Römer und erhielt ein erstes Engagement am Stadttheater im brandenburgischen Senftenberg1), das ab Anfang Juli 1959 unter dem Namen "Theater der Bergarbeiter"1) firmierte (heute "Neue Bühne Senftenberg"). Dort lernte er auch seine spätere Ehefrau, die Schauspielerin Annekathrin Bürger, kennen und lieben, nach Bürgers Scheidung von Ulrich Thein heiratete das Paar im Jahre 1966. In Senftenberg profilierte sich der hagere Mime drei Jahre lang als Charakterdarsteller sowohl in Klassikern als auch Stücken der Moderne, gestaltete unter anderem den kalt berechnenden Franz Moor in dem Schiller-Drama "Die Räuber"1), den frommen Buchbinder August Keil in Hauptmanns "Rose Bernd"1) oder den vergreisten General Cremylos in "Unternehmen Ölzweig", einer der "Lysistrata"1) des Aristophanes1) nachempfundenen Komödie des Iren Ewan MacColl1). Oberspielleiter Horst Schönemann1) und Regisseur Klaus Gendries1) inszenieren dort mit einem jungen Ensemble konfliktreiche Gegenwartsstoffe, die nicht immer mit den Ansprüchen der politischen Verantwortlichen konform gehen. ( ) In Senftenberg wird Römer 1961 wegen unbotmäßiger Äußerungen im Konflikt um die beabsichtigte Aufführung von Heiner Müllers "Die Umsiedlerin"1) aus der SED1) ausgeschlossen.*) Erste Erfahrungen vor der Kamera sammelte Römer noch während seiner Ausbildung mit eher winzigen Rollen in Produktionen wie "Das Lied der Matrosen"1( (1958) oder "Verwirrung der Liebe"1) (1959), es folgten kleinere Aufgaben in DEFA1)-Filmen wie "Eine Handvoll Noten"1) (1961) oder "Auf der Sonnenseite"1) (1962). In dem Krimi "Die Glatzkopfbande"1) (1963) machte er als Johle, Mitglied einer einen Zeltplatz an der Ostsee terrorisierenden Jugendbande, auf sich aufmerksam, ebenso wie als versoffener Junker Andreas in der Shakespeare-Adaption "Nichts als Sünde"3) (1965) oder als brutaler NS-Unteroffizier Revetcki in dem Anti-Kriegsstreifen "Die Abenteuer des Werner Holt"1) (1965). Römers Karriere, sich als populärer Leinwanddarsteller zu etablieren, erlitt mit dem Verbot mehrerer gesellschaftskritischer DEFA-Produktionen durch den Beschluss des "11. Plenums des Zentralkomitees der SED"1) einen herben Rückschlag. In Jürgen Böttchers1) im dokumentärem Stil inszenierten Beziehungsdrama "Jahrgang 45"1) (1965) hatte er als Automechaniker Alfred, genannt Al, die männliche Hauptrolle übernommen. Erzählt wird die Geschichte eines jungen Paares vom Prenzlauer Berg. Römer spielt den 20-jährigen Berliner Autoschlosser Al, der sich von seiner Freundin Li (Monika Hildebrand1)) trennen will, weil er glaubt, in der Ehe seine Freiheit zu verlieren. Römer bringt die Sehnsucht und das unklare Unbehagen der Figur zur Geltung. Er wirkt verträumt, zerbrechlich, seine jugendliche und unsichere Verweigerungshaltung nicht aufgesetzt. "Das freieste Stück Kino, das je in der DDR entstanden war. Ein Werk ohne ideologische Verbiegung und moralische Untertöne, mit einem Hauptdarsteller, der in seiner Ruppigkeit und seinem Lakonismus an den frühen Belmondo erinnert, an den herben Charme eines James Dean. Das alles hat Römer damals nicht weiter entwickeln können." (Ralf Schenk1), 2000). Die Arbeit am Film wird in der Rohschnittphase abgebrochen, erst 1990 wird eine Arbeitsfassung in der "Akademie der Künste"1) gezeigt.*) Auch Egon Günthers1) Komödie "Wenn du groß bist, lieber Adam"1) (1965), in der Römer an der Seite von Manfred Krug und Daisy Granados1) als Angestellter Erasmus glänzte, wurde auf den Index gesetzt. Beide Filme konnten erst im Oktober 1990 dem breiten Publikum im Berliner "Kino Babylon"1) zugänglich gemacht werden. Vor allem für seine Darstellung des Al in "Jahrgang 45" wurde Römer nun gefeiert, "Ein Möchtegernbösewicht, wie auf den Leib geschrieben, rauhe Schale, weicher Kern. Selbstbewußt, ohne Skrupel. Typ Kumpel, mit Starallüren, ein Spätzünder. Rolf Römer spielt, als Dreißigjähriger, mit souveräner Fulminanz einen Zwanzigjährigen." schreibt der Regisseur und Drehbuchautor Herwig Kipping1) in "Vor der Kamera. Fünfzig Schauspieler in Babelsberg".4) Leinwand-Triumphe feierte Römer dann, als die DEFA Mitte der 1960er Jahre als Antwort auf die westdeutschen Karl May-Filme das Genre der "Indianerfilme"1) aus der Taufe hob. An der Seite von "Star-Indianer" Gojko Mitić mimte er in "Die Söhne der großen Bärin"1) (1966) den sympathisch-gerechten "Wolfstöter" Tobias, in "Chingachgook, die große Schlange"1) (1967) die ähnlich gelagerte Rolle des Chingachgook-Freundes Wildtöter. In "Tödlicher Irrtum"1) (1970) und "Tecumseh"1) (1972) war er zudem am Drehbuch beteiligt. Römer hatte sich inzwischen als Drehbuchautor aber auch Regisseur ein weiteres Standbein geschaffen, für die heitere Verwechslungsgeschichte "Mit mir nicht, Madam!"1) (1968) lieferte er zusammen mit Wolfgang Ebeling1) das Script ab, zeigte sich hier mit der Doppelrolle des Journalisten Thomas bzw. als Padre zusammen mit Ehefrau Annekathrin Bürger. 1969 setzte er nach eigenem Drehbuch und Annekathrin Bürger in der weiblichen Hauptrolle die Love-Story "He, Du!"1) (1970) in Szene. "Römer gelingt es, gesellschaftliche und persönliche Konflikte zu verknüpfen und sie auf leichte und humorvolle Weise zu inszenieren." notiert CineGraph*). Mit seiner zweiten, zugleich letzten Regie-Arbeit für das Kino, der Emanzipations-Komödie "Hostess"1) (1976) erregte er nicht zuletzt wegen freizügiger Nacktszenen aber auch politischer Spitzen sowie Gesangseinlagen populärer Stars wie Nina Hagen1) ungeheures Aufsehen. Der unterhaltsame Streifen, einmal mehr mit Annekathrin Bürger in der Hauptrolle der Berliner Hostess Henriette "Jette" Wagner sowie Jürgen Heinrich1) als deren Verlobten Johannes, fand großen Anklang, lockte mehr als eine Millionen Zuschauer in die Kinos und zählt zu den Erfolgs-Produktionen der DEFA → Übersicht Kinofilme. Als sich Römer 1976 dem Protest gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann1) anschloss bzw. zu den Unterzeichnern eines offenen Briefes an die DDR-Führung gehörte, wurde er von den DDR-Kulturpolitikern ins Abseits gestellt und erhielt kaum noch nennenswerte Rollenangebote. Er konzentrierte sich nun auf Chanson-Programme und literarisch-musikalische Abende, entwickelte unter anderem mit seiner Ehefrau ein "Kurt Tucholsky"-Programm. Mehrfach stand er im DEFA-Trickfilmstudio in Dresden, arbeitete als Sprecher für Animationsfilme wie beispielsweise die Handpuppenfilme um die Abenteuer des "Kasperle". Im Hörspielstudio war er ebenfalls zu finden, wirkte vornehmlich in verschiedenen Kinderhörspielen mit; eine Auswahl der bei der ARD Hörspieldatenbank gelisteten Produktionen findet man hier. Seit den 1960er Jahren auch für das Fernsehen tätig, spielte Römer 1976 erstmals in der "Polizeiruf 110"1)-Folge "Eine fast perfekte Sache"1) mit, in dem Oberleutnant Peter Fuchs (Peter Borgelt) seinen 24. Fall löste. Zwei Jahre später setzte er die Folge "Schuldig"1) (1978) nach eigenem Drehbuch und mit sich selbst in der Rolle des Verdächtigen Ullrich Peters in Szene, Peter Fuchs, inzwischen zum Hauptmann befördert, ermittelte hier zum 34. Mal. Die Geschichte eines Rangiermeisters, der nach einem von ihm verschuldeten Arbeitsunfall strafversetzt wird, frustriert den Dienst emittiert, zum Alkoholiker wird und schließlich Selbstmord begehen will, erzählt offen und realistisch vom Abstieg eines Menschen in der realsozialistischen Gesellschaft und der Gleichgültigkeit seiner Umgebung. Der Film wird zwar gesendet, aber wegen seiner gesellschaftskritischen Haltung angegriffen.*) Nach der sogenannten "Wende" fand Römer kaum noch Anschluss an die Filmszene, nur sporadisch erhielt er Aufgaben in TV-Produktionen und verschwand zunehmend aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. 1993 erlebte man ihn in der "Polizeiruf 110"-Episode "Tod im Kraftwerk"1) mit Günter Naumann als Hauptkommissar Beck, in der beliebten Serie "Unser Lehrer Doktor Specht"1) mit Robert Atzorn präsentierte er sich 1996 als fünf Folgen lang als Lehrer Luther. Zu Römers letzten Arbeiten vor der Kamera zählte die MDR-"Tatort"-Folge "Auf dem Kriegspfad"1) (1999) mit Kommissar Ehrlicher (Peter Sodann), wo er als Kunstprofessor Wolf Schmiedel, der zugleich Häuptling einer Gruppe von Freizeitindianernwar, selbstironisch noch einmal an seine Erfolge in den DEFA-Indianerfilme erinnern konnte → Übersicht TV-Produktionen. Sein Hauptaugenmerk legte Römer in den letzten Jahren auf sein soziales Engagement, unterstützte Projekte in der ehemaligen Sowjetunion und gründete 1993 zusammen mit seiner Frau den heute nicht mehr existierenden Verein "Waisenkinder am Don", der sich für verwahrloste Kinder bzw. Waisenkinder einsetzte. Zeitgleich entstand unter seiner Regie und in Zusammenarbeit mit der "Filmhochschule Potsdam-Babelsberg" der Dokumentarfilm "Kinder vom Don" (1993). Rolf Römer starb am 15. März 2000 in Berlin mit nur 64 Jahren unter tragischen Umständen: Als er am 27. Februar bei Gartenarbeiten mit Feuer bzw. entzündlichen Chemikalien Unkraut vernichten wollte, erlitt er massive Verbrennungen und erlag rund vierzehn Tage später in der Unfallklinik in Berlin-Marzahn1) seinen schweren Verletzungen. Die letzte Ruhe fand er in dem Familiengrab der Spechts auf dem Friedhof der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde im sächsischen Moritzburg1) → Foto der Grabstelle bei knerger.de. |
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Quellen: Wikipedia,
defa-stiftung.de,
bundesstiftung-aufarbeitung.de,
filmportal.de
sowie CineGraph Lexikon zum deutschsprachigen Film (LG 49)*), "Das große Lexikon der DDR-Stars"**) und die ehemalige Seite bei "defa-sternstunden.de" → Memento bei web.archive.org Siehe auch den Nachruf bei berliner-zeitung.de |
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*) CineGraph mit den Quellen:
**) F.-B. Habel und
Volker
Wachter:
"Das große Lexikon der DDR-Stars. Schauspieler aus Film und
Fernsehen" (Schwarzkopf und Schwarzkopf, Ausgabe 1999, S. 283/284) |
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