Paula Wessely wurde am 20. Januar 1907 in der österreichischen Hauptstadt
Wien als zweitälteste Tochter des Fleischhauers Carl Alfons Thaddäus Wessely geboren; sie war
die Nichte der Burgschauspielerin Josephine Wessely1) (1860 bis 1887).
Mit 14 Jahren begann sie an der "Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst" ihre Schauspielausbildung
und nach einem zweijährigen dem Besuch (19241926) des "Max-Reinhardt-Seminars"1) in Wien
begann eine außergewöhnliche Theaterkarriere. Bereits 1924 hatte Paula Wessely in Wien
am "Deutschen Volkstheater" ihr Bühnendebüt
gegeben, trat dort, aber auch am "Raimundtheater", bis 1926 vor allem
in leichten Unterhaltungsstücken in Erscheinung. Nach einer Spielzeit (1926)
am "Deutschen Theater" in Prag kehrte sie 1927 an das "Wiener Volkstheater" zurück,
wechselte dann 1929 an das von Max Reinhardt1) (1873 1943) geleitete
"Theater in der Josefstadt", dem sie bis 1945 verbunden blieb.
Bereits ihre Antrittsrolle als "Kiki" in dem gleichnamigen Stück von André Picard bezeichnete die Reichspost als
"die Sensation des Abends". (
) Bald darauf stand sie in Felix Saltens Schauspiel
"Der Gemeine" neben Hans Moser, Adrienne Gessner und Attila Hörbiger wieder in einer Hauptrolle auf der Bühne.
1930 konnte sie erstmals bei den Salzburger Festspielen in einer prestigeträchtigen
"Reinhardt"-Inszenierung auftreten. Sie spielte als Nachfolgerin von Helene Thimig die Luise in
"Kabale und Liebe".2)
Paula Wessely, fotografiert von Franz Xaver Setzer1) (1886 1939)
Quelle: www.cyranos.ch;
Angaben zur Lizenz siehe hier
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Ab 1932 spielte sie auch am ebenfalls zu den Reinhardt-Bühnen
gehörenden "Deutschen Theater" Berlin.
Am 17. September 1932 feierte sie dort unter der Regie von
Karl Heinz Martin als "Rose Bernd" von
Gerhart Hauptmann ihren endgültigen Durchbruch. Die Begeisterung bei
Publikum und Kritik war einhellig. Alfred Kerr schrieb im Berliner
Tagblatt über sie: "Nur das Wort wunderbar ist möglich" und
Werner Krauß sprach vom "größten schauspielerischen Eindruck, den
ich je empfangen habe". Sie nahm, als das Publikum bereits während der
Pause nach dem dritten Akt durchapplaudierte, zunächst allein und dann an der
Seite von Gerhart Hauptmann, aus Anlass von dessen 70. Geburtstag
das Schauspiel aufgeführt worden war, die Ovationen des Publikums entgegen.
Weitere Rollen folgten. Großen Erfolg hatte sie ebenfalls 1932 in der
Titelrolle der Operette "Sissy" von Fritz Kreisler als
Elisabeth von Österreich-Ungarn an der Seite von Hans Jaray als
Kaiser Franz Joseph. Während sie für ihre Rolle in "Rose
Bernd" intensiv die schlesische Mundart geübt hatte, unterzog sie sich
zur Vorbereitung auf die völlig anders geartete Operette einem eigenen
Gesangsstudium.
Am 20. Februar 1933 war sie als "Christine" unter der Regie von
Paul Kalbeck Hauptdarstellerin in der Premiere des Stücks
"Liebelei" am "Theater in der Josefstadt". (…) Am
17. August 1933 stand sie bei den Salzburger Festspielen erstmals
als Gretchen in "Faust" an der Seite von Ewald Balser vor dem
Publikum und spielte diese Rolle fünf Sommer lang. 1936 feierte sie ihr
Debüt am "Burgtheater" in der Titelrolle von
George Bernard Shaws "Die heilige Johanna".2)
Paula Wessely 1930
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame
d'Ora1) (18811963) / Arthur Benda1) (18851969)
© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer
205.030-D); Datierung: 03.04.1930 |
Nach Ende des 2. Weltkrieges gehörte Paula Wessely seit 1953 fest zum
Ensemble des Wiener "Burgtheaters". Im Laufe ihrer gesamten
Bühnenkarriere stand die Schauspielerin, die gerne als die
"österreichische Duse" bezeichnet wird, in allen großen
Frauenrollen auf der Bühne, vom Gretchen in Goethes "Faust", der
Desdemona in Shakespeares "Othello", der "Emilia Galotti"
(Lessing) bis hin zur Schiller'schen "Maria Stuart" und feierte
unter anderem in Stücken von Tennessee Williams, Henrik Ibsen oder
Hugo von Hofmannsthal Triumphe – sie gab in ihrer gut
60-jährigen Schauspielerinnenkarriere fast das gesamte klassische Repertoire,
wusste aber auch in Stücken der Moderne zu überzeugen, wie etwa 1959
anlässlich einer umjubelten deutschlandweiten Tournee mit
Eugene O'Neills "Fast ein Poet".
Für den Film wurde die Schauspielerin 1934
entdeckt und war erstmals als Fräulein Leopoldine Dur bzw.
der weiblichen Hauptrolle in
Willi Forsts Komödie "Maskerade"1)
als Partnerin von Adolf Wohlbrück auf der Leinwand zu sehen.
Schnell avancierte sie zu einer beliebten Volksschauspielerin, die mit frischem,
ungekünsteltem Wiener Charme und warmem, natürlichem Spiel
bestach und in gefühlvollen Melodramen zu sehen war. Sie spielte
fortan im Nazi-Propagandafilm in der "gehobenen
Spielklasse" eine zentrale Rolle und wurde zur höchstbezahlten Diva des Dritten
Reiches. Ihre Filmauftritte blieben aufgrund ihrer intensiven Theaterarbeit
überschaubar, aber um so wirkungsvoller. Ihre Partner hießen Gustaf Gründgens,
Willy Birgel, Rudolf Forster und Attila Hörbiger3)
(1896 1987), den sie am 23. November 1935 auch ehelichte und mit dem sie ein beliebtes Bühnen- und Film-Paar
bildete; ein Angebot aus Hollywood schlug sie aus.
Eine volksdeutsche Edelgermanin mimte Paula Wessely 1941
in Ucickys "Heimkehr"1), einem antipolnischen Hetz- und
Propagandafilm der Nazis. Für diese Entgleisung erhielt sie 1945 Berufsverbot, aber im Gegensatz
zu vielen der durch das Dritte Reich kompromittierten Künstler besaß
die Wessely später die Größe ohne Ausreden
einzugestehen, dass sie sich dafür schäme, nicht genügend Mut aufgebracht
zu haben, den Missbrauch ihrer Person zu verhindern.
Portrait Paula Wessely 1935
Quelle: Wikimedia
Commons aus Dr. Oskar Kalbus:
"Vom Werden deutscher Filmkunst.
2. Teil: Der Tonfilm"
Bild Nr. 33 (Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld, 1935)
Urheber:
Unbekannt;
Angaben zur Lizenz siehe hier
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Bereits 1948 war sie als Henriette Stein wieder in "Der Engel mit der Posaune"1) auf der Leinwand präsent und übernahm im
Nachkriegskino vor allem Rollen in heiter-volkstümlichen Unterhaltungsfilmen,
so 1955 als Fürstin Pia Maria in "Die Wirtin zur Goldenen Krone".
Teilweise agierte sie aber auch in sozialkritischen Filmen wie 1957 als
Sozialarbeiterin, die sich um Kinder aus zerrütteten Familienverhältnissen kümmert, in
"Noch minderjährig". Ab den 1960er Jahren zog Paula Wessely sich vom Film
zurück und letztmalig sah man sie 1961 in "Der Bauer als Millionär"
sowie als "Glaube" in Gottfried Reinhardts Filmversion von Hugo von Hofmannsthals
"Jedermann" mit Walther Reyer in der Titelrolle. Paula Wessely trat
auch noch gelegentlich im Fernsehen wie in Wolfgang Glücks Bühnenadaption
"Eine Frau ohne Bedeutung" (1964; → film.at)
oder Peter Patzaks
"Glückssachen" (1977; → film.at) auf, konzentrierte sich jedoch vordringlich auf ihre Theaterarbeit. Mit dem Tod ihres Mannes Attila Hörbiger
beendete sie 1987 ihre Bühnenlaufbahn.
Die letzte Schauspielpremiere ihres Lebens war "Der Diamant des Geisterkönigs"
von Ferdinand Raimund. Es folgten eine Reihe umjubelter Leseabende. Mit einer Lesung anlässlich ihres 80. Geburtstages im
Januar 1987 verabschiedete sich die Wessely im Wiener "Akademietheater" von ihrem Publikum.
Im April starb Attila Hörbiger. Im selben Jahr erhielt sie den Titel der
"Burgtheater-Doyenne", welcher der dienstältesten Schauspielerin des Theaters zusteht.
Am 5. November 1987 war ihr letzter Auftritt, als sie Texte von
Goethe, Brecht, Nestroy, Hilde Spiel und Jeannie Ebner vortrug.2)
Verschiedenste Auszeichnungen und Ehrungen belegen die herausragende Stellung
der Kammerschauspielerin Paula Wessly, die vor allem am Theater mit ihrem
unverwechselbaren Stil prägende Spuren hinterließ.
1949 konnte sie den " Max-Reinhardt-Ring" entgegen nehmen, 1960 die
"Kainz-Medaille"1)
und 1978 als erste Trägerin den "Alma-Seidler-Ring"1), das weibliche Pendant
zu dem berühmten "Iffland-Ring"1).
1963 würdigte die Republik Österreich ihre Leistungen
mit dem "Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse"1),
1967 folgte die "Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien1) in Gold",
1982 der "Ehrenring der Stadt Wien"1).
Als Leinwanddarstellerin erhielt sie bereits 1935 auf der Bienale in Venedig den "Coppa Volpi" als
"Beste Schauspielerin" für ihre Darstellung in "Episode",
auch der begehrte Medienpreis "Bambi"1) zählte seit 1962 zu ihren
Trophäen. Zuletzt überreichte man ihr 1984 das "Filmband in Gold"1) für
"langjähriges und hervorragendes Wirken im Deutschen Film".
Die große Charaktermimin Paula Wessely, die die letzten Jahre zurückgezogen in ihrem Haus in
Grinzing am Stadtrand von Wien zusammen mit ihrer Tochter Maresa und deren Sohn
lebte, starb am 11. Mai 2000 mit 93 Jahren in ihrer Geburtsstadt Wien in einem
Krankenhaus. Sie wurde am 22. Mai auf dem Grinzinger Friedhof unter großer
Anteilnahme der österreichischen Bevölkerung in einem ehrenhalber gewidmeten Grab
an der Seite ihres Mannes Attila Hörbiger beigesetzt; Foto der
Grabstelle bei Wikimedia
Commons.
DER
SPIEGEL notierte anlässlich des Todes unter anderem: "Selbst in
Momenten größter Tragik hat sie ihren Figuren Poesie und Würde verliehen:
Paula Wessely wurde mit ihrem eindringlichen Spiel und ihrer unvergleichlichen
Sprachkunst schon zu Lebzeiten zu einer Legende auf allen Bühnen."
Ihre drei Töchter aus der Verbindung mit Attila Hörbiger, Elisabeth Orth3)
(geb. 1936), Christiane Hörbiger3)
(geb. 1938) und Maresa Hörbiger1)
(geb. 1945) sind ebenfalls
anerkannte und erfolgreiche Schauspielerinnen. Die Schauspielertradition
führen Elisabeth Orths 1969 geborener Sohn Cornelius Obonya1)
sowie Enkel Manuel Witting1),
der 1977 geborene Sohn von Maresa Hörbiger, fort und entschieden
sich für eine Theater- bzw. Filmkarriere.
Den Nachlass von Paula Wessely übergaben ihre Töchter 2005 dem Österreichischen
Theatermuseum übergeben, wo er in Vorbereitung einer Sonderausstellung zum
100. Geburtstag am 20. Januar 2007 wissenschaftlich aufgearbeitet
wurde. Die
Ausstellung "Die Rollen der Paula Wessely Spiegel ihrer
selbst" fand vom 1. März bis 2. September 2007
statt und dokumentierte das gesamte Schaffen dieser für das 20. Jahrhundert im deutschsprachigen
Raum wohl einzigartigen Schauspielerin; siehe auch www.theatermuseum.at.
Von Kurt Ifkovits erschien im März 2007 das Buch "Die Rollen der Paula Wessely. Spiegel ihrer selbst",
in dem der Autor erstmals nicht nur die Rollen der Paula Wessely in Theater
und Film beleuchtet, sondern auch die verschiedenen Rollen, die sie in der Öffentlichkeit
einnahm. Bereits 1975 hatte Wessely-Tochter Elisabeth Orth die Biografie
"Märchen ihres Lebens. Meine Eltern Paula Wessely und Attila Hörbiger"
veröffentlicht, von Edda Fuhrich stammt das 1985 erschienene
Werk "Paula Wessely, Attila Hörbiger. Ihr Leben ihr Spiel. Eine
Dokumentation". Ein weiteres Buch, dass sich mit dem Leben der Theater-
und Filmlegende Paula Wessely beschäftigt ist unter anderem "Paula Wessely. Die verdrängten
Jahre" (1996) von Maria Steiner.
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