Gilbert Bécaud wurde am 24. Oktober 1927 als François Gilbert Silly im südfranzösischen Toulon1) geboren; der Vater arbeitete am berühmten Pariser Varietétheater "Lido"1), die Mutter betätigte sich als Schneiderin.*) Zum Zeitpunkt der Geburt war seine Mutter noch nicht von Albert Silly geschieden, mit dem sie bereits zwei Kinder hatte, sodass François Gilbert nicht den Nachnamen seines Vaters, Louis Bécaud, erhielt. Erst 1952 konnte er endgültig den Namen seines Vaters, kombiniert mit seinem zweiten Vornamen, annehmen und hieß fortan Gilbert Bécaud. Mit fünf Jahren benutzt Bécaud die heimischen Kochlöffel und Töpfe als Schlagzeug, zwei Jahre später setzt er sich ans Klavier des Großvaters. Seine Mutter verkauft nebenbei leere Pfandflaschen; wenn genug Geld beisammen ist, kann Bécaud zu einer Klavierstunde gehen.*)
Die Mutter, genannt "Mamico", ermöglichte ihrem Sohn eine klassische Ausbildung an der Musikhochschule in Nizza1) ("Conservatoire à rayonnement régional de Nice"), dort blieb er, bis die Familie während des 2. Weltkriegs Toulon verließ und 1943 auf Drängen seines älteren Bruders Jean nach Albertville1) (Département Savoie1)) zog. Jean war damals aktives Mitglied der Résistance im Vercors1) und François schloss sich ihm eine Zeit lang an. Nach Kriegsende ließ sich die Familie in Paris nieder.
Dort verdiente er sich zwischen 1946 und 1948 als Klavierspieler in eleganten Bars und Nachtclubs der "Rive Droite"1) seinen Lebensunterhalt, lernte dort eines Tages den Schauspieler und Sänger Jaques Pills1) (1906 – 1970) kennen, dessen Klavierbegleiter er ab 1950 für zwei Jahre wurde. Mit Pills bereiste Bécaud die ganze Welt und ging mit ihm unter anderem auf eine ausgedehnte Amerika-Tournee. Parallel dazu komponierte er weiter seine eigenen Chansons, zu denen Pills die Texte schrieb, und schließlich wurde sein Lied "Je t'ai dans le peau" der legendären Édith Piaf (1915 – 1963) vorgestellt, die seit 1952 (kurzzeitig) mit Pills verheiratet war. Der "Spatz von Paris" machte aus dem Lied den ersten großen Erfolg für den Komponisten Bécaud, förderte und ermunterte ihn, ebenfalls zu singen.

Gilbert Bécaud am 26. Oktober 1965 bei Ankunft
auf dem Flughafen Amsterdam Schiphol1)
Rechteinhaber: Nationaal Archief 1) (Den Haag, Rijksfotoarchief;
Bestandsnummer: 918-3638); Urheber/Fotograf: Joost Evers / Anefo;
Quelle: Wikimedia Commons (Ausschnitt des Originalfotos)
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Gilbert Bécaud am 26. Oktober 1965 im niederländischen Schiphol; Rechteinhaber: Nationaal Archief  (Den Haag, Rijksfotoarchief; Bestandsnummer: 918-3638); Urheber/Fotograf: Joost Evers / Anefo; Quelle: Wikimedia Commons; Lizenz: www.gahetna.nl/over-ons/open-data / CC BY-SA 3.0 NL
Die Piaf verschaffte Bécaud 1953 mit seinem ersten Auftritt als Sänger im Pariser "Olympia"1) den Start zu einer fast vier Jahrzehnte umspannenden Weltkarriere. Bereits 1954 sorgte sein Konzert für einen ungeheuren Aufruhr: 4.000 Jugendliche prügelten sich um 2.000 Plätze. Der Erfolg des Sängers Bécaud war nicht mehr aufzuhalten; "Monsieur 100.000 Volt", wie er aufgrund seiner fulminanten Bühnenshows von seinem Publikum bezeichnet wurde, unternahm triumphale Tourneen durch Europa, gab unter anderem 1964 und 1966 erfolgreiche Gastspiele in Amerika, trat auch in Russland (1965), Kanada (1967) und Japan auf. Der Workaholic Bécaud absolvierte bis Ende der 1990er Jahre rund 250 Konzerte jährlich – stets im stahlblauen Anzug, getupfter Krawatte, die Hand am Ohr, um das Publikum zum Mitsingen aufzufordern. Allein dreißig Mal stand er auf der Bühne des "Olympia" und den New Yorker "Broadway"1) nahm Bécaud mit seiner explosiven Show bei einer dreiwöchigen Gastspielreise ebenfalls im Sturm; selbst in den ganz großen Konzertsälen und Popkulturhallen der Welt brachte er stets die Stimmung zum Kochen.
In Deutschland, wo er vor allem in den 1970er Jahren häufig gastierte, war er zuletzt im November 2000 im Rahmen einer großen Konzertreise live zu sehen. Mehrfach nahm der Chansonnier Abschied von der Bühne, um dann ein umso rauschenderes Comeback zu feiern. Bei ungezählten Fernseh-Galas und Festivalauftritten präsentierte er seine legendären Lieder wie "Et maintenant", "L'important, c’est la rose", "L'orange"1) oder den Klassiker "Le jour òu la pluie viendra"1) ("Am Tag, als der Regen kam"), dessen Melodie er bereits 1957 komponiert hatte. Nicht zu vergessen ist der Song über die Fremdenführerin "Nathalie"1), mit der Bécaud 1963 in Moskau einen virtuellen Urlaubsflirt erlebte. Die Titel gingen um die ganze Welt und wurden in verschiedenste Sprachen übersetzt. Die englischen Versionen "Let it be" ("Je t'appartient"), "What now my love" ("Et maintenant") von Judy Garland und Frank Sinatra interpretiert, oder "It must be him" ("Seul sur son étoile") erreichten Spitzenpositionen in der britischen und US-amerikanischen Hitparade.
Viele Lieder wurden ebenfalls ins Deutsche übersetzt, entwickelten sich zu Dauerbrennern und von Bécaud erfolgreich im deutschsprachigen Raum gesungen.
Während seiner Karriere veröffentlichte der Star rund 400 Chansons und seine CD "Faut faire avec", die ernster war als seine üblichen Produktionen, erschien 1999; kurz vor seinem Tod wurde das Album "Mon Cap" fertiggestellt.
Gilbert Bécaud 01; Copyright Virginia Shue Bécaud erhielt unzählige "Goldene Schallplatten"1), Auszeichnungen und Ehrungen und war schon zu Lebzeiten eine Legende: So wurde er zum "Chevalier" ("Ritter") des belgischen "Ordre de la Couronne"1) ("Kronenorden") ernannt, war Gewinner der "Bronzenen Rose von Montreux", ("Rose d'Or"), "Chevalier" der französischen "Ehrenlegion" ("Légion d'Honneur"1)) und in Deutschland nahm er Anfang Oktober 1973 das "Bundesverdienstkreuz 1. Klasse"1) für "Verdienste um die deutsch-französische Freundschaft" aus der Hand des damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann1) entgegen – um nur einige der Ehrungen zu nennen, mit denen Bécaud im Verlaufe seiner einzigartigen Karriere ausgezeichnet wurde.
 
Das Foto wurde mir freundlicherweise von der
Fotografin Virginia Shue (Hamburg) zur Verfügung gestellt.
Das Copyright liegt bei Virginia Shue.
Seit Mite der 1950er arbeitete der Star zudem sporadisch als Schauspieler und komponierte mehrere Filmmusiken, so übernahm er beispielsweise die männliche Hauptrolle in der von Marcel Carné1) in Szene gesetzten, weihnachtlichen Verwechslungskomödie "Le pays d'òu je viens"2) (1956, "Zum Glück gibt es ihn doch") und lieferte auch die Filmmusik ab. Es folgten der von André Hunebelle1) inszenierte Revuefilm "Casino de; Paris"1); (1957) mit Caterina Valente als Partnerin, die amüsante Geschichte "Croquemitoufle"2) (1958, "Hände weg von Catherine") mit Mireille Granelli in der Titelrolle und der Star-besetzte Streifen "Les petits matins"1) (1962, "Wir bitten zu Bett"), in der er als der Pilot in Erscheinung trat. Bécaud komponierte die Musik zu den von Christian-Jaque1) mit Brigitte Bardot realisierten Spielfilm "Babette s’en va-t-en guerre"1) (1961, "Babette zieht in den Krieg"), gemeinsam mit Neil Diamond und anderen war er an den Kompostionen zu dem von Richard Fleischer1) mit Diamond als Protagonist gedrehten Musikfilm "The Jazz Singer"1) (1980, "Der Jazz-Sänger") beteiligt, die hoch in den US-Charts notierte → Wikipedia (englisch). Den Chanson-König drängte es auch zu höheren Weihen, sein lyrisches Drama "L'opéra d’Aran" ("Die Oper von der Insel Aran") mit den Libretti von Pierre Delanoë1), Louis Amade1) und Jacques Emmanuel (1920 – 1998) gelangte am 25. Oktober 1962 am Pariser "Théâtre des Champs Elysées"1) unter der musikalischen Leitung von Georges Prêtre1) zur Uraufführung.
  
Der Künstler, der seit 1998 mit der Diagnose "Lungenkrebs" lebte, verlor am 18. Dezember 2001 im Alter von 74 Jahren in Paris1) den Kampf gegen seine lange Krankheit und starb auf seinem Hausboot "Aran" auf der Seine1) unterhalb des "Eiffelturms"1). Mit ihm verließ – nach Édith Piaf (1915 – 1963), Jacques Brel (1929 – 1978), George Brassens1) (1921 – 1981) und Charles Trenet1) (1913 – 2001) – einer der letzten großen Chansonniers die Weltbühne. Die letzte Ruhe fand der international gefeierte Franzose auf dem Pariser Friedhof "Cimetière du Père-Lachaise"1) → Foto der Grabstätte bei Wikimedia Commons sowie knerger.de.
Der sechsfache Vater (darunter ein Adoptivkind aus Laos1)) Gilbert Bécaud war zwei Mal verheiratet – offiziell 21 Jahre lang (seit 1952) mit der Schauspielerin Monique Nicolas genannt "Kiki" (1929 – 2002), in den 1960ern hatte sich das Paar jedoch bereits getrennt.  In späteren Jahren ehelichte er 1973? die zwölf Jahre jüngere US-Amerikanerin Kitty Saint-John, ein ehemaliges Fotomodel. Aus der ersten Ehe stamm(t)en die Söhne Gilbert, genannt "Gaya" (02.02.1953 – 26.09.2022), und Philippe (* 1957) sowie Tochter Anne (10.12.1965 – 03.09.2019). Aus einer Beziehung (1962–1966) mit der Sängerin/Tänzerin Janet Woolacott (1939 – 2011); → Wikipedia (englisch)) ging Mitte der 1960er Jahre Tochter Jennifer hervor, die später unter dem Namen Jennifer Kay als Sängerin eine Karriere startete. Eine weitere Tochter, Emily (* 04,05.1972), schenkte ihm seine zweite Ehefrau bereits vor der 1976, offiziell geschlossenen Ehe. Bécaud lebte wechselweise in der westfranzösischen Region Poitou1), in seinem Haus in Bonifacio1) auf der Insel  Korsika1) und auf seinem Seine-Hausboot bei Paris. Außerdem verbrachte er die Winter mit seiner Familie in seinem Chalet im Schweizer Crans-Montana1).
 
Gilbert Bécaud 02; Copyright Virginia Shue Gilbert Bécaud 03; Copyright Virginia Shue
Die Fotos wurden mir freundlicherweise von der Fotografin Virginia Shue (Hamburg) zur Verfügung gestellt.
Das Copyright liegt bei Virginia Shue.

Nicht nur Politiker und Prominente waren bestürzt über das Ableben des berühmten Franzosen. Frankreichs damaliger Staatspräsident Jacques Chirac1) würdigte den Künstler als "Botschafter des französischen Chansons" und eine "der stärksten und mitreißendsten Stimmen unserer Zeit"; in Deutschland trauerten Fans und Kollegen um den Entertainer mit dem Gentleman-Image. "Wenn er tot ist, der Poet, weinen alle seine Freunde" – diese Textzeile aus seinem berühmten Lied "Quand il est mort le poéte" wurde traurige Wirklichkeit. Noch wenige Monate vor dem Tod stand er auf der Bühne, die letzten Konzerte gab Bécaud am 24. März 2001 in Lille1) und am 15. Juli 2001 in Freiburg im Breisgau1). Sein letztes Studio-Album "Je partirai" wurde 2002 posthum veröffentlicht.
Seine Witwe Kitty Bécaud brachte 2011 die Biografie ihres Mannes unter dem Titel "Bécaud – La première idole" auf den Markt.
 

Deutsche Fan-Seite: gilbert-becaud-fanpage.de
Siehe auch Wikipedia (deutsch, mit Diskografie), Wikipedia (englisch),
www.laut.de sowie den Nachruf bei spiegel.de
Fotos bei Wikimedia Commons
*) Quelle: www1.wdr.de
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) filmdienst.de
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