Joseph Francis Keaton erblickte am 4. Oktober 1895
als Sohn fahrender Schauspieler in Pickway (Kansas) das Licht der Welt; 1915 wurde dieser Ort von einem Wirbelsturm von der Landkarte
gefegt. Seine Eltern, Joseph "Joe"
Keaton1) (1867 - 1946) und Myra Keaton, arbeiteten in einem
Vaudeville-Theater, während der
kleine Joe jr. hinter der Bühne herumkrabbelte; oft geriet er zum unfreiwilligen Gag,
wenn er während der Vorstellung auftauchte. 1899 wurde er dann offiziell in die Show
eingebaut und zum Star der "Three Keatons", als "menschlicher"
Staubwedel" zum Gaudi der Zuschauer in die Kulissen geworfen. Seinen
Spitznamen Buster soll er schon im Alter von einem 3/4 Jahr erworben
haben, als er eine Treppe hinunterpurzelte, ohne sich zu verletzen. Der Zauberer und
Entfesselungskünstler Harry Houdini1) ("The Great Houdini"; 1874 1926) war von der
Körperbeherrschung des Kleinen so beeindruckt, dass er ausgerufen haben
soll: "My, what a buster!" ("Das war ein ganz schöner Sturz"); der Ausdruck gefiel
Vater Joe so gut, dass er fortan seinen Sohn nur noch so nannte.
Marion Meade äußerte in ihrer Keaton-Biographie jedoch
die Vermutung, dass der legendäre Houdini erst nachträglich in die
Anekdote Einzug fand. Als gesichert gilt, dass Keaton der erste war,
der den später häufiger auftauchenden Vornamen Buster trug.1)
Bis 1917 ging es den Keatons wirklich gut, sie hatten Erfolg,
doch dann fing Vater Joe an zu trinken und nach einem Streit mit dem
Theatermanager entlassen. Sohn Buster hatte keine Schwierigkeiten,
allein ein Theater-Engagement zu bekommen, doch da er in New York
den Stummfilmstar Roscoe "Fatty" Arbuckle1)
(1837 – 1933) kennen gelernt hatte, der neben Charles Chaplin2)
(1889 – 1977) als beliebtester Filmkomiker der
Stummfilmära galt, drehte Keaton nun für 40 Dollar die Woche
komödiantische Filme mit Arbuckle, obwohl er auf der Bühne das
mehrfache verdient hätte. In einem Interview wurde er dazu gefragt
und soll gesagt haben: "You gave up a contract for 750 dollars
a week merely for the pleasure of making films?" Seine Antwort:
"Money never interested me very much and besides, I wanted
to see what it was like…" Der Streifen "The Butcher
Boy" (1917) gilt als Keatons Leinwanddebüt.
Noch gegen Ende des 1. Weltkrieges wurde Keaton 1918 eingezogen und in einem
Infanterieregiment in Frankreich stationiert; die Kriegserfahrungen sollten
in seinen Filmen später eine Rolle spielen, wie beispielsweise in "The General"1) (1926, Der General).
Nach seiner Entlassung aus dem Kriegsdienst und siebenmonatiger Pause stieg
Keaton dann endgültig ins Filmgeschäft ein. 1920 erschien
schließlich sein erster eigener Kurzfilm (ca. 20 bis 25 Minuten lang) "The High Sign"
in der Produktionsgruppe "Buster Keaton Comedies", im
gleichen Jahr sein erster Streifen in Spielfilmlänge "The Saphead"
(Der Dummkopf).
Von den insgesamt neunzehn Kurzfilmen aus den Keaton-Studios zählt heute
"Cops" (1922, Buster und die Polizei) zu den bekanntesten: Am Höhepunkt
jagen hunderte Polizisten Buster durch die Straßen von New York. Dieses Motiv findet sich
variiert wieder in seinen abendfüllenden Komödien
"Seven Chances" (hier sind es erst hunderte heiratswillige Bräute, schließlich unzählige Felsbrocken) und
"Go West" (mit einer Rinderherde in Chicago).1)
Foto: Buster Keaton 1918 als Soldat im 1. Weltkrieg
Quelle: Wikimedia
Commons von www.militarymuseum.org
Urheber: Unbekannt; Angaben zur Lizenz siehe hier
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Durch die Heirat mit dem Stummfilmstar Natalie Talmadge1) (1896 1969) am 31. Mai 1921 wurde Keaton der Schwager seines Produzenten
Joseph M. Schenk, am 2. Juni 1922
kam sein
erster Sohn, Joseph Talmadge Keaton, zur Welt, der in
"Our Hospitality"1)
(1923, Verflixte Gastfreundschaft) als "Baby Willie" zu bewundern war
und im Alter von einem Jahr ebenfalls in dem Film zu sehen war; am 3. Februar 1924
folgte Sohn Robert. Seit 1923 avancierte "der Mann, der niemals
lachte" mit seinem berühmt gewordenen "versteinerten"
Gesicht in zahlreichen Filmen zum dritten großen Stummfilmstar neben
Charles Chaplin und Harald Lloyd2). Wie Chaplin war
auch Keaton sein eigener
Regisseur, für seine Film-Akrobatik benutzte er niemals ein Double.
Zu seinen bekanntesten bzw. finanziell erfolgreichsten Filme jener Zeit zählen unter anderem
"Our Hospitality"1)
(1923, Verflixte Gastfreundschaft), in dem auch Vater Joe Keaton und Ehefrau Natalie Talmadge
mitspielten, weiterhin "The Navigator"1) (1924,
Der Navigator) und "Battling
Buster"1) (1926, Schlag auf Schlag). Diese
Streifen bestätigten die außergewöhnliche Popularität Keatons, dessen Ruhm auch darauf gründete, dass er spektakuläre Stunts erfand und selbst ausführte. Die Dreharbeiten waren so stets mit großem Risiko verbunden: Bei einer Szene am Höhepunkt von
"Our Hospitality" (einem Stunt an einem Wasserfall) schluckte er zu viel Wasser; sein Magen musste ausgepumpt werden. Bei
"Sherlock Jr." (1924) wurde sein Kopf mit Wucht gegen Gleise geschleudert. Keaton litt danach unter schweren Kopfschmerzen, die nach einigen Tagen verschwunden waren. Der Bruch eines Nackenwirbels, den er sich dabei offenbar zugezogen hatte, wurde zufällig und erst Jahre später bei Röntgenaufnahmen entdeckt.1)
Danach entstand die epische Komödie "The General"1) (1926,
Der General3)), ein Stummfilm, den Keaton mit enormem Aufwand und
finanziellen Kosten produziert hatte, beispielsweise ließ er eine historische Dampflokomotive in die Tiefe stürzen.
Dennoch fand die Produktion, welche zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges
spielt,
beim Publikum keine Zustimmung, geriet zum Flop an den Kinokassen Kritiker
halten diesen Stummfilm heute jedoch für Keatons gelungenstes filmisches Werk.
1928 verkaufte Schenk seinen
Vertrag mit Keaton an die inzwischen größte Filmgesellschaft "Metro-Goldwyn-Mayer",
zu der Zeit waren viele kleine Produktionsfirmen
von Massenproduktionsstätten wie MGM geschluckt worden;
"The Cameraman" (1928, Der Kamaramann) war dann Keatons erster Film bei MGM,
gilt als der letzte Film im bekannten Keaton'schen Stil. Waren seine
Filme bei MGM anfangs noch erfolgreich gewesen, verloren sie nun zunehmend an Originalität und
Reiz. Keaton konnte immer weniger seine eigenen
Ideen einbringen, MGM bemühte sich zu sehr um Standardisierung ihrer
Filmproduktionen, so dass Keatons Filme immer weiter an Eigenständigkeit verloren.
Der Tonfilm war nicht das Problem, wie es so oft heißt,
der Keatons Niedergang verursachte. Er
verstand es zum Beispiel, sich auf die neuen
Erfordernisse recht gut einzustellen, indem er mit "Elmer
Edgemont" einem echten Looser einen neuen
Charakter entwickelte
(Elmer hieß übrigens Keatons Bernhardiner).
Auch privat musste der Star Rückschläge
einstecken: Er verlor ein erheblichen Teil seines Vermögens,
1932 ließ sich seine Frau Natalie Talmadge von ihm scheiden und er durfte seine Söhne, an
denen er sehr hing, nicht mehr sehen. 1933 trennte sich MGM von ihm und
kündigte den Vertrag auf Keaton war am Ende und griff zum Alkohol. Eine 1934 erneut geschlossene Ehe mit
der Krankenschwester Mae Scibbens, die ihm bei einem Entzug helfen
sollte, dauerte nur drei Jahre. 1937 wurde Keaton in eine
psychiatrischen Klinik eingeliefert, wo er sich jedoch wieder erholte und ab 1938 arbeitete er als
"gag-man", Regieassistent und Drehbuchautor erneut bei MGM,
wenn auch nur hinter den Kulissen. 1939 bekam er sogar
den Auftrag, für Columbia zehn Kurzfilme zu drehen und fasste langsam im
Filmgeschäft wieder Fuß. 1940 heiratete er schließlich
seine dritte und letzte Ehefrau, die dreiundzwanzig Jahre jüngere Eleanor Norris,
die zu der Zeit bei MGM als Tänzerin unter Vertrag stand, sich später als Tiertrainerin für den Film betätigte,
zuletzt für den "Beethoven"-Bernhardiner.
Nach Ende des 2. Weltkrieges entstanden
mit Buster Keaton als Darsteller unter anderem die Filme "Forever and a day" (1945)
und "You're my everything" (1949),
In den 50'er Jahren tourte er erfolgreich mit dem Zirkus durch Europa, 1962 wurden
"The General" und danach weitere Keaton-Filme
wiederentdeckt, die bis heute an Popularität nichts verloren haben.
Das brachte dem ehemaligen Stummfilm-Star einige Gastauftritte in Filmen ein, wie
beispielsweise in Billy Wilders Drama
"Sunset Boulevard"1) (1950, Boulevard der Dämmerung), Michael Andersons
"Around the World in 80 Days"1) (1956, In 80 Tagen um die
Welt)
oder Richard Lesters "A Funny Thing Happened on the Way to the
Forum"1) (1966, Toll trieben es die alten Römer) hier mimte er
den römischer Senator "Erronius", neben "The Scribe"
Keatons letzte Arbeit für den
Film.
1957 wurde bei der "Paramount" von Sidney Sheldon ein Spielfilm über sein Leben unter dem
Titel die "Buster-Keaton-Story" gedreht, doch wurde dieser Streifen in einen Nachruf der
"Times" als "ein ungenauer und schäbiger Tribut Hollywoods
an einen seiner besten Komödianten" gewertet. Keaton selbst hatte dafür 50.000 Dollar erhalten
und soll zur Bedingung gemacht haben, dass er das Drehbuch nicht lesen müsse. Anfang 1962 kam
Keaton auch in die Bundesrepublik, um hier seinem 1926 gedrehten Stummfilm "Der
General" Starthilfe zu geben.
Einer seiner letzten größeren Filme war Stanley Kramers "It's a Mad Mad Mad Mad World"1) (1963,
Eine Total, total verrückte Welt),
wo er den Bootmann Jimmy mimte. Seinen letzten großen Triumph erlebte
Keaton im September 1965, als ein zwanzigminütiger Kurz-Stummfilm Samuel Becketts unter dem Titel
"Film"1) mit Buster Keaton bei den Filmfestspielen
in Venedig gezeigt wurde.
Besonders gelungen ist auch die Dokumentationen "Buster Keaton:
Lachen verboten!" (Buster Keaton: A Hard Act to Follow), ein Porträt
des Filmhistorikers Kevin Brownlow1)
sowie David Gill: Die insgesamt etwa 150 Minuten umfassende
Fernseh-Dokumentation beinhaltet, neben Interviews mit Buster Keaton aus dem
Archiv, Gespräche mit Freunden und ehemaligen Mitarbeitern sowie seiner
Witwe Eleanor. Dank ihres umfangreichen Materials zählt sie zu den
informativsten Porträts von Keatons Leben und Werk.1)
Weiterhin zu nennen ist "Buster Keaton bei der Arbeit" von John Spotton, der Keaton bei
den Drehs zu seiner letzten Produktionen, dem kurzen Werbestreifen "The
Railrodder" zeigt.
Das aufkeimende, neue Interesse an Buster Keaton führte zu einigen Engagements
für Bühnen- und Varietéproduktionen. Unter anderem absolvierte Keaton im prestigeträchtigen
"Cirque Medrano" in Paris einige erfolgreiche Gastauftritte. Auch das Fernsehen entdeckte Keaton neu. Für
"The Buster Keaton Comedy Show" (aufgezeichnet vor Live-Publikum, 1949) und
"The Buster Keaton Show" (1950 1951) spielte Keaton in neuen
Sketchen meist mit seiner Frau. Keaton beendete jedoch diese Reihen
nach kurzer Zeit. Es folgten Gastauftritte in Talk-Shows, Serien und anderen Sendungen (unter anderem in
"Candid Camera", der Originalversion von Vorsicht Kamera). Auch im Bereich
der Werbung taten sich für Buster Keaton neue Betätigungsfelder auf. So wurde er Star
einiger Industriefilme und drehte zwischen 1956 und 1964 Fernseh-Werbespots für Colgate, Alka-Seltzer, 7-Up,
Ford, Milky Way, Budweiser und andere.1)
Am 1. Februar 1966 starb Buster Keaton mit 70 Jahren in seinem
Heim in Woodland Hills an Lungenkrebs. Bereits 1959 hatte man seine
Leistungen mit einem "Ehren"-Oscar für seine Verdienste um die Filmkomödie
gewürdigt. Die letzte Ruhe fand der legendäre Mime auf dem auf dem
"Forest-Lawn-Friedhof" in Hollywood → Foto der Grabstelle bei
Wikimedia Commons.
Als außergewöhnlich und innerhalb der Stummfilmära einzigartig gilt Keatons zitiertes Poker-Face (auch
"Stoneface", "Frozen Face" oder "Deadpan"), das er als Markenzeichen
mit Beginn der Produktion der eigenen Filme etablierte. Der Vergleich zu den
emotionslosen Objekten und Maschinen, mit denen er sich umgibt, drängt sich auf.
Doch bedeutete dieser unbewegte Gesichtsausdruck nicht, dass Keaton ausdruckslos gewesen war. (
) Neben seinen
markanten, fast unbewegten Gesichtszügen ist Keaton für seine aufwendigen Stunts berühmt,
die einen großen Teil seiner visuellen Komik ausmachen: Beispielsweise seine
"prat falls", slapstickartige Stürze, bei denen Keaton, kaum kommt er
mit dem Kopf am Boden an, praktisch nochmals um sich selbst wirbelt.
Diese akrobatische Art des Aufprallens demonstriert und variiert Keaton
in so gut wie allen seinen Komödien. Als er auf Langfilme wechselte, wurden
seine Stunts noch anspruchsvoller und entsprechend risikoreich. Legendär wurde
die Wirbelsturm-Sequenz in
"Steamboat Bill Jr.", während der eine Hausfassade auf Buster kippt,
und dieser nur durch ein kleines Giebelfenster verschont bleibt. Eine Abweichung
seiner Position nur um ein paar Zentimeter hätte verheerende Folgen gehabt. (
) Im Gegensatz zu
Chaplin, der gern romantische Liebesgeschichten erzählte und Frauen bewusst als idealisiertes Sehnsuchtsobjekt
in Szene setzte, sind die Frauen in Keatons Filmen dem männlichen Helden ebenbürtig. (
) Anders als Chaplin
setzt Keaton Pathos nur zur Parodie ein.1)
Von Eleanor Keaton stammt das englischsprachige Buch "Buster Keaton Remembered",
welches Keatons dritte Frau in Zusammenarbeit mit dem Filmhistoriker Jeffrey Vance
schrieb, der das Werk nach dem Tod von Eleanor Keaton (im Jahre 1998)
vollendete und 2001 veröffentlichte. Die reich bebilderte Biografie
zeichnet den Weg des Ausnahmekomikers von den Anfängen bis hin zu seiner
Karriere als Stummfilmstar nach und gewährt auch Einblicke in das
Privatleben. Der Finne Kari Hotakainen brachte 2001 das Buch "Buster Keaton. Leben und Werke"
auf den Markt. Auf trockenkomische Art lässt Hotakainen Keatons Eltern,
Sohn und Ehefrau, diverse Filmgrößen und natürlich ihn selbst auftreten,
und sie alle erinnern sich
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