1933 folgte unter
der Regie von Gustav Machatý der Film, welcher der knapp 18-Jährigen weltweiten Ruhm,
aber auch einen zweideutigen Ruf einbrachte, "Ekstase"1)
hieß der für damalige Verhältnisse
Aufsehen erregende, tragisch endende Streifen. Die deutsch-tschechische
Produktion wurde wegen einiger aus
heutiger Sicht harmloser Nacktszenen zum Skandal. Er
erzählte die Geschichte eines jungen Mädchens, welches mit einem
kaltherzigen, seelisch grausamen Mann (Zvonimir Rogoz) verheiratet ist und sich dann in einen
Ingenieur (Aribert Mog) verliebt. In der Rolle irrte die Lamarr zehn Minuten lang auf der Suche nach
ihren Kleidern durch den Wald und gab sich
ihrem Liebhaber hin. Die Szene machte Kinogeschichte, löste einen ungeheuren Eklat
aus. Das Ehedrama wurde in etlichen Länder der Welt verboten oder gelangte nur in einer stark
zensierten Fassung zur Aufführung. In Deutschland konnte der Film erstmals am 8. Januar 1935 in gekürzter und zensierter
Fassung unter dem Titel "Symphonie der
Liebe" in den Berliner Lichtspielhäusern "Ufa-Theater"
(Friedrichstraße/Kurfürstendamm) gezeigt werden, versehen mit der
Warnung "Dieser Film ist jugendverderbend".
Ausstellung "Hommage á Hedy
Lamarr" im
Wiener "Imperialkino" (06.07.199913.06.1999)
Abbildung Werbeplakat mit freundlicher Genehmigung
der Österreichischen
Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Körperschaft: Filmarchiv Austria, Datierung 1999
© Filmarchiv Austria/ ÖNB
Wien; Bildarchiv Austria
(Inventarnummer PLA16391243) |
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Als Hedy Kiesler wenig später 1933 den reichen Wiener Waffenfabrikanten
und Nazi-Sympathisanten Fritz Mandl1)
(1900 1977) heiratete, der als Generaldirektor
der "Hirtenberger Patronenfabrik"1) einem der damals weltgrößten Rüstungskonzerne
vorstand, versuchte dieser sämtliche Kopien des "anrüchigen" Streifens
aufzukaufen. Sogar Benito Mussolini1) soll im Besitz einer Kopie gewesen sein,
sich aber geweigert haben, diese herauszugeben. Letztlich gelang es Mandl
nicht, alle Vervielfältigungen aus dem Verkehr zu ziehen, denn noch heute
existieren einige Kopien.
1937 wurde die Situation in Österreich für die Jüdin Hedy Kiesler immer unerträglicher,
das Land stand kurz vor dem Anschluss durch die braunen Machthaber.
Zunehmend abgestoßen vom Nationalsozialismus verließ sie ihren tyrannischen Mann,
der sie wie in einem goldenen Käfig gehalten hatte, emigrierte nach Paris, dann über
London nach Hollywood, wo sie von MGM1) einen
Zehn-Jahresvertrag erhielt und nunmehr unter dem Namen Lamarr als
"schönste Frau der Welt" angekündigt wurde.
Den Künstlernamen
"Lamarr" hatte sie in Erinnerung an den verstorbene Stummfilmstar Barbara La Marr1)
(1896 1926) angenommen. MGM-Studiomogul Louis B. Mayer1)
(1885 1957) zeigte sich beeindruckt von ihrer
Erscheinung, ließ sie aber wissen: "Ich habe 'Ekstase' gesehen. Mit so einem Zeug
kommt man in Hollywood nicht
durch. Niemals. Der Hintern einer Frau ist für den Ehemann, nicht für die
Zuschauer", so Hedy Lamarr in ihrer 1966 erschienenen Biographie
"Ecstasy and Me".
Hedy Lamarr (Hedy Kiesler) um 1931
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen
Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Körperschaft: Wide World Photo; Datierung: um 1931
© ÖNB
Wien; Bildarchiv Austria (Inventanrnummer
Pf 44132:D (4)5) |
1938 gab sie ihr Leinwanddebüt in den USA in John Cromwells
Melodram "Algiers"1) mit
Charles Boyer als Partner und ein Jahr später folgte
die Romanze "Lady of the
Tropics"1) (Lady in den Tropen) mit Robert Taylor. Bereits mit ihrem ersten Film war es ihr gelungen,
die Vorherrschaft der Wasserstoffblondinen ŕ la Jean Harlow zu durchbrechen
und einen neuen Frauentypus im amerikanischen Film zu etablieren den der
eleganten und unterkühlten Dunkelhaarigen.
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Die Lamarr spielte in über 25 Filmen etliche Traumfrau-Glamourrollen
an der Seite der Stars jener Jahre,
unter anderem 1940 in "Boom Town"1)
("Der Draufgänger") mit Clark Gable und
Spencer Tracy,
1941 in "Ziegfeld Girl"1)
("Mädchen im Rampenlicht") mit James Stewart
und Judy Garland
oder 1949 zusammen mit Victor Mature in ihrem ersten Farbfilm, dem von
Cecil B. DeMille1) in Szene
gesetzten Bibel-Spektakel "Samson und
Delila"1), welches der größte kommerzielle Erfolg ihrer Karriere wurde.
Bis Ende der 1950er Jahre blieb Hedy Lamarr eine gefragte
Leinwanddarstellerin, hatte aber
keine glückliche Hand bei der Auswahl ihrer Rollen so lehnte sie
beispielsweise ab, in
dem zum Kultklassiker avancierten Melodram "Casablanca"1) zu spielen.
Lamarr, die einmal meinte "Jedes Mädchen
kann bezaubernd sein; alles was es tun muss, ist still zu stehen
und ein wenig dumm zu schauen", blieb dem Klischee der schönen Frau
verhaftet, bis auf eine Rolle in dem Film noir "A Lady Without Passport" (1950), in dem sie eine vor den Nazis geflohene Österreicherin darstellte.
Hedy Lamarrs glanzvoll begonnene Laufbahn war nach rund zehn Hollywoodjahren 1957 so gut wie
beendet. Zwischen 1949 und 1957 drehte sie nur noch sechs Filme, ihre letzte Rolle
hatte sie in dem Drama "The Female Animal", in dem sie eine alternde Film-Diva
mimte → Übersicht Kinofilme.
Hedy Lamarr um 1960
Foto mit freundlicher Genehmigung der
Österreichischen
Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber/Autor: Alfred Cermak → Bildarchiv
Austria;
Datierung: um 1960;
© Alfred Cermak/ ÖNB
Wien;
Bildarchiv Austria (Inventarnummer CE 38/5)
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Ein Comeback-Versuch Mitte der 1960er Jahre scheiterte,
als sie am 28. Januar 1966 in Los Angeles wegen eines angeblichen
Ladendiebstahls verhaftet wurde. Vor Gericht wurde sie zwar freigesprochen, doch sie verlor
ihre Rolle in dem Thriller "Picture Mommy Dead"1) (1966, "Das Kabinett der blutigen Hände"), für den sie als Hauptdarstellerin vorgesehen gewesen
war der Part ging an Zza Zza Gabor.
Die Schauspielerin machte überhaupt viel durch ihr Privatleben respektive
ihre Affären und Ehen von sich reden;
der zweite
ihrer sechs Ehemänner war der Autor Gene Markey2)
(1895 1980), den sie 1939 geheiratet hatte und von dem
sie nach kurzer Zeit 1941
wieder scheiden ließ. Ehemann Nummer drei war von 1943 bis 1947
der in London geborene Schauspieler John Loder1) (1898 1988). Es folgte 1951 die Ehe mit dem Musiker
und Bandleader Teddy Stauffer1)
(1909 1991), diese Verbindung dauerte bis 1952. Ein Jahr später heiratete der Star den
Texas-Ölmillionär W. Howard Lee
und lebte bis zur Scheidung 1960 mit ihm zusammen. Die letzte und sechste Ehe
ging Hedy Lamarr 1963 mit dem Anwalt Lewis J. Boies ein; auch diese Ehe hielt nur
zwei Jahre und wurde 1965 geschieden; als Scheidungsanwalt fungierte
Boies selbst. Die Schauspielerin hatte
drei Kinder: Der älteste Sohn James (* 09.01.1939) wurde von
Hedy Lamarr Ende der 1930er Jahre während ihrer Ehe mit Gene Markey adoptiert.
Zwei weitere Anthony (* 01.02.1947) und Denise (* 19.01.1945)
stammen aus ihrer Ehe mit John Loder. Anthony Loder studierte Theaterkunst an
der UCLA, gründete 1982 eine Firma, mit der er Kommunikations- und Videoüberwachungssysteme
in den Villen zahlreicher Hollywoodstars installierte. Anthony hat sieben Kinder und fünf Enkelkinder.
Er lebt mit seiner Frau in Los Angeles und schrieb 2012 zusammen mit dem deutschen Journalisten Jochen Förster
ein Buch über seine Mutter, das 2014, zu ihrem 100. Geburtstag,
in einer revidierten Neuausgabe erschien.3) Die reich bebilderte Biografie "Hedy Darling" mit dem Untertitel
"Das filmreife Leben der Hedy Lamarr erzählt von ihrem Sohn" war
bereits Mitte Oktober 2012 erstmals publiziert worden. "Der Autor Jochen Förster
sprach in Los Angeles wochenlang mit dem Mann, der über die Lamarr so viel weiß wie niemand sonst mit ihrem Sohn Anthony Loder.
Gemeinsam zeichneten sie das Porträt einer Leinwand-Göttin, die in Vergessenheit geraten ist. Eine Frau, die so schön war,
dass ihr nicht nur Clark Gable oder Pablo Picasso1) zu Füßen lagen. Eine Frau, die ihrer Zeit
weit voraus war und daran scheiterte. Sie erzählen von Aufstieg und Fall, von Sex, Glamour
und Dunkelheit. Bislang unveröffentlichte Familienfotos, Briefe und Geschichten
gewähren sehr persönliche Einblicke in ein filmreifes Leben und die schillerndste Epoche
Hollywoods" konnte man beim "Ankerherz
Verlag" lesen → welt.de
sowie den Artikel
zu Anthony Loder bei rp-online.de.
Nicht nur als Filmschauspielerin wurde Hedy Lamarr bekannt, sondern zusammen
mit dem Avantgarde-Komponisten George Antheil1)
(1900 1959) als Miterfinderin eines
Steuersystems für Torpedos, das noch heute für die moderne
Kommunikationstechnik große Bedeutung hat.
Als Ehefrau des Waffenproduzenten Mandl lente sie als junge Frau Planungen und Produktion von ferngesteuerten Torpedos kennen, die
jedoch nie zur Ausführung gekommen waren, weil sich die Steuerung über Funk
als zu anfällig für Störungen erwiesen hatte. Sie
kam auf die Idee, das Steuerungssignal dieser Torpedos über
mehrere Frequenzen zu verteilen und so vor Störungen durch den Feind zu
sichern, lediglich die Synchronisierung des Signals beim Sender und Empfänger
musste gelöst werden. Durch gemeinsame Freunde lernte die Lamarr 1940 George Antheil
kennen, dem sie von ihrer Idee erzählte und
gemeinsam konstruierten beide eine Vorrichtung, mit der das Signal synchronisiert werden konnte.
Antheil hatte erkannt, dass sich das Prinzip des automatischen Klaviers,
das mittels einer Art Lochstreifen gesteuert
wurde, für die Synchronisierung nutzen ließt. Es entstand der
Entwurf für ein Torpedolenksystem auf 88 Frequenzen entsprechend
den 88 Tasten der Klaviatur.
Im Dezember 1940 wurde die Erfindung bei dem "National Inventors Council"
eingereicht und fand die Unterstützung des Vorsitzenden dieses halbmilitärischen
Erfinderverbandes. Das Torpedoleitsystem wurde weiterentwickeln und am 11. August 1942
patentiert. Unmittelbar darauf stellten Lamarr und Antheil ihr Patent der
"US Army"
zur Verfügung, die zu diesem Zeitpunkt bereits aktiv in den Krieg eingetreten war.
Letztlich wurde das "Secret Communication System" von der amerikanischen
Armee während des 2. Weltkrieges
jedoch nicht eingesetzt, da die Erfindung ihrer Zeit weit voraus war.
Erst Mitte der 1950er Jahre wurden im Auftrag der
"US Navy" Sonarbojen zur akustischen Ortung von U-Booten entwickelt, die
auf dem von Lamarr und Antheil entwickelten Fernsteuerungssystem basierten.
Die
heutige High-Tech-Industrie setzte auf dem Funksystem auf und verwendet "Frequency
Hopping" für Mobiltelefone, Funknetzwerke und Satellitenkommunikation. In Anerkennung
ihrer technischen Leistung
wurden Hedy Lamarr und der 1959 verstorbene George Antheil in den USA mehrfach
ausgezeichnet; als man die Erfinderin 1998 auf einem Kongress ehrte, ließ sie
nur grantig übermitteln:
"Das wurde auch langsam Zeit." Beide haben aus ihrer Leistung keinerlei
materiellen Gewinn ziehen können. 1959 lief die Geltung des Patents aus,
dessen kommerzielle Nutzung damals noch lange nicht in Sicht war.
1966 publizierte Hedy Lamarr das als Autobiographie deklarierte Buch "Ecstasy and Me",
welches für erhebliches Aufsehen sorgte. Die Veröffentlichung enthält hauptsächlich Tratsch
und Klatsch aus Hollywood und ergeht sich in einer Aneinanderreihung von Hedy Lamarrs
Bettgeschichten; ein Buch, das bezeichnenderweise ihre Bedeutung für die
Informationstechnologie mit keinem Wort erwähnt.
Die Lamarr fühlte sich durch die Publikation in ihrem Ansehen geschädigt und
verklagte Ghostwriter und Verlag wegen unrichtiger Darstellungen,
doch der Imageschaden erwies sich als nicht behebbar. Mit einer
Unzahl von Prozessen, die sie gegen den Verfasser ihrer Biografie, diverse Ehemänner
und die Software-Firma Corel bis weit in die Achtziger führte,
verbaute sie sich die Rückkehr nach Hollywood schließlich endgültig.
Der alternde Star begann sich ab den frühen 1970er Jahren immer mehr aus
der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Sie übersiedelte von der Westküste nach New York und
von dort in den 1980er Jahren weiter nach Miami.
Zuletzt ließ sie sich in der Nähe von Orlando nieder, wo sie bis zu ihrem Tod am 19. Januar 2000
im Alter von 86 Jahren in einem Seniorenheim in Altamonte Springs1) (Florida) fast völlig verarmt und abgeschottet
von der Öffentlichkeit lebte.
1999 war ihr Sohn bei der Eröffnung der Ausstellung "Hommage á Hedy
Lamarr" in der "Kunsthalle Wien" zugegen, wo er betonte, dass seine Mutter sich
trotz ihrer US-Einbürgerung immer als Österreicherin gefühlt habe.
Es soll Lamarrs letzter Wille gewesen sein, dass ihre Asche im Wienerwald1)
verstreut wird. Zum Teil entsprachen ihre Kinder Anthony Loder und Deedee Loder diesem Wunsch, indem sie
einige Jahre nach Lamarrs Tod die Hälfte der Asche im Grüngebiet
"Am Himmel" verstreuten, das sich am Pfaffenberg1), am Stadtrand von Wien, im nördlichen Wienerwald befindet.
Die Szene wurde Teil des Films
"Calling Hedy Lamarr". Anthony Loders Anliegen, die restliche Asche seiner Mutter
möge in einem Ehrengrab der Stadt Wien beigesetzt werden, wurde 2014 realisiert: Am 7. November 2014 wurde
ihre Urne auf dem "Wiener Zentralfriedhof"1) in Gruppe 33 G, Grab Nr. 80, unweit der
zentral gelegenen Präsidentengruft bestattet.3)→ Foto der Grabstelle bei
Wikimedia
Commons sowie knerger.de.
2004 brachte der Regisseur und Produzent Georg Misch1)
den Dokumentarfilm "Calling
Hedy Lamarr"1) heraus. Der Film erzählt das Lebendes
einstigen Filmstars als eine Mischung aus modernen Mythen, konstruierten Legenden und wahren Geschichten
und betrachtet die Hollywood-Diva vornehmlich aus der Perspektive ihres Sohnes Anthony Loder, eines mittelmäßig
erfolgreichen Telefonhändlers aus Los Angeles, der sich verzweifelt als Hollywood-Produzent eines Spielfilms
über das Leben seiner Mutter versucht. In seinen Recherchen stößt er auf widersprüchliche Aussagen und phantastische Theorien.4)
Ein weitere Dokumentation ist "Hedy Lamarr Secrets of a Hollywood
Star"5) (2005) von Donatello Dubini1),
Fosco Dubini1) und
Barbara Obermaier;
mehr bei realfictionfilme.de.
Um ihre Leistungen auch als Erfinderin zu würdigen, wurde von der
Stadt Wien der "Hedy-Lamarr-Preis" im Wert von 10.000 Euro
ausgelobt, der jährlich an österreichische Wissenschaftlerinnen für
innovative Leistungen in der IT vergeben wird. Erstmals erhielt die
Auszeichnung am 4. Oktober 2018 die Salzburger Forscherin Verena Fuchsberger-Staufer1)
für ihre "außergewöhnlichen Leistungen auf dem Gebiet der
Informationstechnologie" → wien.orf.at.
Im Wiener Gemeindebezirk Meidling1)
erinnert der "Hedy-Lamarr-Weg" an eine legendäre Künstlerin, die
sich auch als Erfinderin einen Namen machte.
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