Sidney Poitier wurde am 20. Februar 1927 als siebtes und jüngstes Kind eines armen
Farmers in Miami1) (Florida geboren,
als seine Eltern gerade dort zu Besuch waren. Das bescheidene Einkommen
seines Vaters reichte kaum dazu aus, um Frau und Kinder zu ernähren. Poitier
verbrachte seine Jugend auf Cat Island auf den Bahamas1), besuchte die "Western Senior
High School" und später die "Governor's High School" in
Nassau. Früh musste er die Schule verlassen und da sein Vater die Farm nicht
mehr halten konnte schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch, arbeitete auf dem Bau und als Packer im Hafen. Als
15-Jähriger
kehrte er nach Miami zurück und machte die ersten rassendiskriminierenden
Erfahrungen. Nach Voranzeichen des Ku-Klux-Klan floh Sidney Poitier 18-jährig nach New York, wo er sich als Tellerwäscher und Parkboy
durchschlug; dann
meldete er sich freiwillig zur Armee.
Nach seiner Entlassung bewarb er sich 1945 beim "American Negro
Theatre", fiel jedoch beim Vorsprechen wegen seines "schrecklichen westindischen Akzents"
durch und arbeitete
zunächst als Kulissenschieber und Pförtner, schließlich übertrug
man ihm erste kleinere Rollen. In einer von ihnen wurde er von einem der
Regisseure entdeckt, der ihm sein erstes Broadway-Engagement
verschaffte und bereits kurze Zeit später stand er dort als Bote Polydorus in
dem nur mit Schwarzen besetzten Schauspiel "Lysistrata"1) von Aristophanes
auf der Bühne. Anschließend ging er mit dem erfolgreichen Drama "Anna Lucasta"
von Philip Yordan1) auf Tournee und wurde innerhalb kurzer Zeit bekannt.
Sidney Poitier am 2. August 2009 anlässlich der Verleihung der
"Presidential Medal of Freedom"1) durch
Barack Obama1)
Urheber: Das Weiße Haus1); Quelle: Wikimedia
Commons
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Erste Erfahrungen vor der Kamera sammelte Poitier mit dem Dokumentarfilm des "US Army
Signal Corps" (1949), ein Jahr später erhielt er neben Richard Widmark seine erste wichtige
Kinorolle als farbiger Arzt Dr. Luther Brooks, der in dem Streifen "No Way Out"1) (Der Hass ist blind)
in Rassenunruhen verwickelt wird. Wenig später verkörperte er in Zoltan Kordas
Melodram "Cry the Beloved Country" (1952, Denn sie sollen getröstet werden)
einen anglikanischen Priester in
Südafrika. Nach den Produktionen "Red Ball Express" (1952, Unternehmen Rote Teufel)
und "Go, Man, Go!" (1953, Artisten des Sports) konnte Poitier einen ersten internationalen Erfolg als
aufsässiger Schüler Gregory Miller, der seinem neuen Lehrer (Glenn Ford) das Leben schwer
macht, in Richard Brooks' Literaturadaption "Blackboard Jungle"1) (1955, Die Saat der
Gewalt) verzeichnen. Martin Ritt besetzte ihn in dem Sozialdrama "Edge of the City"1)
(1957, Ein Mann besiegt die Angst), in dem Poitier als junger
Gangster Tommy Tyler von seinem rassistischen Kumpel halb totgeschlagen und von einem anderen gespielt von
John Cassavetes1) gerettet wird.
In den folgenden Jahren trat Sidney Poitier hauptsächlich in engagierten,
aber dennoch gewinnbringenden Kinofilmen auf und wurde so zum begehrtesten und
einzigen farbigen Darsteller, den Hollywood in den 1950er Jahren als Star
akzeptierte. Für die eindrucksvolle Verkörperung des Kettensträflings Noah Cullen
neben Tony Curtis in Stanley Kramers "Oscar"-prämierten
Geschichte "The Defiant Ones"1)
(Flucht in
Ketten) erhielt Poitier 1958 eine
"Oscar"-Nominierung sowie den "Silbernen Bär"1)
als "Bester Schauspieler" auf der "Berlinale"1) in Berlin. Ein Jahr später
gestaltete er die männlichen Titelrolle des Porgy in Otto Premingers erfolgreichen
Verfilmung der gleichnamigen
Oper1) von George Gershwin "Porgy and Bess"1) und gehörte
damit endgültig zur ersten Garde der Hollywood-Schauspieler. Nach weiteren
Produktionen wie "Paris
Blues"1) (1960, Paris
Blues) oder "A
Raisin in the Sun"1) (1961, Ein Fleck in der Sonne) sorgte
Poitier 1963 mit
seiner Rolle des unberechenbaren und charmanten Wanderarbeiters Homer Smith in
der Komödie "Lilies of the Field"1)
(Lilien auf dem Felde), die Ralph Nelsons nach dem gleichnamigen Roman von William E. Barrett1)
gedreht hatte, für eine weitere Überraschung: Die Kritiker lobten,
dass Poitier die "gespielte Figur als Individuum statt als Farbigen
zeigt". Der Lohn für seine herausragende Leistung war ein "Oscar"1) der erste, der je
an einen schwarzen Darsteller verliehen
wurde. Für diese Rolle des jungen Baptisten, der fünf deutschen
Ordensschwestern auf einer einsamen Farm im Süden der USA eine Kirche errichtet,
wurde er zudem mit einem "Golden
Globe"1) sowie erneut anlässlich
der "Berlinale"1)
mit einem "Silbernen Bär" belohnt.
Viele der Filme, denen Poitier seinen Stempel aufdrückte, wurden zu
Kinohits, der Mann mit der stattlichen Erscheinung zählte Ende der 1960er Jahre
zu den höchstbezahlten Leinwanddarstellern der Welt. 1966 zeigte er
sich als Londoner Lehrer in
James Clavells Romanverfilmung "To Sir, with Love"1) (Junge Dornen), in Norman Jewisons
Thriller "In The Heat of the Night"1)
(In der Hitze der
Nacht) machte er 1967
als Großstadt-Detektiv Virgil Tibbs Furore wohl eine seiner bekanntesten
und beliebtesten Rollen neben Gegenspieler Rod Steiger
als örtlichem Polizeichef William Gillespie, der einen Mordfall in einer Kleinstadt im vom Rassismus geprägten Süden
aufgeklärt zu haben meint. 1970 folgten die Fortsetzungen "They Call Me MISTER
Tibbs!"2) (Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs) und 1971 "The Organization"2)
(Die Organisation), wiederum mit
Rod Steiger als Antagonist. Der fanatisch-bornierte
Polizeichef aus Sparta und der versierte Detektiv aus
Philadelphia, die in einem Mordfall zusammenarbeiten müssen,
empfinden von der ersten Sekunde an eine unüberwindliche Abneigung
gegeneinander. Aber sie lernen diese allmählich zu überwinden,
beginnen sich gegenseitig zu achten und schließlich sogar zu schätzen.
1967 trat Poitier neben Spencer Tracy und
Katherine Hepburn in Stanley Kramers
Komödie "Guess
Who's Coming to Dinner"1) (Rat mal, wer zum Essen
kommt) als dunkelhäutiger Verlobter einer Weißen in Erscheinung, was zu einiger Verwirrung führt.
In dieser letzten gemeinsamen Arbeit des Hollywood-Traumpaares
Hepburn/Tracy (Tracy starb zwei Wochen nach Ende der Dreharbeiten an einem Herzinfarkt)
war Poitier ein junger Arzt, der mit seiner weißen Verlobten (Katherine Houghton1)) zu einem Besuch bei
ihren Eltern eingeladen ist. Hepburn und Tracy verkörpern ein reiches, liberales Ehepaar, dessen Werte
durch diese unvermittelte Konfrontation auf eine harte Probe gestellt werden.
Mit dem Western "Buck and the Preacher" (Der Weg der Verdammten) wechselte Sidney Poitier
1972 ins Regiefach und stand zum ersten Mal gemeinsam mit Harry Belafonte vor der Kamera.
Poitier inszenierte weiterhin finanziell so erfolgreiche Filme wie "Let's
Do it Again"1) (1975, Dreh'n wir noch ein Ding) und "A Piece of the
Action" (1980, Ausgetrickst), in denen er auch jeweils die Hauptrolle übernahm.
Bis 1987 arbeitete Poitier fast ausschließlich als Regisseur, erst 1988
hatte er als FBI-Agent Warren Stantin in Roger Spottiswoodes "Shoot to Kill"1) (Mörderischer
Vorsprung) sowie Richard Benjamins Spionagethriller "Little Nikita"1)
sein Comeback als
Schauspieler und erntete weltweit herausragende Kritiken.
1992 folgt die Rolle des Ex-CIA-Mannes Crease in Phil Alden Robinsons Computer-Thriller
"Sneakers Die Lautlosen"1) (mit
Robert Redford und
Ben Kingsley), 1996/97 entstand der
Fernsehfilm "Mandela and De Klerk" (Mandela und de Clerk Zeitenwende), in dem Poitier
überzeugend den berühmten südafrikanischen Anti-Apartheid-Kämpfer und
Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela1) verkörperte,
Michael Caine stellte
Frederik Willem de Klerk1) dar. 1997 war
Poitier als FBI-Agent Carter Preston in
Michael Caton-Jones' Actionthriller "The Jakal"1) (Der
Schakal) an der Seite von Bruce Willis1) und
Richard Gere zu
sehen, gedreht nach dem gleichnamigen Roman von Frederick Forsyth1).
Anschließend spielte Poitier fast ausschließlich in TV-Produktionen mit und übernahm eher
sporadisch Aufgaben für das Kino. So brillierte er 1999 als alter schwarzer
Zimmermann Noah Dearborn in Gregg Champions "The
Simple Life of Noah Dearborn"1)
(Das Leben ist was
Wunderbares). Zu seiner letzten Arbeit vor der Kamera
zählt, erneut unter der Regie von Gregg Champion, der TV-Film "The
Last Brickmaker in America" (2001, Der letzte Backsteinmacher von Amerika),
eine Familiengeschichte, die
ganz auf Hauptdarsteller Poitier zugeschnitten war → Übersicht Filmografie.
Die Liste der Auszeichnungen, die der charismatische Poitier im Laufe seiner
langen Karriere für seine herausragenden schauspielerischen Leistungen
entgegennehmen konnte, ist lang: Neben dem "Oscar" als "Bester Hauptdarsteller" in "Lilien auf dem Felde"
sowie den anderen erwähnten Preisen erhielt er 1992 den "Life Achievement Award"1) des
"American
Film Institute"1). 2002 wurde der große Schauspieler mit
dem "Irving G. Thalberg Award" für sein Lebenswerk
ausgezeichnet und im März des gleichen Jahres erhielt er einem "Ehrenoscar"1) für
seine
Verdienste um das amerikanische
Kino bzw. für sein Lebenswerk. Poitier werde "für seine herausragenden
Darstellungen, seine einzigartige Erscheinung auf der Leinwand, für die Würde, Intelligenz und den
Stil" geehrt, mit der er die Filmindustrie weltweit repräsentiere,
sagte der damalige Akademiepräsident Frank Pierson1). Seine Ernennung zum "Knight Commander of the Order of the British Empire"1) (1974)
veranlasste Poitier nicht, fortan den Titel "Sir" zu
benutzen, seine sozialen Engagements seien ihm wichtiger, meinte er. 1997 wurde er
zum Botschafter der Bahamas in Japan berufen (19972007),
außerdem war er als Vertreter der Bahamas für die UNESCO tätig
(20022007).
Zu seinen Ehrungen zählt die "Presidential Medal of Freedom"1)
(Freiheitsmedaille),
welche ihm am 12. August 2009 von US-Präsident
Barack Obama1) überreicht wurde.
Zuletzt erhielt Poitier 2016 den Ehrenpreis ("Academy Fellowship")
der "British
Academy of Film and Television Arts"1)
→ Übersicht der Auszeichnungen und Ehrungen bei Wikipedia.
Sidney Poitier konnte bei bester Gesundheit im Februar 2017 seinen 90. Geburtstag im Kreise
seiner Familie begehen. Seit über vier Jahrzehnten war der Vater von sechs Töchtern
in zweiter Ehe mit der Schauspielerin Joanna Shimkus1) verheiratet.
Von 1950 bis 1965 war Poitier mit Juanita Hardy verheiratet; aus dieser Ehe
stammen die Kinder Beverly, Pamela, Sherri und Gina. Am 23. Januar 1976
heirate er Joanna Shimkus, aus dieser Verbindung gingen die Kinder Anika und Sydney
hervor;
die 1973 geborene Tochter Sydney Tamiia Poitier1) hat sich inzwischen zu einer anerkannten Schauspielerin
gemausert, die vor allem im Fernsehen ihren Platz gefunden fand.
Seine Erinnerungen veröffentlichte der Künstler 1980 unter dem Titel
"This Life", mit "The Measure of a Man: A Spiritual Autobiography"
brachte er 2000 eine weitere Autobiografie auf den Markt. Das Buch stand
wochenlang auf der Bestseller-Liste der "New York Times", die von Poitier selbst
gesprochene Audio-Version gewann einen "Grammy Award" als bestes
Hörbuch. In deutscher Übersetzung (von Gabriele Haefs) publizierte der
"Europa Verlag" Hamburg das Werk 2001 unter dem Titel
"Mein Vermächtnis: eine Art Autobiografie": Ein kämpferisches
Leben Sidney Poitier war der erste schwarze Hollywood-Schauspieler, der mit
einem Oscar ausgezeichnet wurde. In einem halben Jahrhundert hat er in mehr
als 40 Filmen gespielt, er hat Regie geführt und Drehbücher geschrieben. Er
hat das Amerika der Rassentrennung und das der Bürgerrechtsbewegung erlebt,
und die gesellschaftlichen Umwälzungen dieser Jahre spiegeln sich in den
Titeln seiner Filme wie "Die Saat der Gewalt" oder "Ein Mann
besiegt die Angst" wider. In "Mein Vermächtnis" zieht der
US-amerikanische Schauspieler die Bilanz eines aussergewöhnlichen Lebens und
stellt die Frage nach persönlicher Integrität und bleibenden Werten in einer
sich ständig schneller verändernden Welt. Ein unprätentiöser,
beeindruckender Lebensbericht eines Mannes, der unglaublich viel erlebt und zu
sagen hat. (Quelle: Klappentext)
Poitier war ein sehr engagierter Schauspieler, nahezu alle Produktionen, in denen er
mitwirkte, sind thematisch bemerkenswert oder bieten darstellerische Herausforderungen. Begeisterte Kritiker haben Sidney Poitier
in früheren Zeiten zwar immer wieder als
"den Negerschauspieler" des internationalen Films bezeichnet,
Poitier selbst war über diese Klassifizierung nie glücklich:
"In ihr liegt eine Begrenzung, eine Einengung aus der ich mich freizumachen
versuche", sagte er einmal in einem Interview zu diesem heute eher
abschätzig klingendem Titel. Am wichtigsten ist seine Pionierleistung
für die afroamerikanischen Stars von heute.
Er war der erste Farbige, der im Film "Rat mal, wer zum Essen kommt" eine Weiße küssen
durfte und brach damit ein Hollywood-Tabu.
Der Ruhm stieg dem Hollywood-Star nie zu Kopf. "Ich versuche immer noch, weiter zu lernen, die Dinge besser zu verstehen und selbst besser zu
werden", war stets seine Devise. "Gesellschaftliche Barrieren habe er wie ein Hürdenläufer überwunden", schrieb
vor Jahren die Tageszeitung "International Herald
Tribune"1).
Mit Sir Sidney Poitier starb am 6. Januar 2022 auf den Bahamas1) im Alter von 94 Jahren einer der ganz Großen der Hollywood-Traumfabrik,
der als erster schwarzer "Oscar"-Preisträger allen nachfolgenden farbigen Kollegen
und Kolleginnen den Weg für eine Filmkarriere bereitete. "Poitier war ein eher sanfter Rebell auf und außerhalb der Leinwand.
Beharrlich, aber nicht tobend kämpfte er gegen die Rassenbarrieren an." vermerkten
unter anderem die "ZDFheute"-Nachrichten in einem Nachruf und die
"Tagesschau" nannte ihn einen "Menschen, der in Amerika vieles
war: Ein Schauspieler, Superstar, ein Brückenbauer zwischen Schwarz und Weiß."
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