Das Elternhaus von Rosa Albach-Retty war musisch geprägt, schon früh wurde
die junge Rosa mit der Musik und darstellenden Kunst vertraut gemacht. Das schauspielerische Handwerk erlernte
sie bei ihrem Vater, der um 1890 an dem von Adolph L'Arronge1) geleiteten
"Deutschen Theater"1) in Berlin engagiert
war. Vom legendären Josef Kainz1) empfohlen,
debütierte Tochter Rosa bereits
mit 17 Jahren am "Deutschen Theater". Sie wirkte Berliner "Lessingtheater"1),
wo sie mit der der Titelrolle in dem Lessing-Lustspieol "Minna
von Barnhelm"1) erste Erfolge
feierte. Auch Hosenrollen wie in der Bühnenversion des berühmten Romans
"Der
kleine Lord"1) oder dem
Shakespeare-Stück "Der
Kaufmann von Venedig"1) gehörten
zu ihrem Repertoire. 1895 wechselte sie nach Wien an das "Deutsche Volkstheater"1),
wo sie unter anderem mit der Titelrolle in dem Kleist-Schauspiel "Das
Käthchen von Heilbronn"1)
brillierte. 1903 berief sie Direktor Paul
Schlenther1) für das Rollenfach der
Naiven an das Wiener "Burgtheater"1)
und dort gab sie ihren Einstand mit der Figur der Suzanne in dem Lustspiel "Die Welt, in der man sich
langweilt"("Le monde où l’on s’ennuie") von Édouard Pailleron1) (1834 1899). Bis zuletzt blieb die
renommierte Bühne ihre künstlerische Heimat, bereits 1905 erhielt sie den Titel
"Hofschauspielerin", 1928 wurde sie zum "Ehrenmitglied"
der ernannt, 1958 gab sie dort ihre
Abschiedsvorstellung.
Rosa Albach-Retty um 1900, fotografiert von Rudolf Krziwanek1)
(18431905)
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber: Rudolf Krziwanek; Datierung: um 1900
© ÖNB Wien, Bildarchiv (Inventarnummer Kor 72A)
|
|
In ihren frühen Jahren glänzte Rosa Albach-Retty meist als jugendlich unbekümmerte Schönheit, so beispielsweise 1908 als
Rahel in dem Grillparzer-Trauerspiel "Die Jüdin von Toledo"1) an der Seite von
Josef Kainz1),
dessen bevorzugte Partnerin sie wurde und mit dem sie auch auf einige
Gastspielreisen ging. Sie beeindruckte unter anderem als Dr. Franz Juras
Ehefrau Delfine in dem Lustspiel "Das Konzert"1) (1919)
von Hermann Bahr1), als Leonore
Sanvitale,
Gräfin von Scandiano, in dem Goethe-Drama "Torquato Tasso"1), als Zofe Nerissa in
Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig", als Roxane in der romantischen Liebesgeschichte "Cyrano de Bergerac"1)
von Edmond Rostand1) oder mit den Titelrollen in
der Tragödie "Fräulein Julie"1)
von August Strindberg1) und der Komödie "Komtesse Mizzi"1)
von Arthur Schnitzler1).
|
|
Anfang der 1930er Jahre wechselte die Schauspielerin im vorgerückten Alter das Rollenfach, verlieh nun Figuren wie
Gretchens Nachbarin Marthe Schwerdtlein in Goethes "Faust"1) oder der
Witwe Frau Marthe Rull in dem Kleist-Lustspiel "Der
zerbrochne Krug"1)
eindrucksvolle Konturen, bewies in vielen klassischen und modernen Werken
ihre schauspielerische Dominanz und facettenreiche Ausdruckskraft. Sie brillierte in Dramen aber vor allem im charakterkomischen Fach, in dem sie
die ganze Bandbreite ihrer darstellerischen Größe unter Beweis stellte. Zu
ihren Glanzleistungen zählten unter anderem die Mutter in dem dramatischem Gedicht "Peer Gynt"1)
von Henrik Ibsen1), eine Rolle, die Rosa Albach-Retty zwischen 1935 und 1952
vielfach verkörperte, weiterhin die Herzogin in dem Lustspiel "Das Glas Wasser"1)
von Eugène Scribe1), die
Gattin des "Michael Kramer"
in dem gleichnamigen
Drama1) von Gerhart Hauptmann1), die Miss Prism in
der Komödie "Bunbury"1)
von von Oscar
Wilde1) oder die Amme in
der Shakespeare-Tragödie "Romeo und
Julia"1).
Rosa Albach-Retty als Rahel in "Die Jüdin von Toledo" von Franz Grillparzer,
aufgeführt 1908 am Wiener "Burgtheater"
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber/Autor: Adolf Bernhard; Datierung: 31.05.1908
© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer
NB 610426 B)
|
Nach Ende des 2. Weltkrieges sah man sie beispielsweise als Frau Andrew in
dem Lustspiel "Major Barbara" von George Bernard Shaw1), als Julia in
der Ehekomödie "Die
Cocktailparty"2) von T. S. Eliot1)
, als Tante in dem spanischen
Stück "Doña Rosita bleibt ledig oder Die Sprache der Blumen"3)
von Federico García Lorca1)
oder in Komödien von Jean Anouilh1),
so als Garderobiere in "Colombe, die weiße Taube" und als Madame Desmermortes in "Einladung ins Schloss". Im Alter von 74 Jahren nahm die Burgschauspielerin 1958 mit
der Rolle der reichen Millionärswitwe Mrs. Ethel Savage in der
amüsanten Geschichte "Eine etwas sonderbare Dame"4) ("The Curious Savage")
von John Patrick1) Abschied vom Theater, blieb
dem "Burgtheater" jedoch als "Ehrenmitglied" weiterhin verbunden.
Im März 1973 feierte Rosa Albach-Retty dann das einmalige Fest der 70-jährigen Zugehörigkeit zum Wiener
"Burgtheater", ein Ereignis,
dass noch nie einem Künstler beim "Burgtheater" vergönnt war. Neben ihrem Titel
"Hofschauspielerin", den sie als letzte Schauspielerin trug,
erhielt Rosa Albach-Retty während ihrer langen Karriere, in der
sie über 300 Rollen gestaltet hatte, zahlreiche weitere
Auszeichnungen: Bereits 1955 konnte sie das "Große Ehrenzeichen
für Verdienste um die Republik Österreich"1) entgegennehmen, seit September 1958
war sie die erste Trägerin der von der Stadt Wien gestifteten "Kainz-Medaille"1) und wurde für ihre Darstellung in "Eine etwas sonderbare Dame"
gewürdigt. Sie war Trägerin des "Österreichischen
Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst I. Klasse" (1963) und
des "Großen Silbernen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich" (1977).
Auch der
Professorentitel (1935) gehört zu den Anerkennungen ihrer Lebensleistung
→ Auszeichnungen bei Wikipedia.
Rosa Albach-Retty
Quelle: Wikimedia
Commons:
Scan aus "Spemanns goldenes Buch des Theaters" (1902)
von Wikipedia-Nutzer Goerdten;
Lizenz
zur Veröffentlichung siehe hier
|
|
Zu ihren weiteren Ausflügen auf die
Leinwand zählten kleinere Parts in dem Film noir1) "Abenteuer in Wien"1) (1952)
mit Gustav Fröhlich und
Cornell Borchers,
in der Adaption "Der Verschwender"1) (1953) nach dem
gleichnamigen Zaubermärchen1)
von Ferdinand Raimund1) mit Attila Hörbiger
(Julius von Flottwell/der Bettler),
Maria Andergast
(Kammermädchen Rosa) und
Josef Meinrad
(Valentin) sowie zuletzt Franz Antels1) Remake "Der Kongreß tanzt"1) (1956) mit
Johanna Matz
und Rudolf Prack
→ Übersicht Filmografie.
Rosa Albach-Retty, die ihre letzten Jahre im dem von Kammerschauspielerin Hilde Wagner1) (1904 1992) gegründeten "Hilde-Wagener Künstlerheim" in
Baden bei
Wien1) verbrachte, starb dort am 26. August 1980 im gesegneten Alter von 105 Jahren.
Die letzte Ruhe fand sie in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof1) (Gruppe 32 C, Nummer 50), in
welches nach ihrem Tod ihr 1967 verstorbener Sohn Wolf vom Evangelischen
Friedhof Matzleinsdorf1) überführt wurde; in diesem Grab ruht
zudem Wolf Albach-Rettys zweite Ehefrau Trude Marlen (1912 2005) sowie deren Zwillingsschwester Cecilia Maximiliane Brantley
(1912 1997) → Foto der Grabstelle bei
Wikimedia Commons sowie knerger.de.
DER SPIEGEL (36/1980) vermerkte unter anderem in einem kurzen Nachruf:
"Mühelos und immer erfolgreich schaffte sie in ihrer fast siebzigjährigen Theaterkarriere den Wechsel von der
munteren Soubrette zur eleganten Salondame und später zur alten Frau. (
) Die Doyenne lebte mit diesen Erinnerungen, ihr hohes Alter
und ihre letzten Jahre im Künstlerheim in Baden bei Wien empfand sie eher als Last
("Die Insassen sind nett, aber es sterben zu viel")."
Die von Gertrud Svoboda-Srncik aufgezeichneten Erinnerungen an ihr langes, ereignisreiches
Leben veröffentlichte Rosa Albach-Retty zwei Jahre vor ihrem Tod unter dem Titel "So kurz sind hundert Jahre".
Rosa Albach-Retty im "Burgtheater" anlässlich
der Feier ihres 100. Geburtstages
Foto mit freundlicher Genehmigung der
Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber: Ungenannt; Datierung: 21.12.1974;
© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer FO402563/01)
|
|
Im Klappentext zu diesem Buch, das auch als bedeutendes Dokument zur
Theatergeschichte gewertet werden kann, steht unter anderem: Rosa Albach-Retty wurde
im selben Jahr wie Hugo von Hofmannsthal1) und
Karl Kraus1) geboren. Ein
Dreiviertel-Jahrhundert war sie als Schauspielerin aktiv und absolvierte ungezählte
Gastspiele in Deutschland, Russland, Dänemark, der Schweiz und vor dem Ersten Weltkrieg
in den Ländern der Habsburger Monarchie. Kaum eine Auszeichnung, die sie
nicht erhalten hat, kaum ein Kritiker, der ihr nicht Hymnen gewidmet hätte. Das lange Leben der
Schauspielertochter war und ist nicht das aufwendige Dasein einer Grande Dame,
sondern trotz ihres Erfolges, der ihr aufgrund ihrer großen Begabung,
ihres Temperamentes und ihrer bezwingenden Natürlichkeit schon früh
zuteil wurde das einer bescheidenen Frau, die immer auf dem Boden der
Tatsachen blieb. Nach allen Höhen und Tiefen, die auch ihr nicht erspart blieben,
sagt sie heute: "Ich bin ein fröhlicher und glücklicher Mensch".
Wikipedia notiert:
"Dokumentiert ist die Nähe Rosa Albach-Rettys
zum NS-Regime. Der Anschluss
Österreichs1) an Nazi-Deutschland im Jahre 1938 wurde von ihr in der
"Kleinen
Volks-Zeitung"1) euphorisch kommentiert. Eine Mitgliedschaft Rosa Albach-Rettys in der NSDAP1)
ist nicht erwiesen, jedoch waren sie und ihr Mann fördernde Mitglieder der SS1).
Als großer Publikumsliebling und bekennende Verehrerin Hitlers1) wurde RosavAlbach-Retty von
der NS-Kulturpolitik hofiert und in die sogenannte "Gottbegnadeten-Liste"
der Nationalsozialisten aufgenommen. Das alles tat der Wertschätzung
Albach-Rettys nach dem Ende des NS-Regimes keinen Abbruch, wie die ihr nach 1945 zuerkannten Auszeichnungen belegen."
So wurde der zwischen 1973 und 1975 errichtete Gemeindebau "Rosa-Albach-Retty-Hof"1) im 19. Wiener Gemeindebezirk Döbling1)
nach ihr benannt, eine Gedenktafel erinnert dort an die legendäre
Schauspielerin. Anlässlich des 100. Geburtstages der Künstlerin widmete ihr das
"Kunsthistorische
Museum"1) der Stadt Wien im Jahre 1974 eine Sonderausstellung. In der "Burgtheater"-Galerie,
einer Sammlung von Künstlerporträts im Foyer, hängt ein von Rudolf Zieleisen geschaffenes Ölgemälde → Foto bei
austria-forum.org.
|