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Der
drittgeborene Aslan wurde von
einer Wiener Gouvernante, Fräulein Birn, erzogen, die ihn auch Deutsch lehrte. Mit seiner
Mutter sowie den beiden Brüdern Jean und Frido übersiedelte er 1896 nach Wien, um dort die Schule zu besuchen,
die jüngeren Söhne Marcel, Didier und Guy blieben in
Thessaloniki. Zunächst
ging er in die Volksschule in der
Johannesgasse, wechselte dann im Herbst 1897 an das traditionsreiche "k. k. Staatsgymnasium in der
Fichtnergasse"1). Nach der zweiten
Klasse musste Aslans Mutter den Sohn wegen schlechter Schulerfolge in das Piaristenkonvikt1) nach
Horn1) geben. Aber auch in Horn verbesserten sich seine Leistungen nicht und die 7. und 8. Klasse
besuchte er wieder in der Fichtnergasse, wobei er nach den vorliegenden Quellen die 7. Klasse
wiederholen musste und die Reifeprüfung niemals erfolgreich ablegen konnte.
Schon während der Schulzeit war die Schauspielerei für ihn von besonderem
Interesse und darunter litten seine schulischen Leistungen. Nach einem Vorsprechen bei
dem Schauspieler Adolf von Sonnenthal1)
(1834 1909) empfahl ihn dieser an das "Deutsche Schauspielhaus"1) in Hamburg, wo Aslan ab 1906 als
Volontär Theaterluft
schnupperte sowie Schauspielunterricht bei
Franziska Ellmenreich1)
(1847 1931) erhielt; im selben Jahr debütierte er in
Shakespeares Tragödie "Julius Caesar"1).
Raoul Aslan auf einer Fotografie
von Franz Xaver Setzer1) (18861939);
Quelle: www.cyranos.ch;
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei)
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In den kommenden Jahren sammelte Aslan weitere Bühnenerfahrungen an einigen kleineren
Theatern in der Provinz, bis er 1911 am "Stuttgarter
Hoftheater" die ersten Erfolge verzeichnen
konnte. Der Durchbruch zum gefeierten Charakterdarsteller gelang ihm 1917, als er
am Wiener "Deutschen Volkstheater"1) einen Vertrag erhielt und die Rolle des
Gabriel Schilling in dem Gerhart
Hauptmann1)-Drama "Gabriel Schillings
Flucht" gestaltete. 1920 folgte er einem Ruf Albert Heines an das renommierte
"Burgtheater"1), wo er am 15. Oktober 1920 mit der Titelrolle in
Shakespeares "Hamlet"1) Furore machte.
Rasch avancierte er zum Star der berühmten Bühne, die seine
künstlerische Heimat werden sollte. "Aslan hatte nie ein eng
umschriebenes Fach, sondern spielte von Tragödie bis Farce alles gleich
hinreißend. Betrachtet man die Fülle seiner Rollen zwischen 1920 und 1944 spielte er jährlich
in bis zu zwölf verschiedenen neuen Rollen) so
verwundert nicht, dass er hin und wieder Textschwierigkeiten hatte (die
Anekdoten über seine "Hänger" sind zahllos). Aslan war ein
Meister der Sprechtechnik, der besondere Reiz seiner Sprache bestand in der
mediterranen Sprachmelodie und der Vielsprachigkeit seiner Lebensräume."*)
Raoul Aslan mit Paul Graetz um 1920 in dem Stück "Der Kinderfreund"
von Mechtilde Lichnowsky1)
an den "Kammerspielen" auf einer Fotografie des
Fotoateliers "Zander & Labisch", Berlin
Urheber Siegmund Labisch1) (18631942);
Quelle: www.cyranos.ch;
Angaben zur Lizenz siehe hier
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1929 wurde ihm er als erster den Titel "Kammerschauspieler" (früher "Hofschauspieler")
verliehen, 1946 ernannte man ihn zum "Ehrenmitglied" des
"Burgtheaters, dem er über Jahre nicht nur als Schauspieler sondern
auch als Regisseur und Direktor verbunden war. Letztere Funktion übte er in den schwierigen Nachkriegsjahren bis 1948
aus. Die wenigen in Wien verbliebenen Burgschauspieler hatten sich um den beliebten Mimen geschart, er hatte die
Leitung übernommen und wurde später von den Sowjets darin bestätigt, auch weil er die NS-Zeit hindurch
"aufrechten Antifaschismus" bewiesen hatte, wenn auch offenbar nur im persönlichen Gespräch,
da schriftliche Unterlagen nicht existieren. Das
"Burgtheater" stand wegen Bombenschäden nicht zur Verfügung, und
so schloss Aslan nach vielen Besprechungen und Behördengängen einen Mietvertrag mit dem Besitzer
des "Etablissement
Ronacher"1). Am 30. April 1945 schaffte man es dort, mit Grillparzers
"Sappho"1) die erste
"Burgtheater"-Aufführung nach Kriegsende zu organisieren, zu der der sowjetische Marschall
Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin1) wenn auch verspätet erschien.
Aslans Lebensgefährte Riedl spielte dabei die Hauptrolle des
Phaon.
Raoul Aslan auf einer Fotografie
von Franz Xaver Setzer1) (18861939);
Quelle: filmstarpostcards.blogspot.com
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei)
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Bereits zu Stummfilmzeiten interessierte sich Aslan für das Medium
Film, stand jedoch im Laufe der Jahrzehnte eher sporadisch vor der Kamera. Seinen ersten
Auftritt hatte er 1915 in dem kurzen Streifen "Dämon Spiel",
es folgten stumme Produktionen wie "Das andere Ich" (1918)
oder "Im Schatten des Mächtigen" (1922). Seinen ersten Tonfilm
drehte er mit Regisseur Gustav Ucicky1) und mimte in "Das
Flötenkonzert von Sans-souci"1) (1930) den sächsischen
Staatsmann Heinrich von Brühl1)
an der Seite von Otto Gebühr als der "Alte
Fritz"1). Ucicky besetzte
Aslan in seinem Historienspielfilm "Yorck"1) (1931) über
den von Werner Krauß dargestellten bedeutenden, preußischen Heerführer
Ludwig Yorck von Wartenburg1)
ebenfalls mit einer historischen Figur und ließ ihn in die Uniform des
französischen Marschalls Jacques MacDonald1)
schlüpfen. Kurt Gerron betraute ihn mit der Rolle des Impresario Dr. Urussew
in dem Hans Albers-Krimi "Der weiße Dämon"2) (1932),
in Willi Forsts
Biopic "Leise
flehen meine Lieder"1) (1933) über das Leben des
Komponisten Franz Schubert1) verkörperte
er neben Protagonist Hans Jaray1) den Hofkapellmeister Antonio Salieri1). Danach folgten
in den 1930er Jahren nur noch drei Produktionen, unter anderem der
reißerische Thriller "Unsichtbare Gegner"1) (1933).
Erst in den 1950er Jahren ließ sich Aslan noch einmal für
Filmauftritte überreden, spielte unter anderem in dem Melodram "Das
Licht der Liebe"1) (1954) an der Seite von
Paula Wessely
den Professor de Bréas sowie als Hofkämmerer Rosenberg einen kleinen Part in Karl Hartls Biopic
"Mozart"1) (1955) mit
Oskar Werner.
Bei den Filmen "Götz von Berlichingen" (1955) und
"Wilhelm Tell" (1956) handelt es sich um Aufzeichnung aus
dem "Burgtheater", in Goethes "Götz von Berlichingen"1)
sieht man Aslan neben dem den Titelhelden spielenden Ewald Balser als Kaiser Maximilian,
in Schillers "Wilhelm Tell"1) (ebenfalls mit Balser) als Werner, Freiherr von Attinghausen.
Seit 1914 unterhielt Aslan eine Liebesbeziehung zu seinem Jugendfreund Zeljko Koconda. Im Jahre 1932
lernte er im Wiener "Café Ritter"1) den 20 Jahre jüngeren Schauspieler Tonio Riedl (1906 1995) kennen, 1936 trennte er sich endgültig von Koconda.
Riedl verließ Wien
zeitweise, um selbst Karriere zu machen und spielte nach Kriegsbeginn 1939 in Fronttheatern.
Aslan freundete sich mit dem "Burgtheater"-Direktor Lothar Müthel1) an, der ihn nach Meinung
Lotte Tobischs1), so gut es ging,
deckte. Er spielte Hauptrollen an der "Burg" und schrieb in drei
Jahren knapp tausend fromme und sehnsüchtige Briefe an sein "geliebtes Engerl". Zusätzlich
bemüht sich Aslan erfolglos um eine "UK-Stellung" für Riedl, also Unabkömmlichkeit als
Schauspieler vom Theater, wie er sie selbst innehatte. Nach der Schließung aller Theater 1944
wurde Aslan zum Volkssturm eingezogen und leistete am "Burgtheater"
Luftschutzdienst.
Auch während der Zeit des Nationalsozialismus unternahm Aslan nichts, um seine Homosexualität zu
tarnen, ebenso wenig wie seine Ablehnung des nationalsozialistischen
Systems. Letztere
entfaltete er anscheinend nur im persönlichen Gespräch, denn schriftliche Aufzeichnungen dazu
existieren nicht. Aslan ist, so wie Gustaf Gründgens, einer der wenigen bekannten Homosexuellen,
die in diesen Jahren keine Probleme mit der Obrigkeit bekamen.
Von 1934 bis zu seinem Tod lebte der stets elegant auftretende Aslan zusammen mit Riedl im Dachgeschoss des Hauses
Strudlhofgasse 13. In den letzten Jahren teilten sie sich die Wohnung mit dem Privatsekretär
Hermann Fanslau. Nachdem Aslan am 17. Juni 1958 in seinem langjährigen Urlaubsdomizil Litzlberg,
einem Ortsteil der Gemeinde Seewalchen am
Attersee1), im Alter von 71 Jahren den Folgen eines Herzinfarktes erlegen war,
unternahmen Riedl und Fanslau eine
Weltreise und blieben zusammen.
Die letzte Ruhe fand der mehrfach ausgezeichnete Charakterdarsteller Raoul Aslan auf dem
Wiener Grinzinger Friedhof1) (Gruppe MA, Nummer 24 A) in
einem ihm
ehrenhalber gewidmeten Grab. Sein Lebensgefährte Riedl, den Aslan adoptiert hatte, wurde unter
dem Namen Riedl-Aslan im selben Grab beigesetzt → Foto der Grabstelle bei Wikimedia
Commons.
Im Wiener "Burgtheater" bzw. der "Burgtheatergalerie"3)
(Feststiege) erinnert eine von dem österreichischen Bildhauer André Roder1) (1900 1959)
geschaffene Büste an den legendären Künstler → Foto
bei Wikimedia Commons.
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Auf der Seite der Stadt Wien (www.wien.gv.at)
kann man lesen: "Aslan war ein Meister der Sprechtechnik (sonores, ausdrucksvolles Organ), besaß
eine ungewöhnliche Persönlichkeit, war ein hervorragender Darsteller klassischer Helden- und Charakterrollen
("Nathan", "Geßler", "Götz", "Orest",
"Ödipus", "Franz Moor"), erbrachte aber auch bemerkenswerte Regieleistungen
("Das Salzburger große Welttheater", "Iphigenie auf Tauris"1),
"Torquato Tasso"1)).
Weitere Hauptrollen:
"Coriolanus"1) (1922),
Antonius ("Antonius und Cleopatra"1), 1923), Marquis Posa
("Don Karlos"1), 1926),
Mephistopheles1) (1928), Herzog
("Maß für Maß"1), 1930),
"Othello"1) (1935), Jacques ("Wie es euch gefällt"1), 1936),
Philipp II.
("Don Karlos", 1938), Klemens VIII. ("Heroische
Leidenschaften" von Erwin Guido Kolbenheyer1), 1939),
Faust ("Don Juan und Faust"1), 1941), Bolingbroke
("Das Glas Wasser"1), 1945). (
) In seinen letzten Lebensjahren
sah man Aslan als Questenberg ("Wallenstein"1)), Kalb ("Kabale
und Liebe"1)), Andreas ("Fiesco"1)),
Attinghausen ("Wilhelm Tell"1)) und alten Klingsberg. In der Eröffnungsvorstellung des
"Burgtheaters" am 15. Oktober 1955 spielte er den Horneck in
"König Ottokars Glück und Ende"1); in dieser Rolle ist er auch zum
letzten Mal aufgetreten. Aslan absolvierte zahlreiche Gastspiele im Ausland
und widmete sich auch der Rundfunk- und Filmtätigkeit; in seiner Freizeit
beschäftigte er sich gerne mit religionswissenschaftlichen und
okkultistischen Fragen."
Porträt Raoul Aslan
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen
Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber/Autor: Nicht genannt
© ÖNB/Wien;
Bildarchiv Austria (Inventarnummer
Pf 5198:B (1))
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Und der Historiker Friedrich Weissensteiner1) schrieb in seinem Artikel "Eleganz als Lebensprinzip"
anlässlich des 50. Todestag in der "Wiener Zeitung"1) (14.06.2008)
unter anderem: "Raoul Aslan war eine feinsinnige Künstlernatur, ein kultivierter
und gebildeter Mensch. Der passionierte Raucher und Schöngeist entwickelte
seine Rollen vom Intellekt her, war mit der deutschen und französischen Literatur
eng vertraut und befasste sich intensiv mit philosophischen Fragen. Sein
Lebenskompass war jedoch der christliche Glaube. Jeden Morgen besuchte
er die 7-Uhr-Messe in der Kapelle des Priesterseminars in der Boltzmanngasse (er wohnte in der Nähe);
in seinem Schlafzimmer, dessen Wände Engelsfiguren schmückten, stand ein barocker Betschemel.
Der Gottsucher, der als
"Bruder Michael" dem III. Orden der Franziskaner angehörte, war
unter anderen mit dem Domprediger Diego Götz befreundet, mit dem er tiefsinnige
geistliche Gespräche führte."**)
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