Zunächst von einem Kindermädchen großgezogen, kam die
kleine Sarah mit acht Jahren n ein Mädchenpensionat, zwei Jahre später auf Empfehlung des
aristokratischen Liebhabers ihrer Mutter, dem Duc Charles de Morny1) (1811 1865),
ein Halbbruder Napoleons III.1), auf die renommierte Klosterschule Grandchamps in
Versailles1).
Dieser war es auch, der Sarahs Mutter vorschlug, die inzwischen Vierzehnjährige
Schauspielerin werden zu lassen und verschaffte ihr die Möglichkeit einer
Ausbildung am Pariser Konservatorium1). Im August 1862
gab Sarah Bernhardt, wie sie sich jetzt nannte, an der berühmten "Comédie Française"1)
ihr Bühnendebüt mit der Titelrolle der Iphigenie1)
in der Tragödie "Iphigénie"1) von Jean Racine1).
Aufgrund von
Auseinandersetzungen mit einer jungen Schauspielerkollegin wurde Sarah Bernhardt
jedoch schon nach wenigen Monaten aus der "Comédie Française"
entlassen und spielte in der kommenden Zeit unbedeutende Rollen auf
Provinzbühnen. Eines dieser Engagements führte sie auch nach Brüssel1), von
wo sie schwanger nach Paris zurückkam. Am 20. Dezember 1864 brachte sie ihr einziges Kind,
Sohn Maurice, zur Welt; Vater war der belgische Prinz Henri-Maximilien-Joseph
de Ligne1)
(1824 1871), der auf
Druck seiner adligen Familie von Heiratsabsichten Abstand nahm → Wikipedia französisch).
Sarah Bernhardt 1860, fotografiert von
Gaspard-Félix Tournachon1),
Pseudonym Nadar (1820 1910)
Quelle: Wikimedia
Commons; Lizenz zur Veröffentlichung (gemeinfrei)
siehe hier
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Vier Jahre später gelang Sarah Bernhardt 1868 mit ihrer
Titelrolle
in dem Stück "Kean, ou Désordre et génie" ("Kean oder Unordnung und Genie")
über den berühmten, englischen Mimen Edmund Kean1) von Alexandre Dumas d. A.1)
am Pariser "Odéon"1),
einem Theater in der Nähe des "Jardin du
Luxembourg"1), der
Durchbruch zur gefeierten Schauspielerin. Im selben Jahr trat sie in
dem Vers-Einakter bzw. Lustspiel "Le passant" (dt. "Der
Wanderer") von François Coppée1)
auf und avancierte bald zur wohl berühmtesten
Theater-Heroine des 19. Jahrhunderts. Ihre wunderschöne Stimme,
die Grazie ihrer Bewegungen und ihr feuriges Temperament ließen sie
auch über Frankreichs Grenzen hinweg zur "göttlichen"
Sarah Bernhardt werden. Während des "Deutsch-Französische
Krieges" (1870/71), als alle Theater schließen mussten und
das "Odéon" als Lazarett diente, betätigte sie sich als
Krankenschwester und pflegte verwundete Soldaten. Nach Kriegsende wurde sie
1872 erneut Mitglied der
"Comédie Française" und feierte mit der Titelrolle der Phädra1)
in der Tragödie "Phèdre"1) des französischen
Klassikers Jean Racine1), als Königin
Marie de Neubourg1)
in "Ruy Blas"
(→ Foto bei Wikimedia Commons) und
als Doña Sol in "Hernani", zwei
Dramen von
Victor Hugo"1), einen Triumph nach dem anderen.
Sarah Bernhardt als Protagonistin in "Théodora",
einem
Drama von Victorien Sardou1),
1900 fotografiert von William Downey
(1829 1915)
→ Wikipedia (englisch)
Quelle: Wikipedia
bzw. Wikimedia Commons
Lizenz zur Veröffentlichung (gemeinfrei)
siehe hier
→ ein weiters Foto mit Sarah Bernhardt in diese Rolle bei Wikimedia Commons
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Sarah Bernhardt machte sowohl
die klassischen als auch französische Dramen der Moderne bei
Gastspielreisen rund um den Globus bekannt und nach heutigen
Maßstäben war die Französin ein Kult-Star ihrer Zeit. 1879 gastierte sie mit ihrer eigenen Schauspieltruppe im Londoner "Gaiety
Theatre",
zwischen 1880 und 1881 führte sie eine Tournee durch Südfrankreich, Russland, Italien, Griechenland, Ungarn, die Schweiz,
Dänemark, Belgien und Holland sowie sogar in die USA. Auch in der
"neuen Welt" gestaltete sie in rund 50 Städten ihre wohl berühmteste Rolle die
Titelheldin Marguerite Gautier in "La dame aux camélias"
nach dem gleichnamigen
Roman1) (dt. "Die Kameliendame") von Alexandre Dumas d. J.1).
Nicht nur die hochgestellten Persönlichkeiten jener Ära wie beispielsweise die britische Königin
Victoria1) oder der
russische Zar Alexander III.1) waren Bewunderer der grazilen Schauspielerin,
auch das "einfache" Volk begeisterte sie mit ihrer einmaligen
Darstellungskunst.
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Kurz vor ihrer Abreise nach Sankt Petersburg1)
lernte Sarah Bernhardt den Attaché der griechischen Botschaft, Jacques Damala
kennen, "der sich für begabt genug hielt, um als ihr Bühnenpartner
aufzutreten."2) am 4. April 1882 fand in London die Hochzeit statt. Sarah Bernhardt
eröffnete für ihren Ehemann in Paris ein eigenes Theater; doch schon wenige
Monate später kam es im Dezember 1882 zum Eklat Jacques Damala trennte sich von
seiner Ehefrau und hinterließ ihr ein bankrottes Theater hervorgerufen durch
seine Spielschulden sowie seine Morphiumsucht, die er aus der Theaterkasse
finanzierte. Nach vorübergehender Aussöhnung und erneutem Zerwürfnis starb
Damala 1889 im Alter von 34 Jahren an den Folgen seiner Drogensucht. Um den finanziellen
Ruin aufzufangen, ging Sarah Bernhardt auf eine ausgedehnte Europa-Tournee, in den Jahren 1886/87 und 1888/89 gab sie
erneut Gastspiele in Nordamerika, und zwischen 1891 und 1893 ging sie auf eine Welttournee.
Sehr bewundert wurde sie zudem für ihre Darstellung von Männerrollen, wie 1899 der des "Hamlet"
in der gleichnamigen
Shakespeare-Tragödie1) oder 1901 in der des
Herzogs von Reichstadt1)
in "Der junge Adler", einem Stück über den einzigen
legitimen Sohn von Kaiser Napoleon Bonaparte1), das Edmond Rostand ihr auf den Leib
geschrieben hatte.
In ihrer Heimatstadt Paris leitete Sarah Bernhardt inzwischen mehrere Theater, in denen sie auch auftrat,
von 1893 bis 1899 das "Théâtre de la Renaissance"1) und
von 1899 bis zu ihrem Tod das "Théâtre
Lyrique" an der Place
du Châtelet (früherer Name auch "Théâtre des Nations"),
welches sie in
"Théâtre Sarah-Bernhardt" umbenannte (heute: "Théâtre de la Ville").
Sarah Bernhardt als "Hamlet" (ca. 1885 1900)
Urheber: "Lafayette Studios", James Stack Lauder2) (Pseudonym
"James Lafayette", 1853 1923)
Quelle: Wikimedia Commons (Library of Congress Prints and Photographs Division
Washington,
D.C. 20540 USA);
Lizenz zur Veröffentlichung (gemeinfrei) siehe hier
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Im Jahre 1906 erhielt sie eine Professur am "Pariser Konservatorium",
1914 wurde "La divine Sarah", wie sie ihrem
Heimatland genannt wird, Mitglied der französischen "Ehrenlegion"1). Auch als sich die damals 71-jährige Französin 1915 ein Bein
amputieren lassen musste, gab sie die Schauspielerei nicht auf. Wikipedia
vermerkt: "1905 musste Bernhardt in Victorien Sardous Stück "La Tosca"
in Rio de Janeiro1) auf der Bühne von einer
Mauer springen und zog sich dabei eine schwere Knieverletzung zu. Nach
jahrelangen Schmerzen und wegen der Spätfolgen einer Gangrän1)
wurde 1915 ihr rechtes Bein amputiert. Von da an trat sie mit einer Prothese
auf, was ihrer Wirkung und ihrem Erfolg keinen Abbruch tat. In späten Jahren
wurde sie auf einem Sessel auf die Bühne getragen, wo sie sitzend ihre Rollen
darbot." Während des 1. Weltkrieges trat sie vor den französischen Fronttruppen
auf, wirkte bis zu ihrem Tod am Theater.
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In ihren letzten Lebensjahren wirkte Sarah Bernhardt, trotz ihrer Abneigung
gegenüber dem neuen Medium, auch in verschiedenen Stummfilmen mit.
Erstmals zeigte sie sich in dem 2-minütigen Kurzfilm "Le duel d’Hamlet"
(1900), einer Szene aus der Shakespeare-Tragödie "Hamlet"1),
erklärte dann aber, sie
hasse das Filmgeschäft. Am bekanntesten sind der kurze Streifen "Tosca" (1908) nach dem
Drama "La Tosca" von Victorien Sardou1) (vertont
von Giacomo Puccini1) als Oper "Tosca"1))
mit der Figur der Floria Tosca, gefolgt von ihrer Bühnen-Paraderolle der
Kurtisane Marguerite Gautier in "La dame aux camélias" (1912)
und das monumentale Biopic "Les
amours de la reine Élisabeth"1) (1912, "Königin Elisabeth von
England") mit der Bernhardt als englische Königin Elisabeth I.1)
und Lou Tellegen1) als deren Favorit Robert Devereux, 2. Earl von Essex1).
Bei dem Stummfilm "Adrienne
Lecouvreur"1) (1913) nach dem
gleichnamigen Bühnenstück von Ernest Legouvé1) und
Eugène Scribe1)
übernahm sie nicht nur die Titelrolle, sondern war auch am Drehbuch
beteiligt. Es folgten die Produktionen "Jeanne Doré" (1915) nach
dem Theaterstück von Tristan Bernard1) mit der Rolle der Jeanne Doré,
Ehefrau des spielsüchtigen Jacques Doré (Raymond Bernard1)), und "Mères Françaises" (1917), in der sie als
Jeanne d'Urbès in Erscheinung trat, die sich nach dem Tod ihres Ehemannes,
Kommandant d'Urbès (Georges Deneubourg; 18601936), und ihres Sohnes,
Leutnant Robert d'Urbès (Jean Angelo1)), die während des 1. Weltkrieges im Kampf fielen,
als Krankenschwester in einem Armee-Krankenhaus
um die Verwundeten kümmert; ihr bevorzugter Regisseur war Louis Mercanton1).
Sarah Bernhardt um 1890, fotografiert von
Napoleon Sarony1) (1821 1896)
Quelle: Wikimedia Commons
Lizenz zur Veröffentlichung (gemeinfrei)
siehe hier
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Ihren letzten Auftritt in einem Stummfilm hatte sie als die alte
Hellseherin Madame Gainard in dem Streifen "La
voyante" (1924) nach dem Theaterstück von Sacha Guitry1);
bereits während der Produktionsphase verstarb Sarah Bernhardt → Übersicht
Stummfilme.
Die legendäre Künstlerin starb am am 26. März 1923 im
Alter von 78 Jahren in Paris. Die letzte Ruhe fand sie im Rahmen eines
Staatsbegräbnisses auf dem dortigen Friedhof "Père Lachaise"1)
(Division 44) "Der Trauerzug soll
der bedeutendste seit der Beisetzung des Schriftstellers Victor Hugo1) (1802 1885) gewesen
sein, mehr als eine halbe Million Menschen säumte die Straßen von Paris."2)
Ihr Sohn, der Dramatiker und Theaterregisseur Maurice Bernhardt (20.12.186421.12.1928),
wurde an der Seite seiner berühmten Mutter beigesetzt.
→ Foto der Grabstelle bei Wikimedia Commons
sowie knerger.de.
Das Leben der berühmtesten Schauspielerin aller Zeiten wurde von
Regisseur Richard Fleischer1) unter dem
Titel "The Incredible Sarah"1) (1976,
"Die unglaubliche Sarah") mit Glenda Jackson in der Titelrolle
verfilmt bzw. bis zu ihrem 35. Lebensjahr nachgezeichnet. Ihre Stimme ist auf einigen
Grammophonplatten1) und Phonographen-Walzen1)
bis heute erhalten.
Sarah Bernhardt galt als talentierte Bildhauerin und
Malerin und übersetzte auch viele Stücke, in denen sie auf der Bühne
gestanden hatte. Darüber hinaus verfasste sie einige Romane und Lustspiele sowie ihre Biografie
"Ma double vie. Mémoires" (dt. "Mein Doppelleben"), welche 1907 erstmals veröffentlicht
wurde → Literarische
Werke (Auszug) bei Wikipedia.
Sarah Bernhardt ca. 1864, fotografiert von
Gaspard-Félix Tournachon1),
Pseudonym Nadar (1820 1910)
Quelle: Wikimedia Commons; Lizenz zur Veröffentlichung
(gemeinfrei)
siehe hier
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Ihre Liebe zu wilden Tieren war allgemein bekannt, so soll sie in ihrer
Pariser Wohnung unter anderem einen Löwen und sechs Chamäleons als Hausgenossen gehalten haben.
Ihre fürstliche Garderobe und ihr exotischer Fledermaushut faszinierte
alle, dass sie in einem Sarg schlief, sorgte ebenfalls für Schlagzeilen.
1894 entdeckte sie auf der Belle-Île-en-Mer1) an der Pointe des Poulains eine stillgelegte Festung, die sie umgehend kaufte
und nach ihrem Geschmack umbauen ließ. In den Folgejahren erweiterte sie das Anwesen durch Zukäufe
weiterer Immobilien. Bis zu ihrem Lebensende verbrachte Sarah Bernhardt hier die Sommermonate. Das Gebäude
trägt inzwischen den Namen "Fort Sarah-Bernhardt" und wurde in den 2000er Jahren in ein
"Sarah-Bernhardt-Museum" umgewandelt. (
) → Foto bei
Wikimedia Commons
Sarah Bernhardt galt als eine exzentrische, oft überspannte und launische Frau
und hatte zahlreiche Liebhaber, darunter den Lebemann Charles Haas (18321902;
von Marcel
Proust1)
in seinem Roman "Auf
der Suche nach der verlorenen Zeit"1)
(Band 1, "Du côté de chez Swann" (1913, dt. "Auf dem Weg zu Swann") geschildert), den Schauspieler
Mounet-Sully (18411916) sowie den Maler und Illustrator Gustave Doré1).
Bernhardt schuf sich durch ihre Exzentrik ein öffentliches Image:
Sie stieg in einer Montgolfière1)
auf in den Himmel über Frankreich und ließ Fotos verkaufen, auf denen zu
sehen ist, wie sie in einem Sarg liegt und ihre Rollen studiert oder schläft.
Ihre Wohnung beherbergte eine Menagerie
heimischer und exotischer Tiere. (
)
Sarah Bernhardt wurde gerühmt wegen ihrer schönen Stimme, der Anmut
ihrer Bewegungen und wegen ihres Temperaments. Sie vertrat in Vollendung
einen Theaterstil, der schon bald nach ihrer Zeit ebenfalls Vergangenheit war,
einen romantischen Stil überschwänglicher Deklamation und großer Gebärden. Verhalten
kritische Stimmen merkten an, ihre Erfolge hätten ihre Wurzeln mehr im Verstand, der
sich aller Mittel perfekter schauspielerischer Technik bediene, als in der Tiefe und Wahrheit
der Empfindung. Sie selbst äußerte sich über ihre Arbeit:
"Man hat mich oft gefragt, wie viele Stunden ich täglich arbeite. Aber ich erarbeite
mir eine Rolle nicht vollständig. Ich gehe mechanisch vor, lerne Wort für Wort auswendig,
drehe und wende die Textstellen, bis ich sie auch im schnellen Dialog absolut beherrsche.
Dann, wenn ich erst einmal meinen Text ganz genau kenne (
) mache ich mir keine Gedanken mehr darüber.
Alles, was ich an Schmerz, Leidenschaft oder Freude zeigen muss, ergibt sich im Ablauf des Stückes. (
) Man sollte
nach einer bestimmten Körperhaltung, nach der Art und Weise eines Ausrufs nicht suchen, keinesfalls! Man sollte sie auf der Bühne
finden
"2)
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