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Rolf Castell wurde am 28. Mai 1921 in München geboren und wuchs
später mit seinen zwei jüngeren Brüdern dort auf. Nach der Schule, die er mit dem Abitur abschloss, begann er 1939 ein
Studium der Theaterwissenschaften bei Professor Artur Kutscher1), ließ
sich gleichzeitig an der "Staatlichen Schauspielschule" in München ausbilden. Nach nur zwei
Semestern musste Castell wegen des 2. Weltkrieges seine Ausbildung
abbrechen, 1940 wurde er als Soldat eingezogen, an verschiedenen
Kriegsschauplätzen unter anderem in Afrika eingesetzt und geriet gegen
Ende des Krieges in amerikanische Gefangenschaft. Nach seiner Entlassung nahm er 1945
in München seine Ausbildung zum Schauspieler wieder auf, schloss
seine Studien erfolgreich ab Die erste Theaterarbeit brachte ihn an das
"Münchner Bürgertheater" und an das "Neue Theater München"1),
sein Bühnendebüt als Schauspieler gab Castell 1947 an den "Städtischen Bühnen" in München,
dem damaligen Zusammenschluss von "Kammerspielen"1) und
"Volkstheater"1). Bis 1953 gehörte Castell zum Ensemble der
"Münchner
Kammerspiele", 1954 wechselte er an das "Bayerische
Staatsschauspiel"1),
dem er bis zuletzt verbunden blieb. Zu seinem Theaterwirken
gehörten überdies zahlreiche Auftritte bei verschiedensten Festspielen
(u.a. "Ruhrfestspiele
Recklinghausen"1), "Luisenburg-Festspiele"1) Wunsiedel, Theatersommer in Würzburg) und auch beim Münchener Kabarett
und Theater "Die Kleine Freiheit"1)
war er ein gern gesehener Gast.
Das Foto wurde mir freundlicherweise von Rolf Castell zur Verfügung
gestellt.
© Brigitta Fellner |
Sowohl in klassischen als auch modernen Stücken interpretierte Castell
facettenreich verschiedenste Figuren, arbeitete mit namhaften Regisseuren
wie Kurt Horwitz,
Fritz Kortner,
Bruno Hübner,
Rudolf Noelte1), Heinz Hilpert1),
Axel von Ambesser oder
Kurt Wilhelm1) zusammen.
Zu seinem Repertoire zählten auch Sprechrollen in insgesamt sechs Opern, etwa an der
"Bayerischen Staatsoper"
in "Ariadne auf Naxos"1) von Richard Strauss oder zwischen 2000 und 2004 in "Die Bernauerin"1),
einem "bairischen Schauspiel mit Musik" von Carl Orff1). In
seinen letzten Jahren konnte man den Schauspieler unter anderem am Münchener "Residenztheater"1) als
Petrus in dem Erfolgsstück
"Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben"1) bewundern.
Franz von Kobells1) Ururgroßneffe Kurt Wilhelm
bearbeitete und inszenierte 1975 das Werk seines Vorfahren für das
"Residenztheater" in München
und fügte auch die "himmlischen Szenen" hinzu. Die Rolle des Tegernseer Schlossers, Kaspar Brandner,
der den Tod überlistet,
sprach Castell übrigens in mehreren Hörspielen. Insgesamt
gestaltete Castell im Laufe der Jahrzehnte über 1.000 Mal verschiedene
Figuren in diesem Klassiker, zu Beginn den Bürgermeister, später der Geschichtsschreiber Aventinus
und schließlich als "Krönung" die Rolle des Petrus.
Neben der Arbeit für das Theater bildete seit Ende der 1940er
Jahre vor allem der Rundfunk einen
weiteren Schwerpunkt im Schaffen des Schauspielers. An rund als 3.000 Sendungen wirkte er als Sprecher, Regisseur,
Autor und freier
Redakteur mit, 1947 war Castell zum ersten Mal am Mikrofon bei "Radio München"1), dem
späteren "Bayerischen Rundfunk" zu hören. 1962 hob er im
"Bayern 1"-Hörfunk das von ihm mitentwickelte
überaus erfolgreiche "Musikjournal"1) aus der Taufe, dass er
bis 1987 im Wechsel mit anderen Kollegen moderierte, weite Sendungen von und mit Rolf Castell waren unter
anderem "Bayerisches Karussell", "Bayernexpreß", "Weißblaue Truhe",
"Alle Neune" oder "Tanzparty am Samstagabend". Eine Auswahl der bei der ARD Hörspieldatenbank
gelisteten Produktionen findet man hier.
Darüber hinaus engagierte sich der Schauspieler auch für Audio-Produktionen. Sechs Hörbücher mit Romanen
des beliebten bayerischen Volksschriftstellers Hans Ernst1) (1904 1984), gesprochen von Rolf Castell, sind bisher
erschienen, unter anderem "Evi vom Waldhof", "Im Herbst verblühen die Rosen"
und "Der Dreidirndlhof".
In den frühen Jahren übernahm der Schauspieler auch verschiedentlich
Aufgaben für deutsche und internationale Kinoproduktionen: Bereits 1947
hatte er eine Mini-Rolle in Harald Brauns hochkarätig besetztem
"Trümmerfilm" "Zwischen Gestern und Morgen"1) gespielt, Anatole Litvak
besetzte ihn in dem Kriegsfilm "Entscheidung vor Morgengrauen"1) (1951, Decision Before Dawn),
in dem Lustspiel "Der Frontgockel" (1955) war er als Leutnant Wolff
zu sehen. Weitere Arbeiten waren beispielsweise Gerd Olivers "Ratgeber"-Streifen
"Benehmen ist Glückssache" (1955), G. W. Pabsts Doku-Drama
"Es geschah am 20. Juli"1) (1955) und der Kriegsfilm "Die Grünen Teufel von Monte
Cassino"1) (1958), sowie die Unterhaltungsstreifen "Lieder klingen am Lago Maggiore"1)
(1962, mit Fred Bertelmann) und "Wenn man baden geht auf Teneriffa"1)
(1964, mit Peter Kraus). In den 1970ern war Castell manchmal nicht ganz so
wählerisch, agierte unter anderem in anspruchslosen Produktionen wie "Mädchen
beim Frauenarzt"1) (1971)
oder in einigen der unsäglichen "Schulmädchen-Reports".
Beim Fernsehen arbeitete Rolf Castell seit den ersten
Versuchssendungen, populär wurde er mit Einzelproduktionen und vielen
beliebten Serien. Zu seiner Domäne zählten volkstümliche Stücke wie die
von Ludwig Thoma1), auch auf dem Bildschirm verkörperte er die Rollen, mit
denen er bereits auf der Bühne begeistert hatte. So erlebte man ihn in den 1960ern unter anderem als
Oberamtsrichter Haberl in dem Einakter "Die Dachserin" (1965) oder 1983 als
Bauer Johann Plank in der bitterbösen Bauerntragödie "Magdalena"2).
Catell präsentierte sich an der Seite vieler legendärer Kollegen wie Gustl Bayrhammer,
Maxl Graf, Ludwig Schmid-Wildy oder
Michl Lang in
der "Komödienstadel"-Reihe1)
wie "Der Geisterbräu" (1963/1979), "Die Mieterhöhung"3) (1966).
"Die
Tochter des Bombardon"3) (1982)
oder "Die
goldene Gans"3) (1994). In beliebten
Serien
mit bayerischem Kolorit wie "Königlich Bayerisches Amtsgericht", der Bierbrauer-Saga
"Die Wiesingers"1) (1984) oder den humorvollen Geschichten "Irgendwie und
sowieso"1) (1986) um den dicken Bauernsohn Alfons Kerschbaumer, genannt Sir Quickly
(Ottfried Fischer1)) spielte er prägnante Nebenrollen: So auch in der mit dem
"Adolf-Grimme-Preis"1) ausgezeichneten BR-Serie "Löwengrube"1) (1989),
in der rund 50 Jahre deutsche und bayerische Geschichte in 32 Folgen
erzählt werden.
Außerdem tauchte der Schauspieler mehrfach mit Gastrollen in Quotenrennern
wie "Die Fünfte Kolonne", "Der Alte",
"Derrick" und "SOKO 5113" auf, in den BR-Tatorten mimte er
zwischen 1981 und 1989 den Kriminalrat Schubert, der unter anderem Kriminalhauptkommissar Lenz
alias Helmut Fischer auf die Finger schaute. Zu Castells Serien-Filmografie
zählen weiterhin Dauerbrenner wie "Der Bergdoktor" und "Forsthaus Falkenau",
in der ZDF-Familienserie "Alle meine Töchter"1)
mimte er ab 1995 fünf Jahre lang den Onkel Albert, zuletzt erlebte man Rolf Castell in
der der "Polizeiruf 110"-Episode "Verzeih mir"1) (2000)
auf dem Bildschirm → Übersicht Filmografie.
Kriminalobermeister Hans Brettschneider (Willy Harlander, links)
und Kriminalkommissar Ludwig Lenz
(Helmut Fischer, rechts)
mit ihrem Vorgesetzten, Kriminalrat Schubert (Rolf Castell),
der sich
in der "Tatort"-Episode "Im Fadenkreuz"1) (1981) über die Fortschritte der Untersuchungen Bericht erstatten lässt.
Foto (Bildname: 21962-16-15) zur Verfügung gestellt vom
Bayerischen Rundfunk (BR)
© BR/Foto Sessner; Text BR
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Rolf Castell, der bereits 1978 mit der "Verdienstmedaille des
Bayerischen Rundfunks" ausgezeichnet worden war, erhielt Ende 2002 für
seine Leistungen die Medaille "München leuchtet Den Freunden Münchens"1) in Silber.
Anlässlich der Verleihung durch die damalige Bürgermeisterin Dr. Getraud Burkert1) würdigte
diese besonders Castells künstlerische Leistungen als langjähriges Mitglied des
"Bayerischen
Staatsschauspiels" und hob seine Verdienste als Autor, Moderator und Regisseur beim Hörfunk
hervor. "Ich bewundere vor allem Ihre ruhige, sensible und nachdenkliche Art,
wie Sie im Stillen Großes bewirken und München weit über die Stadtgrenzen hinaus zum Leuchten
bringen" hieß es unter anderem in der Laudatio.
Im Jahre 2003 konnte der Schauspieler das "Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland"
entgegennehmen.
Der Staatsschauspieler Rolf Castell lebte die letzten 15 Jahre mit seiner
Lebenspartnerin in München, dort starb er am 3. August 2012 im Alter von 91 Jahren in einer
Klinik → Traueranzeige.
Dr. Susanne Zimmer, Leiterin des Programmbereichs " Bayern 1 Bayern"
würdigte den Künstler unter anderem mit den Worten: "Rolf Castell war nicht nur eine der prägenden Stimmen des
"Musikjournals",
er war eine der bekanntesten Persönlichkeiten des "Bayerischen
Rundfunks". Er stand für das, was den "Bayerischen Rundfunk" auszeichnet:
Er war menschlich, bayernverbunden und zugleich weltoffen. Wir sind traurig über den Tod eines lieben
Kollegen."
Die Trauerfeier fand am 14. August 2012 in der Aussegnungshalle des Münchener
Westfriedhofs1) (Stadtteil Neuhausen) statt, unter der Trauergästen war auch Prof. Dr. Hellmuth Matiasek1),
unter anderem längjähriger Intendant (19831996) des Münchener
"Staatstheaters am Gärtnerplatz". Er begann seinen Nachruf
"auf einen Freund" mit den Worten: "Jetzt hat man uns einen der Liebenswürdigsten
weggenommen
". Matiasek erinnerte in seiner sehr
persönlichen Rede an den Menschen und Schauspieler Rolf Castell und führte
unter anderem weiter aus:
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"Wir werden diese unnachahmliche Heiterkeit unseres Freundes Rolf Castell vermissen (
) Er stammte
noch aus verklärten heiligen Theaterzeiten, geprägt von Arthur Kutscher, Hans Schweikart und Kurt Horwitz. (
) Sein
ganzes Weltbild war auf die Bühne gerichtet, und diese dankte es ihm mit einem fülligen Rollenrepertoire, das
kaum eine Lücke in Reclams "Schauspielführer" offen ließ. Rundfunk und Opernbühne, Festspiele und Fernsehreihen
bedienten sich dieses mit vielen Talenten und allen Komödienwassern Gewaschenen und wo
"Rolf Castell" auf dem Premierenzettel stand, konnte man sicher sein, dass wenigstens Einer auf der Bühne gut und glaubhaft sein würde. (
) Keiner seiner Rollen
blieb er das Profil und keinem kritischen Spötter die schlagfertige Antwort schuldig. In seiner
Jugend war er einer der best-aussehenden Liebhaber, ein Herzensbrecher, nicht nur auf der Bühne. Er war so echt,
dass man ihn nicht selten mit seinem Rollenbild verwechselte, wie in der TV-Serie
"Bergdoktor", wo er einen Pfarrer spielte. (
) Von Geburt an und zeitlebens war
er ein selbstbewusster Münchner Bürger. Es kann kein Zufall sein, dass seine letzte Rolle der "Münchner Bürger"
war und seine letzten Textworte von Carl Orff, in dessen
"Bernauerin", auf den von Anselm Bilgri und mir bespielbar gemachten Brettern im
"Florianstadl" des Klosters Andechs (
) So ist der höchste Titel, den ein Darsteller hierzulande erreichen kann, nicht
"Kammerschauspieler" oder "Staatsschauspieler", das war Rolf Castell ja alles auch, es ist ein
"Volksschauspieler" genannt zu werden, ein Charakterkopf zu sein, wie von Ludwig Thoma beschrieben und
von Kaulbach gemalt. Das sind die Wenigen, die wie
Rolf Castell der unsterblichen bairischen Lebensart ihre "innere
Stimme" gegeben haben. Als Himmels-Pförtner Petrus im legendären "Brandner Kaspar" ist er
schon so oft im Himmel gewesen. Auch wenn er diesmal von der anderen Seite
kommt, dürfen wir glauben, dass er den Weg schon kennt."
Foto: Rolf Castell 2008
mit freundlicher Genehmigung Foto-Studio Liselotte Weich (München)
© Foto-Studio Liselotte Weich
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Die letzte Ruhe fand Rolf Castell am 10. September 2012 seinem
Wunsche entsprechend auf dem Bogenhausener
Friedhof1); für mehr als
fünf Jahrzehnte hatte Castell den Münchener Stadtteil Bogenhausen zu
seiner Heimat gemacht → Foto der Grabstelle bei knerger.de.
Er war Vater zweier Söhne, der älteste Sohn stammt aus seiner ersten,
geschiedenen Ehe, der jüngere aus seiner Anfang der 1960er Jahre
geschlossenen Verbindung mit Ingeborg Castell.
Noch wenige Tage vor seinem Tod erreichte die Familie die Mitteilung, dass
Rolf Castell mit dem "Bayerischen Verdienstorden"1) ausgezeichnet
werden solle. Die Verleihung erfolgte am 10. Oktober 2012, einer von Rolf Castells Söhnen
nahm die Ehrung stellvertretend für seinen verstorbenen Vater aus der
Hand des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer1) in der
"Münchner
Residenz" entgegen.
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