Ein Name bleibt für das ostdeutsche Publikum untrennbar mit Komik und
Humor verbunden Rolf Herricht. Geboren am 5. Oktober 1927
in Magdeburg1)
als Rolf Oskar Ewald Günter Herricht und Sohn eines Schriftleiters bei einer Zeitung,
wuchs er in der Elbestadt mit zwei älteren Schwestern auf. Nach dem Ablegen des Notabiturs
erlebte er das Ende des 2. Weltkrieges als Flakhelfer an der "Volksfront",
nach Kriegsende startete der damals 18-Jährige seine künstlerische Karriere zunächst
hinter den Kulissen als Requisiteur und Inspizient am Theater seiner
Geburtsstadt; parallel dazu absolvierte er eine Ausbildung am
dortigen angegliederten Schauspielstudio. Bühnenerfahrungen als Darsteller sammelte
Herricht anschließend in der Provinz, trat an den Theatern in Salzwedel (1946), Stendal, Staßfurt, Güstrow
sowie Frankfurt (Oder) auf, wo er am dortigen "Kleist-Theater"1)
in Operetten auch sein gesangliches Talent unter Beweis stellte so 1953 als Graf Boni Kancsianu in
"Die Csárdásfürstin"1)
von Emmerich Kálmán, 1955 als Hannes in "Eine unmögliche Frau
" von Guido Masanetz1)
oder 1956 als Fritz Steppke in "Frau
Luna"1) von Paul Lincke. In der Shakespeare-Komödie
"Maß für Maß"1)
tauchte er 1955 als der alberne junge Schaum auf, führte zudem
verschiedentlich auch Regie. So setzte er unter anderem
1953 die Operette "Liebe in der Lerchengasse"1)
von Arno Vetterling (Musik) und Hermann Hermecke (Libretto) in Szene, bei
dem musikalischen Lustspiel "Meine Schwester und ich"1) (1955) von Ralph Benatzky übernahm er
außerdem den Part des singenden Komikers Filosel.
Rolf Herricht 1977 vor der Grenzschänke in Friedersdorf1)
Urheber: Eberhard W. Winkler: Lizenz: CC BY-SA 3.0
Quelle: Wikimedia
Commons (Ausschnitt des Originalfotos) |
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1957 holte ihn Intendant Heinz Isterheil1) für vier Jahre an das
"Theater
Magdeburg"1) zurück und auch
hier konnte Herricht einmal mehr in Operetten auf sich aufmerksam machen. Zu nennen sind
beispielsweise die von Sketchpartner Hans-Joachim Preil1) (1923 1999) in Szene
gesetzten Aufführungen von Ralph Benatzkys Singspiel "Im weißen Rössl"1) (1957) mit
Herricht
als Sigismund, Carl Millöckers "Gasparone"1) hier gab er seit der
Premiere im März 1958 den Sindulfo "Sensation in London" (1958, als Diener John)
von Herbert Kawan1)
sowie "Mam'zelle
Nitouche"1) (1959) von
Hervé und der Figur des Musiklehrers Célestin. Mit belustigenden Chargenrollen
nahm Herricht
das Publikum ebenfalls für sich ein, mimte beispielsweise den Amtsschreiber Glasenapp in der Diebeskomödie
"Der
Biberpelz"1) von Gerhart Hauptmann, einen angetrunkenen Studenten in
der Szene "Auerbachs Keller"1)
in Goethes "Faust I" oder den schüchternen
Oberprimaner Daniel Popovici in dem von Adolf Dresen1)
inszenierten rumänischen Gymnasiasten-Stück "Betragen ungenügend" von Virgiliu Stoenescu und Octavian Sava (Premiere: 09.10.1960). Diese Rolle kam
vielleicht seinem Wesen am nächsten. Aber der junge Mann verstand sich auch auf ganz deftige Komik, er gab sogar im
Weihnachtsmärchen von den "Bremer Stadtmusikanten" einen urkomischen Räuber,
und obgleich er eigentlich keine Singstimme hatte, spielte und sang er doch Buffopartien in Operetten und Musicals. Seine schönste Rolle war hier der
verklemmte Klosterorganist, der zum Operettenkomponisten wird, in der klassischen französischen Operette
"Mamsell Nitouche"." führt Peter Hoff in der Zeitschrift
"Neues Deutschland"1) (21.08.2001)
bzw. seinem Artikel "Zwerchfellerschütternde Melancholie. Vor 20 Jahren starb Rolf Herricht"
aus → www.neues-deutschland.de.
Seit 1964 war Herricht am Berliner "Metropol-Theater"1)
engagiert, wo er beispielsweise als Gerichtsdiener Frosch in der Operette
"Die Fledermaus"1)
vom Publikum gefeiert wurde und bis zu seinem frühen Tod dort immer wieder auf der Bühne
stand.
Eine ungeheure Popularität erlangte Herricht durch seine Partnerschaft mit Hans-Joachim Preil, getroffen hatten sich die beiden
Komiker erstmals Ende der 1940er Jahre am Theater in Bernburg (Saale), wo
Preil als Oberspielleiter tätig war, der erste gemeinsam aufgeführter Sketch
soll 1953 "Die Schachpartie" gewesen sein. Das ungleiche Duo "Herricht & Preil"1)
war geboren und wurde für rund 25 Jahre das beliebteste
Komiker-Gespann in der DDR, das mit seinen Auftritten im
Fernsehen unter anderem in der Samstagsabend-Show mit viel Musik "A, B oder C" (19611963; → fernsehlexikon.de) oder in
Shows wie "Ein Kessel Buntes"1)
bzw. den von Preil geschriebenen, perfekt vorgetragenen, pointierten Wortspielereien Berühmtheit erlangte.
"Preil spielte dabei den oberlehrerhaften Neunmalklugen, Herricht übernahm den naiv-bauernschlauen
Part: die beiden wurden wegen
dieser Spielweise öfter mit Dick
und Doof1) verglichen. Herricht jedoch begriff nie, was Preil zu sagen
versuchte, führte ihn aber dennoch immer wieder aufs Glatteis und war am
Schluss oft glänzender Sieger. Zu den bekanntesten Sketchen des Duos zählen "Der Klavierkauf", "Der Gartenfreund", "Die
Briefmarke", "Mückentötulin" und "Die Reisebekanntschaft" kann man bei Wikipedia
lesen. Von vielen dieser insgesamt mehr als 120 Slapsticks bzw.
hintersinnigen Dialoge, die Kultstatus erlangten, sind Versionen auf diversen Schallplatten veröffentlicht
worden, Herrichts oft angewandter, betont empörter Ausruf "Aber, Herr Preil!",
mit dem er seinen Partner immer zur Verzweiflung trieb, wurde geradezu legendär → verschiedene Sketche aufrufbar bei www.mdr.de.
"1977 ist Herricht in "Ein Kessel Buntes"1)
ein letztes Mal live mit seinem Sketch-Kollegen Preil im DDR-Fernsehen zu sehen. Längst ist das Verhältnis der beiden Spaßmacher zerrüttet."
schreibt der MDR 2017 in seinem Beitrag zum 90. Geburtstag von Rolf Herricht → www.mdr.de.
Ende der 1950er Jahre erhielt Herricht erste Angebote von der DEFA1)
und dem "Deutschen
Fernsehfunk"1) (DFF), der meist
Zerstreute und liebenswert Verschrobene, oft ängstliche, aber letztlich
harmlose Kleinbürger wurde zu seinem Markenzeichen. "Ich lege zwar keinen Wert darauf,
"ernst" zu werden, denn
ich betrachte es als wichtige und schöne Aufgabe, Vergnügen zu bereiten. Die Menschen werden schöner, wenn sie lachen.
Ihre Augen bekommen einen anderen Glanz, wenn sie sich
freuen." sagte Herricht einmal über seine Arbeit. Sein Leinwanddebüt gab er als Lokomotivbauer Manfred
in der DEFA-Komödie "Bevor
der Blitz einschlägt"1) (1959), wenig später sah man ihn als Bauarbeiter Edwin Schüch
in "Musterknaben"1) (1959).
Weitere humorvolle Kassenschlager sollten folgen, in denen sich der
Magdeburger vor allem für komödiantische Rollen empfahl und in den
1960er/1970er Jahren zu einem der "Zugpferde" der DEFA avancierte.
So mimte er "den komischen Gegenpart zu Manfred Krug ("Auf
der Sonnenseite"1), 1962; "Hauptmann
Florian von der Mühle"1), 1968) und brilliert, wenn er selbst im Mittelpunkt von Filmgrotesken steht,
deren sozialistische Herkunft nicht immer zu verleugnen ist. Als Verkehrspolizist in
"Geliebte
weiße Maus"1) (1963/64) oder als unfreiwilliger NVA-Reservist in
"Der
Reserveheld"1) (1965) geht er bis an die Grenze des Erlaubten."
notiert das "Lexikon der DDR-Stars"*).
"Der Reserveheld" bedeutete für Herricht den endgültigen Durchbruch
als "der" Komiker des Arbeiter- und Bauernstaates, die linientreuen Kritiker konnten sich mit der Komödie weniger anfreunden. Die
Dramaturgin und Filmkritikerin Erika Richter1) hat in ihrem Beitrag "Zwischen Mauerbau und Kahlschlag 1961 bis 1965" im profunden,
vom Filmmuseum Potsdam herausgegebenen Defa-Standardwerk
"Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg" (Henschelverlag Berlin, 1994) eingestanden, seinerzeit falsch gelegen zu haben,
indem sie Rolf Herricht die Fähigkeit absprach, in der Lage zu sein, eine komische Figur zu schaffen:
"Heute begreife ich, etwa beim Sehen des Films "Der Reserveheld", daß dieser Schauspieler, klein, ungeschickt,
eitel, schwierigen Situationen nicht gewachsen wie wir , eine unvergleichlich reine Ausstrahlung hat, die
die Menschen anrührte und ihm ihre überwältigende, nie versiegende Sympathie
einbrachte."2)
Die Gangsterkomödie "Hände
hoch oder ich schieße"1) (1966) mit Herricht als hoch motiviertem Volkspolizisten, der an seinem
verbrecherlosen Einsatzort verzweifelt, und Preil als Antiquar Elster Paule schaffte es wegen des verhängten Aufführungsverbotes
nicht in die Lichtspielhäuser und konnte erst Ende September 2009
uraufgeführt werden. Das Lustspiel setze die Arbeit der Staats- und
Sicherheitsorgane ins falsche Licht und entspreche nicht den "gegenwärtigen
Aufgaben zur stärkeren Bekämpfung der Kriminalität" hieß es damals in der Begründung des
"Ministeriums des Innern".
Ein weiteres Mal stand das Komikerduo für den Streifen "Meine
Freundin Sybille"1) (1967) gemeinsam vor der Kamera, eine Story, die 1969 im Fernsehen
mit "Tolle Tage"1) eine Art Fortsetzung fand.
Die jungen Zuschauer erfreute Herricht als Titelheld in "Der
Weihnachtsmann heißt Willi"1) (1969), in der Historienkomödie "Husaren
in Berlin"1) (1971)
mit Manfred Krug als Hauptmann Andreas Hadik1) präsentierte er
sich als sächsischer Gastwirt Augustin. "Den Zwiespalt zwischen althergebrachten bürgerlichen Zwängen und tapfer
versuchter sozialistischer Lebensführung thematisiert Roland Oehmes Komödie "Der
Mann, der nach der Oma kam"1) (1972) und hat einen überragenden
Erfolg."*)
In dem Artikel bei der ehemaligen Website defa-sternstunden.de schreibt der
Autor: "Weitere (Lach-)Erfolge feiert er (
) im Besonderen als mit den alltäglichen Begebenheiten 'kämpfender' Künstler Günter Piesold im
"Mann, der nach der Oma kam" (1972), den er bei allem Witz jedoch nicht zum
"bloßen Klamauk" geraten lässt. Vielmehr führt er den Zuschauern mit
"feinem Humor und umwerfender Komik" die eigenen Schwächen und Stärken vor Augen." Letztmalig zur Hochform lief Herricht
im Kino als "Der Baulöwe"1) in der gleichnamigen Komödie (1980) auf, erzählt werden die
Schwierigkeiten, die ein erfolgsgewohnter Entertainer als Bauherr eines
Eigenheims angesichts des Mangels an Baustoffen in der DDR überwinden muss.
"Weitgehend einfallslose Komödie, deren Glanzpunkte allenfalls im
verschmitzt-naiven Spiel der Hauptdarstellers Rolf Herricht liegen."
urteilt das Filmlexikon.
Das Fernsehen bot Herricht vielfältige Möglichkeiten, in etlichen Schwänken sein
komödiantisches Talent auszuleben. Er war vor allem in den 1970er Jahren der Protagonist in verschiedenen Lustspielen,
beispielsweise "Ein gewisser Katulla"3) 1973) oder der Peter Schultze
in "Schultze mit "tz""3) (1974). Als
Friseur Rolf Spärlich kam er in "Alle Haare wieder"3) (1974) daher, ein Stück, welches
als "gelungenes Silvesterfeuerwerk der sprühenden Pointen und der zündenden Situationskomik" mit
DDR-Komikern wie Eberhard Cohrs,
Gerd E. Schäfer
und natürlich "Herricht & Preil"
angekündigt wurde. Ein TV-Highlight war das Stück "Keine Hochzeit ohne Ernst"3) (1976) nach Oscar Wildes
Erfolgskomödie "Bunbury"1),
Herricht brillierte als Gentleman Jack Worthing, Ezard Haußmann als
dessen Freund Algernon Moncrieff,
Renate Blume als Gwendolen Fairfax
und Inge Keller als Lady Bracknell.
Als am 31. Dezember 1976 die erste Folge der
beliebten "Maxe Baumann"-Geschichten1)
mit dem Urberliner Gerd E. Schäfer und dem Titel "Ferien
ohne Ende"1) über die Bildschirme flimmerte, war auch Herricht mit dabei und
fand in Helga Hahnemann
eine kongeniale Partnerin. Vier weitere heitere Geschichten sollten folgen "Keine
Ferien für Max"1) (1977),
"Max auf Reisen"1) (1978),
"Überraschung für Max"1) (1979) und
"Max in Moritzhagen"1) (1980) , in denen
das
Duo Herricht/Hahnemann die Zuschauer zum Lachen brachte. Gemeinsam mit Hahnemann trat er übrigens auch bei "Ein Kessel Buntes"
(u.a. 25.12.1979) sowie seit 1980 in der Show "Helgas Top(p)-Musike"4)
auf, unvergessen der Klassiker mit den beiden als Ehepaar in "Gespräch
zu Weihnachten" (1979) → www.youtube.com.
Man sah Herricht mit Alfred Struwe in dem
Schwank "Umwege
ins Glück"1) (1977),
mit Karin Ugowski
in "Ehe man Ehefrau bleibt"3) (1977) oder
mit Herbert Köfer in
"Urlaub nach Prospekt"3) (1978), mit dem er auch
für die populären Serien "Rentner
haben niemals Zeit"1) (1978/79)
und
"Geschichten
übern Gartenzaun"1) (EA: Ende 1982) vor der Kamera stand.
Der "Spaßmachers der leisen Töne", wie der Schriftsteller und
Satiriker Lothar Kusche1) Herricht in einem Beitrag
aus dem Jahre 19955) nannte, starb überraschend am 23. August 1981
mit nur 53 Jahren in Ost-Berlin. Gegen Ende der Aufführung bzw.
seinem Auftritt als einer der Gangster in dem Musical "Kiss Me, Kate"1) am Berliner
"Metropol-Theater" hatte der (bekennende) Kettenraucher auf der Bühne
einen Herzanfall erlitten und war sofort tot. Die letzte Ruhe fand das
Ausnahmetalent auf dem Berliner "Französischen Friedhof"1)
(Grab-Nr. F140) → Foto der Grabstelle bei knerger.de
sowie Wikimedia Commons.
Er hinterließ seine Ehefrau Christa, die am 30. Mai 2001 verstarb und an der Seite
ihres Mannes beigesetzt wurde. Das Paar hatte sich am Theater in Frankfurt
(Oder) kennengelernt, wo seine zukünftige Frau als Tänzerin beschäftigt
war, und 1968 geheiratet; ein Jahr später kam Tochter Dana zur Welt.
Der schriftliche Nachlass Herrichts befindet sich im Archiv der Berliner
"Akademie der Künste"1)
→ Rolf-Herricht-Archiv.
Im Magdeburger Stadtteil Hopfengarten1) erinnert seit November 2002 die "Rolf-Herricht-Straße" an einen Mann,
der zu den populärsten Künstlern in der DDR zählte und den Humor wie
kaum ein anderer maßgeblich geprägt hat.
Vom 1. bis zum 5. Oktober 2017 widmete das MDR-Fernsehen dem großen Komödianten eine Filmreihe und zeigte in
"Legenden Ein Abend für Rolf Herricht" sowie in der Reihe
"Lebensläufe" die kaum bekannte private Seite des Künstlers. Die Dokumentation
"Legenden Ein Abend für Rolf Herricht" am 1. Oktober 2017,
20:15 Uhr, zeigt den Schauspieler in seinen besten Rollen. Zudem lassen bislang unveröffentlichte private Briefe und Erinnerungen
von Familienangehörigen, Kollegen und Freunden an ihre gemeinsame Erlebnisse mit Rolf Herricht den Menschen hinter der Rolle erkennen.
Einen, der mit dem Star-Sein extrem gehadert hat, der schüchtern war und im privaten Leben nie Witze
erzählte. (Quelle: www.mdr.de)
Zu Wort kamen die Schauspielerkollegen Herbert Köfer,
Karin Schröder1),
Winfried Glatzeder,
Birgit Edenharter1)
und Dorit Gäbler1),
der Entertainer Lutz Jahoda1),
der Sänger Jürgen Walter1),
Hans-Joachim Preils Ex-Frau Margitta Lüder-Preil1),
Gerd E. Schäfers Sohn Frank Schäfer und Rolf Herrichts Nichte Dagmar Herricht.
Lothar Kusche widmet Rolf Herricht seinen Artikel in dem Buch "Vor der Kamera Fünfzig Schauspieler in
Babelsberg" und schreibt unter anderem: "Diesen Mann schätzten Millionen von Kino- und Fernsehfreunden als einen Humoristen
der Sonderklasse. (
) Auf viele seiner Zuschauer machte er einen besonders bescheidenen, uneitlen Eindruck. Das halte ich
für eine irrige Annahme. Natürlich war er auch eitel. Ein eitler
Schauspieler muß nicht zwangsläufig gut sein, aber einen guten Schauspieler ohne Eitelkeit kann ich mir schlechterdings nicht vorstellen."5)
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