Horst Jüssen wurde am 10. Januar 1941 im
nordrhein-westfälischen Recklinghausen1) geboren;
seine Kindheit und Jugend verbrachte er im norddeutschen Husum1). Nach der
Schule bzw. dem Wirtschaftsabitur absolvierte Jüssen zunächst eine Lehre
bei einer Bank, entschied sich dann für den Beruf des Schauspielers und ließ
sich ab 1962 in Berlin entsprechend ausbilden. Bereits ein Jahr später wurde er von
Erwin Piscator1)
(1893 1966) an
die "Freie Volksbühne"1) engagiert, wo er zwei Jahre
lang zum Ensemble gehörte. Sein 1965 gegründetes "Berliner
Tournee Theater" musste Jüssen bereits nach 17 Vorstellungen
schließen, 1967 kam er dann als Kabarettist an das Stuttgarter
"Renitenztheater"1). Engagements an verschiedenen Schauspielhäusern in Berlin und
Hamburg schlossen sich an, 1969 holte ihn Sammy Drechsel
(1925 1986), Mitbegründer der
"Münchner Lach- und Schießgesellschaft"1) zu dem berühmten
Kabarett, wo Jüssen an der Seite von Dieter Hildebrandt,
Klaus Havenstein,
Jürgen Scheller
und Ursula Noak
durch Fernsehaufzeichnungen nun auch rasch bundesweit bekannt wurde. Bis zur Auflösung der legendären
Besetzung im Jahre 1972 gehörte Jüssen zum Team, erreichte dann mit
einer TV-Serie noch größere Popularität: Am 24. Juli 1973 ging die
erste Staffel der schrägen, von Michael Pfleghar in Szene gesetzten Comedy-Reihe "Klimbim"1)
auf Sendung, der deutschen Version der
amerikanischen Serie "Laugh In". Ab Folge 3 war
Jüssen mit dabei, spielte anfangs unterschiedliche Charaktere, ab der
3. Staffel dann den arbeitsscheuen, elften Ehemann der hysterischen Yolante
alias Elisabeth Volkmann, Adolar von Scheußlich. Die bis 1979 gesendeten
30 Folgen über die Familie
"von Scheußlich" konnte damals Einschaltquoten von über 60 Prozent verbuchen, die Reihe
erreichte Kultcharakter, wurde mehrfach
ausgezeichnet, zuletzt anlässlich des 30. Geburtstages
2003 mit dem "Deutschen
Comedy Preis" (Sonderpreis für die erste erfolgreiche Comedy-Show in Deutschland).
Das Foto wurde mir freundlicherweise von der
Fotografin
Virginia Shue
(Hamburg) zur Verfügung gestellt.
Das Copyright liegt bei Virginia Shue.
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Ein Wiedersehen mit der chaotischen "Klimbim"-Familie gab es auf der Bühne
seit 24. Juni 2004 in der Originalbesetzung in München,
mit der chaotischen Komödie
"Die Klimbim-Familie lebt!" erlebte die Kultreihe eine rasante Wiedergeburt.
Mit dem von Jüssen geschriebenen Stück
ging die "Klimbim"-Mannschaft bis August 2005 bundesweit auf Tournee, machte
mit rund 320 Vorstellungen erneut Furore. Wenn auch gealtert, hatten
die schrille Mutter Jolanthe von Scheußlich (Elisabeth Volkmann),
die Horror-Tochter Gaby (Ingrid Steger), der militante "Opa Klimbim"
(Wichart von Roëll1))
sowie Peer Augustinski in verschiedenen Rollen nichts von der
damaligen "Anziehungskraft" verloren, dass Jüssen den Adolar von Scheußlich gab,
verstand sich von selbst.
Schon während seiner "Klimbim"-Zeit ging Jüssen mit
verschiedenen Stücken auf umfangreiche Tourneen, spielte an namhaften
Boulevardtheatern beispielweise in Berlin, München, Düsseldorf und
Hamburg. Allein ab 1976 machte er 21 Theatertourneen, bei denen er von
modernen Zeitstücken, Boulevard, Kriminalstücken bis hin zu Klassikern von Moliere und Shakespeare alles
spielte; bei rund zwanzig Theaterinszenierungen zeichnete Jüssen auch als Regisseur
verantwortlich. Seit 2001 trat Jüssen als "Preuße vom
Dienst" zwei Mal jährlich in Stücken des
"Chiemgauer Volkstheaters"1)
auf, die als Aufzeichnung des "Bayerischen Rundfunks" auch im Fernsehen
gesendet wurden. So konnte man Ende Mai 2007 mit der 100. Ausstrahlung
bzw. dem Stück "Vier Väter zu viel" ein Jubiläum feiern.
Foto: Horst Jüssen war Stargast im 100. Stück des "Chiemgauer Volkstheaters"
"Vier Väter zu viel" → www.br.de
Foto (Bildname: 11388-174-01) zur Verfügung gestellt vom Bayerischen Rundfunk (BR)
© BR/Foto Sessner |
Dem Fernsehen war Jüssen stets treu geblieben, Erfolgsserien wie der
"Klimbim"-Ableger "Zwei himmlische Töchter"1) (1978, mit Ingrid Steeger und
Iris Berben),
die Sitcoms "Die Lieben Verwandten"1) (1991) und "Corinna"2) (1995), aber auch
Produktionen des
"Chiemgauer Volkstheaters"wie
"Silvester Hüttenzauber"3) (2002), "Abschlag ins Glück"3) (2007)
oder "Fischers feiert Fasching"3) (2008) sind zu nennen. Darüber
hinaus erlebte man Jüssen mit Gastrollen in so beliebten Krimireihen wie
"Derrick" und "Mordkommission" → Übersicht Filmografie.
Doch nicht nur als Schauspieler machte sich Jüssen einen Namen, das
Multitalent bewies sich als Drehbuchautor unter anderem für Dieter Hildebrandts
Kabarettsendung "Notizen aus der Provinz",
1975 moderierte er als
Talkmaster die "Sprechstunde" der "Münchner Lach- und Schießgesellschaft"
und konnte zahlreiche prominente Gäste begrüßen,
beispielsweise Olga Tschechowa,
Joachim Fuchsberger,
Alice und Ellen Kessler, Bernhard Wicki und
Senta Berger. Als TV-Quizmaster der BR-Show "Fabulator" war er
ebenso erfolgreich wie als Märchenschreiber, so veröffentlichte er sieben
Theaterstücke für Kinder, unter anderem "Der Floh ist weg",
"Planet Hagelkern" und "Casper und der Löwe Poldi",
für letzteres wurde er mit dem Berliner "Brüder-Grimm-Preis"1) ausgezeichnet. Zu nennen sind auch seine Bearbeitungen von Moličre- und Shakespearestücken,
gelegentlich schrieb er Gastkolumnen für Zeitungen und Illustrierte. Im April 2001 veröffentlichte Jüssen seinen ersten
spannenden Roman
"Jeschua", in dem er vom Geschehen um Jesus Christus berichtet und zugleich eine andere, denkbare Version entwickelt,
vom Allbekannten abweicht, ohne es in Frage zu stellen. Im Oktober 2002 folgte mit "Ein Teufelskreis"
ein weiteres Werk, in dem er den dramatischen Kampf eines Individuums gegen seine Rachegedanken, seinen Hass auf der einen Seite und seine Vernunft und seine Realitätserkenntnisse auf der
anderen thematisiert. Jüssens letzter Roman "Joseph Satan" kam im
Februar 2007 auf den Markt, am Beispiel Joseph Goebbels1) beschreibt Jüssen
die Karriere eines ehrgeizigen Mannes, der aus kleinbürgerlichen Verhältnissen heraus zum größten Manipulatoren seiner Zeit
wurde.
Bereits Ende Dezember 2007 ging durch die Medien, der Künstler sei an
Lungenkrebs erkrankt. Jüssen selbst gab sich später in einigen Interviews
optimistisch, mit Hilfe seiner Ärzte den Krebs besiegen zu können. Er
verlor den Kampf, am 10. November 2008 starb Horst Jüssen 67-jährig in
München. Die letzte Ruhe fand er auf dem Waldfriedhof Grünwald bei München
→ Foto der Grabstelle bei knerger.de.
Seit 1979 war das Allround-Talent mit der Sängerin Lena Valaitis1)
verheiratet und lebte mit seiner Familie in München. Jüssen
hinterließ seine Ehefrau, den gemeinsamen Sohn Don David (geb. 1983)
sowie Sohn Marco (geb. 1973) aus der ersten Ehe von Lena Valaitis.
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