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Hans-Peter Minetti wurde am 21. April 1926 als Sohn des legendären
Theatermimen Bernhard Minetti (1905 1998) in Berlin geboren. Nach seinem Schulabschluss
wollte er zunächst nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten und
studierte Philosophie und Kunstgeschichte an den Universitäten Kiel und Hamburg
sowie an der Berliner "Humboldt-Universität"1) und arbeitete daneben als
Journalist für den "Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst"1) (ADN).
Doch so ganz hatte er sich von der Theaterluft nicht frei machen können, er
sammelte erste schauspielerische Erfahrungen bei der Studentenbühne,
entschied sich dann endgültig für den Schauspielerberuf und begann 1949
als Schüler am "Deutschen
Theater-Institut" (DTI) in Weimar. Bereits ein Jahr später gab er
sein professionelles Bühnendebüt als Perdican in "Man spielt nicht mit der Liebe"
von Alfred
de Musset1) und wurde zur Spielzeit 1950/51
Mitglied des DTI-Ensembles "Das junge Ensemble". Zur darauffolgenden
Spielzeit wechselte er nach Schwerin an das "Mecklenburgische Staatstheater"1),
zur Spielzeit 1952/53 bereicherte er als Ensemblemitglied das Ost-Berliner "Maxim Gorki Theater"1), dem er
drei Jahre lang verbunden blieb und wo er mit etlichen Interpretation Erfolge feierte.
Hans-Peter Minetti, fotografiert von Klaus & Barbara Morgenstern
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_mo_0000951_004)
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Klaus & Barbara Morgenstern;
Urheber: Klaus Morgenstern/Barbara Morgenstern; undatiertes Foto;
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017 |
Glanzvolle Auftritte hatte er unter anderem zur Spielzeit
mit folgenden Rollen:
(Fremde Links: Wikipedia; R = Regie, P = Premiere)
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Anschließend folgte er einem Ruf an das
"Deutsche Theater"1) in Ost-Berlin, wo er wiederum drei Jahre
als festes Ensemble-Mitglied wirkte, später immer wieder als Gast auftrat.
Rasch hatte Minetti sich zu einem bedeutenden Charakterdarsteller der DDR
entwickelt, brillierte unter anderem 1958 am "Deutschen Theater" in
einer Inszenierung von Heinz Hilpert1) als Baron Tusenbach in dem Drama "Drei Schwestern"1)
von Anton Tschechow1)
oder im darauffolgenden Jahr als Rjumin in "Sommergäste" von Maxim Gorki1).
Ruhm erlangte er auch seit der Premiere am 30. März 1960
als Major von Tellheim in der legendären Inszenierung von Wolfgang Langhoff1)
in dem Lessing-Lustspiel "Minna von
Barnhelm"1) mit Käthe Reichel
als Minna; beide zeigten mit diesem Stück ihre darstellerische Kunst auch
im Rahmen einer Tournee unter anderem am Mailänder "Piccolo-Teatro". Es folgten Engagements und Gastspiele an
weiteren Berliner Bühnen wie der
"Volksbühne"1) oder
dem "Berliner Ensemble"1) (BE).
Hans-Peter Minetti 1956 in dem Drei-Personenstück "Am Ende der Nacht"
von Harald Hauser1) am "Deutschen Theater"
(Regie: Hans Michael Richter, "Kammerspiele")
Weitere Mitwirkende Kurt Conradi1) und
Christa Gottschalk1)
Quelle: Deutsche Fotothek, file: df_pk_0004353_004;
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek
Urheber: Abraham Pisarek1) (19011983); Datierung: 1956
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017 |
Am BE sah man ihn 1974 als Genossen Rybin in Ruth Berghaus'1)
experimentellen Neuinszenierung von Brechts Erstfassung "Die
Mutter"1) mit Felicitas Ritsch in der
Titelrolle und 1975 als Hieronim in dem Drama "Der erste Tag der Freiheit" von Leon Kruczkowski1) (Regie: Jürgen Pörschmann1)/Günter Schmidt),
das auch im Fernsehen gezeigt wurde → fernsehenderdr.de.
Mit Peter Kupke1) erarbeitete er die Figur des
Schulmeisters Wenzeslaus in der Brecht'schen Fassung der Tragikomödie "Der
Hofmeister"1) (1977) von Jakob MichaelvReinhold Lenz1),
mit Manfred Wekwerth1)
und Joachim Tenschert1) die des Kaisers in dem
Brecht-Stück "Turandot oder der Kongress der Weißwäscher" (1981)
mit Renate Richter1)
als Turandot und u. a. Ekkehard Schall
als Rektor Ki Leh. "Den Kaiser Chinas spielt Hans-Peter Minetti mit rüstiger Mobilität, treuherzig auf Anbiederung beim Publikum bedacht,
heftig im Argument, manchmal senile Trotteligkeit andeutend, tuihaft wach aber, wenn es um Baumwolle und um die Macht geht."
notierte die Tageszeitung "junge Welt"1) (24.04.1981)
→ berliner-schauspielschule.de. Positive Kritiken erhielt Minetti auch
als Hanns Eisler1), den er 1982 unter der Regie
von Christoph Brück und Wolf Bunge in "Hanns-Eisler Hearing" darstellte.
Minettis Spezialität wurden im fortgeschrittenen Alter schwierige Ein- und Zwei-Personen-Stücke,
"
stolz auf 18 Stunden" ein szenisches Poem "für einen Schauspieler, ein Grammophon und eine Barrikade"
von Helmut Baierl1), in dem er 30 verschiedene Figuren mit seinem facettenreichen Spiel
darstellte, gehört zu den bekanntesten → Theater-Wirken (Auszug) bei
Wikipedia.
Hans-Peter Minetti in "
stolz auf 18 Stunden" von Helmut Baierl
anlässlich der Uraufführung am 21.10.1973 im "Berliner Ensemble"
Quelle: Deutsche Fotothek,
file: df_pk_0006290_026;
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek
Urheber: Abraham Pisarek1) (19011983); Datierung:
1973
Quelle: www.deutschefotothek.de;
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Auf der Leinwand gab er sein eindrucksvolles Debüt mit der Rolle des jungen revolutionären Hamburger Werftarbeiters
Fiete Jansen in in Kurt Maetzigs zweiteiliger
Filmbiografie "Ernst Thälmann Sohn seiner Klasse"1) (1954)
und "Ernst Thälmann Führer seiner Klasse"1) (1955)
mit Günther Simon
als KPD-Politiker Ernst Thälmann1). In
den folgenden Jahren spielte Minetti unterschiedlichste Filmrollen in Kino- und
Fernsehproduktionen, zeigte vor allem mit hintergründige Figuren, Zynikern und Heuchlern
seine schauspielerische Ausdruckskraft, konnte aber positive Charaktere
ebenso glaubwürdig darstellen. Günter Reisch1) beispielsweise besetzte ihn
als Dr. Meisel in dem Krimi "Spur in die Nacht"1) (1957),
Konrad Wolf1)
als Bruder der Titelheldin (Sonja Sutter) in der
Literaturverfilmung "Lissy"1) (1957) nach dem Roman "Lissy oder Die
Versuchung" von Franz Carl Weiskopf1),
Heinz Thiel1) gab ihm die Hauptrolle
des Kapitänleutnants Fischer in dem Spionagestreifen "Im Sonderauftrag"1) (1959).
Zu Minettis weiteren Arbeiten für das Kino zählten unter anderem der Krimi
"Tatort Berlin"1) (1958), der Problemfilm "Eine
alte
Liebe"1) (1959), der Propagandastreifen "Zu jeder Stunde"2) (1960),
das historische Melodram "Die
schwarze Galeere"1) (1962), die
Agententhriller "Reserviert für den Tod"1) (1963) und "Geheimarchiv an der Elbe"1) (1963),
der Kinderkrimi "Die Suche nach dem wunderbunten Vögelchen"1) (1964)
sowie das Abenteuer "Alaskafüchse"1) (1964)
nach der Erzählung von Wolfgang Schreyer1). In
Frank Beyers1)
DEFA-Klassiker "Die Spur der Steine"1) (1966), der drei Tage nach
der Uraufführung wegen der kritischen Sicht der DDR-Verhältnisse verboten
wurde, spielte er den Brigadier Heinz Bleibtreu an der Seite der Hauptfigur Hannes Balla
(Manfred Krug), in "Hart am Wind"1) (1970), einem eher
peinlichen Werbefilm für den Wehrdienst in der "Volksmarine"1)
der "Nationalen
Volksarmee"1), den Kapitän Baumert.
Zu den Höhepunkten seines Filmschaffens zählt dann wieder die Rolle des
Berggeistes in dem Kinderfilm "Schneeweißchen und Rosenrot"1) (1979)
nach dem gleichnamigen
Märchen1) der Brüder
Grimm1). Einen seiner letzten
Leinwandauftritte hatte er als Hauptkontrolleur in der ironischen Parabel
"Miraculi"1) (1992)
von Regisseur Ulrich Weiß
bzw. der Co-Produktion zwischen der DEFA und dem ZDF → Übersicht Kinofilme.
Auf dem Bildschirm erlebte man Minetti seit Mitte der 1950er Jahre, unter anderem 1963 eindrucksvoll als
Carl von Ossietzky1)
in der gleichnamigen Filmbiografie3) über das Leben des Publizisten und Friedensnobelpreisträgers,
eine weitere Persönlichkeit, den Filmproduzenten und Luftfahrtpionier Howard Hughes1), verkörperte der Schauspieler 1970
im 4. Teil ("Der gemachte Mann"3)) des fünfteiligen, propagandistisch
gefärbten Biopics "Ich Axel Cäsar Springer"1)
über den Verleger Axel Springer1),
verkörpert von Horst Drinda. In dem aufwendig
produzierten, intensiv gespielten TV-Fünfteiler "Martin Luther"1), der das Leben und Werk
des Reformators differenziert darstellte, spielte er 1983 den Dominikaner
und Ablasshändler Johannes Tetzel1)
(1465 1518) neben Ulrich Thein als Reformator Martin Luther1)
(1483 1546).
"Das ist kein kleiner Mönch, der sich nur rasch Bauch und Taschen füllen will,
sondern ein wahrhaft würdiger Gegenspieler des Reformators. Minettis Tetzel
ist ein Mann, der das Falsche reinen Gewissens verkündet und von dem, was er für Wahrheit hält, tief durchdrungen ist"
konnte man in der Presse zu seiner herausragenden Interpretation nachlesen.
Erneut mit Ulrich Thein in der Titelrolle sah man ihn 1985 als
Textdichter Christian Friedrich Henrici1)
(1700 1764) in dem
Vierteiler "Johann Sebastian Bach"1), in der "Psycho-Fiction-Geschichte"
"Schatten im Zenit" (1989), einer verworrenen Geschichte um die
Geheimnisse der beiden Geschlechter, mimte er den Biologen Jonathan.
Hans-Peter Minetti, fotografiert von Barbara Morgenstern
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_mo_0000951_012)
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Barbara Morgenstern;
Urheber: Barbara Morgenstern; undatiertes Foto;
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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Vor der TV-Kamera stand Minetti danach nur noch drei Mal: In der Episode
"Hallo
Partner"3) (EA: 18.02.1990) aus
der Krimiserie "Der
Staatsanwalt hat das Wort" mimte er als Hubertus Fahrenbach den
Vater von Joachim (Daniel Morgenroth),
der aus der DDR zu ihm nach West-Berlin ausreisen durfte und in die
Drogen-Szene gerät. Als Ritter Orilus tauchte er in "Die
Ritter der Tafelrunde"3) (EA: 07.10.1990) auf, gedreht
nach dem gleichnamigen Drama1)
von Christoph Hein1), sowie mit
einem kleinen Part in Danny Hustons TV-Märchen bzw. Cinderella-Variation
"Die Eisprinzessin" (1995, → www.katarina-witt.de), das
nach einer Idee von Katarina Witt1)
mit Witt in der Titelrolle entstanden war → Übersicht TV-Produktionen.
Von 1975 bis 1987 war Minetti Direktor der "Staatlichen Schauspielschule "Ernst Busch""1) in Berlin-Schöneweide
bzw. Rektor der "Hochschule für Schauspielkunst" in
Ost-Berlin; daneben war er für den Zentralrat der FDJ1) sowie seit
April 1986 im Zentralkomitee der SED1) tätig und gehörte bis 1989 zu den einflussreichsten Kulturfunktionären der DDR.
Er war Vorsitzender der "Gewerkschaft Kunst"1) und seit 1980 Vizepräsident des
"Verbandes der Theaterschaffenden der DDR"1),
dessen Präsident er 1984 wurde. "Damit war er einer der mächtigsten
Männer des Theaters der DDR und konnte über das Wohlergehen der
Theaterschaffenden maßgeblich entscheiden, was ihm nach der so genannten
"Wende" heftige Kritik einbrachte." notiert Wikipedia. 1989 trat Minetti, der seit
1946 Mitglied der
"Kommunistischen Partei Deutschlands"1)
war, von allen Ämtern zurück.
1987 war der einstmals gefürchtete Kultur-Funktionär erstmals im "Westen" aufgetreten, bei den
"Salzburger Festspielen"1)
wirkte er als Bassa Selim in Johannes Schaafs Inszenierung der Mozart-Oper "Die Entführung aus dem Serail"1)
neben Inga Nielsen1) (Konstanze),
Deon van der Walt1)
(Belmonte) und Kurt Rydl1)
(Osmin) mit. Nach dem Zusammenbruch der DDR war Minetti wegen seiner
"staatstreuen Haltung" harscher Kritik ausgesetzt, trat zunächst
nicht mehr in Berlin auf und schloss sich einem Tourneetheater an; außerdem
bereiste er vorwiegend Liechtenstein, Luxemburg, die Schweiz und Österreich,
wo er Lesungen und Rezitationsabende abhielt. Seit Anfang der 1990er Jahre
brillierte er beim Tourneetheater "Theater des Ostens",
so als Edgar in dem Drama "Totentanz" von August Strindberg1)(1991, Regie: Gregor Edelmann1))
und als "Alter" in dem Einakter "Die Stühle"1) von
Eugène Ionesco (1991, Regie: Ekkehard Emig).
Weitere Auftritte hatte er beispielsweise zusammen mit Vera Oelschlegel1) in dem Recital
"Rainer Maria Rilke"1) (1992) und,
gemeinsam mit Patricia Ell, als Protagonist in
"Die letzte Liebe des Marquis de Sade" von Gregor Edelmann1),
der eine eine Episode aus dem Leben des Marquis de Sade1) thematisiert (1992, Regie: Vera Oelschlegel)
→ neues-deutschland.de.
Am "Theater St. Gallen"1) feierte er als Protagonist Bruscon in dem
Stück "Der Theatermacher"1)
von Thomas Bernhard1)
Triumphe (Regie: Alois Büchel,
Premiere: 18.01.1992).
Minetti war außerdem ein gefragter Sprecher und bereicherte etliche
Hörspiel-Produktionen; eine Auswahl der bei der ARD Hörspieldatenbank
gelisteten Produktionen findet man hier. Zudem
machte er sich als Rezitator einen Namen, noch in jüngerer Zeit erfreute Hans-Peter Minetti gemeinsam mit seiner Frau Irma Münch
das Publikum während einer Tournee mit einem Lyrik-Programm aus acht Jahrhunderten deutscher
Literatur; das Programm "Liebesgedichte Vom Mittelalter bis
heute" stellte erotische Poesie von den Minnesängern Gottfried von Straßburg1) und
Walther von der Vogelweide1) über
Rainer Maria Rilke1) bis hin zu Peter Hacks1) vor.
Äußerst beliebt waren auch Minettis Rezitationen von Heinrich Heines1)
episch-balladesken Gedicht über die "Tannhäuser"-Legende1)
aus den "Neuen Gedichten", die ebenfalls auf CD erschienen sind.
Hans-Peter Minetti, der während der DDR-Ära für seine Leistungen mit
zahlreichen Preisen wie dem "Nationalpreis
der DDR II. Klasse für Kunst und Literatur"1) (1979) und
dem "Vaterländischen
Verdienstorden in Gold"1) (1986) ausgezeichnet wurde, veröffentlichte 1997 seine
Memoiren unter dem schlichten Titel "Erinnerungen". Hier beurteilt er
unter anderem den "Traum vom Sozialismus mit menschlichem Gesicht" recht
nachsichtig in der Selbstkritik: "Wir wollten den Boden bereiten für Freundlichkeit, konnten selber aber nicht freundlich
sein."
Der Charakterdarsteller, der vor allem im Alter seinem legendären Vater
sehr ähnlich sah, starb am 10. November 2006 im Alter von 80 Jahren
während einer Kur in im tschechischen Cheb1)
(dt. Eger) an Herzversagen; die
letzte Ruhe fand er in Berlin auf dem "Dorotheenstädtischen
Friedhof"1) → Foto der Grabstelle bei knerger.de.
Hans-Peter Minetti war seit den 1950er Jahren in zweiter Ehe mit der Schauspielerin
Irma Münch
verheiratet. Der 1958 geborene gemeinsame Sohn Daniel Minetti1)
setzte die Schauspielertradition fort, machte sich ebenfalls einen Namen als renommierter Schauspieler sowie als
Regisseur und Sprecher.
Hans-Peter Minettis am 8. Januar 1940 geborene jüngere Schwester Jennifer Minetti1)
konnte als erfolgreiche Charaktermimin auch auf eine erfolgreiche
Theaterkarriere zurückblicken; Jennifer Minetti starb am 5. August 2011
im Alter von 71 Jahren im oberbayerischen Bad Aibling1).
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