Die Schauspielerin mit dem klingenden Namen Magdalena Montezuma wurde 1942 (nach anderen Angaben 1943) als Erika Kluge in Würzburg1) geboren; ihren Künstlernamen soll sie nach der Heldin des amerikanischen Foto-Romans "Little Me" gewählt haben. Nach dem Schulabschluss begann sie ein Germanistik-Studium in Heidelberg, brach dieses – von Regisseur Werner Schroeter1) (1945 – 2010) in einem Heidelberger Café während ihrer Tätigkeit als Aushilfskellnerin entdeckt – jedoch ab. Für Schroeter wurde sie die Protagonistin in etlichen seiner avantgardistischen Filme, hatte ihren Debüt-Auftritt in der zusammen mit Rosa von Praunheim1) realisierten 8mm-Etüde "Grotesk – burlesk – pittoresk" (1968). Einen ersten Erfolg brachte ihr, wie auch Schroeter, die über zweistündige experimentelle Collage "Eika Katappa"2) (1969) ein, die von der "Internationalen Filmwoche Mannheim" 1969 mit dem "Josef-von-Sternberg-Preis" ausgezeichnet wurde. "Wenn Magdalena Montezuma auftrat, hatte man, ob entsetzt oder verzaubert, Augen und Ohren nur noch für sie – für ihr phantastisches Gebärden- und Grimassenspiel, ihr Sprechen, das ein gellender Gesang war, ihre schrille Komik und nackte Verzweiflung. Natürlich war sie eine "Dilettantin" – und dennoch (…) fast die einzige legitime Tragödin des letzten Jahrzehnts." Schrieb "DIE ZEIT" (1984).*)
Montezumas Rollen experimentierten oft mit den Vorstellungsmöglichkeiten des Publikums, so als Kirchenrestauratorin, Reichsvolkshochschullehrerin und Schlangentänzerin in dem bizarren TV-Spiel "Der Bomberpilot" (1970) neben Carla Aulaulu1) und Mascha Rabben1), oder als glatzköpfiger Herodes1) in dem von Schroeter ebenfalls für das Fernsehen inszenierten Stück "Salome" (1971), basierend auf der gleichnamigen Tragödie1) von Oscar Wilde mit Mascha Rabben als Salome1).
 
Magdalena Montezuma arbeitete ab den 1970er Jahren auch mit anderen Regisseuren des "Neuen Deutschen Films"1), hier ist vor allem Rainer Werner Fassbinder1) zu nennen, der sie erstmals für die WDR-Produktion "Niklashauser Fart"1) (1970) vor die Kamera holte und sie mit der Rolle der Penthesilea1) betraute. Für Fassbinder spielte sie die Freundin der Hanna (Hanna Schygulla) in der heiteren Geschichte "Rio das Mortes"1) (1971), die Schauspielerin Irm in der autobiographisch gefärbten Tragikomödie "Warnung vor einer heiligen Nutte"1) (1971), mimte einen Party-Gast in dem TV-Zweiteiler "Welt am Draht"1) (1973). Sie drehte in den 1970er und 1980er Jahren mit Filmemachern wie Helma Sanders-Brahms1), Elfi Mikesch1), Ulrike Ottinger1) oder Frank Ripploh1), blieb jedoch für Werner Schroeter die bevorzugte Darstellerin und wurde oftmals als dessen "Muse" bezeichnet. Sie mimte Hauptrollen in seiner Trilogie über Liebe, Leid und Tod der Frau, die mit der eigenwilligen Studie "Der Tod der Maria Malibran" (1971) über die französische Opernsängerin María de la Felicidad Malibran1) begann, dann mit "Willow Springs"2) (1973) und dem Episodenfilm "Goldflocken" (1976) fortgesetzt wurde. Er besetzte sie unter anderem in seinem bei den "Berliner Filmfestspielen"1) 1980 mit einem "Goldenen Bären"1) ausgezeichneten eigenwilligem Spielfilm "Palermo oder Wolfsburg"1) (1980), wo sie auch für die Kostüme und die Ausstattung verantwortlich zeichnete. Weitere Filme mit Schroeter waren "Tag der Idioten"1) (1981), im darauffolgenden Jahr mit dem "Deutschen Filmpreis in Gold"1) in der Kategorie "Beste Regie" prämiert, und die satirisch-groteske Theateradaption "Liebeskonzil"1) (1981) nach dem gleichnamigem Schauspiel1) von Oskar Panizza1). Als "schillernde Gestalt, das skrupellose Mutterweib" (Birgit Weidinger, "Süddeutsche Zeitung", 10.3.1981) bereichert sie den "Tatort" – Beweisaufnahme1) (1981) neben Dieter Thomas Heck1), dem sie als Irren-Pflegerin in "Pankow '95"2) (Gábor Altorjay, 1983) abermals zur Seite steht. schreibt CineGraph.*) 
 
Ihr Bühnendebüt hatte Magdalena Montezuma am 28. Mai 1972 in Schroeters Inszenierung des Lessing-Trauerspiels "Emilia Galotti"1) im "Malersaal" des "Deutschen Schauspielhauses"1) in Hamburg gegeben. Später spielte sie unter Schroeters Regie mehrfach am "Schauspielhaus Bochum"1), so Mitte April 1973 als Jochanaan (= Johannes der Täufer1)) in Schroeters nicht unumstrittenen Lieblingsstück "Salome", Ende November 1974 in "Lucrezia Borgia" von Victor Hugo1) und seit der Premiere am 7. Dezember 1978 in dem Kleist-Schauspiel "Das Käthchen von Heilbronn"1), wo sie in Schroeters letzten Bochumer Inszenierung die Kunigunde von Thurneck gestaltete. "Magdalena Montezuma als Kunigunde kämpft erfolgreich darum, so häßlich zu werden, wie Kleist es von ihr wünscht." notierte "DIE ZEIT" (05.01.1979). Sie engagierte sich in den Gruppenimprovisationen von Augusto Fernandes1) "Atlantis" (08.10.1976) und "Der Admiral von der traurigen Gestalt" (08.06.1978), interpretierte für Peter Zadek1) die Königstochter Regan in dessen "König Lear"1)-Inszenierung (1974) sowie den norwegischen Prinzen Fortinbras und den Geist des toten Königs in "Hamlet"1) (1977), beide Stücke mit Ulrich Wildgruber  in der Titelrolle. Zudem war sie – wie schon bei Schroeter – an der Bühnenausstattung beteiligt, so auch 1982 bei seiner Pirandello1)-Aufführung "Heute wird aus dem Stehgreif gespielt" unter dem Titel "Don Carlos" am "Schauspielhaus Frankfurt", in der sie zudem als Signora La Croce agiert.*)
 
Der letzte Film, der in Zusammenarbeit mit Schroeter entstand, war das gemeinsam mit dem Regisseur entwickelte Poem "Der Rosenkönig"2), in dem sie die Mutter des jungen Albert (Mustafa Djadja) verkörperte, dessen fanatische Suche nach der idealen Rose allmählich mit seiner Liebe zu einem von ihm gefangen gehaltenen jungen Dieb (Antonio Orlando) verschmilzt. Am Ende sterben beide den Liebestod.3) Posthum wurde Magdalena Montezuma mit dem ihr gewidmeten Film "Der Rosenkönig" ein Denkmal gesetzt → filmzentrale.com.
Zweieinhalb Wochen nach Abschluss der Dreharbeiten erlag die bereits von ihrer Krankheit gezeichnete Mimin am 15. Juli 1984 mit nur 41 Jahren in Berlin ihrem Krebsleiden, gegen das sie seit 1982 angekämpft hatte. Die letzte Ruhe fand die Schauspielerin, zeitweise Kultfigur der alternativen Szene, auf den "Friedhöfen an der Bergmannstraße"1) in Berlin; die Grabstelle befindet sich auf dem "Friedhof IV der → Jerusalems- und Neuen Kirche"1) (Abt. 12-11-07) Foto der Grabstätte bei Wikimedia Commons.
DER SPIEGEL (30/1984) schrieb unter anderem in einem kurzen Nachruf: "Seit Ende der sechziger Jahre spielte sie fast in allen Filmen des Regie-Exzentrikers Werner Schroeter. Mit sparsamer Mimik und ausdrucksvollem Augenrollen verkörperte sie klotzige Frauen. Sie kultivierte einen Dilettantismus, der ihre Filme und Theateraufführungen immer um überraschende Augenblicke exaltierten Lebens bereicherte."
Inzwischen wurden verschiedene Schroeter-Filme auf DVD herausgegeben, unter anderem 2010 vom "Filmmuseum München"1) und dem "Goethe-Institut"1) in München eine Doppel-DVD mit "Eika Katappa" und "Der Tod der Maria Malibran" → edition-filmmuseum.com.
 
"Magdalena Montezuma – das war, fast zwanzig Jahre lang, die schräge und auch etwas schrille Hohepriesterin einer vergangenen und künftigen Kultur, die sich mit großen Gesten und einem Sprechstil, der keinen Widerspruch duldete, dagegen verwahrte, daß man die Kunst aus dem Alltag vertreibe. (…) Aber so bunt sie sich auch ausstaffierte, die Muse der Schroeterschen Filme wirkte doch auch immer ein bißchen derb in ihrer tastenden Exaltiertheit, mit der sie doch auch nur die Schwerkraft der Alltäglichkeit überwinden wollte durch einen Ausdruck, der so ganz ihr eigener war: versehrt von der Unprofessionalität der Autodidaktin, geadelt von der Hingabe einer ungemein willensstarken Persönlichkeit." schrieb der Filmredakteur Peter Buchka (→ spiegel.de) in der "Süddeutschen Zeitung" (27.02.1987).*)
Dietrich Kuhlbrodt1) hält in seinem Essay*) über Magdalena Montezuma fest, dass sie schon Ende der 1960er Jahre "zur Kultfigur eines Publikums, das in der Kultivierung des eigenen Ausdrucks eine Antwort auf die politischen, gesellschaftlichen, familiären Zwänge der Zeit suchte" avancierte. Er führt unter anderem weiter aus: "Magdalena Montezuma lud ein zu einer Kultur des Selbermachens, nämlich zu einer Lebens-Kunst, die jedem zugänglich war, der das Leben um sich herum als Bühne begriff, auf der er sich selbst seinen Auftritt suchen und gestalten konnte. Ihre Auftritte luden zu einer Vielzahl von Befreiungstaten ein, die jedem einzelnen möglich waren – vorausgesetzt, er suchte einen Weg, den ihm angesonnenen Normen und Rollen, auch der Geschlechterrollen, zu entfliehen und auf seine eigenen Kräfte zu vertrauen. Die Kunst, Energie und Mut zu entwickeln, um an der Stelle, wo man sich grad befand, zu überleben, gar in der Etappe des Feindes – der in einem Stück der Hochkultur auf der Bühne des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg und gerade dies mit Lust und Laune – all dies war in Magdalena Montezumas Selfmade-Kunst von vornherein angelegt, lange bevor in der Bundesrepublik über die traditionellen emotionalen Defizite Diskurse geführt wurden, ehe beispielsweise Bertaux4) rezipiert wurde oder die Pariser Philosophen, die die (Lebens-)Kunst der Identitätenvielheit verkündeten. Magdalena Montezuma hat sich stets und strikt geweigert, ihre Auftrittskunst theoretisch zu begründen oder abzusichern. Sie war selbstgemachte Ausdruckskünstlerin: unverwechselbar, ungezähmt und unbeirrt dilettantisch bis zum Schluß. Der Dilettantismus war konstitutiv für ihr Spiel. Gerade weil sie von ungeschlachter Gestalt und ihr Gesicht nicht eben hübsch war, war die Wirkung ungeheuer, wenn sie ihren jungmatronenhaften Körper in Bewegung und ihre harten Gesichtszüge zum ekstatischen Ausdruck brachte: zu einer magischen Körper- und Mienensprache, die mühelos die vorgegebenen Barrieren zu überwinden wußte. Magdalena Montezuma war im Film und auf der Bühne eine von jenen, die erst später, in den 70er Jahren, und dann nur in der Musik- und Performance-Kultur als "Geniale Dilettanten" gefeiert wurden."
Und die Filmkritiker Adolf Heinzlmeier und Berndt Schulz schreiben über sie: "Sie legte sich auf einen einzigen Ausdruck fest und steigerte ihn zum mystischen Erlebnis. Mondsüchtig und selbstverzückt deklamierte sie und schwamm blaß, monumental, leidenschaftlich mit großen, stilisierten Gesten durch barocke, angstschwere, glücksschwere, sehnsuchtsschwangere Filme, die nicht aufhören. Die Kamera kniete vor ihr. So wurde sie zur archaischen Kult-Statue des Avantgarde-Films."5)
Quelle: Wikipedia sowie
CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, LG 10*) mit einem Essay von Dietrich Kuhlbrodt1)
*) CineGraph LG 10 (1988) mit den Quellen:
  • Magdalena Montezuma: Beitrag in: Gerard Courant (Hg.): Werner Schroeter. Paris: Goethe Institut, Cinematheque Francaise 1982, S. 79–81. (Mit einem Gedicht von G. Courant)
  • Paul B. Kleiser: Gespräch mit Magdalena Montezuma und Werner Schroeter. In: "Filmkritik", Nr. 9, September 1973, S. 408–415. (über "Willow Springs")
  • Sei (= Hans-Dieter Seidel): Das Gesicht der Medusa. In: "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (20.07.1984)
  • Magdalena Montezuma. In: "DIE ZEIT" (27.07.1984)
  • Dietrich Kuhlbrodt: Magdalena Montezuma In: "epd Film", Nr. 8 (August 1984)
  • Bernd Lubowski: Leidensweg eines Sizilianers. Magdalena Montezuma und Giuseppe Fava: Dir tragisches Ende. In: "Hamburger Abendblatt" (14.08.1984)
  • Karaten Witte: So viele Lieder. In: "DIE ZEIT" (23.01.1987; zu "Der Rosenkönig")
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) filmportal.de
3) Quelle: Filmlexikon (www.zweitausendeins.de)
4) gemeint ist der Germanist und Politiker Pierre Bertaux (1904–1986)
5) Adolf Heinzlmeier, Berndt Schulz: "Lexikon der deutschen Film- und TV-Stars" ( Lexikon Imprint Verlag, Berlin 2000, S. 250)
Filme
Kinofilme / Fernsehen
(wenn nicht anders angegeben: Filme von Werner Schroeter; R = Regie)
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Kinofilme / Kurzfilme Fernsehen
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