Der Schauspieler Hans Christian Rudolph wurde am 14. Dezember 1943 als Sohn des Schauspielers und Theaterintendanten Hans-Georg Rudolph1) (1908 – 1987) im französischen Metz geboren, wo sein Vater zwischen 1941 und 1944 als Theaterregisseur tätig war. Er wuchs zusammen mit dem älteren Bruder Niels-Peter Rudolph1) auf, der sich später als Regisseur und Theaterintendant einen Namen machen sollte. Sein darstellerisches Rüstzeug erwarb sich Rudolph ab 1963 in Berlin an der 1951 von Hilde Körber2) gegründeten "Max-Reinhardt-Schule für Schauspiel"1), beendete seine Studien 1966 jedoch ohne Abschlussexamen. Ein erstes Engagement erhielt er anschließend am Theater in Essen, wo er für zwei Spielzeiten bis 1968 blieb. Weitere Stationen wurden bis 1970 die "Kammerspiele" in Düsseldorf, das "Württembergische Staatstheater" in Stuttgart und die "Freie Volksbühne" in Berlin. 1970 wechselte Rudolph für drei Jahre an das "Staatstheater Darmstadt", wirkte dann von 1974 bis 1977 bei Boy Gobert2) am Hamburger "Thalia Theater". Hier gestaltete er beispielsweise Edwards Günstling Gaveston in dem Drama "Edward II"1) von Christopher Marlowe (Regie: Jürgen Flimm) und den dämonischen Diener Foster in Harald Pinters Stück "Niemandsland", das am 29. November 1975 seine deutschsprachige Erstaufführung in einer Inszenierung von Boy Gobert erlebte → www.zeit.de.
Nach einem kurzen Engagement am Düsseldorfer Schauspielhaus" und am "Schauspielhaus Bochum" folgte Rudolph 1978 einem Ruf an die "Städtischen Bühnen" in Frankfurt a. M., glänzte hier unter anderem 1979 als Marquis von Posa in Schillers "Don Karlos"1) (Regie: Peter Palitzsch). Es folgte 1980 eine fünf-jährige Zusammenarbeit mit Intendant Jürgen Flimm1) am "Schauspiel Köln", die für den Charakterdarsteller eine äußerst erfolgreiche Zeit bedeutete. So machte er mit seiner Interpretation der Titelrolle in Flimms Inszenierung von Bertolt Brechts "Baal"1) Furore, über die Curt Bernd Sucher1) in der "Süddeutschen Zeitung" (28.02.1981) unter anderem schrieb: "Hans Christian Rudolph ist nicht das Brechtsche Tier, nicht das menschenverschlingende, ungeschlachte Monstrum, nicht der gefühllos unsensible Säufer – er ist weniger, kleiner, verständlicher. Rudolph, dem jungen Brecht nicht unähnlich, interpretiert diesen Menschen so modern, so treffend und deshalb beklemmend heutig, mit einer ungewöhnlichen schauspielerischen Präsenz und Intensität, daß plötzlich weniger die Frage interessiert, wer oder was diesen Menschen zu dieser zerstörerischen Haltung treibt, als vielmehr die Person Baal, das Individuum. Rudolph und Flimm scharfen in Köln eine Identifikationsfigur für die 18- bis 30jährigen. Sie bestätigen Brechts Vorspruch, der in der ersten Fassung gar "Letzter Wille" heißt: "Baal entstammt der Zeit, die dieses Stück aufführen wird"."*) Herausragende Arbeiten lieferte Rudolph in Köln zudem unter dem Regisseur Jürgen Gosch als Satin in dem Schauspiel "Nachtasyl" von Maxim Gorki und als Alceste in der Molière-Komödie "Der Menschenfeind" ab.
 
Als Jürgen Flimm 1985 die Intendanz des Hamburger "Thalia Theaters" übernahm, wechselte Rudolph mit ihm in die Hansestadt. Seinen größten Triumph feierte er zweifellos 1989unter Flimms Regie mit der Titelrolle in Anton Tschechows Drama "Platonow"1). Matthias Matussek1) schrieb unter anderem in DER SPIEGEL (23.01.1989): "Traumwandlerisch sicher balanciert der Schauspieler Hans Christian Rudolph ins Zentrum dieser Provinzposse: ganz beiläufig, mit sparsamsten Mitteln, fast privat. Einer, der die entscheidenden Schläge mit links austeilt, der sogar manchmal den Text verliert, vor allem, wenn er über die Liebe spricht, diesen Schwindel, an den er so wenig glaubt wie an Ideale. Ein neuer, aufregend moderner Schauspielertyp wird hier geboren: lässig, bissig und völlig uneitel." Und Werner Burkhardt1) notierte in der "Süddeutschen Zeitung" (16.01.1989): "Ganz anders als Manfred Zapatka2) in München, gelingt es Hans Christian Rudolph, sich als Platonow im Zentrum dieser erotischen und gesellschaftlichen Wirrnisse zu behaupten. Kein blonder (Schein?-)Sieger tritt vor uns hin. Ein eher dunkel umflorter Typ spielt uns und allen Beteiligten vor, daß der beste Freund des Menschen der Komödiant ist. Das ist ein Hochseilakt, mit den heimtückischsten Absturzgefahren in jeder Sekunde. Rudolph bleibt oben."*) Der "Gertrud-Eysoldt-Ring"1), einen der bedeutendsten Theaterpreise im deutschsprachigen Raum, war 1989 der Lohn für Rudolphs außergewöhnliche schauspielerische Leistung, die Kritiker wählten ihn zudem zum "Schauspieler des Jahres".
1990 zog es Rudolph kurzzeitig nach Wien an das berühmte "Burgtheater"1) zu Intendant Claus Peymann, gab in der österreichischen Metropole seinen Einstand in der vom Autor George Tabori1) selbst in Szene gesetzten Uraufführung "Weisman und Rotgesicht" und verkörperte den vermeintlichen Indianer "Rotgesicht", der in Wirklichkeit Geegee Goldberg heißt → www.zeit.de. Auch bei den "Salzburger Festspielen konnte man Rudolph bewundern, in Gernot Friedels hochkarätig besetzen Inszenierungen des "Jedermann"1) gab er 1990 und 1991 den "Mammon" – Helmuth Lohner2) war der "Jedermann", weiterhin glänzten Sunnyi Melles1) (Buhlschaft), Agnes Fink2) (Jedermanns Mutter), August Schmölzer1) (Jedermanns Guter Gesell), Heinz Schubert2) (Dicker Vetter), Florian Liewehr1) (Dünner Vetter), Christine Ostermayer2) (Gute Werke), Elisabeth Orth2) (Der Glaube), Otto Schenk2) (Teufel), Peter Simonischek1) (Tod) und nicht zuletzt der legendäre Ewald Balser2) als "Stimme des Herrn".
  
Zur Spielzeit 1990/91 wurde der Mime nach Berlin an die "Schaubühne am Lehniner Platz"1) verpflichtet, brillierte als König Leonte in Luc Bondys Inszenierung von Shakespeares "Das Wintermärchen"1) (→ Besetzung siehe hier) und unter der Regie von Andrea Breth als arrogant-blasierter Schriftsteller Stephan von Sala in "Der einsame Weg"1) von Arthur Schnitzler, eine Aufführung, die auch im Fernsehen ausgestrahlt wurde → www.zeit.de. Für Hellmuth Karasek1) war Rudolph in seiner "Wintermärchen"-Besprechung "sicher zur Zeit der eleganteste deutsche Schauspieler, weil er sich stets mit einem Schuß Selbstironie im Spiegel menschlicher Eitelkeiten betrachtet, war schrecklich komisch in seiner jähen Eifersucht. Und, was das Beste daran war: Er war dadurch keineswegs harmlos, keineswegs weniger gefährlich. Gerade weil er eher ein sanfter, zu keiner Gewalttat fähiger Mensch war, steigerte er sich, wie um seine Schwäche zu kompensieren, in das despotische Wüten." (DER SPIEGEL, 17.12.1990).
1993 kehrte Rudolph nach Hamburg an das "Thalia-Theater" zurück, wo er sich einmal mehr als Protagonist in etlichen Flimm-Inszenierung hervortat. Beispielsweise konnte man über sein Spiel des lebensgierigen Wiener Fabrikanten Friedrich Hofreiter  in der Tragikomödie "Das weite Land"1) von Arthur Schnitzler in der Monatszeitschrift "Theater heute"1) (Heft 11, 1995) von Michael Merschmeier1) lesen: "Hans Christian Rudolph nutzt seine brillante Technik des stop and show wie vor Jahren als Platonow. Er verwandelt den charmanten Kobold, den er in Hofreiter entdeckt hat, blitzschnell in einen schneidigen Machtmenschen, schaltet um von Scherz auf Schmerz, grundiert den leichtfertigen Überdruß mit Traurigkeit. Er wendet in voller Fahrt. Das ist eine Spielweise, die alle gefährdet, den Protagonisten und die gesamte Inszenierung."*) Und Rolf Michaelis meinte in DIE ZEIT (42/1995, 13.10.1995): "War Hans Christian Rudolph je frisch frecher als jetzt, da er sich zum ersten Mal mit einem Schnurrbärtchen das Aussehen des älteren Herrn geben muß? Er funkelt, gleißt, spreizt sich wie ein Pfau als Verführer mit dem sprechenden Namen Hofreiter – und ist doch der trotzige Bub, der erwartet, daß ihm die Welt, jedenfalls ihr weiblicher Teil, zu Füßen liegt." →  www.zeit.de
Als 2000 nach fünfzehn Jahren die erfolgreiche Ära der Intendanz Jürgen Flimms in Hamburg zu Ende ging, gehörte Rudolph bis 2003 bzw. seinem altersbedingten Ausscheiden weiterhin zum Ensemble des Hauses, arbeitete nun mit Stephan Kimmig1), Andreas Kriegenburg1) und Hartmut Wickert zusammen. "Sein endgültiger Abgang vom "Thalia Theater" 2003 geriet noch einmal zum grandiosen Schlusspunkt" schrieb das "Hamburger Abendblatt" in einem Nachruf. "Stephan Kimmig, einer der erfolgreichen Regisseure der jüngeren Generation, inszenierte den Filmerfolg "Das Fest" nach Thomas Vinterberg, ein Familiendrama, in dessen Zentrum Rudolph als Sippenboss und Patriarch Helge glänzte, ein Machtmensch, der seine Kinder jahrelang missbraucht hat. Bei Rudolph erhielt er so viele sensible Untertöne, dass er zu Beginn sogar noch Sympathie erzeugte. Das "Thalia"-Ensemble hat er mal als eine "Insel der Seligen" bezeichnet. Dennoch genoss er nach seinem Abgang ein Leben als freier Schauspieler ohne Probenstress." → www.abendblatt.de (Annette Stiekele, 24.01.2014).
Im folgenden eine Auswahl der Stücke, in denen Hans Christian Rudolph am "Schauspiel Köln" und am "Thalia-Theater" im Verlaufe seiner Bühnenkarriere Publikum und Kritiker zu überzeugen wusste (wenn nicht anders vermerkt Link Wikipedia):
Die Arbeit vor der Kamera hatte für Rudolph stets eine untergeordnete Bedeutung, nur wenige Male wirkte er in Film- und Fernsehproduktionen mit. Auf dem Bildschirm sah man den Schauspieler überwiegend in Bühnenadaptionen oder Theateraufzeichnungen, erstmals hatte er 1966 unter der Regie von Fritz Umgelter1) in "Herrenhaus" nach dem gleichnamigen Schauspiel von Thomas Wolfe1) eine kleine Rolle übernommen, vierzig Jahre später trat er 2006 als Professor Howard Allbright in der "Donna Leon"-Folge "Endstation Venedig"5) in Erscheinung. Reinhard Hauffs preisgekrönter Spielfilm "Stammheim"1) (1986) blieb seine einzige Arbeit für das Kino – hier stellte er den Wahlverteidiger Otto Schily1) dar.
Darüber hinaus engagierte sich Rudolph für ambitionierte Hörspielproduktionen, hier eine Auswahl (Link: Wikipedia bzw. ARD-Hörspieldatenbank6)):
Hans Christian Rudolph, der 1996 als Erster den "Rita-Tanck-Glaser-Schauspielpreis"1) der "Hamburgischen Kulturstiftung"1) entgegennehmen konnte, erlag am 23. Januar 2014 nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 70 Jahren in einem Hamburger Krankenhaus einem Krebsleiden. Der drei Mal verheiratete Schauspieler hinterließ eine Tochter – die 1967 in Düsseldorf geborene Sascha Icks aus der Verbindung mit einer Tänzerin ist Ensemblemitglied des "Stadttheaters Bremerhaven" → www.stadttheaterbremerhaven.de
Jürgen Flimm würdigte seinen langjährigen Weggenossen bzw. dessen Darstellungskunst, die er am "Thalia-Theater" in über 50 Inszenierungen immer wieder unter Beweis gestellt hatte, in einem Nachruf unter anderem mit den Worten: "Er war ein sehr kluger Schauspieler. In der Wahl seiner Mittel immer ganz sicher und gestochen scharf im Denken, sodass er immer ganz geradeaus und genau gespielt hat. Dabei verfügte er auf der Bühne über einen großen Charme. (…) Er war der beste Schauspieler, mit dem ich gearbeitet habe und auch der wichtigste."7)
DER SPIEGEL (5/2014) bezeichnete Rudolph als "zweifelnden, kühlen, keinesfalls von sich und seiner Arbeit berauschten Bühnenkünstler", für Peter von Becker1) war er in "Der Tagesspiegel" (24.01.2014) der "Flirrende": "Lange Zeit wie ein ewiger Jüngling wirkend, schwarzes Haar und ein überaus charmantes Lachen, glich er äußerlich einer Mischung aus Horst Caspar2) und dem umschwärmten französischen Nachkriegsstar Gérard Philipe2), ja, er hatte eine romanische und romantische Anmutung. Aber sein Strahlen war zugleich gebrochen, die dunklen Augen noch in der blitzenden Heiterkeit voller Melancholie. In dieser schwebenden Ambivalenz lag auch sein besonderer Zauber." → www.tagesspiegel.de

Hans Christian Rudolphs Neffe Sebastian Rudolph, Sohn von Bruder Niels-Peter Rudolph und dessen Ehefrau Hildegard Schmahl, setzte übrigens die Familientradition ebenfalls erfolgreich fort. Für seine überzeugende Darstellung in "Faust I" und "Faust II" war er 2012 von der jährlichen Kritikerumfrage der Zeitschrift "Theater heute" zum "Schauspieler des Jahres" gewählt worden.
Quelle (unter anderem*) **)): Wikipedia
Siehe auch den Nachruf von Jürgen Flimm bei www.kultiversum.de sowie
die Nachrufe bei www.abendblatt.de, www.tagesspiegel.de
*) Henschel Theaterlexikon (Henschel Verlag, 2010, S.  736/737)
**) Langen Müller's Schauspielerlexikon der Gegenwart (München 1986, S. 844)
Link: 1) Wikipedia, 2) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 3) dieterwunderlich.de, 4) goethe.de, 5) fernsehserien.de, 6) hoerspiele.dra.de
7) Quelle: Zitat "Hamburger Abendblatt" → www.abendblatt.de
Filme
Filmografie bei der Internet Movie Database

(Link: Wikipedia (deutsch/englisch), felix-bloch-erben.de,
fernsehserien.de, Die Krimihomepage, deutsches-filmhaus.de, prisma.de)
Kinofilm Fernsehen
Um zur Seite der Publikumslieblinge zurückzukehren, bitte dieses Fenster schließen.
Home: www.steffi-line.de