Wirken am Theater (Auszug) / Filmografie / Hörspiel
Walter Schmidinger wurde am 28. April 1933 in der Donau-Stadt Linz1) in ärmliche Verhältnisse hinein geboren. Seine Kindheit und Jugend war von Verlusten geprägt, der Bruder fiel im 2. Weltkrieg, die Schwester, Frau eines SS-Mannes, kam wegen der Liaison mit einem ausländischen Hilfsarbeiter nach der Scheidung auf Betreiben ihres Ex-Mannes ins KZ. Die Mutter verschwand spurlos, als er 10 Jahre alt war, der Vater, welcher den 1. Weltkrieg nur schwerbehindert überlebt hatte, schied später durch Freitod aus dem Leben.
Schon früh begeisterte sich Schmidinger für das Theater, absolvierte jedoch nach der Schule zunächst eine Lehre als Verkäufer und Dekorateur in einem Tuchwarengeschäft, dann entschied sich doch für den Beruf des Schauspielers. Eine entsprechende Ausbildung begann er 1951 am renommierten Wiener "Max-Reinhardt-Seminar"1), ein erstes Engagement erhielt Schmidinger am Wiener "Theater in der Josefstadt"1). 1954 folgte er einem Ruf an die "Bühnen der Stadt Bonn", dessen Ensemble er, mit Unterbrechungen für ein Engagement am "Düsseldorfer Schauspielhaus"1), bis 1969 angehörte. Dann ging Schmidinger für drei Jahre an die "Münchner Kammerspiele"1), um dann 1972 an das "Bayrische Staatsschauspiel"1) zu wechseln, welches für über ein Jahrzehnt seine künstlerische Heimat blieb und wo er in vielen Stücken das Publikum begeisterte. Beispielsweise wurde er zur Spielzeit 1973/74 für die Gestaltung des Tuchhändlers Hatch in dem von Luc Bondy1) in Szene gesetzten Stück "Die See" von Edward Bond1) gefeiert. Der Schriftsteller und Theaterkritiker Reinhard Baumgart1) schrieb unter anderem in der "Süddeutschen Zeitung" (03.12.1973): "Schmidinger, der sonst so gern auf der Bühne als Senkrechtstarter verglüht (immer gleich auf der schwindligsten Höhe seiner Mittel und Tricks), baut nun diese Figur (…) mit geradezu wilder Geduld auf, in immer neuen Anläufen, mit immer neuen Ruhepausen. Er zeigt zunächst nur ein fahles, verletzlich offenes Gesicht, schon erschöpft, aber immer noch diensteifrig. Er fällt, wenn er dann zu seiner Eingeweihtentruppe spricht, nur kurz in ein Sportpalastgebell mitten im gejagten Parlando. Immer wieder, noch nach dem letzten, hemmungslos blubbernden Paranoia-Anfall, verklärt er sich mit dem Lächeln des Erleuchteten, alles Wissenden und Verzeihenden, eines Märtyrers der richtigen Sache."*) → Theatertreffen 1974

Das Foto wurde mir freundlicherweise von der
Fotografin Virginia Shue (Hamburg) zur Verfügung gestellt. 
Das Copyright liegt bei Virginia Shue.

Walter Schmidinger 01; Copyright Virginia Shue
Unvergessen bleibt auch 1984 seine grandiose Darstellung des Shylock in dem Shakespeare-Drama "Der Kaufmann von Venedig" an der Seite von Martin Benrath als Kaufmann Antonio (Regie: Alfred Kirchner1)) → www.zeit.de. 1985 zog es den Schauspieler nach Berlin und er spielte zunächst an der "Schaubühne am Lehniner Platz"1), ein Jahr später wurde er an das "Schillertheater"1) verpflichtet. Bis 1993 stand er dort auf der Bühne und wirkte zudem als Regisseur, nach Schließung der traditionsreichen Bühne auf Beschluss des Berliner Senats aufgrund der finanziellen Notlage ging Schmidinger an das "Deutsche Theater"1), bereicherte seit 2003 das "Berliner Ensemble"1). Darüber hinaus gastierte er an allen wichtigen deutschsprachigen Bühnen sowie bei den "Salzburger Festspielen"1). Am Wiener "Burgtheater"1) brillierte er zur Spielzeit 2001/2002 als "Erster Schauspieler" in Klaus Maria Brandauers "Hamlet"1)-Inszenierung mit Michael Maertens1) in der Titelrolle.
Walter Schmidinger 02; Copyright Werner Bethsold Zu den Schmidingers Theaterarbeiten der letzten Jahre zählte 2007 Peter Steins1) Großprojekt von Schillers "Wallenstein"-Trilogie1), die der Regisseur mit dem "Berliner Ensemble" und Brandauer in der Titelrolle realisierte. Schmidinger sprach als Astrologe Battista Seni1) mit brüchiger, sich steigernder Stimme den Prolog, wie er 1798 bei der Uraufführung des "Lagers" bei der Wiedereröffnung der renovierten Schaubühne in Weimar gesprochen wurde, und endet mit den Worten "Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst".2) Die umjubelte Premiere der knapp elfstündigen Aufführung fand am 19. Mai 2007 in der ehemaligen Kindl-Brauerei1) in Berlin-Neukölln1) statt, bis Mitte Oktober wurden weitere Aufführungen gezeigt. Zur Besetzung gehörten unter anderem Peter Fitz (Octavio Piccolomini), Daniel Friedrich (Graf Terzky), Rainer Philippi (Illo), Uli Pleßmann (Isolani), Jürgen Holtz (Oberst Butler), Roman Kaminski (Oberst Wrangel), Elke Petri (Herzogin von Friedland), Elisabeth Rath (Gräfin Terzky), Alexander Fehling (Max Piccolomini) und Friederike Becht (Wallensteins Tochter Thekla) → nachtkritik.de, deutschlandfunk.de.
  
Foto: © Werner Bethsold1) (1925 – 2019); Das Foto entstand 1987 während einer
Hörspielproduktion und wurde mir von Werner Bethsold freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Bereits während seiner Zeit an den "Münchner Kammerspielen" war Schmidinger für seine beeindruckende Darstellung des Ehemannes Willy in der Uraufführung des Stücks "Heimarbeit" (1971) von Franz Xaver Kroetz zum "Besten Schauspieler des Jahres" gewählt geworden, seither gehörte er zu den Stars der deutschsprachigen Theaterszene. Unter der Regie bedeutender Theatermänner wie Peter Stein, Klaus Michael Grüber1), Peter Zadek1), Luc Bondy1), Jürgen Fehling1), Ingmar Bergman1), Robert Wilson1) oder Giorgio Strehler1) zeigte der Österreicher mit seinem facettenreichen Spiel immer wieder seine außergewöhnliche schauspielerische Dominanz, wurde von vielen als "Hauptmensch im Theater der letzten Jahrzehnte" gefeiert: "Er ist einer der Seltsamsten. Kein Protagonist im üblichen Sinne, aber ein Hauptmensch im Theater der letzten Jahrzehnte. Es ist, als habe eine windzitternde Vogelfeder beschlossen, es sich ausgerechnet in einer Schmiede behaglich zu machen. So durchwanderte, durchlitt Walter Schmidinger das Theater seines Lebens, spielte sich durch die Weltdramatik, mit graziöser Schwermut. Das Entschlossene untersagt dem Feinen, allzu fein zu sein; und das Feine gestattet seinerseits dem Festen empfindsam zu vibrieren. In Schmidinger arbeiten zernagte Schönheitsvisionen und ein bis zur Schmerzgrenze zartes Gewissen. Die Scham zerrt so sehr wie der Ausstellungsdrang. Immer macht er einen gefährdeten Eindruck, und man weiß als Zuschauer nicht immer, wo die Grenzen von Schein und Sein sind." notierte die "Welt am Sonntag" am 20. Juli 2003.
Schmidingers Domäne waren zerrissene Figuren und gebrochene Seelen, die er sowohl in klassischen als auch modernen Stücken virtuos gestaltete: Zu nennen ist beispielsweise der Malvolio in der Shakespeare-Komödie "Was ihr wollt"1), sein "Hamlet"1), "König Lear"1) oder "Nathan der Weise"1) schrieben Theatergeschichte, ebenso wie die Titelrolle des Argan in Moličres "Der eingebildete Kranke"1), für den ihn nicht nur die Presse als "eingebildetsten Kranken aller Zeiten" umjubelte. Als grandioser Antonio Salieri1) in Peter Shaffers Drama "Amadeus"1) feierte er 1981 am "Residenztheater" Triumphe, am "Deutschen Theater" interpretierte er seit der Premiere am 3. Oktober 1997 in den "Kammerspielen" an der Seite von Klaus Piontek (Schriftsteller Atzbacher) und Dietrich Körner (Museumsdiener Irrsigler) den griesgrämigen Musikkritiker Reger in der Dramatisierung (Deutsche Erstaufführung) des Romans "Alte Meister"1) von Thomas Bernhard1) und wurde für seine darstellerische Leistung mit dem "Kritikerpreis der Berliner Zeitung"1) geehrt. So konnte man bei "Neues Deutschland" (06.10.1997) unter anderem lesen: "Eine Paraderolle für den Österreicher Walter Schmidinger. Der Schauspieler, der sich vom Wohlklang seiner Stimme gern auch einmal ein wenig davontragen läßt, ist in der subtil konkretisierenden Regie von Friedo Solter1) von hinreißender Präsenz. (…) Man kann seinem Herrn Reger nicht gram sein, selbst wenn der Gift und Galle spuckt. Der Kunstsinnige verachtet die alten Meister als Vertreter katholischer Staatskunst, verabscheut die Politiker als Völkermörder, schmäht den Papst, verurteilt die Lehrer als Zugrunderichter, kann sich sogar über die mangelhafte "Toiletten-Kultur" Wiens alterieren." → berliner-schauspielschule.de; nach Pionteks frühem Tod († 22.06.1998) übernahm Otto Mellies im Herbst 1998 die Rolle des Schriftsteller Atzbacher.
Große Beachtung fand Schmidinger auch 1994 mit der Verkörperung des Kaisers Franz Josef I.1) in der Produktion des Singspiels "Im weißen Rößl"1), die im Berliner Spiegelzelt "Bar jeder Vernunft"1) unter der Regie von Ursli Pfister1) mit der Musik von Ralph Benatzky1) sowie Stars wie Otto Sander (Professor Hinzelmann), Max Raabe1) (Dr. Siedler) und
Meret Becker1) (Klärchen) aufgeführt wurde. Am "Berliner Ensemble" erarbeitete Schmidinger die Rolle des König Peter vom Reiche Popo in der umjubelten Inszenierung von Robert Wilsons Musical-Inszenierung des Büchner-Lustspiels "Leonce und Lena"1). Die bildgewaltige Satire mit Markus Meyer (Leonce), Nina Hoss (Lena) und Stefan Kurt (Hofnarr Valerio) feierte am 1. März 2003 Premiere und wurde auch im Fernsehen gezeigt; Musik und Liedtexte stammten von keinem Geringeren als Herbert Grönemeyer1) → tagesspiegel.de, spiegel.de.
Mehrfach trat er bei den "Salzburger Festspielen"1) auf, so erstmals 1978 unter der Regie von Ernst Haeusserman1) als "Dünner Vetter" im "Jedermann" von Hugo von Hofmannsthal1) neben Maximilian Schell in der Titelrolle sowie 1988 und 1989 als "der Teufel" an der Seite von Protagonist Klaus Maria Brandauer. Später gab er unter anderem 1994 und 1995 den Zauberer Cotrone in "Die Riesen vom Berge"1) von Luigi Pirandello1) (Regie: Luca Ronconi1)) und 1996 den Habakuk, Bedienter bei Rappelkopf, in "Der Alpenkönig und der Menschenfeind"1) von Ferdinand Raimund1), inszeniert von Peter Stein1) mit Helmuth Lohner (Alpenkönig Astralagus) und Otto Schenk (Herr von Rappelkopf) → Übersicht (Auszug) Wirken am Theater.    
Die Kritiker überschlugen sich stets in der Würdigung von Schmidingers Leistungen als Theatermime, im "Tagesspiegel" meinte Hellmuth Karasek1) unter anderem "Walter Schmidinger ist einer der wenigen Schauspieler, die man, ohne zu zögern, "begnadet" nennen darf, wobei man sich darüber klar sein muß, daß "begnadet" immer auch 'verflucht' heißt und bedeutet: Gnade und Fluch sind zwei Seiten der gleichen Medaille. … Große Kunst ist immer auch ein Pakt mit dem Teufel."
In der F.A.Z. (27.04.2003) schrieb Gerhard Stadelmaier1) anlässlich des 70. Geburtstages: "Schmidinger wirkt immer wie ein Überraschungsgast auf der Bühne. Ihm ist alles zuzutrauen. Um ihn lauern die ernsteren, erschütternden Sphären, aber auch die grotesken, komischen, revoltierenden, patzigen, wie Spott- und Hohnbeulen aufplatzenden Gelegenheiten, wenn er sich in seiner Hoheit sozusagen vor sich selber duckt, nur wie um loszulegen und um sich zu schlagen, böse zu sein und zu verletzen – aber gleichzeitig um Liebe zu betteln." → www.faz.net
Schmidinger selbst sagt zu seiner Profession "Wie immer man diesen Beruf verstehen mag, für mich war es immer ein heiliger Beruf. Nicht ein Beruf, eine Berufung. Ein Beruf, in dessen Haus man den Hut abnimmt, in dessen Haus man auf der Bühne nicht isst, in dessen Haus man kämpft um Dinge, um Gedanken, um große Gedanken."
Szenenfoto mit Götz George aus "Tote sterben niemals aus"; mit freundlicher Genehmigung von Pidax-Film, welche die Satire Ende Juni 2019 auf DVD herausbrachte. Seit Anfang der 1970er Jahre übernahm der Schauspieler zudem interessante Aufgaben für Film und Fernsehen. Neben Gastrollen in einigen "Tatort"-Produktionen sowie Auftritten in den beliebten Krimiserien "Derrick" und "Der Alte" erlebte man Schmidinger unter anderem in den TV-Spielen "Drei Freundinnen" (1979), "Hanna von acht bis acht" (1983), "Die Friedenmacher" (1984) sowie in Otto Schenks Molnár-Verfilmung "Spiel im Schloß" (1985) an der Seite von Martin Benrath. Er wirkte in der Kult-Serie "Kir Royal"1) (1986) mit, präsentierte sich in der schwarzen Komödie "Die Rachegöttin" (1994), den Thrillern "Lemgo"3) (1994), "Opernball"1) (1998) und "Warten ist der Tod"1) (1999). Eine schöne Rolle war die des alternden Schauspielers Wolski in der amüsanten Geschichte "Tote sterben niemals aus"4) (1996) mit Götz George als gewitztem Sozialhilfeempfänger Benno → Übersicht TV-Filme.

Szenenfoto mit Götz George aus "Tote sterben niemals aus"
Mit freundlicher Genehmigung von Pidax-Film, welche die Satire Ende Juni 2019
auf DVD herausbrachte. → www.pidax-film.de

Auf der Leinwand zeigte sich der Charakterdarsteller erstmals 1973 mit einer kleinen Nebenrolle unter der Regie von Maximilian Schell in dessen zweitem Film "Der Fußgänger"1), wenige Jahre später stand er für Ingmar Bergmans1) Drama "The Serpent's Egg"1) (1977, "Das Schlangenei") als Herr Solomon vor der Kamera. Es folgten prägnante Nebenrollen in ambitionierten Kinoproduktionen, so erneut unter der Regie von Maximilian Schell in "Geschichten aus dem Wienerwald"1) (1979) nach dem gleichnamigen Theaterstück1) von Ödön von Horváth1), mit Ingmar Bergmann drehte er "Aus dem Leben der Marionetten"1) (1980). In "Caspar David Friedrich – Grenzen der Zeit"1) (1986), Peter Schamonis1) authentischem Filmdokument über den bedeutendsten Maler der deutschen Romantik, verkörperte er – an der Seite von Helmut Griem in der Hauptrolle des Arztes, Malers und Naturphilosophen Carl Gustav Carus1) – den Kunstkritiker und Intimfeind Caspar David Friedrichs, Basilius von Ramdohr1). István Szabó1) besetzte ihn als Propagandachef in seinem Biopic "Hanussen"1) (1988) über den von Klaus Maria Brandauer dargestellten zwielichtigen "Hellseher" Erik Jan Hanussen1), Harald Bergmann1) als älteren Dichter Friedrich Hölderlin1) in "Hölderlin Comics" (1994, → bergmannfilm.de), der zweiten filmischen Auseinandersetzungen mit dem Thema "Hölderlin", in dem die Arbeit des Dichters und seine kaum bekannten Texte vorgestellt und in filmische Kategorien umgesetzt werden. Auch im letzten Teil der Trilogie "Scardanelli"5) (2000) war Schmidinger als Rezitator zu sehen und zu hören (Anmerkung: "Scardanelli" war der selbst gewählte Name Friedrich Hölderlins in den Jahren 1807 bis 1843). Schmidingers letzte Arbeit für das Kino war Hans-Christian Schmids1) Drama "Requiem"1), das im März 2006 in die Kinos kam und in dem er den Pfarrer Gerhard Landauer spielte. Erzählt wird von einer katholischen Studentin (Sandra Hüller1)), die sich im Süddeutschland der 1970er Jahre von Dämonen besessen glaubt, angelehnt an den realen Fall der Anneliese Michel1) zu Beginn der 1970er Jahre → Übersicht Kinofilme.
 
Neben der umfangreichen Arbeit für Theater, Film und Fernsehen fand Walter Schmidinger immer wieder Zeit für Lesungen und Rezitationsabende, die ihn durch ganz Deutschland führten. Ein Kritiker schildert sein Erlebnis einer Lesung so: "Schmidingers Stimmer hat viele Gestalten. In ihnen leben Ironie, Trauer, Verzweiflung, Freude. Und Ärger. Hier wird der Schauspieler laut. Gesicht und Körper bäumen sich auf, sind ganz Erregung und Wut. Die Stimme hat Macht. Die Pausen zwischen Worten und Sätzen füllen den Raum, legen sich bleiern auf die Zuhörer. Die hören konzentriert zu. Kein Räuspern oder Hüsteln brechen in die Stille einer Pause ein."
In seinen Programmen beschäftigte sich Schmidinger mit unterschiedlichen Werken der Literatur, wie beispielsweise von Thomas Bernhard1), Joseph Roth1), Arthur Schnitzler1), Else Lasker-Schüler1), Johann Nestroy1), Heinrich Heine1) und Franz Kafka1), als Interpret der Texte des von ihm verehrten Karl Valentin (Monologe – Dialoge – Szenen) war er einzigartig.
Einer der bedeutendsten Theaterkritiker Deutschlands, Friedrich Luft1) (1911 – 1990), meinte hierzu unter anderem: "Schmidinger bedarf keiner Requisiten. Ein einfacher Stuhl. Ein simpler Tisch. Eine Wasserflasche. Ein paar Papiere mit den Valentin-Texten. Sonst nichts. Der skurrile Geist des rätselhaft komischen, bedrohlichen, querdenkenden Valentin ist für fast zwei Stunden herrlich präsent. Sein Nachsprecher, Schmidinger, hat plötzlich die Figur des hageren Vorbildes. Er bewegt sich selten. Er geht, wenn es um einen dieser sonderbar verflixten Dialoge, dieser vorgespielt dämlich-tiefen Szenen geht, zuweilen von seinem Sitz, wandelt ums Rednerpult. Meist bleibt er, wo er ist. Ohne Valentin je deutlich zu kopieren, stellt er ihn dar. … Schmidinger erweckt all die Listen seines Humors. Er spricht sein vertracktes Bayrisch genau wie sein Vorbild. Er "macht nichts her" von dessen frecher Ernsthaftigkeit. Er selber lacht nie – oder nur selten triumphierend, wenn er uns zu einer besonderes irrwitzigen, klugen Idiotie verführt hat. Der Abend wird, während er immer etwas gespenstiger wird, köstlich. Schmidinger sollte ihn noch oft wiederholen. Er ist eine närrischen Wohltat." Und "Der Standard" schrieb in einem Nachruf: "Unvergessen bleibt seine Lesung aus Joseph Roths "Hiob"-Roman1) im Wiener "Akademietheater"1). Schmidinger drückte seine wohltönend gaumige Suada in lichte Höhen empor. Von diesem Gipfel herab haderte Roths Hiob mit Gott, zieh ihn der Ungerechtigkeit, beklagte die verfehlte Schöpfung. Schmidinger, der oft wie ein Kammermusiker des Worts zu musizieren verstand, gebot völlig selbstverständlich über die reichste Instrumentationskunst". → derstandard.at
Zudem bereicherte der "Stimmkünstler" Schmidinger mit seiner markant-unverwechselbaren Stimme so manches Hörspiel, eine Auswahl der bei der ARD Hörspieldatenbank gelisteten Produktionen findet man hier.
 

Das Foto wurde mir freundlicherweise von der Fotografin Virginia Shue (Hamburg)
zur Verfügung gestellt.  Das Copyright liegt bei Virginia Shue.

Walter Schmidinger 03; Copyright Virginia Shue
Seine Erinnerungen veröffentlichte der Künstler 2003 unter dem Titel "Angst vor dem Glück" und berichtet darin von seinem bewegten Leben, lässt nicht nur das Leben auf der Theaterbühne Revue passieren, sondern auch persönliche Anekdoten, die das Buch noch abwechslungsreicher und lesenswerter machen, werden erzählt. Schmidinger schreibt in einer sehr charmanten und ehrlichen, aber auch amüsanten Weise. Das Buch entstand aus Gesprächen, die er mit dem Theaterregisseur, Intendant, Autor und Herausgeber Stephan Suschke1) führte und der daraus ein eine beieindruckende Biografie machte. Der "Münchner Merkur" schrieb "Vermutlich eine der schönsten Autobiographien der letzen Zeit. Was Schmidinger hier über sein Leben und seine Profession erzählt, ist von fesselnder Aufrichtigkeit, von großer Liebe, von empfindlicher Tiefe. Dabei ist das Buch frech und witzig. Und es hat was von jener Genialität, die sein Verfasser auf der Bühne ausstrahlt." Die Berliner "Akademie der Künste"1), der er seit 2001 angehörte, widmete ihm 2003 einen Abend, "an dem Martin Wuttke1) Schmidingers biografische Aufzeichnungen "Angst vor dem Glück" vorstellte. Es wurde ein an- und berührender Abend. Die Biografie offenbarte neben den großen Theater- und Filmerfolgen die rauen, fast grotesk anmutenden Erlebnisse seiner Kindheit und Jugend, die von Krieg und Zerstörung geprägt waren. "Familienbande" überschreibt er ein Kapitel, in dem nachzulesen ist, wie seine Mutter, selbst eine große Schauspielerin, ihre Sprache verlor, als sie zu Hause von einem Gestapo-Verhör berichtete. Als sie nach diesem Ereignis 1943 verschwand und vermisst gemeldet wurde, war er zehn Jahre alt. Tief komisch beendete Walter Schmidinger den Akademie-Abend mit einer Lesung von Monologen, Dialogen und Szenen von Karl Valentin." (Quelle: www.adk.de)  
Von der Schauspielerin und Filmemacherin Andrea Eckert1) stammt das filmische Portrait "…mit den Zugvögeln fort…" (→ andrea-eckert.com), welches am 20. März 2006 erstmals bei 3SAT ausgestrahlt wurde. In Gesprächen lässt Schmidinger sein Leben Revue passieren, die Höhepunkte und die Rückschläge, die Freundschaften und den Verrat, die Kollegen, die Regisseure und Kritiker, die Arbeit am Theater, Momente der Euphorie und Zeiten der Verzweiflung. (…) Dieser Film ist eine Verbeugung vor einem Meister seines Metiers und eine Liebeserklärung an den irrlichternden Menschen Walter Schmidinger, der uns mit seiner Radikalität, seiner Melancholie und seiner Komödiantik immer wieder ans Theater glauben lässt.6) 
Im November 2006 erhielt Walter Schmidinger den "Nestroy-Theaterpreis"1) für das Lebenswerk, mit dem seit 2000 wichtige Persönlichkeiten der Theaterwelt für ihre schauspielerische Lebensleistung geehrt werden; die Laudatio hielt Klaus Maria Brandauer.
 
Auf den Tag genau fünf Monate nach seinem 80. Geburtstag starb der umjubelte, als "Nervenschauspieler" bezeichnete Charaktermime am 28. September 2013 in Berlin an den Folgen einer Lungenentzündung; die letzte Ruhe fand er auf dem dortigen "Dorotheenstädtischen Friedhof"1) im Ortsteil Berlin-Mitte1) → Foto der Grabstelle bei knerger.de.
"Schmidingers war Spiel in seinen vielen Rollen immer eindrücklich. Seine Schauspielkunst prägte die Inszenierungen" sagte Berlins damaliger Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit1) unter anderem in einem Nachruf. Am 1. Dezember 2013 fand im "Berliner Ensemble" eine Matinee mit dem Titel "…Mit den Zugvögeln fort…" zur Erinnerung an den Schauspieler statt. Kollegen und Freunde wie Carmen-Maja Antoni, Robert Wilson1), Andrea Eckert, Angela Winkler1), Claus Peymann1), Klaus Maria Brandauer und Meret Becker1) erinnerten noch einmal an den Verstorbenen. Der schriftliche Nachlass Schmidingers befindet sich in der Berliner "Akademie der Künste"1) → Walter-Schmidinger-Archiv
Bereits rund zwanzig Jahre vor Schmidingers Ableben charakterisierte Gerhard Stadelmaier1) den Österreicher in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung"1) (F.A.Z., 28.04.1993) folgendermaßen: "Der Schauspieler Walter Schmidinger, der hagere Hüne mit der sensibel beseelten Cholerik, ist unter den Königen der Schauspielkunst der große Narr und unter ihren Narren ein einsamer König. Er ist zu sehr schwerer Kobold, um als Tragiker unterzugehen, und zu sehr federnd leichter Trauerkloß, um als Scherzkeks aufzugehen. Er hält die Mittellage als Kippfigur auf des Messers Schneide. Auf dieser tänzelt er mit Eleganz und selten ohne Penetranz entlang. So zieht er auch alles Scheinwerferlicht auf sich. Er schlendert gerne alle übrigen an die Wand. Auf der Bühne wirkt er manchmal wie ein verzogenes Kind, das gleich loszuheulen droht, wenn ihm nicht alle Liebe geschenkt würde: ein großer Schau-Spieler mit Haut und Haar. Und dann wirkt er wieder wie die Selbstvergessenheit in Person. Ganz wunde Unnahbarkeit, großer Schmerzensmann."*) → Siehe auch Stadelmaiers Artikel zu Schmidingers 80. Geburtstag mit dem Titel "Unmutsriese, Zauberkönig, Narrenprinz" bei www.faz.net.
Siehe auch Wikipedia sowie die Nachrufe bei
"Akademie der Künste", www.spiegel.de, www.faz.net, www.welt.de, www.tagesspiegel.de
*) Henschel Theaterlexikon",  Hrsg. C. Bernd Sucher (Henschel Verlag, 2010, S. 774/775)
Fremde Links: 1) Wikipedia, 3) deutsches-filmhaus.de, 4) prisma.de, 5) filmportal.de
Quelle: 2)  www.morgenpost.de, 6) www.andrea-eckert.com
  
Theater-Wirken (Auszug)
Quelle (unter anderem): "Henschel Theaterlexikon",
 Hrsg. C. Bernd Sucher (Henschel Verlag, 2010, S. 774/775)
(Fremde Links: Wikipedia; R = Regie, DE = deutschsprachige Erstaufführung, UA = Uraufführung, P = Premiere)
"Düsseldorfer Schauspielhaus"

"Münchner Kammerspiele"

"Bayerisches Staatsschauspiel"/ "Residenztheater", München "Deutsches Schauspielhaus", Hamburg "Schaubühne am Lehniner Platz", Berlin "Schillertheater", Berlin "Schlosspark Theater", Berlin "Bar jeder Vernunft", Berlin "Volksoper Wien" "Deutsches Theater", Berlin "Burgtheater", Wien "Berliner Ensemble" "Admiralspalast", Berlin "Salzburger Festspiele"
Filme
Kinofilme / Fernsehen
Filmografie bei der Internet Movie Database sowie filmportal.de
(Fremde Linls: Wikipedia, filmportal.de, fernsehserien.de, deutsches-filmhaus.de)
Kinofilme Fernsehen (Auszug)
Hörspielproduktionen (Auszug)
(Fremde Links: ARD-Hörspieldatenbank (mit Datum der Erstausstrahlung), Wikipedia)
Um zur Seite der Publikumslieblinge zurückzukehren, bitte dieses Fenster schließen.
Home: www.steffi-line.de