Filmografie / Hörspiel
Jakob Tiedtke, fotografiert von Franz Xaver Setzer (1886 – 1939); Quelle: cyranos.ch Jakob Tiedtke erblickte am 23. Juni 1875 als Jakob Karl Heinrich Wilhelm Tiedtke in Rixdorf1) bei Berlin (heute Ortsteil Berlin-Neukölln1)) das Licht der Welt. Sein Vater war humoristischer Schriftsteller und Mitarbeiter der reich illustrierten deutschen Wochenschrift "Fliegende Blätter"1), des "Kladderadatsch"1) u. Ä. Nach dem Besuch des "Köllnischen Gymnasium" seiner Geburtsstadt wurde Tiedtke Absolvent der "Seebach-Schule", die dem Berliner "Königlichen Schauspielhaus"1) angeschlossen war. Nach Beendigung der Studien debütierte der junge Schauspieler dort 1899 als Cato in der Shakespeare-Tragödie "Julius Caesar"1), ging wenig später an das "Preußische Hoftheater", dem er bis 1905 als Ensemblemitglied angehörte. Dann folgte er für acht Jahre einem Ruf Max Reinhardts1) (1873 – 1943) an das "Deutsche Theater"1) und tat sich dort als "fleißiger Chargenspieler" hervor: "An Max Reinhardts "Deutschem Theater" wurde Tiedtke bekannt als "Leichenvogel": Wenn er nicht selber spielte, saß er im Parkett, um beim Ausfall eines Darstellers sofort einspringen zu können. Die in Frage kommenden Rollen hatte er alle im Kopf. So wurde er Reinhardts fleißigster Chargenspieler, der in über 100 Inszenierungen meist alte Männer darstellte wie den Medizinalrat Dr. von Brausepulver in der Uraufführung von Frank Wedekinds Kindertragödie "Frühlings Erwachen"1) (1906). Der Übergang zum Komiker kam mit zunehmender Leibesfülle. Tiedtke erzählt, wie er einmal für einen erkrankten Darsteller einspringen und den alten Moor spielen sollte, der vom eigenen Sohn in den Hungerturm gesperrt wird."*)
 
Jakob Tiedtke, fotografiert von Franz Xaver Setzer1) (1886 – 1939)
Quelle: cyranos.ch; Angaben zur Lizenz siehe hier
1913 wechselte er an das private "Deutsche Künstlertheater Societät"1), ein Jahr später an das "Lessingtheater"1) unter der Leitung von Victor Barnowsky1) (1875 – 1952); 1915 schloss sich ein dreijähriges Engagement am berühmten Wiener "Burgtheater"1) an.
Bis 1925 gastierte Tiedtke an verschiedenen Berliner Theatern und gehörte von 1933 bis 1945 zum Ensemble der Berliner "Volksbühne"1). In der Zeit des Nationalsozialismus war er Präsidialbeirat im NS-Führerkorps "Kameradschaft der deutschen Künstler"1)2). Nach Ende des 2. Weltkrieges gründete Tiedtke zusammen mit Theo Lingen (1893 – 1978), Paul Kemp (1899 – 1953), Siegfried Breuer (1906 – 1954) sowie anderen Schauspielerkollegen die "Künstlergemeinschaft Bad Ischl", die zwei Jahre lang in Österreich auf Tournee ging. Danach konnte der Schauspieler wieder in München und Berlin erfolgreich Theater spielen und auch in Hamburg brillierte er unter anderem Anfang November 1949 am "Thalia Theater"1), wo anlässlich seines 50. Bühnenjubiläums die Komödie "Der gute Onkel Jan" von Georges Feydeau1) mit Tiedtke in der Titelrolle erstmals in deutsch aufgeführt wurde  →spiegel.de.
Zu seinen Glanzrollen auf der Bühne zählten neben bedeutenden Theaterfiguren wie dem Jago in Shakespeares "Othello"1), dem Mephisto in Goethes "Faust I"1) oder dem Franz Moor in Schillers "Die Räuber"1) vor allem Interpretationen in klassischen Lustspielen und Schwänken, unter anderem glänzte Tiedtke als Dorfrichter Adam in Kleists "Der zerbrochne Krug"1), als Theobald Maske in Sternheims "Die Hose"1) oder als Falstaff1) in der Shakespeare-Komödie "Lustigen Weibern von Windsor"1). Als Darsteller der Figuren von Moličre beeindruckte er das Publikum als "Der eingebildete Kranke"1), als "Tartuffe"1) und als "Der Geizige"1), gestaltete ebenso hinreißend den Schmierentheaterdirektor Emanuel Striese in dem Schwank "Der Raub der Sabinerinnen"1) von Franz und Paul von Schönthan1) oder den Baron Weps in der Operette "Der Vogelhändler"1) von Carl Zeller1). Sein Berliner Humor und die Berliner Unerschütterlichkeit prägten den Charakter Tiedtkes, die er auch seinen Figuren auf der Bühne verlieh. Er war eher ein stiller Komiker, dem das Herz mehr galt als die Pointe. "Der geborene Berliner Tiedtke wollte immer möglichst realistisch spielen, sich nie über seine Figuren erheben oder satirische Kommentare darstellen. "Ich will ja nich, daß man sieht, daß det een Schauspieler is! Det is meen Jlaubensbekenntnis". Er mied die Übertreibung, strebte nach Maß und Natürlichkeit und war im Privatleben stolz darauf, dass die Leute zu ihm sagten: "Wüßte ich nicht, dass Sie der Tiedtke sind, nie würde ich Sie für den Tiedtke halten!" "Ick bin normal"; darauf war er stolz."*)  
   
Schon früh war Tiedtke mit dem neuen Medium Kinematographie in Berührung gekommen und zeigte seine Kunst in verschiedenen stummen Streifen; seit Ende des 1. Weltkrieges hatte sich der Schauspieler fest an die "EFA-Filmgesellschaft" gebunden. Seine ersten Leinwandauftritte sollen bis auf das Jahr 1906 zurückgehen, wo er in Einaktern des Regisseurs und Filmpioniers Oskar Messter1) (1866 – 1943) mitspielte, was heute allerdings nicht mehr nachweisbar ist. Der erste gesicherte Film mit Tiedtke hingegen entstand 1913 unter dem Titel "Schuldig"1) nach dem gleichnamigen Bühnendrama von Richard Voss1), zwei Jahre später wirkte er neben Paul Wegener in dessen Klassiker "Der Golem"1) (1915) mit. Bevorzugt arbeitete er mit Regisseur Ernst Lubitsch1) (1892 – 1947) zusammen, der ihm den Übernamen "Filmvater Tiedtke" gab und ihn in seinen stummen Produktionen "Die Puppe"1) (1919), "Kohlhiesels Töchter"1) (1920), "Romeo und Julia im Schnee"1) (1920), "Sumurun"1) (1920) und "Die Flamme"1) (1922) besetzte. Die imposante Gestalt des Mimen wurde von den Regisseuren immer wieder für schrullige und drollige Typen genutzt, denen Tiedtke stets Leben einzuhauchen verstand. Zu den weiteren großen Produktionen, in denen Tiedtke in den 1920er Jahren beteiligt war,  zählen unter anderem das sechsteilige Abenteuer "Der Mann ohne Namen"1) (1921), "Sie und die Drei"1) (1922), "Der Kaufmann von Venedig"1) (1923), "Das alte Gesetz"1), "Ein Walzertraum"1) (1925), "Die Mühle von Sanssouci"1) (1926), "Gehetzte Frauen"1) (1927), "Dr. Bessels Verwandlung"1) (1927) und "Mascottchen"1) (1929). In Hans Kysers prominent besetztem Historienfilm "Luther – Ein Film der deutschen Reformation"1) (1927) überzeugte Tiedtke, neben Eugen Klöpfer in der Titelrolle des Reformators Martin Luther1) (1483 – 1546), als Ablassprediger Johann Tetzel1) (1460 – 1519) → Übersicht Stummfilme (Auszug).
Vor allem als Interpret komischer Rollen bzw. im Fach des älteren Bonvivant avancierte Tiedtke auf der Leinwand zu einem bekannten und populären Darsteller, blieb auch in den 1930er Jahren bzw. im Tonfilm ein vielbeschäftigter Schauspieler, wusste sich mit prägnanten Nebenrollen bzw. schrulligen Typen in beliebten Lustspielen jener Zeit, aber auch Produktionen anderen Genres in die Herzen der Zuschauer zu spielen. So erlebte man ihn beispielsweise als Gutsbesitzer und Junggeselle Philipp Klapproth in dem Schwank "Pension Schöller"1) (1930), als Protagonist Schneidermeister Titus Hasenklein in "
Hasenklein kann nichts dafür"3) (1932) oder als Onkel Emil in der Operette-Adaption "Der Vetter aus Dingsda" (1934). Zur umfangreichen Filmografie, die in der "Internet Movie Database" rund 200 Titel ausweist, zählen unter anderem erfolgreiche Streifen wie "Das Flötenkonzert von Sans-souci"1) (1930), "Yorck"1) (1931), "Das Blaue vom Himmel"3) (1932), "Saison in Kairo"1) (1933), "Kleiner Mann – was nun?"1) (1933), "Schwarzer Jäger Johanna"1) (1934), "Der Doppelgänger"1) (1934) "Petersburger Nächte"1) (1935), "Die göttliche Jette"1) (1937) oder die Rühmann-Filme "So ein Flegel"1) (1934) und "Nanu, Sie kennen Korff noch nicht?"1) (1938).
In dem Abenteuer "Verwehte Spuren"1) (1938) spielte Jakob Tiedtke erstmals unter der Regie von Veit Harlan (1899 – 1964), mit dem er in den nächsten Jahren einige weitere Filme wie "Das unsterbliche Herz"1) (1939) realisierte. Dazu gehörten aber auch der unsägliche Hetz-Steifen "Jud Süss"1) (1940) sowie die Propaganda-Filme "Der große König"1) (1942) und "Kolberg"1) (1945).
Die Zusammenarbeit zwischen Harlan und Tiedtke bestand auch nach dem 2. Weltkrieg fort, Harlan betraute ihn mit kleineren Aufgaben in seinen mit Ehefrau Kristina Söderbaum gedrehten Filmen "Unsterbliche Geliebte"1) (1951), "Hanna Amon"1) (1952) und "Die blaue Stunde"1) (1953). An Tiedtkes weiteren Nachkriegsfilmen sind unter anderem "Das seltsame Leben des Herrn Bruggs"1) (1951), "Königin einer Nacht"1) (1951), "Keine Angst vor großen Tieren"1) (1953), "Damenwahl"1) (1953) "Der Raub der Sabinerinnen"1) (1954), "Emil und die Detektive"1) (1954) sowie zuletzt "Urlaub auf Ehrenwort"1) (1955) zu nennen → Übersicht Tonfilme
Danach zog sich Tiedtke langsam von der Schauspielerei bzw. ins Privatleben zurück. Bis in die 1950er Jahre wirkte er zudem beim Rundfunk mit, insbesondere für den Berliner Sender "RIAS"1) und den "Nordwestdeutsche Rundfunk"1) (NWDR). Eine Auswahl der bei der ARD Hörspieldatenbank gelisteten Produktionen findet man hier.
Auf der Bühne sah man ihn nach Kriegsende unter anderem 1947 im "Lustspielhaus des Westens" in Berlin-Friedenau1) zusammen mit Heli Finkenzeller und deren Ehemann Will Dohm in der Komödie "Götterkinder" von F. D. Andam1) und Werner P. Zibaso1). Einen seiner seiner letzten Erfolge feierte er am Berliner "Schillertheater"1) mit der Rolle des greisen Theodotus in einer Aufführung der Komödie "Cäsar und Cleopatra" von George Bernard Shaw1) mit Walter Franck und Luitgard Im1) in den Titelrollen → Szenenfotos bei deutschefotothek.de. Nach der Vorstellung wurde er für seine Lebensleistung mit dem "Bundesverdienstkreuz"1) ausgezeichnet, der "Verein für die Geschichte Berlins"1) ernannte ihn zum Ehrenmitglied.
  
Jakob Tiedtke (links) zusammen mit (v.l.n.r.) Heli Finkenzeller, Will Dohm und Carl Raddatz in "Götterkinder" von F. D. Andam und Werner P. Zibaso; Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_pk_0000599_005); Copyright SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek; Datierung: 09.1947; Urheber: Abraham Pisarek (1901–1983); Quelle: www.deutschefotothek.de; Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
Jakob Tiedtke (links) zusammen mit (v.l.n.r.) Heli Finkenzeller, Will Dohm und Carl Raddatz
in "Götterkinder" von F. D. Andam und Werner P.. Zibaso
Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_pk_0000599_005)
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek; Datierung: 09.1947
Urheber: Abraham Pisarek1) (1901–1983)
Quelle: www.deutschefotothek.de; Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017

Zu erwähnen ist, dass Tiedtke ein Freund und Förderer des Theaterkritikers und Publizisten Siegfried Jacobsohn1) war. Außerdem verband ihn eine besondere künstlerische Freundschaft mit dem Dramatiker und Schriftsteller Gerhart Hauptmann1). "Hauptmann schrieb später (1921) noch eigens ein Stück für Tiedtke: "Peter Brauer", die Tragikomödie eines malenden Nichtskönners. Es war ein schwaches Stück, aber Tiedtke trug es auf seinem breiten Rücken über hundert Gefahren hinweg einem großen Erfolg entgegen."*) Die Uraufführung erfolgte am 1. November 1921 im Berliner "Lustspielhaus"1), inszeniert von Heinz Saltenburg1).
  
Der Schauspieler, Charakterkomiker und Urberliner Karl Jakob Tiedtke starb wenige Tage nach seinem 85. Geburtstag am 30. Juni 1960 in seinem Häuschen in Berlin-Kladow1). Er war plötzlich in eine tiefe Bewusstlosigkeit verfallen, aus der er nicht mehr erwachte. Die letzte Ruhe fand er auf dem Berliner Friedhof Heerstraße1) (Feld II–Ur6–129–G) → Foto der Grabstelle bei Wikimedia Commons sowie knerger.de. Er hinterließ seine Ehefrau Hanna (Hanny") (27.08.1902 – 13,10.1984), welche später an der Seite ihres Gatten beigesetzt wurde. In seinem Haus "Oben, im "Salong" mit dem Blick auf die Havel, hielt Frau Hanna "Kaffeeklatsch", seine reizende, viel jüngere Gattin mit ihrem zugleich vornehmen und behäbigen baltischen Akzent, die ihrem Manne, wie er sagte, als "Souffleuse und Schofföse" diente, weil er mit ihr seine Rollen memorierte und weil sie ihn nach Berlin ins Theater kutschierte." kann man bei
www.zeit.de lesen.
Tiedtkes schriftlicher Nachlass befindet sich in der "Staatsbibliothek zu Berlin"1). Seine 1951 geschriebenen Erinnerungen, die nie veröffentlicht wurden, nannte er "Aufrichtigkeiten eines ermüdeten Lügners".

Textbausteine stammen von cyranos.ch und diegeschichteberlins.de
S
iehe auch Wikipedia sowie den Artikel bei www.zeit.de
Fotos bei film.virtual-history.com
*) Quelle: diegeschichteberlins.de
Fremde Links: 1) Wikipedia, 3) filmportal.de
Quelle: 2) nach Wikipedia (abgerufen 15.09.2011)
 Lizenz Foto Jakob Tiedtke (Urheber: Emil Stumpp): Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers.
      
Filme
Stummfilme / Tomfilme
Filmografie bei der Internet Movie Database, filmportal.de
(Fremde Links: Wikipedia, Murnau Stiftung, filmportal.de)
Stummfilme (Auszug) Tonfilme (Auszug)
Hörspielproduktionen (Auszug)
(Fremde Links: ARD-Hörspieldatenbank (mit Datum der Erstausstrahlung), Wikipedia)
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