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Der schwedische Tenor Jussi Björling wurde am 2. Februar 19111)
als Johann Jonathan Björling im schwedischen Borlänge
(Provinz Dalarnas län) geboren. Sein
Vater, Karl David Björling, war Stimmpädagoge sowie ein renommierter
Tenor, der in Wien und in New York auftrat, seine Mutter hatte sich
einen Namen als Pianistin gemacht. Seine Gesangsausbildung erhielt
Jussi von seinem Vater schon im Alter von fünf Jahren, stand zusammen
mit ihm sowie den Brüdern Olle und Gösta als "Björling Male
Quartet" auf der Bühne, das nicht nur in Schweden sondern auch
in Amerika Konzerte gab. Im August 1926 löste sich das Quartett in der Provinz Schonen
nach dem plötzlichen Tode des Vaters auf. In Ystad wurde dem fünfzehnjährigen Jussi
eine Stelle als Verkaufsgehilfe in einem Haushaltswarengeschäft von Bekannten vermittelt;
daneben versuchte er, sich etwas Geld bei Gesangsauftritten zu verdienen. In dieser Zeit
wurde seine stimmliche Begabung auch von einem Opern liebenden Apotheker entdeckt.
Dieser kannte Vater David und war zudem befreundet mit John Forsell (1868 1941),
berühmter Bariton und zu der Zeit Leiter der
"Königlichen Oper Stockholm".2)
Dieser nahm Jussi Björling unter seine Fittiche und gab der schönen, fast schon fertigen Tenorstimme des inzwischen jungen
Mannes an der "Königlichen Musikakademie" in Stockholm den letzten
Schliff gab. Am 28. Juli 1930 betrat Björling erstmals eine
Opernbühne und sang am Stockholmer Opernhaus die kleine Rolle des
Lampionaio, den Lampenanzünder in Puccinis "Manon
Lescaut"3).
Jussi Björling als Manrico in Verdis "Der Troubadour"
Urheber unbekannt
Foto: Mit freundlicher Genehmigung von www.cantabile-subito.de
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Sein eigentliches Debüt gab er dann am 20. August des
gleichen Jahres als Don Ottavio in Mozarts "Don Giovanni"3)
an der Seite seines Lehrers Forsell, nur wenig später den Arnold
in Rossinis "Guillaume Tell"3), erregte jedoch zunächst nur
verhaltenes Aufsehen. Für die nächsten fünf Jahre blieb Björling
an der Stockholmer Oper und avancierte dann schnell zu einem auch
weltweit gefragten und umjubelten Tenor.
Seine internationale Karriere begann in Skandinavien, er gab
beispielsweise Gastspiele in Kopenhagen, Oslo, Helsinki und im
Baltikum wie in Riga, erweiterte sukzessive sein Repertoire. Zu
Beginn seiner Laufbahn beherrschte er rund zwanzig Rollen, am Ende waren es
mehr als sechzig. 1936 wurde der Tenor von der Wiener Staatsoper eingeladen,
unter der Leitung von Victor de Sabata den ägyptischen
Feldherrn Radames in Verdis "Aida"3) zu singen, an den Opern
von Prag und Chicago interpretierte er kurz darauf eindrucksvoll den
Herzog von Mantua in Verdis "Rigoletto"3). Seinen ersten Auftritt in
den USA hatte er 1937 in der "Carnegie Hall", sein
Debüt an der New Yorker "Metropolitan Opera" gab er dann 1938 an
der Seite der italienischen Sopranistin Mafalda Favero4) (1903 1981) und
dem australischen Bariton John Brownlee4)
(1900 1969) als Rodolfo
in Puccinis "La Bohème"3), beeindruckte in Luzern noch im
gleichen Jahr mit Arturo Toscanini am Dirigentenpult in Verdis "Messa
da Requiem"3).
Jussi Björling als Rodolfo
in Puccinis "La Bohème"
Urheber unbekannt
Foto: Mit freundlicher Genehmigung von www.cantabile-subito.de
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Während der Kriegsjahre trat Björling vorwiegend an der Stockholmer Oper
auf, einen erneuten Triumph als "Rigoletto" feierte er Ende
November 1945 an der "Met" neben der brasilianischen
Sopranistin Bidu Sayão3)
(1909 1999) und dem amerikanischen Bariton Leonard Warren5)
(1911 1960).
Bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1960 brillierte der Tenor an der "Met" in
fast allen großen Rollen seines Fachs, sowohl in französischer als auch in
italienischer Sprache. Zu seinem herausragenden Verdi-Repertoire
gehörten, neben dem "Rigoletto" und dem "Radames", der
Manrico in "Der Troubadour"3), der
Alfredo in "La Traviata"3), der
Riccardo in "Ein
Maskenball"3) sowie die Heldenrolle in "Don Carlos"3).
Er glänzte
beispielsweise mit der Titelrolle in Gounods "Faust"3) ebenso wie als
Maler Mario Cavaradossi in Puccinis "Tosca"3), als
junger Bauer Turridu in Mascagnis "Cavalleria
Rusticana"3) oder als Canio in Leoncavallos "Der
Bajazzo"3). Daneben gab Björling Liederabende, ging auf Tournee
und nahm rund 650 Schallplatten auf, von denen 400 Live-Aufnahmen
waren. Die meisten Schallplatten, die er zwischen 1930 und 1940 im
Studio aufnahm, fanden unter Leitung des Dirigenten Nils Grevillius
statt. Auch mit Rundfunksendungen wurde Björling populär, bereits
1928 war im Radio zu hören gewesen.
dass Björling (unter dem Pseudonym Erik Odde) auch die belanglosesten Schnulzen singen
konnte und sie durch den Adel seiner Stimme erträglich machte, man höre sich daraufhin einmal
Björlings Operettenaufnahmen an, etwa die
Emmerich-Kalman-Aufnahmen von Beginn der dreißiger Jahre oder das mit unwiderstehlichem Charme
gesungene Lied des "Paris" aus Offenbachs "La Belle Helene".
Diese Aufnahmen sind fast alle in der schwedischen Sprache seiner Heimat gesungen,
in der er auch noch gastierte, als er seine ersten internationalen Auftritte machte.
Die ersten italienisch gesungenen Arienaufnahmen des internationalen Repertoires
machten vor allem in den USA Furore und begünstigten seinen fulminanten Start an der Met 1938.
Die Charakterisierung dieser Stimme fällt gar nicht so leicht. Björling
feierte seine größten Erfolge im italienischen Fach bei Puccini und Verdi,
war aber von der Stimme her eher kein typischer italienischer Tenor. Es ist wohl,
kurz gesagt, die Verbindung eines elegisch-melancholisch getönten Timbres mit der Strahlkraft eines
"lirico-spinto"-Tenors, die den besonderen Reiz
dieses Singens ausmacht. Es mangelte seiner Stimme an der warmen
Sinnlichkeit der großen Italiener, andererseits war dieser Mangel kein
Manko, wie man es wohl bei Björlings Landsmann Nicolai Gedda bei aller Bewunderung feststellen muss.
Es war eine verdeckte, latent schlummernde Sinnlichkeit, die unter der
immer etwas spröden, allen stimmlichen Exzessen aus dem Weg gehenden Haltung Björlings zu
spüren war, eine Mischung aus Distanz und Anziehungskraft. Nur wenige Monate vor seinem plötzlichen
Herztod sang er in einem Konzert im schwedischen Göteborg zum erstenmal in seinem Leben
die Gralserzählung aus Lohengrin, angeblich eine Partie, auf die er sich vorzubereiten gedachte.
Wenn dies wirklich stimmt, dann ist Björlings Tod der größte Verlust für den Wagner-Gesang gewesen, den man sich vorstellen
kann, denn hier hört man die Lohengrin-Stimme par
excellence, die aufgebaut sein muss aus Distanz und Weltenferne und schmerzlich getönter Sinnlichkeit.6)
Jussi Björling, der wegen seiner strahlenden und zugleich samtenen Stimme
oft mit dem legendären Enrico Caruso5)
(1873 1921) verglichen wurde, erlag am 9. September 1960
mit nur 49 Jahren im schwedischen Siaroe (bei Stockholm) den
Folgen eines Herzanfalls; bereits seit 1959 hatte der Tenor mit
Herzproblemen zu kämpfen, seine Auftritte, abgesehen von kurzen
Erholungspausen, jedoch nur unwesentlich eingeschränkt. Im Jahre 1953 zeigten sich erstmals
Stimmprobleme (Laryngitis). In den folgenden Jahren kam eine Herzerkrankung hinzu, so dass er
immer wieder für einige Zeit aus gesundheitlichen Gründen auf Auftritte verzichten musste.
Aufnahmen aus den Jahren 1958 und 1959 lassen ein Nachlassen der Stimmqualität erkennen.
Im Sommer 1959 musste sich Björling in eine längerfristige Heilbehandlung begeben. Offiziell
war von einer akuten Herzerkrankung die Rede; erst Jahrzehnte später sickerte durch,
dass es sich dabei auch um einen Alkoholentzug gehandelt hatte. Der stets von Selbstzweifeln
geplagte Björling hatte in zunehmendem Maße zum Alkohol gegriffen, um, wie die Sopranistin
Elisabeth Söderström berichtete, dem enormen Erwartungsdruck durch das Publikum standzuhalten.2)
Jussi Björling am 6. Mai 1960 mit Nora de Wit am Amsterdamer
Flughafen Schiphol
Rechteinhaber: Nationaal
Archief (Den Haag, Rijksfotoarchief; Bestandsnummer: 911-2246)
Urheber/Fotograf: Lindeboom, Henk / Anefo;
Quelle: Wikimedia
Commons;
Lizenz: www.gahetna.nl/over-ons/open-data
/ CC
BY-SA 3.0 NL
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Jussi Björling hinterließ seine Frau und spätere
Managerin, die Sopranistin Anna-Lisa Berg4) (1910 2006),
sowie seine drei Kinder,
die zwischen 1936 und 1943 geboren worden waren; seine beiden
jüngsten Kinder wurden ebenfalls Sänger. Sein Leben und
seine Karriere sind in der Biografie "Jussi" (1997) von seiner Witwe
Anna-Lisa unter Kooperation mit Andrew Farkas in allen Höhen und Tiefen
beschrieben worden.3)
Jens Malte Fischer gibt in seinem Buch ""Große Stimmen"6)
folgende Literaturhinweise zu Jussi Björling: "An biographischer Literatur herrscht Mangel. Bereits der
Mittdreißiger Björling hat eine kleine Autobiographie verfasst (die aber nur schwedisch existiert),
Med bagaget i strupen (Stockholm 1945). Aus dem gleichen Jahr
stammt ein Buch des jüngeren Bruders Gösta:
Jussi, boken om storebor (Stockholm 1945), aus dem Todesjahr 1960 ein Erinnerungsbuch,
das von Bertil Hagmann herausgegeben wurde:
Jussi Björling, en minnesbok (Stockholm 1960). Eine kaum zu übertreffende Diskographie
ist Harald Henryssons und Jack W. Porters
A Jussi Björling Phonography (Stockholm 1984; englisch) mit einer Chronologie seines Lebens und seiner Auftritte.
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