Die heute weitgehend vergessene Schauspielerin Eva Speyer wurde am 24. August 1882 als Tochter des Börsenmaklers bzw. späteren Spirituosen-Großhändlers Fedor  Speyer und dessen Ehefrau, der Modistin Wilhelminein Berlin geboren. Ausgebildet an der Schule der damals berühmten Theatermimin und Opernsängerin  Marie Seebach1) (1829 – 1897), gab sie 1904 ihr Bühnendebüt im niederschlesischen Hirschberg1) (heute: Jelenia Góra, Polen). 

Ein Jahr später wechselte Eva Speyer ins damals preußische Posen1) (heute: Poznań, Polen), 1906 trat sie ein Engagement an dem zwei Jahre zuvor von Louise Dumont1) (1862 – 1932) und deren Ehemann Gustav Lindemann1) (1872 – 1960) gegründeten "Schauspielhaus Düsseldorf"1) an, wo sie bis zur Spielzeit 1907/08 wirkte.
Anschließend traf sie eine für die damalige Zeit ungewöhnliche Entscheidung und buchte 1908 eine Passage nach Amerika, trat am Theater von Milwaukee1) (Wisconsin) und Chicago1) sowie 1909 in New York1) auf. Im November 1910 kehrte Eva Speyer nach Deutschland zurück, wurde an Berliner Bühnen wie dem "Lessingtheater"1), dem "Trianon-Theater"1) und dem "Kleinen Theater"1) verpflichtet.
Am "Lessingtheater" kam sie mit dem Schauspieler Paul Otto (1878 – 1943) in Kontakt, der sie ermunterte, es bei der aufstrebenden Kinematografie1) zu versuchen. Nach eigenen Angaben2) will sie 1911 das Drama "Nora"1) von Henrik Ibsen1) verfilmt haben: "Eines Tages kam Paul Otto zu mir ins "Lessingtheater" und forderte mich auf, die "Nora" zu verfilmen, zufällig gerade meine Lieblingsrolle! Ich sträubte mich nach der damaligen Auffassung 1911 naturgemäß dagegen. Dann tat ich es schließlich und hatte einen guten Erfolg."2) Eine solche frühe, filmische Adaption lässt sich jedoch nicht belegen.

Foto: Eva Speyer um 1920
Urheber: Alexander Binder1) (1888 – 1929)
Quelle: Wikimedia Commons; Wolff-Karte (unnummeriert)
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Eva Speyer um 1920; Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder (1888 – 1929); Quelle: Wikimedia Commons bzw. Wikipedia; Wolff-Karte (unnummeriert)
Eva Speyer, fotografiert von Wilhelm Willinger (1879–1943); Verlag Hermann Leiser (Berlin), Nr. 1653; Quelle: filmstarpostcards.blogspot.com; Lizenz: gemeinfrei Tatsache ist, dass sich Eva Speyer ab Anfang der 10er Jahre des vergangenen Jahrhunderts intensiv dem Film widmete, in unzähligen stummen Produktionen in Erscheinung trat und rasch zum Star der noch jungen Filmszene avancierte. So erzählte sie rückblickend in einem Interview: "Ich selbst nahm seinerzeit das Filmen als eine angenehme Nebeneinnahmequelle, ohne künstlerisch der Filmerei große Bedeutung abgewinnen zu können. Allmählich gewann ich mit der Vervollkommnung der Technik der Auffassung als bildend und förderndes Mittel für Volk, Literatur und Wissenschaft treibendes Interesse, was mich bewog, meine ganze Kraft in den Dienst der Sache zu stellen. Und so, begeistert von der guten Grundlage der Sache, setzte ich mich durch künstlerisches und natürliches Spiel durch. – Die Volksseele sollte ja gebildet und gefördert werden. Der Film wurde das bequeme billige Mittel hauptsächlich der mittleren und unteren Schichten! – Die Aufgabe zu erfüllen wurde mir eine eiserne Pflicht!"2)  
Überwiegend mimte Eva Speyer leidende Frauenfiguren in den Melodramen jener Ära, wurde von Filmpionieren wie Max Mack1), Harry Piel (u. a. 1912: "Schwarzes Blut"1)), Joe May1), Ernst Reicher (u. a. 1913: "Das Werk"1)) oder Paul von Woringen1) (u. a. 1916: "Du sollst nicht richten"1)) besetzt. Anfangs arbeitete sie für die Berliner "Continental-Kunstfilm GmbH", die mit Eva Speyer bzw. Regisseur Max Mack kassenträchtige Streifen wie "Die gelbe Rasse"1) (1912) und "Die Falle" (1912) oder Joe Mays Melodram "Entsagungen"1) (1913) realisierte.
 
Eva Speyer, fotografiert von
Wilhelm Willinger1) (1879 – 1943)
Verlag Hermann Leiser (Berlin), Nr. 1653
Quelle: filmstarpostcards.blogspot.com
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Mehrfach standr sie, wie bei "Die gelbe Rasse", mit Ernst Rückert vor der Kamera, so unter anderem auch bei den Stummfilmen "Zwischen Himmel und Erde"1) (1913), "Fabrik-Marianne"1) (1913), "Auf dem Felde der Ehre"3) (1913) und "Der Flug zur Westgrenze"1) (1914). Mit Emerich Hanus1) (auch Regie) drehte sie die die Detektiv-Geschichte "Die Nacht von Cory Lane"1) (1916), mit Theodor Loos das Melodram "Das Buch des Lasters"1) (1917), tauchte dann in in einigen von Richard Oswald1) in Szene gesetzten Produktion auf: So trat sie beispielsweise in der auf dem gleichnamigen Bestseller der damals ungemein populären E. Marlitt1) basierenden Adaption "Die zweite Frau" (1918) als die junge Gräfin Juliane von Trachenberg in Erscheinung, zweite Frau des Barons Raoul von Mainau (Alexander von Antalffy1)), der sie nur aus Rache gegenüber der Herzogin (Ilse von Tasso1)), die ihn einst verschmähte, heiratete. In Oswalds vielbeachtetem, vierteiligem Aufklärungsfilm-Zyklus "Es werde Licht!"1) (1918 zeigte sie sich im 2. Teil als Lilly Jensen, in "Das Kainszeichen"1) (1918) neben den Protagonisten Ludwig Hartau und Ernst Pittschau als Therese, Tochter des Gutsbesitzers van Eick (Leo Connard) bzw. Schwester von Egon (Alexander von Antalffy) und in den nach den Romanen von Werner Scheff1) realisierten, die Zerstörung der Zivilisation in der nahen Zukunft thematisierenden Science-Fiction-Filmen "Die Arche"1) (1919) und "Die letzten Menschen"1) (1919) als Helga, Tochter des Reeders Ernst Pogge (Leo Connard).

Eva Speyer auf einer Fotografie von Mac Walten*) (1872 – 1944?)
Quelle: filmstarpostcards.blogspot.com; Photochemie-Karte Nr. 2126
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Eva Speyer auf einer Fotografie von Mac Walten (1872–1944?); Quelle: filmstarpostcards.blogspot.com; Photochemie-Karte Nr. 2126; Lizenz: gemeinfrei
Eva Speyer auf einer Künstlerkarte ("Film Sterne"-Serie/Rotophot Nr. 188/2), aufgenommen im Fotoatelier "Becker &  Maass", Berlin (Otto Becker (1849–1892)/Heinrich Maass (1860–1930)); Quelle: filmstarpostcards.blogspot.com; Lizenz: gemeinfrei Unter der Regie von Alfred Halm1) tauchte Eva Speyer in dem Historienstreifen "Der galante König"4) (1920) mit dem Untertitel "August der Starke" auf und verkörperte neben Rudolf Basil5) als Kurfürst Friedrich August1), genannt "August der Starke", dessen Mätresse1), die schöne Gräfin Aurora von Königsmark1). Es folgten Erik Lunds abenteuerlicher Vierteiler "Der Silberkönig"1) (1921) mit Bruno Kastner in der Titelrolle oder der Part der Maria Teresa von Spanien1), Gemahlin des von Fritz Dekius dargestellten französischen Königs Ludwig XIV.1), in dem Biopic "Louise de Lavallière" (UA: 05.01.1922) mit dem Untertitel "Am Liebeshof des Sonnenkönigs" und Emmy Schaeff als dessen Mätresse Louise de La Vallière1).
Wie sich schon in dem Drama "Volk in Not"1) 1925) mit ihrer Nebenrolle einer Pastorin abzeichnete, rückte diee erfolgsverwöhnte Eva Speyer ab Mitte der 1920er vermehrt in die zweite Reihe und sie musste sich nun mit kleineren Aufgaben zufrieden geben. So erlebte man sie unter anderem als Prostituierte in dem Dram "Dirnentragödie"1) (1927) neben der legendären Asta Nielsen als alternde Dirne Auguste und Werner Pittschau als Student Felix oder als Vorsteherin des Waisenheims in "Der Hafenbaron" (1928) mit Jack Mylong-Münz als "der Hafenbaron" und Colette Brettel1) als Dorrit, die junge Waise. In Gerhard Lamprechts1) Sozialdrama "Unter der Laterne"1) (1928) gehörte sie als Straßenmädchen zur Besetzng oder in dem mit Ida Wüst (Madame Lu) gedrehten Sitten- und Aufklärungs-Streifen "Madame Lu, die Frau für diskrete Beratung"1) (1929) als Gattin von Prof. Römer (Hans Mierendorff), Eltern des frühreifen, pubertierenden 16-jährigen Walter (Robert Thiem1)).
   
Eva Speyer auf einer Künstlerkarte ("Film Sterne"-Serie/Rotophot Nr. 188/2),
aufgenommen im Fotoatelier "Becker &  Maass", Berlin
(Otto Becker (1849–1892)/Heinrich Maass (1860–1930))
Quelle: filmstarpostcards.blogspot.com; Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier
Zu Eva Speyers letzten Arbeiten für den Stummfilm zählte das von Adolf Trotz1) inszenierte Drama "Jugendtragödie"4) (1929), in dem sie die arme Mutter eines Jugendlichen (Roland Varno1)) mimte, der auf die schiefe Bahn gerät → Übersicht Stummfilme
Mit Beginn des Tonfilms war die große Zeit des einst gefeierten Stummfilmstars endgültig vorbei, Eva Speyer stand bis zu ihrem frühen Tod nur noch für drei Produktionen vor der Kamera, zuletzt unter der Regie von Kurt Gerron für den Hans Albers-Krimi "Der weiße Dämon"1) (1932).
  
Eva Speyer starb am 13. August 1975 im Alter von 92 Jahren in Mombasa1) (Kenia1)). Wikipedia notiert: "1921 zog sich Eva Speyer für einige Jahre vom Filmgeschäft zurück, ehe sie ab 1925 in kleineren Rollen wieder mehrmals jährlich auf der Leinwand zu sehen war. Zuletzt meist nur noch für sekundenkurze Auftritte engagiert, fand ihre Karriere mit der "Machtübernahme"1) der Nationalsozialisten 1933 gänzlich ein Ende, da ihr als "Halbjüdin"1) eine Teilnahme am öffentlichen Kulturbetrieb verwehrt wurde. 1935 emigrierte Eva Speyer in die ehemals deutsche, nunmehr unter britischem Mandat stehende Kolonie Tanganjika1), wohin eine ihrer Töchter bereits 1933 ausgewandert war. In Ostafrika konnte sie in ihrem angestammten Beruf nicht mehr Fuß fassen, sondern verdiente ihren Lebensunterhalt als Haushälterin, Krankenschwester und Kindermädchen. Später übersiedelte sie mit ihrer Familie in die kenianische Hauptstadt Nairobi1) und 1968 schließlich nach Mombasa, wo sie kurz vor ihrem 93. Geburtstag als eine der letzten lebenden Protagonistinnen aus der Frühzeit des deutschen Spielfilms starb."
 
Eva Speyer war seit 1907 in erster Ehe mit dem Schauspieler Otto Stoeckel1) (1873 – 1958) verheiratet, der damals ebenfalls zum Ensemble "Düsseldorfer Schauspielhauses" gehörte und mit dem sie 1907 unter anderem in dem von Gustav Lindemann1)) inszenierten Ibsen-Schauspiel "Die Wildente"1) sowie in dessen Neu-Einstudierung von Goethes dramatischen Grille "Der Triumph der Empfindsamkeit"1) auf der Bühne stand –- Hans Sturm1) gab den humoristischen König Andrason, Marianne Kwast (1879 – 1926) dessen Gemahlin Mandandane sowie unter anderem Eva Speyer als Lafu das Hoffräulein der Feria (Fanny Ritter; 1877 – 1933)) und Stoeckel den Prinzen Oronaro → Szenenfoto der Premiere bei Wikipedia sowie Theaterzettel bei digital.ub.uni-duesseldorf.de.
Nach der Heirat trat sie mitunter auch als Eva Speyer-Stoeckel auf; die Verbindung wurde 1911 bereits wieder geschieden. In zweiter Ehe heiratete sie am 5. November 1918 in Berlin den Inhaber der "Ebert-Film GmbH" Karl Robert Ebert (1882 – 1926), in dessen Produktionen sie nun stets in Hauptrollen besetzt wurde. Das spätere "Union-Filmtheater" am Senefelder Platz in Berlin-Prenzlauer Berg1) wurde ihr zu Ehren bei seiner Gründung 1919 "Eva-Speyer-Lichtspiele" benannt. Die Schauspielerin war Mutter von zwei Töchtern, Anna-Liesa (1905 – 1995) und Ottilie Eva Ruth (geb. 31.12.1907 in Düsseldorf). (Quelle: Wikipedia sowie www.europeansineastafrica.co.uk)
Quelle (unter anderem): Wikipedia, cyranos.ch
Fotos bei filmstarpostcards.blogspot.com
Fremde Links: 1) Wikipedia,  3) Murnau Stiftung, 4) filmportal.de, 5) cyranos.ch
Quelle:: 2) Interview mit Eva Speyer bei sophie.byu.edu ("Die Frau im Film", Verlag Altheer & Co., Zürich 1919)
*) Mac Walten, das ist der Verwandlungskünstler Max Grünthal, der als "Mac Walten" bzw. der "Mann mit dem geheimnisvollen Rock" auftrat. Er verabschiedete sich 1920 von der Bühne, eröffnete in der Berliner Friedrichstraße ein Fotostudio und lichtete viele Artistenkollegen in Originalposen ab. Seine Spur verliert sich im Jahre 1936, nachdem er als Jude vor den Nazis in die Niederlande geflohen war. (Quelle: www.scheinschlag.de)
Lizenz Foto Eva Speyer (Urheber: Alexander Binder/Wilhelm Willinger/Mac Walten): Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers.
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Filme
Stummfilme / Tonfilme
Filmografie bei der Internet Movie Database, filmportal.de sowie
frühe Stummfilme bei "The German Early Cinema Database"
(Fremde Links: Wikipedia, Murnau Stiftung, filmportal.de, cyranos.ch; R = Regie)
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